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Kapitel 15

Er hatte alles geplant, Zug um Zug, mit jener unglaublichen Fähigkeit analytischen Denkens, mit dem er beim Schachspielen immer glänzte — nur daß es sich hier um das lukrativste Schachspiel der Weltgeschichte handelte, bei dem es um Dollarmilliarden ging — und er hatte gesiegt! Er war von einem Gefühl unvorstellbarer Macht erfüllt. War es diese Art von Selbstwertgefühl, die dich nach großen Deals überwältigt hat, Vater? Aber einen solch großen Deal wie ich jetzt hast du in deinem ganzen Leben nie geschafft. Ich habe mir das perfekte Verbrechen des Jahrhunderts ausgedacht — und mit Erfolg durchgeführt! Ich bin damit durchgekommen!

In gewissem Sinne hatte er es Lee zu verdanken, mit ihm hatte alles angefangen — Lee,»der schönste, wunderbarste Mensch«, der Mensch, den er über alles liebte. Sie hatten sich im» Berlin «kennengelernt, der Schwulenbar an der West Belmont Avenue; einem so schönen Mann wie dem großen, muskulösen, blonden Lee war Tyler vorher noch nie begegnet.

Begonnen hatte es mit einer Einladung Tylers:»Darf ich Ihnen einen Drink spendieren?«

Woraufhin Lee ihn von oben bis unten gemustert und dann mit dem Kopf genickt hatte:»Das wäre nett.«

Nach dem zweiten Drink hatte Tyler vorgeschlagen:»Warum gehen wir nicht zu mir?«

«Ich bin aber teuer«, hatte Lee daraufhin mit einem offenen Lächeln erwidert.

«Wie teuer?«

«Fünfhundert Dollar pro Nacht.«

Tyler hatte keine Sekunde gezögert.»Gehen wir.«

Lee war die ganze Nacht geblieben.

Lee zeigte sich aufgeschlossen, einfühlsam und liebevoll. Tyler hatte solche menschliche Nähe nie erlebt, wurde von Empfindungen überwältigt, von denen er nicht einmal gewußt hatte, daß es sie gab, und war am Morgen danach hoffnungslos verliebt.

Frühere Gewohnheiten — im» Cairo«, im» Bijou Theatre «und etlichen anderen Schwulentreffs in Chicago hatte er junge Männer aufgelesen — waren plötzlich Vergangenheit; er wußte, daß er ein neues Leben anfangen mußte und nur noch Lee begehrte.

«Was würdest du gern am Abend unternehmen?«erkundigte Tyler sich beim Vorbereiten des Frühstücks.

Lee sah ihn überrascht an.»Heute abend bin ich leider schon verabredet.«

Tyler glaubte, einen Schlag in die Magengegend bekommen zu haben.

«Aber Lee… Ich dachte, daß wir beide, du und ich…«

«Tyler, mein Lieber, ich bin ein kostbares Gut und gehe immer zum Meistbietenden. Ich hab dich wirklich gern, bin aber für dich wohl kaum erschwinglich.«

«Ich kann dir alles bieten, was du willst«, versprach Tyler.

Lee lächelte.»Wirklich? Na gut — ich würde gern auf einer schönen weißen Jacht nach St-Tropez segeln. Verfügst du dafür über die nötigen Mittel?«

«Ich bin reicher als alle deine Freunde zusammen, Lee.«

«Ach ja? Ich dachte, du hättest dich mir als Richter vorgestellt.«

«Natürlich, das bin ich auch, ja, aber ich werde einmal reich sein. Ich meine… steinreich.«

Lee legte ihm einen Arm um die Schulter.»Sei mir nicht böse, Tyler, aber bis Mittwoch nächster Woche bin ich vergeben. Übrigens — das Rührei scheint fertig zu sein.«

Das war der Auslöser gewesen. Nicht, daß für Tyler Geld vorher unwichtig gewesen wäre, doch von dem Moment an war er wie besessen davon. Er brauchte es für Lee, der sein ganzes Denken und Handeln bestimmte; der Gedanke, daß Lee mit anderen Männern ins Bett ging, war Tyler unerträglich. Ich muß ihn ganz für mich haben.

