37695.fb2 Das Testament der G?tter - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 32

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»Ich werde an Eurer Seite sein, mit meinem Pavian.« Die beiden Männer umarmten sich brüderlich.

Die Verhandlung fand zwei Tage nach Richter Pasers Rückkehr unter der aus Holz errichteten Vorhalle des Palastes statt. Die Schnelligkeit des Rechtsgangs ließ sich durch die Persönlichkeit des Beklagten erklären; daß ein Gerichtsbeamter verdächtig war, das Gesetz zu brechen, verdiente eine sofortige Prüfung.

Paser erhoffte sich keinerlei Nachsicht von Seiten des Ältesten der Vorhalle; er war gleichwohl verblüfft angesichts des Ausmaßes der Verschwörung, als er die einzelnen Beisitzer gewahrte: der Warenbeförderer Denes, seine Gemahlin Nenophar, der Vorsteher der Ordnungskräfte, Monthmose, ein Palastschreiber und ein Tempelpriester des Ptah. Seine Feinde hatten die Mehrheit, wenn nicht gar eine einstimmige, falls der Schreiber und der Priester zu ihren Helfershelfern gehörten.

Mit kahl geschorenem Schädel, in einen geschlitzten Prunkschurz gekleidet und verstimmt dreinblickend saß der Älteste der Vorhalle am Ende des Verhandlungssaales. Zu seinen Füßen beschwor ein Krummstab aus Sykomorenholz die Gegenwart der Maat. Die Beisitzer befanden sich zu seiner Linken; zu seiner Rechten ein Schreiber. Hinter Paser zahlreiche Gaffer. »Ihr seid Richter Paser?«

»In Memphis bestallt.«

»Unter Euren Untergebenen findet sich ein Gerichtsschreiber namens Iarrot.«

»Das stimmt.«

»Die Anklägerin möge vortreten.« Iarrot und Sababu: ein unerwarteter Bund! Er war also von seinem engsten Gefolgsmann verraten worden.

Doch es war nicht Sababu, die durch den Verhandlungssaal schritt, sondern eine Braunhaarige mit kurzen Beinen, wulstigen Formen und unansehnlichem Gesicht. »Ihr seid die Gattin des Gerichtsschreibers Iarrot?«

»Das bin ich«, bestätigte sie mit einer kreischenden Stimme, aus der keinerlei Klugheit sprach. »Ihr äußert Euch hier unter Eid. Tragt Eure Anschuldigungen vor.«

»Mein Gatte trinkt Bier, viel zuviel Bier, vor allem am Abend. Seit einer Woche beschimpft er mich und prügelt mich im Beisein unserer Tochter. Sie hat Angst, die arme Kleine. Ich habe Schläge erhalten; ein Heilkundiger hat die Male aufgenommen.«

»Kennt Ihr den Richter Paser?«

»Nur dem Namen nach.«

»Was verlangt Ihr vom Gericht?«

»Daß mein Gatte und sein Vorgesetzter, der für seine Sittlichkeit verantwortlich ist, bestraft werden. Ich will zwei neue Gewänder, zehn Sack Korn und fünf gebratene Gänse. Das Zweifache, wenn Iarrot mich von neuem prügelt.« Paser war völlig verdutzt. »Der Hauptbeklagte möge vortreten.« Beschämt gehorchte Iarrot. Mit seinem plumpen, von einer stärker als gewöhnlich sichtbaren Kupferrose gezeichneten Gesicht brachte er seine Verteidigung vor.

»Meine Frau reizt mich, sie weigert sich, die Speisen zuzubereiten. Ich habe sie geschlagen, ohne es zu wollen. Eine unglückliche Anwandlung. Ihr müßt mich verstehen: Ich arbeite sehr hart bei Richter Paser, meine Wirkzeiten sind unbarmherzig, die Menge der zu bearbeitenden Vorgänge würde die Bestallung eines zweiten Gerichtsschreibers rechtfertigen.«

»Ein Einwand, Richter Paser?«

»Diese Behauptungen sind unrichtig. Wir haben sehr viel Arbeit, das ist wahr, doch ich habe die Eigenarten des Gerichtsschreibers Iarrot geachtet, seine häuslichen Schwierigkeiten gelten lassen und ihm großzügige Wirkzeiten eingeräumt.«

