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Kapitel 14

In Rose Hill hatte Tyler gerade den Hörer aufgelegt.»Fitzgerald meint, daß die Sache wasserdicht ist und nichts an die Medien gelangen wird. Der Friedhofsverwaltung könne an negativer Reklame nicht gelegen sein, Dr. Collins sei von seinem Chef im Amt des Leichenbeschauers zu Stillschweigen verpflichtet worden, und Perry Winger könne man vertrauen, der werde sowieso nicht reden.«

Woody hörte überhaupt nicht zu.»Ich weiß nicht, wie sie das hingekriegt hat! Das Miststück!«schimpfte er.»Aber damit kommt sie mir nicht durch!«Seine Augen glühten, er versuchte die anderen herauszufordern, Position zu beziehen.»Ihr teilt meine Meinung wohl nicht, daß es ihr Werk war?«

«Ich muß dir beipflichten, Woody, leider. «Tyler sprach langsam, gedehnt, als wenn es ihm schwerfiele, es zuzugeben.»Ich wüßte wirklich niemanden außer ihr, der ein Motiv gehabt haben könnte. Die Frau ist äußerst raffiniert, sie hat Ideen, und sie arbeitet mit Sicherheit nicht allein. Wenn ich nur wüßte, mit wem oder was wir es hier zu tun haben!«

«Und was machen wir jetzt?«fragte Kendall.

Tyler zuckte mit den Schultern.»Offen gesagt, ich weiß es auch nicht. Und das macht mich sehr unglücklich, weil ich nämlich davon überzeugt bin, daß sie gerichtliche Schritte unternehmen wird, um ihr Erbteil einzuklagen.«

«Und hat sie eine Chance, den Prozeß zu gewinnen?«fragte Peggy schüchtern.

«Ich fürchte, ja. Sie hat große Überzeugungskraft. Sie hat es ja sogar geschafft, einige von uns zu überzeugen.«

«Aber wir müssen etwas unternehmen «rief Marc.»Warum schalten wir eigentlich nicht die Polizei ein?«»Wie Fitzgerald vorhin am Telefon erwähnte, ist die Polizei bereits wegen des Verschwindens der Leiche eingeschaltet worden, sie kommt aber auch nicht weiter. Im übrigen will die Polizei die Sache möglichst geheimhalten, weil sie befürchtet, daß sonst alle möglichen Verrückten mit einer Leiche anrücken.«

«Aber wir könnten die Polizei doch bitten, diese Hochstaplerin unter die Lupe zu nehmen.«

Tyler schüttelte heftig den Kopf.»Das ist nichts für die Polizei. Das ist eine Privat…«Er hielt inne und wurde auf einmal nachdenklich:»Moment mal. Wißt Ihr, was…«

«Was?«

«Wir könnten doch einen Privatdetektiv mit ihrer Entlarvung beauftragen!«

«Keine schlechte Idee. Kennst du jemanden?«

«Nicht in Boston. Es wäre natürlich möglich, Fitzgerald zu bitten, jemanden für uns zu finden. Oder…«Er zögerte.»Ich bin ihm zwar nie persönlich begegnet, ich weiß aber von einem Privatdetektiv in Chicago, den der Staatsanwalt häufig einsetzt und der einen ausgezeichneten Ruf hat.«

«Warum bemühen wir uns dann nicht um ihn?«schlug Marc vor.

Tylers Blick wanderte über die Anwesenden.»Seid ihr damit einverstanden?«

«Was haben wir schon zu verlieren?«meinte Kendall.

«Die Sache könnte teuer werden«, warnte Tyler.