Tyler hatte seit seinem zwölften Lebensjahr gewußt, daß er homosexuell war. Eines Tages hatte ihn sein Vater mit einem Schulkameraden beim Schmusen überrascht und ihn mit maßlosem Zorn überschüttet.»Nicht zu fassen — mein Sohn eine Tunte! Wenigstens kenne ich jetzt dein dreckiges kleines Geheimnis — aber paß nur auf, ich werde dich im Auge behalten, Süße.«

Daß Tyler heiratete, war ein Treppenwitz der Weltgeschichte, den ein Gott mit Sinn für schwarzen Humor riß.

«Ich muß dich unbedingt mit jemandem bekannt machen«, hatte Harry Stanford Tyler erklärt.

Es war zu Weihnachten gewesen, und Tyler war über die Feiertage in Rose Hill. Kendall und Woody waren bereits wieder abgereist, und Tyler packte gerade seine Koffer, als die Bombe platzte.

«Du wirst heiraten.«

«Ich? Heiraten? Ausgeschlossen! Ich werde nie…«

«Nun hör mir mal gut zu, Süße. Die Leute fangen an, über dich zu reden. Das kann ich nicht dulden, denn es schadet meinem guten Ruf. Aber wenn du heiratest, werden die Leute das Maul halten.«

Tyler wehrte sich.»Die Leute können sagen, was sie wollen«, erwiderte er trotzig,»das ist mir völlig egal. Es ist schließlich mein Leben.«

«Und ich möchte, daß dir ein reiches Leben beschert wird, Tyler. Ich werde langsam älter, und es wird nicht mehr lang dauern…«Er zuckte mit den Schultern. Zuckerbrot und

Peitsche.

Naomi Schuyler war nicht eben eine Schönheit. Sie kam aus einer kleinbürgerlichen Familie, gierte nach gesellschaftlichem Aufstieg und war vom Status und dem Namen Harry Stanford dermaßen beeindruckt, daß sie seinen Sohn wahrscheinlich sogar geheiratet hätte, wenn er Tankwart gewesen wäre und nicht Richter.

Auf die Frage, wieso er eigentlich mit Naomi ins Bett gegangen war — er hatte ein einziges Mal mit ihr geschlafen —, erwiderte Harry Stanford:»Weil sie gerade da war.«

Und weil sie ihm danach auf die Nerven ging, kam er auf die Idee, daß sie genau die Richtige für Tyler wäre. Und was Harry Stanford wollte, das bekam er auch.

Die Hochzeit fand zwei Monate später statt, eine» kleine Hochzeit «mit nur einhundertfünfzig Gästen, anschließend reiste das junge Paar nach Jamaica in die Flitterwochen, die die reinste Katastrophe wurden.

«Verdammt, wen hab ich da geheiratet!?«tobte Naomi in der Hochzeitsnacht.»Mann! Wozu hast du bloß einen Schwanz?«

Tyler versuchte sie zu beruhigen.»Wir müssen aber doch nicht sexuell miteinander… es kann doch jeder seinen eigenen Weg gehen, auch wenn wir zusammenleben. Da hat eben jeder von uns… Freunde.«

«Darauf kannst du Gift nehmen! Und ob ich mir einen Freund suchen werde!«

Naomi rächte sich, indem sie sich einem wahren Konsumrausch hingab, in Chicago nur die teuersten Geschäfte beehrte und obendrein Einkaufsreisen nach New York unternahm.

«Solche Extravaganzen kann ich mir bei meinem Einkommen nicht leisten«, klagte Tyler.

«Dann sieh zu, daß du eine Gehaltserhöhung bekommst. Ich bin nun einmal deine Frau und habe Anspruch darauf, daß du mich unterhältst.«

Tyler suchte seinen Vater auf, um ihm seine Notlage darzulegen.

