37695.fb2 Das Testament der G?tter - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 12

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»Ich werde die Wahrheit erfahren.«

»Was sollte das nützen?«

»Laßt mich Euch in Sicherheit bringen.«

»Ich bleibe hier und warte auf den Tod. Geht, ich beschwöre Euch.«

Neb-Amun, Oberster Arzt am Hofe Ägyptens, konnte stolz auf sich sein. Obwohl bereits jenseits der Sechzig, war er nach wie vor ein überaus stattlicher Mann; die Schar seiner weiblichen Eroberungen würde weiterhin zunehmen. Mit Titeln und ehrenvollen Auszeichnungen überhäuft, verbrachte er weit mehr Zeit bei Empfängen und Festmahlen als in seinem Sprechzimmer, wo junge, strebsame Ärzte für ihn arbeiteten. Des Leidens anderer Leute überdrüssig, hatte Neb-Amun ein vergnügliches und einträgliches Fachgebiet gewählt: die Chirurgie zum Zwecke der Schönheit. Die feinen Damen wünschten so manchen Makel zu tilgen, um hinreißend zu bleiben und ihre Nebenbuhlerinnen vor Neid erblassen zu lassen; allein Neb-Amun konnte ihnen eine neue Jugend geben und ihre Reize bewahren. Der Oberste Arzt dachte an die herrliche steinerne Pforte, die durch PHARAOS besondere Gunst den Eingang seines Grabes zieren würde; der Herrscher hatte höchstselbst die Türpfeiler dunkelblau bemalt, zum großen Verdruß der Höflinge, die von einem solchen Vorzug träumten. Umschmeichelt, reich und berühmt, behandelte Neb-Amun selbst fremde Fürsten, die sehr hohe Entgelte zu entrichten bereit waren; bevor er ihrem Ansuchen zustimmte, führte er ausgiebige Nachforschungen durch und gewährte seinen Rat nur den von gutartigen und leicht zu heilenden Übeln heimgesuchten Kranken. Ein Mißerfolg hätte sein Ansehen getrübt. Sein persönlicher Schreiber kündigte ihm Neferets Eintreffen an. »Laßt sie herein.«

Die junge Frau brachte Neb-Amun aus der Fassung; hatte sie es doch abgelehnt, seinem Stab anzugehören. Er war beleidigt und würde sich rächen. Sollte sie das Recht erlangen, selbständig tätig zu werden, würde er Sorge tragen, sie aller amtlichen Befugnisse zu entheben, und sie vom Hofe fernhalten. Einige behaupteten, sie besäße einen angeborenen Sinn für die Heilkunde und daß ihre Gabe, mit Pendel und Wünschelrute umzugehen, ihr schnelles und genaues Handeln ermöglichte; daher würde er ihr auch eine letzte Möglichkeit der Bewährung einräumen, bevor er die Feindseligkeiten eröffnen und sie in ein mittelmäßiges Dasein verbannen wollte. Entweder würde sie gehorchen, oder er würde sie vernichten. »Ihr habt mich herbestellt.«

»Ich habe Euch einen Vorschlag zu machen.«

»Ich breche übermorgen nach Sais auf.«

»Ich bin auf dem laufenden, doch Eure Tätigkeit würde nur wenig Zeit in Anspruch nehmen.« Neferet war wahrlich sehr schön; Neb-Amun erträumte sich eine so junge und liebreizende Geliebte, die er in der besten Gesellschaft vorgeführt hätte. Doch ihre natürliche Würde und die Reinheit, die sie ausstrahlte, hinderten ihn daran, ihr einige alberne, für gewöhnlich so wirkungsvolle Artigkeiten zu sagen; sie zu betören wäre ein schwieriges, jedoch außerordentlich erregendes Unterfangen. »Meine Patientin verdient einige Aufmerksamkeit«, fuhr er fort, »eine höhergestellte Dame mit einigem Vermögen, kinderreiche Familie, guter Leumund.«

»Was ist ihr zugestoßen?«

»Ein glückliches Ereignis: Sie heiratet.«

»Sollte dies eine Krankheit sein?«

»Ihr Gemahl hat eine Bedingung geäußert: die Stellen ihres Körpers umzugestalten, die ihm mißfallen. Manche Linien werden leicht zu verändern sein; wir werden hier und da, gemäß den Anweisungen des Gatten, das Fett wegnehmen; die Schenkel schlanker zu machen, die Wangen zu straffen und die Haare zu färben wird ein Kinderspiel sein.« Neb-Amun erwähnte nicht, daß er als Gegenleistung für seinen Eingriff zehn Krüge kostbarer Salb- und Duftöle erhalten hatte: ein Vermögen, das einen Mißerfolg ausschloß.

