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»Doch, ganz genau! Eine gute Gemahlin fehlt noch in meiner Sammlung. Ich werde nicht versuchen, das Schicksal herauszufordern, da ich sittliche Grundsätze habe, doch wenn der Glücksfall sich einstellt, werde ich mich nicht verweigern.«
»Das Gesetz bestraft den Ehebruch.«
»Unter der Bedingung, daß es davon erfährt. Mit Ausnahme der Tollereien ist die erste Tugend bei der Liebe Vertraulichkeit und Umsicht. Ich werde dich hinsichtlich deiner Verlobten nicht quälen; ich werde alles selbst herausfinden und dir, falls nötig, unter die Arme greifen.«
Sethi streckte sich auf einer Matte aus, den Kopf auf ein Kissen gebettet. »Bist du wahrhaftig Richter?«
»Du hast mein Wort.«
»In diesem Fall könnte dein Rat mir wertvoll sein.« Paser war auf ein derartiges Verhängnis gefaßt; er rief Thot an in der Hoffnung, die von Sethi begangene Schandtat möge in seine Zuständigkeit fallen. »Eine törichte Geschichte«, gestand sein Freund. »Ich habe letzte Woche eine junge Witwe betört; um die Dreißig, ein geschmeidiger Körper, höchst reizende Lippen … Eine Unglückliche, die von einem Ehemann mißhandelt wurde, dessen Tod ein Segen für sie war. Sie wurde so glücklich in meinen Armen, daß sie mir einen geschäftlichen Auftrag anvertraute: Ich sollte ein Spanferkel auf dem Markt feilbieten.«
»Ist sie Eigentümerin eines Hofes?«
»Ein schlichter Kleinviehhof.«
»Gegen was hast du das Schwein getauscht?«
»Das ist ja das Unglück: gegen nichts. Gestern abend ist das arme Tier während unseres kleinen Festes geröstet worden. Ich vertraue zwar auf meine Betörungskraft, aber die junge Frau ist geizig und hängt sehr an ihrem Erbe. Falls ich mit leeren Händen zurückkehre, laufe ich Gefahr, des Diebstahls angeklagt zu werden.«
»Was sonst noch?«
»Läppische Kleinigkeiten. Einige Schulden hier und da; das Spanferkel ist meine größte Sorge.«
»Schlafe ruhig.« Paser erhob sich. »Wohin gehst du?«
»Ich gehe hinunter in meine Amtsstube, um in einigen Unterlagen nachzusehen; es gibt zweifellos eine Lösung.«
Sethi war kein Frühaufsteher, doch er wurde genötigt, das Haus des Richters schon im Morgengrauen zu verlassen. Sein Freund hatte ihm den Inhalt eines Kruges kalten Wassers über den Kopf schütten müssen, um ihn aus dem Schlaf zu reißen. Pasers Vorhaben jedoch erschien ihm ausgezeichnet, obwohl es einige Gefahren barg.
Sethi erreichte die Stadtmitte, wo gerade der große Markt aufgeschlagen wurde; Bauern und Bäuerinnen kamen hierher, um in einem Getöse aus Feilschen und Schwatzen die Erzeugnisse des Landes zu verkaufen. Schon in kurzer Zeit würden die ersten Kunden eintreffen. Er schlüpfte zwischen den Gemüsegärtnerinnen hindurch und kauerte sich einige Meter vor seinem Ziel nieder, einem kleinen Gehege mit Geflügel. Der Schatz, dessen er sich bemächtigen wollte, war tatsächlich da: ein herrlicher Hahn, den die Ägypter nicht als König des Hühnerhofs betrachteten, sondern als eher tumbes, allzusehr von seiner Wichtigkeit eingenommenes Federvieh.
Der junge Mann wartete, bis sein Opfer in Reichweite war, und ergriff es mit flinker Bewegung, indem er ihm den Hals zudrückte, auf daß es keinen ungelegenen Laut ausstoßen konnte. Das Unternehmen war gewagt; falls man ihn finge, stünde die Pforte des Gefängnisses weit offen. Selbstverständlich hatte Paser ihm den Händler nicht aufs Geratewohl bezeichnet; einer Unterschlagung schuldig, hätte letzterer der Geschädigten den Wert eines Hahns erstatten müssen. Der Richter hatte das Strafmaß nicht verringert, den Rechtsgang indes ein klein wenig verändert: Da die Geschädigte die Verwaltung war, setzte Sethi sich lediglich an deren Stelle. Den Hahn unterm Arm, gelangte er unbehindert zum Hof der jungen Frau, die gerade ihre Hühner fütterte.
»Eine Überraschung«, verkündete er, indem er das Federtier vorzeigte. Sie drehte sich entzückt um. »Er ist herrlich! Du hast gut gefeilscht.«
»Es war nicht leicht, muß ich gestehen.«
»Das kann ich mir denken: Ein Hahn von dieser Größe ist mindestens drei Spanferkel wert.«
»Wenn die Liebe uns leitet, versteht man, überzeugend zu sein.«
Sie stellte ihren Kornsack ab, packte den Hahn und setzte ihn zwischen die Hühner.
»Du bist sehr überzeugend, Sethi; ich spüre in mir eine wohlige Hitze aufsteigen, die ich liebend gerne mit dir teilen möchte.«
»Wer würde eine solche Einladung ablehnen.« Eng aneinandergeschmiegt, wandten sie sich zur Kammer der Witwe.