Harry Stanford grinste.»Frauen können verdammt kostspielig sein, nicht wahr? Aber damit mußt du klarkommen.«

«Aber Vater, ich brauche etwas…«

«Eines Tages wirst du alles Geld besitzen, das du dir nur wünschen kannst.«

Tyler versuchte, es Naomi klarzumachen. Naomi verspürte jedoch keinerlei Neigung, auf» die große Zukunft «zu warten, da sie befürchtete, daß»die große Zukunft «eventuell für immer auf sich warten ließe. Als sie alles aus Tyler herausgepreßt hatte, was möglich war, reichte sie die Scheidungsklage ein, gab sich mit dem zufrieden, was noch auf seinem Bankkonto verblieben war und verschwand auf Nimmerwiedersehen.

Harry Stanford quittierte die Nachricht mit den Worten:»Tunte bleibt Tunte.«

Damit war die Sache für ihn erledigt.

Harry Stanford hatte alles getan, was in seiner Macht stand, um Tyler zu demütigen. Während eines Prozeßtages war der Gerichtsdiener — während der Verhandlung! — an Tyler herangetreten, um ihm zuzuflüstern:»Verzeihung, Euer Ehren…«

Tyler hatte sich irritiert nach ihm umgedreht und gesagt:»Ja?«

«Telefon für Sie.«

«Wie bitte?! Sind Sie verrückt? Ich befinde mich mitten in einem…«

«Ihr Herr Vater ist am Telefon, Euer Ehren. Es sei sehr dringend, er müsse Sie sofort sprechen.«

Tyler kochte innerlich: Sein Vater hatte nicht das Recht, ihn bei seiner Arbeit zu stören. Er war drauf und dran, den Anruf nicht anzunehmen. Andererseits, wenn es nun doch wichtig wäre…

Tyler erhob sich.»Die Sitzung wird für eine Viertelstunde unterbrochen.«

Tyler rannte in sein Büro und ergriff den Hörer.»Vater?«

«Hoffentlich störe ich nicht, Tyler. «Der boshafte Ton in der Stimme war nicht zu überhören.

«Um ganz ehrlich zu sein — du störst. Ich bin mitten in einem Prozeß und… «

«Dann brumm ihm rasch eine Geldstrafe auf, bring's hinter dich.«

«Vater…«

«Ich brauche deine Hilfe. Ich habe ein großes Problem.«

«Was für ein Problem hast du denn?«

«Mein Koch bestiehlt mich.«

Tyler wollte seinen Ohren nicht trauen, und der aufwallende Zorn verschlug ihm fast die Sprache.»Du hast mich aus dem Gerichtssaal rufen lassen, weil…«

«Du bist doch ein Hüter von Gesetz und Recht, oder? Nun, er verletzt Recht und Gesetz. Ich bestehe darauf, daß du unverzüglich nach Boston kommst und das gesamte

Dienstpersonal überprüfst. Man raubt mich aus.«

Tyler konnte seine Wut kaum mehr unterdrücken.»Vater… «

«Man kann sich heute einfach nicht mehr auf die

Empfehlungen der Personalagenturen verlassen.«

«Ich befinde mich mitten in einem Prozeß und kann unmöglich sofort nach Boston kommen.«

Daraufhin entstand ein kurzes, bedrohliches Schweigen.»Was hast du da gerade gesagt?«

«Ich habe gesagt…«

«Du willst mich doch wohl nicht schon wieder enttäuschen, Tyler? Vielleicht sollte ich mit Fitzgerald reden, damit er einige Änderungen in meinem Testament vornimmt.«

Da war es wieder, das Zuckerbrot, das Geld, sein Anteil an den Dollarmilliarden, die ihn nach dem Tode des Vaters erwarteten.

Tyler räusperte sich.»Wenn du mir dein Privatflugzeug schicken könntest…«

«Nun hör aber mal — nein! Eines Tages wird das Flugzeug dir gehören, wenn du das richtige Spiel spielst, laß dir das mal in Ruhe durch den Kopf gehen. Bis dahin fliegst du mit Linienmaschinen wie alle anderen auch. Aber ich will dich sofort hier bei mir haben!«Und damit war die Leitung tot.

Tyler fühlte sich beleidigt und erniedrigt. So behandelt mein Vater mich nun schon das ganze Leben! Soll er sich doch zur Hölle scheren! Ich fliege nicht nach Boston, nie und nimmer.

Am Abend des gleichen Tages saß Tyler in einer Maschine nach Boston.

