37695.fb2 Das Testament der G?tter - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 33

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Durch Boten war der Verantwortliche der thebanischen Ordnungskräfte vor Pasers Eintreffen gewarnt worden, den man als zu fürchtenden, unerbittlichen und allzu neugierigen Richter beschrieb; anstelle jenes beunruhigenden Menschen entdeckte der Fettleibige einen tastenden, um unwesentliche Dinge bekümmerten Amtmann.

»Der Vergleich der jeweiligen Mengen an Leseholz, die vom Norden und vom Süden gestellt wurden, ist vielsagend«, setzte Paser hinzu. »In Theben werden die Stümpfe der verdorrten Bäume nicht ordnungsgemäß zersägt. Sollte es da einen Schleichhandel geben?«

»Das ist möglich.«

»Wollt Ihr bitte den Gegenstand meiner Untersuchung vor Ort aufnehmen lassen.«

»Seid unbesorgt.«

Als der Fettleibige den jungen, mit Pasers Verfolgung beauftragten Ordnungshüter empfing, berichtete er diesem von der Unterredung. Die beiden Beamten waren sich einig: Der Amtmann hatte seine ursprünglichen Beweggründe wohl vergessen und verlor sich in Alltäglichkeiten. Dieses vernünftige Betragen würde ihnen recht viele Sorgen ersparen.

Der Schattenfresser hütete sich vor dem Affen und dem Hund. Er wußte, welch feines Gespür Tiere hatten und wie leicht sie verderbte Absichten wahrnahmen. Daher spähte er Paser und Kem aus gehöriger Entfernung aus.

Als er seine unmittelbare Bespitzelung aufgab, erleichterte der andere Verfolger, wahrscheinlich einer von Monthmoses Ordnungshütern, ihm seine Aufgabe. Falls der Richter sich dem Ziel näherte, wäre der Schattenfresser genötigt einzugreifen; im gegenteiligen Fall könnte er sich mit Beobachtung begnügen. Die Befehle waren eindeutig, und er gehorchte stets den Befehlen. Er würde den Tod nicht ohne offenkundige Notwendigkeit säen. Allein Pasers Beharrlichkeit hatte das Verschwinden der Gemahlin des Oberaufsehers erforderlich gemacht.

Nach den unseligen Vorkommnissen am Sphinx hatte der Altgediente Unterschlupf in dem kleinen Dorf am Westufer gesucht, wo er geboren war. Er wollte einen glücklichen Ruhestand verleben, nachdem er dem Heer treu gedient hatte. Die schützende Behauptung eines Unfalls kam ihm bestens zupaß. Weshalb in seinem Alter einen von vornherein verlorenen Kampf aufnehmen?

Seit seiner Rückkehr hatte er den Brotofen wiederhergestellt und versah die Aufgabe des Bäckers zur größten Zufriedenheit der Dörfler. Wenn die Frauen das Korn mittels Reiter[46] von allen Unreinheiten befreit hatten, zermalmten sie es auf dem Mühlstein und zerstießen es in einem Mörser mit langstieligem Stößel. So erhielten sie das erste noch grobe Mehl, das sie mehrere Male durchsiebten. Aus dem befeuchteten Feinmehl bereiteten sie dann einen zähflüssigen Teig, dem Hefe zugefügt wurde. Die einen benutzten einen Krug mit weitem Hals, um den Teig zu kneten, die anderen legten ihn auf eine schräge Steinplatte, die das Abfließen überschüssigen Wassers erleichterte. Hierauf griff der Bäcker ein, der die einfachsten Brote auf der Glut und die erleseneren Laibe in einem Ofen buk, der aus drei senkrechten Steinplatten bestand, die eine vierte bedeckte, unter der das Feuer brannte. Er bediente sich auch mit Löchern versehener Kuchenformen und steinerner Scheiben, in die er den Teig goß, um entsprechend runde Laibe, längliche Brote oder flache Kuchen herzustellen. Wenn die Kinder ihn darum baten, formte er ihnen ein liegendes Kalb, das sie mit großen Bissen verschlangen. Anläßlich des Min-Festes, das dem Gott der Fruchtbarkeit geweiht war, buk er Phalli von goldgelber Kruste und weißer Krume, die man auf dem Feld, inmitten der goldenen Ähren, verspeiste. Er hatte den Lärm der Schlachten und die Schreie der Verletzten vergessen; wie lieblich ihm der Gesang der Flammen erschien, wie sehr er die Weichheit des warmen Brotes liebte! Von seiner Vergangenheit beim Heer hatte er sich ein herrisches Gemüt bewahrt; wenn er die Platten aufheizte, schob er die Frauen beiseite und duldete nur seinen Gehilfen, einen stämmigen Heranwachsenden von fünfzehn Jahren, seinen angenommenen Sohn, der ihm nachfolgen würde.