Woody schnaubte verächtlich.»Was redest du da von teuer? Es geht um Millionen!«

«Natürlich. «Tyler nickte.»Du hast völlig recht.«

«Wie heißt der Privatdetektiv?«

Tyler überlegte.»Ich kann mich nicht genau erinnern. Simpson… Simmons… Nein, das ist nicht sein Name. Aber so ähnlich — ich könnte beim Staatsanwalt in Chicago nachfragen.«

Alle beobachteten Tyler, als er den Hörer des Telefons auf dem Wandtisch abhob, wählte und zwei Minuten später einen Staatsanwalt an der Leitung hatte.»Hier Richter Tyler Stanford. Ihr Amt setzt meines Wissens gelegentlich einen Privatdetektiv ein, der ausgezeichnete Arbeit leistet. Der Name lautet so ähnlich wie Simmons oder…«

«Ach so«, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung.»Sie meinen wohl Frank Timmons.«

«Timmons! Ja, genau.«Über Tylers Gesicht zog das Lächeln eines Menschen, der erleichtert feststellt, daß auf sein Gedächtnis doch noch einigermaßen Verlaß ist.»Ob Sie mir wohl freundlicherweise seine Telefonnummer geben könnten, damit ich mich mit ihm in Verbindung setzen kann?«

Tyler notierte eine Nummer und legte auf.

«Also gut«, meinte Tyler.»Wenn ihr damit einverstanden seid, will ich versuchen, ihn zu erreichen.«

Alle nickten.

Am darauffolgenden Nachmittag saßen sie in der Bibliothek zusammen, als Clark Mr. Timmons ankündigte.

Er war ein Mann in den Vierzigern, blaß, der Körper gedrungen und stämmig wie bei einem Boxer. Er hatte eine gebrochene Nase und helle, forschende Augen, die von Tyler über Marc zu Woody wanderten, fragend:»Richter Stanford?«

«Der bin ich«, sagte Tyler.

«Frank Timmons«, stellte er sich vor.

«Nehmen Sie doch bitte Platz.«

«Danke. «Timmons setzte sich.»Das waren Sie, mit dem ich am Telefon gesprochen habe, nicht wahr?«

«Ja.«

«Um ganz ehrlich zu sein — ich weiß nicht so recht, ob ich Ihnen sehr nützlich sein kann. Hier in Massachusetts habe ich zu den Behörden keinerlei Beziehungen.«

«Es handelt sich um etwas ganz und gar Inoffizielles«, beruhigte ihn Tyler.»Wir bitten Sie nur um Aufklärung über die familiäre Herkunft einer jungen Dame.«

«Sie erwähnten am Telefon, daß sie sich als Ihre Halbschwester ausgibt und daß für einen DNS-Test die nötigen Voraussetzungen fehlen.«

«Richtig!«antwortete Woody.

«Sie glauben aber nicht«, er schaute die Anwesenden der Reihe nach fragend an,»daß sie Ihre Halbschwester ist?«

Daraufhin herrschte kurzes Schweigen.

«Nein, keineswegs«, erwiderte Tyler.»Andererseits besteht natürlich auch die Möglichkeit, daß sie die Wahrheit sagt. Unser Auftrag an Sie lautet, unwiderlegbare Beweise dafür beizubringen, ob die Dame echt oder eine Hochstaplerin ist.«

«Kein Problem. Mein Honorar beträgt tausend Dollar pro Tag, zuzüglich Spesen.«

Tyler schluckte. »Tausend…«

«Die zahlen wir Ihnen!«überstimmte Woody seinen Bruder.

«Ich brauche sämtliche Informationen über die Frau, die Sie besitzen.«

«Das ist nicht gerade viel«, sagte Kendall.

«Sie hat keinerlei Beweise für ihre Behauptung«, berichtete Tyler.»Und die Geschichten aus unseren Kindertagen, die sie angeblich von ihrer Mutter gehört hat…«

Timmons hob abwehrend eine Hand.»Moment! Wer war ihre Mutter?«

«Ihre angebliche Mutter war eine Gouvernante namens Rosemary Nelson, die uns Kinder damals betreut hat.«

«Was passierte mit ihr?«

Sie wechselten verlegene Blicke.