Harry Stanfords Hauspersonal zählte zweiundzwanzig Angestellte — eine Phalanx von Sekretärinnen, Butlern, Haushälterinnen, Zimmermädchen, Köchen, Chauffeuren und Gärtnern sowie einen Leibwächter.

«Allesamt Räuber und Diebe!«schimpfte Harry Stanford.

«Warum heuerst du nicht einen Privatdetektiv an? Oder, noch besser, warum rufst du nicht die Polizei?«

«Weil ich ja dich habe«, erwiderte Harry Stanford.»Du bist doch Richter, ja? Na also. Dann nimm du die Sache in die Hand.«

Es war pure Bosheit.

Tyler schaute sich um in dem riesigen Haus mit seinen exquisiten Möbeln und Gemälden, und dabei fiel ihm immer wieder das schäbige kleine Haus ein, in dem er wohnte. Das Haus hier hätte ich verdient, sagte er sich, und eines schönen Tages wird es auch mein Eigentum sein.

Tyler führte Gespräche mit Clark, dem Butler, und mit anderen langgedienten, vertrauenswürdigen Angestellten. Er vernahm das Personal, einen nach dem anderen, überprüfte ihre Akten und stellte fest, daß die meisten hier erst seit kurzer Zeit tätig waren. Harry Stanford war ein schwieriger Arbeitgeber, und so herrschte eine erhebliche Fluktuation bei den Angestellten. Bei den jüngsten Einstellungen gab es einige, die früher Taschendiebstähle begangen hatten, und einer war Alkoholiker, ansonsten konnte Tyler jedoch keinen Problemfall entdecken.

Mit einer Ausnahme — Dmitri Kaminski.

Dmitri war als Leibwächter und Masseur angestellt worden, und da Tyler aufgrund seiner Tätigkeit eine gehörige Portion Menschenkenntnis entwickelt hatte, erregte Dmitri sofort sein Mißtrauen. Er war erst vor kurzem eingestellt worden, da Harry Stanfords früherer Leibwächter gekündigt — den Grund konnte Tyler sich denken — und Kaminski empfohlen hatte.

Kaminski war ein Hüne von Mann mit massigem Brustkorb und auffallend muskulösen Armen.

«Sie wollen mich sprechen?«

Sein Englisch hatte einen starken russischen Akzent.

«Richtig. «Tyler winkte ihn zu einem Stuhl.»Nehmen Sie Platz. «Er hatte sich den Beschäftigungsnachweis des Mannes angeschaut, aus dem sich allerdings wenig Anhaltspunkte ergaben — außer daß Kaminski erst kürzlich in Amerika eingetroffen war.»Sie sind in Rußland zur Welt gekommen?«

«Ja. «Er musterte Tyler argwöhnisch.

«Wo in Rußland?«

«Smolensk.«

«Warum haben Sie Rußland verlassen und sind nach Amerika emigriert?«

Kaminski zuckte mit den Schultern.»Hier gibt es bessere Möglichkeiten.«

Möglichkeiten wozu? überlegte Tyler. Der Kerl verhielt sich seltsam ausweichend, und nach dem zwanzigminütigen

Gespräch war Tyler fest überzeugt, daß Dmitri Kaminski etwas zu verbergen hatte.

Tyler rief Fred Masterson an, einen guten Bekannten, der beim FBI arbeitete.»Ich möchte dich um einen Gefallen bitten.«

«Gern. Falls ich mal nach Chicago kommen sollte, wirst du dann dafür sorgen, daß meine Strafzettel annulliert werden?«

«Ich meine es ernst.«

«Dann mal los.«

«Ich hätte gern einen Russen überprüft, der vor sechs Monaten in den USA eingetroffen ist.«

«Moment mal — das ist doch ein Fall für die CIA, oder?«

«Schon, aber bei der CIA kenne ich niemanden.«

«Da geht's dir wie mir.«

«Ich wäre dir wirklich sehr dankbar, wenn du das für mich erledigen könntest, Fred.«

Tyler hörte am anderen Ende der Leitung ein Seufzen.

