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«Ich bin Dr. Westin. Sie wissen, daß unser Gespräch jetzt auf Band aufgezeichnet wird?«
«Ja, Herr Doktor.«
«Fühlen Sie sich jetzt ruhiger?«
«Ich bin ganz ruhig, aber voll Zorn.«
«Worüber empfinden Sie Zorn?«
«Ich dürfte überhaupt nicht in dieser Klinik sein, ich bin keine Verrückte. Das hat man mir angehängt.«
«Ach ja? Und wer sollte Ihnen das angehängt haben?«
«Tyler Stanford.«
«Richter Tyler Stanford?«
«So ist es.«
«Und warum sollte er so etwas tun?«
«Weil er mir Geld stehlen will.«
«Besitzen Sie denn soviel Geld?«
«Nein. Ich meine, ja… das heißt, ich hätte das Geld bekommen sollen. Er hat mir eine Million Dollar versprochen, dazu einen Nerzmantel und Juwelen.«
«Warum hätte Richter Stanford Ihnen das versprechen sollen?«
«Dazu müßte ich Ihnen die ganze Geschichte von Anfang an erzählen. Wenn Sie gestatten — ich bin nicht Julia Stanford, ich heiße Margo Posner.«
«Als Sie bei uns eingeliefert wurden, haben Sie sich aber nachdrücklich als Julia Stanford ausgegeben.«
«Vergessen Sie's, ich bin's wirklich nicht. Schauen Sie… Das alles hat folgendermaßen angefangen: Richter Stanford hat mich angeheuert, damit ich als seine Schwester auftrete.«
«Aus welchem Grund sollte er das getan haben?«»Damit ich einen Anteil am Erbe von Harry Stanford erhalte und ihn ihm übereigne.«
«Und dafür hat er Ihnen eine Million Dollar, einen Nerzmantel und Juwelen versprochen?«
«Sie glauben mir wohl nicht, wie? Nun, ich kann's beweisen. Er hat mich nach Rose Hill geholt — Rose Hill ist der Familiensitz der Stanfords in Boston, und ich kann Ihnen das Haus genauestens beschreiben. Ich kann Ihnen auch die Familie beschreiben und den ganzen Haushalt.«
«Sind Sie sich dessen bewußt, daß Ihre Behauptungen eine schwere Anschuldigung darstellen?«
«Und ob ich das bin. Aber Sie werden vermutlich trotzdem nichts gegen ihn unternehmen, weil er zufälligerweise Richter ist.«
«Da irren Sie sich. Ich versichere Ihnen, daß die Vorwürfe gründlich und penibel überprüft werden.«
«Gut! Der Mistkerl soll auf die gleiche brutale Art hinter Gitter gebracht werden wie ich. Ich will hier raus!«
«Es ist Ihnen klar, daß, außer mir, noch zwei Kollegen Sie auf Ihre geistige Gesundheit hin untersuchen werden?«
«Sollen sie nur. Ich bin geistig genauso gesund wie Sie.«
«Wenn Dr. Gifford im Haus ist — er hat erst heute nachmittag Dienst —, werden wir über das weitere Vorgehen entscheiden.«
«Je früher, um so besser. Ich finde diese verdammte Anstalt unerträglich.«
Als die Oberschwester Margo mittags das Essen brachte, teilte sie Margo Posner mit:»Ich habe gerade mit Dr. Gifford gesprochen. Er wird in einer Stunde zu Ihnen kommen.«
«Danke. «Sie war vorbereitet auf das Gespräch mit ihm und auch mit allen anderen. Sie würde auspacken, rückhaltlos, von Anfang an. Danach, sagte sich Margo, werden sie ihn einsperren und mich wieder auf freien Fuß setzen. Es war ein Gedanke, der sie mit tiefer Genugtuung erfüllte. Ich werde wieder frei sein! Dann schoß es Margo durch den Sinn: Aber wozu? Was kann ich denn machen? Ich werde doch nur wieder auf den Strich müssen. Vielleicht werden sie sogar meine Kaution widerrufen, so daß ich wieder ins Kittchen muß!