«Sie hatte«, sagte Woody,»ein Verhältnis mit unserem Vater und wurde schwanger. Daraufhin hat sie sich aus dem Staub gemacht und hat dann ein Mädchen zur Welt gebracht. «Er zuckte mit den Schultern.»Sie ist spurlos verschwunden.«

«Verstehe. Und diese junge Frau gibt vor, ihre Tochter zu sein?«

«So ist es.«

«Das sind nicht gerade viele Anhaltspunkte. «Timmons dachte nach.»In Ordnung«, meinte er schließlich.»Ich will sehen, was sich machen läßt.«

Als erstes suchte er die Boston Public Library auf, wo er sämtliche Zeitungsberichte auf Mikrofiches über den sechsundzwanzig Jahre zurückliegenden Skandal betreffend Harry Stanford, die Gouvernante und den Selbstmord von Mrs. Stanford las. Was er da an Material fand, hätte genug Stoff für einen Roman abgegeben.

Sein zweiter Schritt bestand darin, daß er Simon Fitzgerald einen Besuch abstattete.

«Mein Name ist Frank Timmons. Ich…«

«Ich weiß über Sie Bescheid, Mr. Timmons. Richter Stanford hat mich gebeten, Ihnen behilflich zu sein. Was kann ich für Sie tun?«

«Ich möchte die uneheliche Tochter Harry Stanfords ausfindig machen. Sie ist jetzt etwa sechsundzwanzig Jahre alt, nicht wahr?«

«Richtig. Sie wurde am 9. August 1969 im St.-Josephs-Krankenhaus in Milwaukee, Wisconsin, geboren. Ihre Mutter hat ihr den Namen Julia gegeben. «Er zuckte mit den Schultern.»Die beiden sind nie wieder aufgetaucht. Bedaure, aber das ist alles, was wir an Informationen über die beiden besitzen.«

«Es ist immerhin etwas«, meinte Timmons.»Damit ist wenigstens ein Anfang gemacht.«

Die Verwaltungsdirektorin des St.-Josephs-Krankenhauses in Milwaukee, Mrs. Dougherty, eine grauhaarige Dame in den Sechzigern, konnte sich noch erinnern.

«Aber natürlich«, sagte sie.»Wie hätte ich das vergessen können? Das war doch ein Riesenskandal, darüber haben damals alle Zeitungen berichtet — die Reporter haben herausgefunden, wer Rosemary Nelson war und die Arme überhaupt nicht mehr in Ruhe gelassen.«

«Und wohin ist sie mit ihrem Kind verzogen?«

«Das weiß ich nicht. Sie hat uns keine Nachsendeadresse hinterlassen.«

«Hat sie denn vor ihrer Entlassung die Rechnung für die Entbindung bezahlt?«

«Um die Wahrheit zu sagen — nein, das hat sie nicht.«

«Und wieso ist Ihnen das heute noch erinnerlich?«

«Weil das Ganze eine so traurige Geschichte war. Ich kann mich noch erinnern, sie hat in dem gleichen Stuhl gesessen, in dem jetzt Sie sitzen, und hat mir gebeichtet, daß sie nur einen Teil der Summe zahlen könne, und versprochen, den Rest später zu schicken. Na ja, natürlich war das gegen die Bestimmungen, aber sie hat mir so leid getan, sie war nämlich schwer krank, als sie uns verließ, müssen Sie wissen, da habe ich also eingewilligt.«

«Und sie hat Ihnen die Restsumme später tatsächlich überwiesen?«

«O ja, gewiß. Etwa zwei Monate später. Und jetzt fällt es mir auch wieder ein — sie hatte bei einer Sekretärinnenvermittlung eine Anstellung gefunden.«

«Sie können sich nicht zufällig auch noch an den Ort erinnern?«

«Leider nein. Du meine Güte, Mr. Timmons — das liegt nun schon sechsundzwanzig Jahre zurück!«

«Eine letzte Frage, Mrs. Dougherty: Heben Sie die Akten ehemaliger Patienten auf?«

«Selbstverständlich. «Sie hob den Blick.»Möchten Sie, daß ich die Unterlagen von Miss Nelson heraussuche?«

Er schenkte ihr sein liebenswürdigsten Lächeln.»Wenn es Ihnen nichts ausmacht.«»Würde es Rosemary helfen?«

«Es würde ihr sogar sehr helfen.«

«Wenn Sie mich einen Moment entschuldigen würden.«

Mrs. Dougherty ließ ihn allein.