«Okay. Wie heißt er?«

«Dmitri Kaminski.«

«Ich will dir sagen, was ich tun werde. Ich kenne da jemanden in der Russischen Botschaft in Washington, und den werde ich fragen, ob er Informationen über Kaminski hat. Wenn nicht, kann ich dir leider nicht helfen.«

«Ich weiß deine Bemühungen zu schätzen.«

Während des Abendessens in Rose Hill wurde Tyler sich seines Wunsches deutlich bewußt, daß sein Vater gealtert, zerbrechlicher und verletzlicher geworden wäre, doch statt dessen mußte er feststellen, wie ungemein munter und bei bester Gesundheit Harry Stanford war. Er wird ewig leben, dachte Tyler verzweifelt, er wird uns alle überleben. Das Gespräch bei Tisch verlief absolut einseitig.

«Ich habe gerade den Vertrag über den Erwerb des

Kraftwerks in Hawaii ausgehandelt…«

«Nächste Woche fliege ich nach Amsterdam, um ein paar Probleme mit GATT auszuräumen…«

«Der Botschafter hat mich eingeladen, ihn auf seiner Chinareise zu begleiten…«

Tyler konnte kaum ein Wort anbringen.

Nach der Mahlzeit stand sein Vater sofort auf.»Wie kommst du mit dem Problem bei meinem Personal voran?«

«Ich habe meine Überprüfungen noch nicht abgeschlossen, Vater.«

«Na, laß dir damit nicht ewig Zeit«, knurrte der Vater und verließ das Zimmer.

Fred Masterson vom FBI rief am folgenden Morgen an.

«Tyler?«

«Am Apparat.«

«Da bist du aber auf ein richtiges Juwel gestoßen.«

«Ach ja?«

«Dmitri Kaminski war ein Killer der polgoprudnenskaya.«

«Was, zum Teufel, ist das denn?«

«Ich will's dir erläutern. Moskau befindet sich in der Hand von acht verbrecherischen Vereinigungen, die sich gegenseitig bekämpfen; die stärksten Rivalitäten gibt es jedoch zwischen den Tschetschenen und der polgoprudnenskaya, und für letztere hat dein Freund Kaminski gearbeitet. Er wurde vor drei Monaten auf einen Tschetschenenführer angesetzt, hat ihn aber nicht umgelegt, sondern ist zu ihm gegangen und hat sich eine beachtliche Summe zahlen lassen. Die polgoprudnenskaya hat das herausgekriegt und jemanden auf ihn angesetzt. Dazu muß man wissen, daß die Banden drüben seltsame Praktiken haben: Als erstes säbeln sie dir die Finger ab, dann lassen sie dich ein Weilchen bluten, und am Ende erschießen sie dich.«

«O mein Gott!«

«Jetzt kannst du vielleicht verstehen, daß Kaminski sich aus Rußland herausschmuggeln ließ. Die polgoprudnenskaya suchen aber noch immer nach ihm, und zwar mit allen Mitteln.«

«Das ist ja unglaublich«, meinte Tyler.

«Aber noch nicht alles. Nach ihm fahndet nämlich auch die russische Staatspolizei — wegen einiger Morde. Man wäre dir also sehr zu Dank verpflichtet, falls du seinen Aufenthaltsort weitergeben würdest.«

Tyler dachte kurz nach und kam zu dem Schluß, daß er sich auf gar keinen Fall in eine solche Geschichte hineinziehen lassen durfte. Sonst müßte ich eventuell noch als Zeuge aussagen, und das würde mich eine Menge Zeit kosten.

«Ich habe keine Ahnung, wo er sich aufhält. Ich hatte lediglich einem russischen Freund versprochen, Erkundigungen über ihn einzuholen. Vielen Dank, Fred.«

Tyler fand Kaminski in seinem Zimmer; er las gerade in einer Pornozeitschrift und erhob sich bei Tylers Eintreten.

«Ich fordere Sie hiermit auf, sofort Ihre Sachen zu packen und das Haus zu verlassen.«

Dmitri starrte ihn an.»Was ist los?«

«Ich lasse Ihnen die Wahl: Entweder Sie sind heute nachmittag verschwunden, oder ich informiere die russische Polizei, daß Sie sich hier aufhalten.«

Dmitri erblaßte.