Paser fühlte sich schlecht; eine wehmütige Mattigkeit suchte ihn heim und beraubte ihn seiner gewohnten Tatkraft. Schwerfällig und behäbig, wie er war, fand er nicht einmal mehr Trost im Lesen der großen Verfasser der Vergangenheit, die ehedem seine Abende bezauberten. Es war ihm zwar gelungen, den Gerichtsschreiber Iarrot von seiner Verzweiflung nichts merken zu lassen, doch er war außerstande, sie seinem Meister zu verhehlen. »Bist du etwa krank, Paser?«
»Eine einfache Müdigkeit.«
»Vielleicht solltest du etwas weniger arbeiten.«
»Ich habe den Eindruck, man überhäuft mich mit Vorgängen.«
»Man stellt dich auf die Probe, um deine Grenzen herauszufinden.«
»Sie sind überschritten.«
»Das ist nicht sicher; nehmen wir einmal an, die Überanstrengung wäre nicht die Ursache deines Zustands?«
Finster dreinblickend blieb Paser die Antwort schuldig.
»Meine beste Schülerin ist zum Ziel gelangt.«
»Neferet?«
»In Sais wie in Theben ist sie erfolgreich aus den Prüfungen hervorgegangen.«
»Dann ist sie nun Ärztin.«
»Zu unserer allergrößten Freude, in der Tat.«
»Wo wird sie praktizieren?«
»Zunächst in Memphis; ich habe sie für morgen abend zu einem bescheidenen Festmahl geladen, um ihren Erfolg zu begehen. Wirst du zu unserer Runde gehören?«
Denes ließ sich vor Richter Pasers Amtszimmer absetzen; die herrliche, blau und rot bemalte Sänfte hatte alle Blicke auf sich gezogen. Die Unterredung, die sich – so heikel sie auch werden mochte – ankündigte, würde vielleicht weniger beschwerlich werden als der jüngste Zusammenstoß mit seiner Gattin. Nenophar hatte ihren Ehemann einen Unfähigen, einen engstirnigen Geist und einen Spatzenkopf[29] gescholten; ob seine Einflußnahme beim Ältesten der Vorhalle sich denn nicht als unnütz erwiesen habe? Im Sturm die Stirne bietend, hatte Denes sich zu rechtfertigen versucht: Für gewöhnlich laufe ein derartiger Schritt auf einen vollen Erfolg hinaus. Weshalb habe der alte Gerichtsbeamte ihn denn diesmal nicht angehört? Nicht allein, daß er den niederen Richter nicht versetze, er erlaube diesem auch noch, ihm, Denes, eine Ladung in gebührender Form wie irgendeinem beliebigen Einwohner von Memphis zu schicken! Wegen Denes’ Mangel an Scharfblick sähen er und seine Gemahlin sich in den Rang von Verdächtigen herabgesetzt und der rachgierigen Verfolgung eines Amtmannes ohne Zukunft unterworfen, der aus dem hintersten Winkel mit der Absicht gekommen sei, dem Buchstaben des Gesetzes Geltung zu verschaffen. Da der Warenbeförderer sich derart glänzend bei geschäftlichen Besprechungen zeige, solle er Paser nun betören und den Rechtsgang aufhalten. Das große Herrenhaus hatte lange von Nenophars scharfer Stimme widergehallt, die Verdruß nur schlecht ertrug. Schlechte Nachrichten schadeten ihrer Haut. Wind des Nordens versperrte den Durchgang. Da Denes ihn mit einem Ellbogenstoß zur Seite drängen wollte, bleckte der Esel die Zähne. Der Warenbeförderer wich zurück.
»Entfernt dieses Vieh von meinem Weg!« forderte er. Der Gerichtsschreiber Iarrot trat aus der Amtsstube und zog den Vierbeiner am Schwanz; da Wind des Nordens jedoch nur Pasers Stimme gehorchte, ging Denes in weitem Bogen an dem Esel vorbei, um seine kostspieligen Gewänder nicht zu besudeln. Paser war über einen Papyrus gebeugt. »Setzt Euch doch bitte.«
Denes suchte nach einem Sitz, doch offensichtlich war ihm keiner genehm.
»Gebt zu, Richter Paser, daß ich mich versöhnlich zeige, indem ich Eurer Ladung Folge leiste.«
»Ihr hattet keine andere Wahl.«
»Ist die Anwesenheit einer dritten Person unerläßlich?«
Iarrot stand auf, um sich bereitwillig davonzumachen.
»Ich würde gerne heimgehen. Meine Tochter …«
»Gerichtsschreiber, Ihr werdet Aufzeichnungen machen, wenn ich es Euch sage.« Iarrot drückte sich in einen Winkel des Raumes, in der Hoffnung, seine Gegenwart vergessen zu lassen. Denes würde sich nicht auf diese Weise behandeln lassen, ohne etwas zu unternehmen. Falls er gegen den Richter Vergeltungsmaßnahmen ergriffe, würde der Gerichtsdiener in den Sturm mitgerissen werden. »Ich bin sehr beschäftigt, Richter Paser; Ihr standet nicht im Verzeichnis der Unterredungen, die ich heute gewähren wollte.«
»Ihr standet in meinem, Denes.«