Eine Viertelstunde später war sie wieder zurück — mit einem Blatt Papier in der Hand.»Da haben wir es: Rosemary Nelson. Die Absenderadresse lautet: The Elite Typing Service, Omaha, Nebraska.«

Der Elite Typing Service in Omaha, Nebraska, wurde von einem gewissen Mr. Otto Broderick geleitet, der das sechzigste Lebensjahr bestimmt längst überschritten hatte.

Er protestierte.»Wenn Sie wüßten, wie viele Frauen wir beschäftigen! Wie soll ich mich da an eine erinnern, die hier vor so langer Zeit tätig war?«

«Es war aber eine ziemlich ungewöhnliche Angestellte — eine alleinstehende Frau Ende Zwanzig, kränkelnd, mit einem Baby, das kurz davor zur Welt gekommen war und…«

«Rosemary!«

«Genau. Und wieso können Sie sich jetzt auf einmal doch an sie erinnern?«

«Nun ja, per Assoziation. Sie verstehen etwas von Mnemotechnik?«

«Ja.«

«Also — ich praktiziere eine Mnemotechnik, die sich auf das Assoziieren von Wörtern und Begriffen stützt. Damals kam gerade ein Film mit dem Titel Rosemarys Baby in die Kinos, und als sich fast gleichzeitig Rosemary bei uns bewarb und erwähnte, daß sie erst kürzlich ein Baby bekommen hätte, da habe ich eine Verbindung hergestellt und…«

«Wie lang hat Rosemary Nelson bei Ihnen gearbeitet?«

«Ach, ein Jahr ungefähr. Dann hat nämlich die Presse Wind davon bekommen, wissen Sie, und die Reporter gaben keine Ruhe mehr. Sie hat die Stadt mitten in der Nacht verlassen, um den Journalisten zu entwischen.«

«Und haben Sie eine Idee, wohin sie abgereist sein könnte, Mr. Broderick?«

«Meines Wissens nach Florida, denn sie brauchte ein wärmeres Klima. Ich habe sie einer mir bekannten Agentur empfohlen.«

«Darf ich den Namen dieser Agentur erfahren?«

«Gewiß. Es handelt sich um die Gale Agency. Daran kann ich mich noch erinnern, weil ich den Namen der Agentur mit den Stürmen assoziierte, von denen Florida jährlich heimgesucht wird.«

Zehn Tage nach seiner ersten Zusammenkunft mit den Stanfords war er wieder in Rose Hill, nachdem er sich telefonisch angekündigt hatte. Als er das Wohnzimmer betrat, wurde er schon sehnsüchtig erwartet.

«Sie erwähnten, daß Sie uns Neuigkeiten mitzuteilen hätten, Mr. Timmons«, hob Tyler an.

«So ist es. «Timmons öffnete seine Aktentasche und zog einen Stapel Unterlagen heraus.»Ein außergewöhnlich interessanter Fall«, begann er.»Als ich zunächst…«

«Kommen Sie zur Sache!«fiel ihm Woody ins Wort.»Ist sie eine Hochstaplerin? Ja oder nein?«

Timmons blickte von seinen Papieren auf.»Wenn es Ihnen recht ist, Mr. Stanford, würde ich die Sache gern auf meine Art präsentieren.«

Tyler warf Woody einen ermahnenden Blick zu.»Selbstverständlich, fahren Sie bitte fort.«

Er konsultierte seine Aufzeichnungen.»Mrs. Rosemary Nelson, ehemals Gouvernante bei den Stanfords, hatte ein Kind weiblichen Geschlechts, dessen Erzeuger Harry Stanford war. Sie ist mit diesem ihrem Kind nach Omaha, Nebraska, verzogen, wo sie beim Elite Typing Service beschäftigt war. Wie ich von dem Arbeitgeber erfuhr, bekam sie dort jedoch

Schwierigkeiten mit dem Klima.

