37695.fb2 Das Testament der G?tter - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 17

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»Wir sollten nicht wie Feinde miteinander verfahren; Ihr müßt einen kleinen behördlichen Streitpunkt in Ordnung bringen, und ich muß mich dessen schnellstmöglich entledigen. Weshalb uns nicht verständigen?«

Der Ton wurde verbindlicher; Denes wußte sich seinen Mitmenschen im Gespräch verständlich zu machen und ihnen zu schmeicheln. Wenn ihre Aufmerksamkeit nachließ, setzte er dann zum entscheidenden Stoß an.

»Ihr geratet auf Abwege, Denes.«

»Verzeihung?«

»Wir unterhalten uns nicht über einen geschäftlichen Vergleich.«

»Laßt mich Euch eine lehrhafte Geschichte erzählen: Ein Zicklein brach aus der Herde aus, in der es sicher war; ein Wolf bedrohte es. Als es sah, wie sich dessen Maul öffnete, erklärte es: ›Herr Wolf, ich werde zweifellos ein Festschmaus für Euch sein, doch bedenkt, ich bin imstande, Euch zuvor zu zerstreuen. Ich kann zum Beispiel tanzen. Ihr glaubt mir nicht? Spielt auf der Flöte, und Ihr werdet sehen.‹ Zu Scherzen aufgelegt, willigte der Wolf ein. Mit seinem Tanz warnte das Zicklein die Hunde, die auf den Wolf einstürmten und ihn in die Flucht trieben. Das Raubtier nahm seine Niederlage hin; ›ich bin ein Jäger‹, dachte es, ›und ich habe den Musiker spielen wollen. Ich bin selbst schuld‹« [30]

»Wie lautet die Lehre Eurer Erzählung?«

»Jeder soll an seinem Platze bleiben. Wenn man eine Rolle spielen will, auf die man sich nicht gut versteht, läuft man Gefahr, einen falschen Schritt zu tun und ihn bitter zu bereuen.«

»Ihr beeindruckt mich.«

»Das beglückt mich; werden wir es dabei bewenden lassen?«

»Auf dem Gebiet der Märchen, ja.«

»Ihr seid verständnisvoller, als ich es mir vorstellte; Ihr werdet nicht lange in diesem armseligen Amtszimmer verkümmern. Der Älteste der Vorhalle ist ein ausgezeichneter Freund. Wenn er erfährt, daß Ihr die Lage mit Feingefühl und Klugheit einzuschätzen wußtet, wird er bei einem gewichtigeren Amt an Euch denken. Falls er mich um meine Meinung bittet, wird diese sehr gewogen ausfallen.«

»Es ist erquicklich, Freunde zu haben.«

»In Memphis sind sie unerläßlich; Ihr seid auf gutem Wege.« Nenophars Zorn war unberechtigt; sie hatte befürchtet, Paser könnte sich von all den anderen abheben, und sie hatte sich getäuscht. Denes kannte seinesgleichen gut; mit Ausnahme einiger in den Tempeln zurückgezogener Priester besaßen sie kein anderes Ziel als die Befriedigung ihrer Belange.

Der Warenbeförderer kehrte dem Richter den Rücken zu und schickte sich an hinauszugehen. »Wohin wollt Ihr?«

»Ein Schiff begrüßen, das aus dem Süden eintrifft.«

»Wir haben noch nicht ganz geendet.« Der Geschäftsmann wandte sich um. »Dies hier sind die wesentlichen Anklagepunkte: Erhebung einer unbilligen Gebühr und einer vom PHARAO nicht verordneten Steuer. Die Buße wird beträchtlich sein.«

Denes wurde weiß vor Wut; seine Stimme zischte. »Seid Ihr irrsinnig geworden?«

»Haltet fest, Gerichtsschreiber: Beleidigung eines Amtmannes.«

Der Warenbeförderer stürzte sich auf Iarrot, entriß ihm die Tafel und zerstampfte sie mit einem wütenden Fußtritt.

»Du, verhalte dich ruhig!«

»Zerstörung von Eigentum der Gerichtsbehörde«, bemerkte Paser. »Ihr verschlimmert Euren Fall.«

»Es genügt!«

»Ich übergebe Euch diesen Papyrus; Ihr werdet darauf die rechtlichen Einzelheiten und die Höhe der Buße finden. Werdet nicht rückfällig, sonst wird bald ein Eintrag auf Euren Namen in den Verzeichnissen des Großen Gefängnisses stehen.«

»Ihr seid nur ein Zicklein, und Ihr werdet gefressen werden!«

»In der Geschichte ist es der Wolf, der besiegt wird.« Als Denes das Amtszimmer durchschritt, versteckte sich der Gerichtsschreiber Iarrot hinter einer Holztruhe.

Branir beendete die Zubereitung einer erlesenen Speise. Er hatte bereits die Eier der bei einem der besten Fischhändler von Memphis erworbenen Meeräschen[31] entnommen und wusch sie nun, wie es die Vorschrift gebot, in leicht gesalzenem Wasser, um sie dann zwischen zwei Holzbrettchen auszudrücken und im Luftzug zu trocknen. Diese Rogenspeise würde köstlich werden. Zudem wollte er Ochsenrippen rösten und sie mit Saubohnen­mus auftragen; Feigen und feines Backwerk würden das Mahl abrunden, ohne den aus dem Delta stammenden edlen Wein zu vergessen. Überall im ganzen Haus hingen Blumengebinde.