»Zeugenaussagen zu Euren Gunsten?«

»Die Leute aus dem Viertel, nehme ich an.« Der Älteste der Vorhalle wandte sich an Iarrot. »Müssen wir sie hier erscheinen lassen, und weist Ihr die Ansicht des Richters Paser zurück?«

»Nein, nein … Doch ich habe trotzdem nicht ganz unrecht.«

»Richter Paser, wußtet Ihr, daß Euer Gerichtsschreiber seine Gattin schlug?«

»Nein.«

»Ihr seid für die Sittlichkeit Eurer Untergebenen verantwortlich.«

»Das bestreite ich nicht.«

»Aus Nachlässigkeit habt Ihr es verabsäumt, die sittlichen Fähigkeiten von Iarrot zu überprüfen.«

»Dazu hatte ich keine Zeit.«

»Nachlässigkeit ist der einzig zutreffende Begriff.« Der Älteste der Vorhalle hatte Paser in seinen Fängen. Er fragte die Beteiligten, ob sie noch einmal das Wort zu ergreifen wünschten; allein Iarrots Gattin wiederholte erregt ihre Beschuldigungen. Die Geschworenen setzten sich zusammen. Paser hatte beinahe Lust zu lachen. Wie hätte er sich ausmalen können, wegen eines häuslichen Zwistes verurteilt zu werden? Iarrots Schwächlichkeit und die Dummheit seiner Frau bildeten unvorhersehbare Fallen, die seine Gegner sich zunutze gemacht hatten. Die rechtspflegerischen Vorschriften würden gewahrt werden, und man würde den niederen Richter ohne Gewaltstreich beiseite drängen. Die Beratung dauerte mehr als eine Stunde. Der nach wie vor mürrische Älteste der Vorhalle gab das Ergebnis kund.

»In Einstimmigkeit wird der Gerichtsschreiber Iarrot des üblen Verhaltens gegenüber seiner Gattin für schuldig befunden. Er wird verurteilt, dem Opfer zu entrichten, was dieses verlangt, und ihm wird zusätzlich eine Leibesstrafe von dreißig Stockschlägen auferlegt. Falls er rückfällig würde, wird die Scheidung augenblicklich zu seinen Lasten ausgesprochen. Ficht der Angeklagte den Spruch an?« Nur zu glücklich, derart wohlfeil davonzukommen, bot Iarrot seinen Rücken dem Vollstrecker der Züchtigung dar. Das ägyptische Recht scherzte nicht mit Rohlingen, die eine Frau mißhandelten. Der Gerichtsschreiber ächzte und wimmerte; ein Ordnungshüter brachte ihn darauf in den Krankenpflegesaal des Viertels.

»In Einstimmigkeit«, fuhr der Älteste der Vorhalle fort, »wird Richter Paser für unschuldig befunden. Das Gericht empfiehlt ihm, seinen Gerichtsschreiber nicht zu entlassen und ihm die Möglichkeit zur Besserung einzuräumen.«

Monthmose begnügte sich damit, Paser zu grüßen; er hatte es eilig, da er noch ein weiteres Mal als Geschworener über einen Dieb zu Gericht sitzen mußte. Denes und seine Gemahlin beglückwünschten den Gerichtsbeamten.

»Eine hanebüchene Anklage«, betonte Nenophar, über deren vielfarbenes Gewand in ganz Memphis geredet wurde.

»Wahrlich jedes Gericht hätte Euch freigesprochen«, verkündete Denes überschwenglich. »Wir brauchen einen Richter wie Euch in Memphis.«

»Das ist wahr«, erkannte Nenophar an. »Der Handel gedeiht nur in einer friedvollen und gerechten Gesellschaft. Eure Festigkeit hat uns tief beeindruckt; mein Gemahl und ich schätzen mutige Männer. Von heute an werden wir Euch um Rat angehen, wenn bei der Führung unserer Geschäfte irgendein rechtlicher Zweifel bestehen sollte.«

19. Kapitel

Nach einer schnellen und friedlichen Reise gelangte das Schiff, das Richter Paser, seinen Esel, seinen Hund, Kem, den Babuin und einige andere Fahrgäste trug, in Sichtweite von Theben. Ein jeder verstummte.