»Eure Mitarbeit würde mich sehr freuen; Eure Hand ist sehr sicher. Überdies würde ich einen lobenden Bericht verfassen, der Euch nützlich wäre. Willigt Ihr ein, Euch meine Patientin anzuschauen?« Er hatte seinen berückendsten Tonfall gewählt; ohne Neferet Zeit zu einer Antwort zu lassen, ließ er Dame Silkis eintreten. Ängstlich verbarg diese ihr Gesicht. »Ich will nicht, daß man mich ansieht«, sagte sie mit der Stimme eines kleinen, verschüchterten Mädchens. »Ich bin zu häßlich!«

Silkis, deren Leib sorgsam von einem weiten Gewand verhüllt war, besaß recht üppige Formen. »Wie nährt Ihr Euch?« fragte Neferet. »Ich … Darauf gebe ich nicht acht.«

»Mögt Ihr Kuchen?«

»Sehr.«

»Weniger davon zu essen wäre heilsam; dürfte ich Euer Gesicht untersuchen?«

Die Sanftheit Neferets bezwang Silkis’ Widerstreben; sie ließ die Hände sinken. »Ihr scheint sehr jung.«

»Ich bin zwanzig Jahre alt.« Das puppenhafte Antlitz war fürwahr ein wenig pausbäckig, flößte jedoch weder Schrecken noch Abneigung ein.

»Weshalb nehmt Ihr Euch nicht so an, wie Ihr seid?«

»Mein Gemahl hat recht, ich bin abscheulich! Ich muß ihm gefallen.«

»Ist dies nicht eine allzugroße Ergebenheit?«

»Er ist so beeindruckend … Und ich habe es versprochen!«

»Überzeugt ihn davon, daß er im Irrtum ist.« Neb-Amun fühlte, wie der Zorn ihn übermannte. »Wir haben nicht über die Beweggründe der Kranken zu urteilen«, griff er barsch ein, »unsere Rolle besteht darin, ihre Wünsche zu befriedigen.«

»Ich weigere mich, diese junge Frau unnötigerweise leiden zu lassen.«

»Geht hinaus!«

»Mit Freuden.«

»Ihr tut unrecht, Euch so zu verhalten, Neferet.«

»Ich glaube, den höchsten Werten der Heilkunst treu zu sein.«

»Ihr wißt nichts, und Ihr werdet nichts erreichen! Eure Laufbahn ist beendet.«

Der Gerichtsschreiber Iarrot hüstelte; Paser hob den Kopf. »Eine Unannehmlichkeit?«

»Eine Einbestellung.«

»Für mich?«

»Für Euch. Der Älteste der Vorhalle will Euch augenblicklich sehen.«

Zum Gehorsam gezwungen, legte Paser Pinsel und Palette nieder.

Vor dem königlichen Palast, wie vor jedem Tempel, war eine Vorhalle aus Holz errichtet, in der ein Gerichtsbeamter Recht sprach. Dort hörte er Klagen an, schied Wahrheit von Unbilligkeit, schützte die Schwachen und rettete sie vor den Mächtigen. Der Älteste tagte vor dem Sitz des Herrschers; das kleine Bauwerk, dessen Dach von vier Pfeilern getragen wurde und sich an die Vorderseite des Palastes lehnte, hatte die Form eines großen Rechtecks, in dessen Tiefe der Anhörungsraum lag. Wenn der Wesir sich zu PHARAO begab, versäumte er es nicht, sich mit dem Ältesten der Vorhalle zu bereden. Der Gerichtssaal war leer. Auf einem Stuhl von vergoldetem Holz niedergelassen und mit einem geschlitzten Prunkschurz bekleidet, trug der hohe Beamte eine verstimmte Miene zur Schau. Ein jeder kannte seine Entschlossenheit und die Kraft seiner Worte.

»Seid Ihr der Richter Paser?« Der junge Mann verneigte sich achtungsvoll; dem Obersten Richter des Gaus entgegenzutreten, machte ihn bange. Diese jähe Einbestellung und dieses Zwiegespräch verhießen nichts Gutes. »Aufsehenerregender Beginn einer Laufbahn«, befand der Älteste. »Seid Ihr darüber zufrieden?«

»Werde ich es je sein? Mein teuerster Wunsch wäre, das Menschengeschlecht würde weise und die Amtsstuben der Richter verschwänden; doch dieser Kindertraum verflüchtigt sich.«

»Ich höre viel von Euch reden, obgleich man Euch erst seit kurzem in Memphis eingesetzt hat. Seid Ihr Euch Eurer Pflichten wohl bewußt?«

»Sie sind mein ganzer Lebensinhalt.«

»Ihr arbeitet viel und schnell.«

»Nicht genug, meines Erachtens; wenn ich die Schwierigkeiten meiner Aufgabe besser erfaßt habe, werde ich mich tüchtiger zeigen.«

»Tüchtiger … Was bedeutet dieser Begriff?«

»Allen dasselbe Recht zuteil werden zu lassen. Ist das nicht unser Bestreben und unsere Richtschnur?«

»Wer behauptet das Gegenteil?« Die Stimme des Ältesten war rauh geworden. Er erhob sich und ging auf und ab. »Ich habe Eure Bemerkungen bezüglich des Zahnheilkundlers Qadasch nicht schätzen können.«

»Ich verdächtige ihn.«

»Wo ist der Beweis?«

»Mein Bericht hebt hervor, daß ich einen solchen nicht erhalten habe; und eben deshalb habe ich keinerlei Verfahren gegen ihn eingeleitet.«

»Wenn dem so ist, weshalb dann diese unnötige Feindseligkeit?«