»Bin ich der erste?« fragte Paser. »Hilf mir, die Schüsseln anzuordnen.«

»Ich habe Denes offen angegriffen; meine Anklageschrift ist hieb- und stichfest.«

»Wozu verurteilst du ihn?«

»Zu einer schweren Bußgeldzahlung.«

»Du hast dir einen Feind von Rang gemacht.«

»Ich habe das Gesetz angewandt.«

»Sei vorsichtig.«

Paser hatte keine Zeit aufzubegehren; der Anblick Neferets ließ ihn Denes, den Gerichtsschreiber Iarrot, das Amtszimmer, seine Unterlagen vergessen. In einem duftig-blaßblauen Trägergewand, das die Schultern frei ließ, die Augenlider mit grüner Farbe geschminkt, erleuchtete sie zart und beruhigend zugleich die Wohnung ihres Gastgebers. »Ich habe mich verspätet.«

»Im Gegenteil«, beruhigte Branir, »du hast uns Zeit gelassen, die Rogenspeise zu beenden. Der Bäcker hat mir soeben frisches Brot gebracht; wir können zu Tisch gehen.«

Neferet hatte eine Lotosblüte ins Haar gesteckt; völlig bezaubert, konnte Paser den Blick nicht von ihr abwenden.

»Dein Erfolg bereitet mir große Freude«, gestand Branir ein. »Da du nun Ärztin bist, schenke ich dir diesen Talisman. Er wird dich schützen, wie er mich geschützt hat; behalte ihn immer bei dir.«

»Aber … und Ihr selbst?«

»In meinem Alter haben die bösen Geister keine Macht mehr über mich.«

Um den Hals der jungen Frau legte er ein feines Goldkettchen, an dem ein prächtiger Türkis hing. »Dieser Stein stammt aus den Gruben der Göttin Hathor, in der Wüste des Ostens; er bewahrt die Jugendlichkeit der Seele und die Freude des Herzens.« Neferet verneigte sich vor ihrem Lehrmeister, die Hände zum Zeichen der Verehrung zusammengelegt. »Ich würde Euch ebenfalls gerne beglückwünschen«, sagte Paser, »doch ich weiß nicht wie …«

»Eure Absicht allein genügt mir«, versicherte sie lächelnd.

»Ich lege gleichwohl Wert darauf, Euch ein bescheidenes Geschenk zu machen.« Paser reichte ihr ein Schmuckband mit farbigen Perlen. Neferet zog ihre rechte Sandale aus, streifte das Geschmeide über ihren nackten Fuß und zierte damit ihre Fessel.

»Dank Euch fühle ich mich nun hübscher.« Diese wenigen Worte flößten dem Richter eine jähe Hoffnung ein; zum erstenmal hatte er den Eindruck, sie bemerkte seine Gegenwart wirklich. Das Festmahl verlief herzlich. Entspannt berichtete Neferet ausführlich von all jenen Punkten ihres schweren Ganges, welche die Geheime Einsetzung nicht betrafen; Branir versicherte ihr, daß sich nichts geändert hatte. Paser aß kaum etwas, verschlang Neferet dafür mit den Augen und trank ihre Worte. In Gesellschaft seines Meisters und der jungen Frau, die er liebte, verlebte er einen Abend des Glücks, den Blitze der Bangigkeit durchzuckten; würde Neferet ihn zurückstoßen?

Während der Richter arbeitete, führte Sethi den Esel und den Hund aus, widmete sich der Besitzerin des Hühnerhofes, stürzte sich in neue, recht vielversprechende Eroberungen und kostete das rege Leben von Memphis aus. Er war rücksichtsvoll und wurde seinem Freund kaum lästig; seit ihrer Begegnung hatte er nicht ein einziges Mal bei ihm genächtigt. Allein in einem Punkt hatte Paser sich unnachgiebig gezeigt; vom Erfolg seiner »Spanferkel-Unternehmung« berauscht, hatte Sethi den Wunsch geäußert, diese zu wiederholen. Der Richter hatte sich dem entschieden widersetzt. Da seine Geliebte sich als großmütig erwies, hatte Sethi nicht weiter darauf beharrt. Der Pavian stand unversehens in der Tür. Beinah so groß wie ein Mann, hatte er den Kopf eines Hundes und die Reißzähne einer großen Raubkatze. Arme, Beine und Bauch waren weiß, wogegen ein rötlich getöntes Fell seine Schultern und seinen Brustkorb bedeckte. Hinter ihm stand Kem der Nubier. »Da seid Ihr ja endlich!«

»Die Nachforschungen waren lang und schwierig. Ist Iarrot ausgegangen?«

»Seine Tochter ist krank. Was habt Ihr aufgelesen?«

»Nichts!«

»Wie das, nichts? Das ist doch unwahrscheinlich!«

Der Nubier betastete seine hölzerne Nase, als wollte er sich vergewissern, daß sie am rechten Platz war.