Sie schleuderte das Essenstablett gegen die Wand. Verflucht noch mal! Das können sie mir doch nicht antun! Gestern war ich noch eine Million Dollar schwer, und heute… Aber Moment! Einen Moment mal! Ihr war eine Idee gekommen, eine solch aufregende Idee, daß es ihr kalt den Rücken hinunterlief. Heiliger Strohsack! Wo hab ich nur meine Gedanken!? Es ist ja bewiesen, daß ich Julia Stanford bin. Und dafür gibt's Zeugen. Die ganze Familie hat in Rose Hill mitgehört, als Frank Timmons erklärte, daß ich Julia Stanford bin. Warum, zum Teufel, sollte ich Margo Posner sein wollen, wenn ich als Julia Stanford leben könnte? Kein Wunder, daß sie mich hier eingesperrt haben. Ich muß ja von Sinnen gewesen sein! Sie klingelte.
Der kurz danach eintretenden Schwester teilte sie mit:»Ich möchte sofort den Arzt sprechen.«
«Sie haben einen Termin, es dauert nicht mehr…«
«Sofort!«
Die Schwester registrierte Margos erregten Zustand und sagte:»Beruhigen Sie sich. Ich werde ihn holen.«
Es dauerte keine zehn Minuten, und Dr. Franz Gifford betrat Margos Zimmer.
«Sie wünschen mich zu sprechen?«
«Ja. «Sie setzte ein um Nachsicht bittendes Lächeln auf.»Ich muß Ihnen bekennen, daß ich ein kleines Spiel gespielt habe, Herr Doktor.«
«Ach nein?«
«Doch. Es ist mir äußerst unangenehm, aber sehen Sie, es war so, daß ich mich ganz furchtbar über meinen Bruder Tyler geärgert hatte und ihn bestrafen wollte. Inzwischen ist mir klar, daß es nicht richtig war, und ich bin ihm auch nicht mehr böse. Ich möchte wieder zurück nach Rose Hill.«
«Ich habe die Abschrift Ihres Gesprächs von heute morgen mit Dr. Westin gelesen. Heute morgen haben Sie erklärt, Sie seien Margo Posner und betrogen worden…«
Margo lachte laut auf.»Das war ungezogen von mir, das habe ich nur gesagt, um Tyler zu ärgern. Nein, ich bin Julia Stanford.«
Er musterte sie skeptisch.»Können Sie's beweisen?«
Auf diesen Moment hatte Margo nur gewartet.»Aber ja!«antwortete sie in einem Gefühl des Triumphes.»Tyler hat es ja selber bewiesen. Er hat einen Privatdetektiv namens Frank Timmons engagiert, der nachgewiesen hat, daß meine Fingerabdrücke mit den Fingerabdrücken übereinstimmen, die mir in jüngeren Jahren für meinen Führerschein abgenommen worden waren. Sie sind identisch, daran besteht nicht der geringste Zweifel.«
«Ein Privatdetektiv namens Frank Timmons, haben Sie gesagt?«
«So ist es. Er ist für das Amt des hiesigen Staatsanwalts tätig.«
Sein Blick wurde bohrend.»Bitte — sind Sie sich völlig sicher, daß Sie nicht Margo Posner sind? Sie sind wirklich Julia Stanford?«
«Ja.«
«Und dieser Privatdetektiv namens Frank Timmons kann das bezeugen?«
Sie lächelte.»Er hat es bereits getan. Sie müssen nur beim Staatsanwalt anrufen und ihn hierherbitten.«
Dr. Gifford nickte nachdenklich.»In Ordnung, das werde ich sofort tun.«
Als Dr. Gifford am nächsten Morgen um Punkt zehn Uhr wieder in Margo Posners Zimmer eintrat, kam er in Begleitung einer Schwester.
«Guten Morgen.«
«Guten Morgen, Herr Doktor. «Sie sah ihn erwartungsvoll an.»Haben Sie mit Frank Timmons gesprochen?«
«Ja. Ich möchte mich vergewissern, daß ich Sie richtig verstanden habe. Ihre Geschichte, daß Richter Tyler Stanford Sie in eine Art von Verschwörung verwickelt hat, ist falsch?«
«Total, das habe ich nur erzählt, um meinen Bruder zu bestrafen. Aber jetzt ist alles in Ordnung, und ich bin bereit, wieder nach Hause zu gehen.«
«Frank Timmons kann beweisen, daß Sie Julia Stanford sind?«
«Ja.«
Dr. Gifford wandte sich mit einem Kopfnicken der Schwester zu. Sie gab jemandem ein Zeichen, und gleich darauf betrat ein hochgewachsener schwarzer Mann das Zimmer und schaute Margo Posner mit einem prüfenden Blick an.
«Ich bin Frank Timmons«, sagte er,»kann ich Ihnen helfen?«
Er war ihr völlig unbekannt.