«Haben Sie mich verstanden?«

«Da. Ich habe verstanden.«

Tyler suchte seinen Vater. Er wird mit mir zufrieden sein, dachte Tyler, da habe ich ihm wirklich einen großen Dienst erwiesen. Er fand seinen Vater in der Bibliothek.

«Ich habe das gesamte Dienstpersonal überprüft«, begann Tyler,»und… «

«Ich bin schwer beeindruckt«, erwiderte Harry Stanford.»Hast du ein paar Jungs entdeckt, mit denen du schlafen kannst?«

Tyler lief knallrot an.»Vater…«

«Du bist schwul, Tyler, und du bleibst schwul. Mir ist unbegreiflich, daß du überhaupt die Frucht meiner Lenden bist. Verzieh dich — fahr wieder nach Chicago zurück zu deinen Strichjungen.«

Tyler rang um Selbstbeherrschung.»In Ordnung«, sagte er schließlich steif und ging zur Tür.

«Hast du bei meinen Angestellten zufällig etwas entdeckt, das ich wissen sollte?«

Tyler drehte sich um und musterte seinen Vater.»Nein«, entgegnete er langsam.»Nicht das geringste.«

Als Tyler eintrat, war Kaminski beim Packen.

«Ich reise ab«, erklärte Kaminski.

«Tun Sie's nicht«, sagte Tyler.»Ich habe meine Meinung geändert.«

Dmitri richtete sich auf. Er schien nicht zu begreifen.»Was sagen Sie da?«

«Ich möchte nicht, daß Sie von hier weggehen. Es ist vielmehr mein Wunsch, daß Sie als Leibwächter meines Vaters bleiben.«

«Und was ist… Sie wissen schon, mit der anderen Geschichte?«

«Die werden wir einfach vergessen.«

Dmitri beäugte ihn mißtrauisch.»Warum? Was wollen Sie von mir?«

«Ich möchte Sie bitten, daß Sie mein Auge und Ohr sind. Ich brauche jemanden, der meinen Vater aus nächster Nähe beobachtet und mich über alle Vorgänge informiert.«

«Und warum sollte ich das wohl tun?«

«Aus einem ganz einfachen Grund: Weil ich Sie nicht an die Russen verraten werde, wenn Sie tun, was ich von Ihnen verlange, und weil ich Sie dann zu einem reichen Mann machen werde.«

Dmitri Kaminski musterte ihn eine Weile, dann breitete sich langsam ein Grinsen über seine Züge aus.»Ich bleibe hier.«

Das war der Eröffnungszug gewesen: Der erste Bauer war bewegt worden.

Das alles lag nun zwei Jahre zurück. Dmitri Kaminski hatte Tyler von Zeit zu Zeit Informationen geliefert, meist belangloses Zeug — Klatsch über Harry Stanfords neueste erotische Eskapaden oder Bruchstücke von geschäftlichen Transaktionen, die Dmitri zufällig mitgehört hatte —, und Tyler kamen erste Zweifel, ob er nicht doch einen Fehler begangen hatte und daß es vielleicht doch vernünftiger gewesen wäre, Dmitri der Polizei auszuliefern. Bis plötzlich der schicksalhafte Anruf aus Sardinien erfolgte und das riskante Spiel sich bezahlt gemacht hatte.

«Ich bin jetzt auf der Jacht hei Ihrem Vater. Er hat soeben mit seinem Anwalt telefoniert. Er trifft ihn Montag morgen in Boston, um sein Testament zu ändern.«

Und Tyler dachte wieder einmal an die endlosen Demütigungen, mit denen sein Vater ihn all die Jahre gequält hatte. Wenn er sein Testament ändert, habe ich die ganzen Mißhandlungen umsonst erduldet, das lasse ich mir nicht gefallen! Es gibt eine Möglichkeit, es zu verhindern — aber nur die eine.

«Bitte rufen Sie mich am Samstag wieder an, Dmitri.«

«Okay.«

Tyler legte auf und begann nachzudenken.

Der Zeitpunkt war gekommen, den Ritter ins Spiel zu bringen.