Daraufhin bin ich ihrer Spur nach Florida gefolgt, wo sie für die Gale Agency gearbeitet hat. Sie ist ziemlich oft umgezogen, es ist mir jedoch gelungen, ihr und der Tochter bis nach San Francisco zu folgen, wo die beiden bis vor genau zehn Jahren ansässig waren. Von da an sind sie von der Bildfläche verschwunden. «Er hob den Kopf.

«Und das ist alles, Timmons?«fuhr ihn Woody barsch an.»Sie haben die Spur verloren?«

«Nein, das ist nicht alles. «Er griff erneut in seine Aktentasche und nahm ein weiteres Stück Papier heraus.»Die Tochter, diese Julia, hat im Alter von siebzehn Jahren einen Führerschein beantragt.«

«Und inwiefern könnte uns das jetzt weiterhelfen?«fragte Marc.

«Bei solchen Anträgen verlangt der Staat Kalifornien die Abnahme der Fingerabdrücke des Fahrers. «Er hielt eine Karte hoch.»Ich bin im Besitz der Fingerabdrücke der wahren Julia Stanford.«

Tylers Stimme verriet Erregung.»Aha! Und im Fall einer Übereinstimmung…«

«Wäre sie tatsächlich unsere Schwester«, vollendete Woody den Satz.

Timmons nickte mit dem Kopf.»Genau. Ich habe eine mobile Ausrüstung zur Abnahme von Fingerabdrücken mitgebracht — für den Fall, daß ich die Überprüfung der Abdrücke jetzt gleich durchführen soll. Ist sie anwesend?«

«Sie hält sich in einem Hotel am Ort auf«, antwortete Tyler.»Ich habe jeden Morgen mit ihr gesprochen, um sie zu überreden, in Boston zu bleiben, bis die Angelegenheit geklärt ist.«

«Sie sitzt in der Falle!«jubelte Woody.»Los! Fahren wir zu ihr!«

Als die Gruppe eine halbe Stunde ihr Zimmer im Tremont Hause betrat, war sie gerade beim Kofferpacken.

«Wo wollen Sie denn hin?«fragte Kendall.

Sie trat ihnen einen Schritt entgegen.»Nach Hause. Es war ein Fehler, daß ich überhaupt hierhergekommen bin.«

«Aber, aber«, meinte Tyler pikiert,»Sie können doch uns nicht die Schuld geben…«

Sie ging mit blitzenden Augen auf ihn los.»Seit meiner Ankunft, vom ersten Augenblick an, ist mir nichts als Mißtrauen entgegengeschlagen. Sie glauben, ich sei nur gekommen, um Ihnen Geld wegzunehmen. Also, das ist nicht wahr. Ich bin hier, weil ich meine Angehörigen kennenlernen wollte. Ich… Ach, Schwamm drüber. «Sie machte sich wieder ans Packen.

«Ich möchte Ihnen Frank Timmons vorstellen«, sagte Tyler.»Er ist Privatdetektiv.«

Sie blickte auf.»Was soll das nun schon wieder? Bin ich etwa verhaftet?«

«Keineswegs, Ma'am. Julia Stanford hat im Alter von siebzehn Jahren in San Francisco den Führerschein erworben.«

Sie hielt inne.»Ja, ist das etwa strafbar?«

«Nein, Ma'am. Die Sache ist die…«

«Die Sache ist die«, mischte sich Tyler ein,»daß sich auf diesem Führerschein Julia Stanfords Fingerabdrücke befinden.«

Sie schaute sie ratlos an.»Ich verstehe nicht. Was…«

Woody hob die Stimme.»Wir möchten Ihre Fingerabdrücke anhand der Registrierkarte vom Verkehrsamt überprüfen.«

Sie preßte die Lippen zusammen.»Nein! So lasse ich mich nicht behandeln.«

«Soll das etwa heißen, daß Sie sich die Fingerabdrücke nicht abnehmen lassen wollen?«

«Genau.«

«Und warum nicht?«wollte Marc wissen.