Am linken Ufer boten die Tempel von Karnak und von Luxor ihre göttliche Baukunst dar. Hinter den hohen Mauern, vor dem Blick der Gemeinen geschützt, lobpries eine kleine Anzahl von Männern und Frauen die Gottheiten, auf daß sie auf Erden verweilen mochten. Akazien und Tamarisken beschatteten den Widdersphingen-Gang, der zu den Pylonen führte, den gewaltigen Toranlagen, die den Zugang zu den Heiligtümern ermöglichten. Diesmal hatten die Ordnungskräfte des Nils das Boot nicht abgefangen. Mit Freude sah Paser seine heimatlichen Gefilde wieder; seit seinem Aufbruch hatte er Prüfungen erduldet, sich gefestigt und abgehärtet und vor allem die Liebe entdeckt. Nicht einen Augenblick verließ ihn Neferet. Er hatte die Freude am Essen verloren, verspürte mehr und mehr Mühe, seine Aufmerksamkeit zu sammeln; nachts machte er kein Auge zu in der Hoffnung, sie aus der Dunkelheit hervortauchen zu sehen. Sich selbst fern, versank er nach und nach in einer Leere, die ihn von innen heraus verschlang. Allein die geliebte Frau könnte ihn heilen, doch würde sie seine Krankheit erkennen? Weder die Götter noch die Priester konnten ihm die Lebenslust zurückgeben, kein Sieg konnte seinen Schmerz vertreiben, kein Buch ihn besänftigen.

Theben, wo Neferet sich verbarg, war seine letzte Hoffnung. Paser glaubte nicht mehr an seine Ermittlungen. Zutiefst ernüchtert, wußte er nun, daß die Verschwörung meisterhaft geschmiedet worden war. Welchen Verdacht er auch immer hegen mochte, er würde nie zur Wahrheit gelangen. Kurz vor seiner Abfahrt hatte er von der Beisetzung der Mumie des Oberaufsehers des Sphinx erfahren. Da die Entsendung Heerführer Aschers zeitlich nicht begrenzt war, hatten die Obrigkeiten der Streitkräfte es für gut befunden, die Bestattungsfeierlichkeiten nicht länger hinauszuzögern. Handelte es sich um den Altgedienten oder um einen anderen Toten? War er vielleicht noch am Leben und irgendwo versteckt? Paser würde für immer im Zweifel bleiben. Das Schiff legte vor dem Tempel von Luxor an. »Wir werden beobachtet«, bemerkte Kem. »Ein Jüngling, dort am Bug. Er ist gestern an Bord gestiegen.«

»Entschwinden wir in die Stadt; dann sehen wir, ob er uns folgt.«

Der Mann ließ indes nicht von ihnen ab. »Monthmose?«

»Wahrscheinlich.«

»Soll ich ihn Euch vom Halse schaffen?«

»Mir kommt ein anderer Einfall.« Der Richter stellte sich im Hauptsitz der Ordnungskräfte vor, wo er von einem fettleibigen Beamten empfangen wurde, dessen Arbeitszimmer mit kleinen Körben Obst und Backwaren angefüllt war. »Seid Ihr nicht in dieser Gegend geboren?«

»Doch, in einem Dorf am Westufer. Ich bin nach Memphis berufen worden, wo ich in den Genuß kam, Eurem Vorsteher, Monthmose, zu begegnen.«

»Dann seid Ihr jetzt also zurück.«

»Ein kurzer Aufenthalt.«

»Der Ruhe oder der Arbeit?«

»Ich kümmere mich um die Holzsteuer[45]. Mein Vorgänger hat unvollständige und verworrene Aufzeichnungen zu diesem wesentlichen Punkt hinterlassen.« Der Fettleibige verschlang einige Rosinen.

»Sollte Memphis Not an Brennstoff haben?«

»Gewiß nicht; der Winter war mild, wir haben unsere Vorräte nicht erschöpft. Doch der im Wechsel erfolgende Dienst der Reisigsammler scheint mir nicht in einwandfreier Weise gewährleistet: Die Memphiter überwiegen die Thebaner dabei bei weitem. Ich möchte Eure Verzeichnisse Dorf für Dorf einsehen, um die Betrüger ausfindig zu machen. Manch einer verspürt wohl keine Lust, Kleinholz, Gesträuch und Palmfasern einzusammeln, um sie zu den Auslese- und Wiederverteilungs­stellen zu bringen. Ist es nicht an der Zeit einzuschreiten?«

»Sicherlich, sicherlich.«