Sie hatte sich total verkrampft.»Weil Sie mir das Gefühl geben, eine Verbrecherin zu sein. Ich komme mir ja schon fast selber wie eine vor, aber jetzt ist es genug. Lassen Sie mich bitte in Frieden!«

«Aber das gibt Ihnen doch die Chance zu beweisen, daß Sie tatsächlich Julia Stanford sind. Im übrigen sind wir nicht weniger verunsichert wie Sie, uns liegt sehr an einer definitiven Klärung der Frage.«

Sie richtete sich auf, sah ihnen ins Gesicht, einem nach dem anderen, und sagte schließlich müde und erschöpft:»Na schön, bringen wir es hinter uns.«

«Gut.«

«Mr. Timmons…«, sagte Tyler.

«In Ordnung. «Er holte ein kleines Fingerabdruckset aus der Aktentasche, stellte es auf den Tisch und öffnete das Stempelkissen.»Wenn Sie bitte näher treten würden.«

Die anderen schauten gebannt zu. Timmons nahm Julias Hand, drückte einen Finger nach dem anderen auf das Stempelkissen und preßte die Fingerballen anschließend auf ein weißes Tuch.»Also — das war doch gar nicht so schlimm, oder?«

Er nahm die Fingerabdrücke und legte sie neben den Führerschein.

Die anderen traten an den Tisch und verglichen die beiden Muster: Sie waren identisch.

Woody sprach es als erster aus.»Sie… sind… identisch.«

Kendall betrachtete die junge Frau mit einem Ausdruck widerstreitender Gefühle.»Dann sind Sie also wirklich unsere Schwester, nicht wahr?«

Sie lächelte unter Tränen.»Das habe ich Ihnen doch die ganze Zeit über klarzumachen versucht.«

Plötzlich sprachen alle durcheinander.

«Unglaublich…«

«Nach all diesen Jahren…«»Warum ist deine Mutter bloß nie zurückgekommen…«

«Entschuldige, daß wir dir die Sache so schwergemacht haben…«

Sie lächelte strahlend.»Ist schon gut, jetzt ist alles gut.«

Woody nahm die Karte mit den Fingerabdrücken vom Tisch und betrachtete sie mit einer ehrfürchtigen Miene.»Mein Gott! So eine kleine Karte — und eine Milliarde wert!«Er steckte sie in die Jackentasche.»Ich lasse sie mir in Bronze gießen.«

«Das ist ein Grund zum Feiern!«rief Tyler.»Ich schlage vor, daß wir nach Rose Hill zurückfahren. «Er schenkte ihr ein warmes Lächeln.»Wir werden eine herzliche Willkommensparty für dich geben. Also — machen wir uns auf den Weg.«

Julia schaute sie mit Tränen in den Augen an.»Es ist wie ein Traum — wie ein Traum, der wahr wird. Ich bin endlich zu Hause bei meiner Familie!«

Eine halbe Stunde später waren alle wieder in Rose Hill. Julia richtete sich in ihrem neuen Zimmer ein, die anderen blieben unten in lebhaftem Gespräch zurück.

«Ihr muß ja zumute sein wie nach einem Verhör durch die Inquisition«, überlegte Tyler.

«Das war's wohl auch«, meinte Peggy.»Ich versteh überhaupt nicht, wie sie's durchgehalten hat.«

«Ich bin nur neugierig«, meinte Kendall,»wie sie wohl mit dem neuen Leben zurechtkommen wird.«

«So wie wir alle«, erwiderte Woody,»mit Champagner und Kaviar.«

Tyler erhob sich.»Ich bin jedenfalls froh, daß nun endlich alles geklärt ist. Ich gehe kurz nach oben und schaue, ob ich ihr behilflich sein kann..

Er ging nach oben und lief über den Flur bis zu ihrem Zimmer. Er klopfte an die Tür und rief laut:»Julia?«

«Die Tür ist offen. Komm herein!«

Er blieb an der Tür stehen, und die beiden schauten sich schweigend an. Dann schloß Tyler die Tür hinter sich und kam ihr mit ausgestreckten Armen und unverschämt schadenfroher Miene entgegen.

«Wir haben es geschafft, Margo! Wir haben es geschafft!«