An diesem Morgen hatte der Junge sich verspätet. Der Altgediente geriet schon in Zorn, als mit einem Male Schritte auf dem gefliesten Boden der Backstube zu hören waren. Der Bäcker drehte sich um. »Ich werde dich … Wer seid Ihr?«

»Ich vertrete Euren Helfer. Er leidet an starken Kopfschmerzen.«

»Ihr wohnt nicht im Dorf.«

»Ich arbeite bei einem anderen Bäcker, eine halbe Stunde von hier. Der Dorfvorsteher hat mich kommen lassen.«

»Hilf mir.«

Da der Ofen tief war, mußte der Altgediente sich mit Kopf und Oberkörper hineinbegeben, um im hinteren Teil so viele Brotformen wie möglich unterzubringen; sein Gehilfe hielt ihn dabei an den Schenkeln fest, um ihn beim kleinsten Zwischenfall herauszuziehen.

Der Altgediente wähnte sich in Sicherheit. Doch an diesem Tage wollte Richter Paser sein Dorf besuchen, seinen wahren Namen erfahren und ihn befragen. Der Schattenfresser hatte keine andere Wahl mehr. Er packte ihn an beiden Fesseln, riß sie vom Boden hoch und stieß den Altgedienten mit ganzer Kraft ins Innere des Ofens.

Der Eingang des Marktfleckens war menschenleer. Nicht eine Frau auf der Türschwelle, nicht ein unter einem Baum schlummernder Mann, nicht ein mit seiner Holzpuppe spielendes Kind. Den Richter überkam die Gewißheit, daß sich gerade ein ungewöhnliches Ereignis zugetragen haben mußte; er forderte Kem auf, sich nicht von der Stelle zu rühren. Der Babuin und der Hund schauten sich aufgeregt um.

Paser lief eilends die von niedrigen Häusern gesäumte Hauptstraße entlang.

Rund um den Backofen fehlte nicht ein Dorfbewohner. Man schrie, man schubste, man rief die Götter an. Ein Heranwachsender erklärte zum zehntenmal, daß er niedergeschlagen worden sei, als er aus dem Hause trat und sich anschickte, dem Bäcker, seinem Ziehvater, zu helfen. Er machte sich wegen des entsetzlichen Unfalls bittere Vorwürfe und weinte heiße Tränen.

Paser drängte sich durch die Menge. »Was ist geschehen?«

»Unser Bäcker ist soeben auf grauenhafte Weise gestorben«, antwortete das Dorfoberhaupt. »Er muß ausgerutscht und im Ofen ohnmächtig geworden sein. Für gewöhnlich hält sein Gehilfe ihn an den Beinen zurück, um ein derartiges Unglück zu vermeiden.«

»Handelte es sich um den aus Memphis zurückgekehrten Altgedienten?«

»In der Tat!«

»Hat jemand diesem … Unfall beigewohnt?«

»Nein. Weshalb all diese Fragen?«

»Ich bin der Richter Paser, und ich kam hierher, um diesen Unglücklichen zu befragen.«

»Worüber?«

»Ohne Belang.«

Eine völlig aufgelöste Frau klammerte sich jäh an Pasers linken Arm.

»Es waren die Geister der Nacht, die ihn getötet haben, weil er eingewilligt hat, Brot, unser Brot, dieser Fremden namens Hattusa zu liefern, die über den Harem herrscht.«

Der Richter stieß sie barsch beiseite. »Da Ihr das Gesetz anwendet, rächt unseren Bäcker und nehmt diese Dämonin fest.«

Paser und Kem aßen auf dem freien Feld neben einem Brunnen zu Mittag. Der Babuin schälte mit großer Fingerfertigkeit milde Zwiebeln. Er begann allmählich, Pasers Gegenwart ohne großes Mißtrauen zu dulden. Brav labte sich an Brot und Gurken, Wind des Nordens kaute Futterklee. Fahrig drückte der Richter einen Schlauch frisches Wasser an sich.

»Ein Unfall und fünf Opfer! Das Heer hat gelogen, Kem. Sein Bericht ist eine Fälschung.«

»Ein einfacher Irrtum der Verwaltung.«

»Das war Mord, ein erneuter Mord.«

»Keinerlei Beweise. Der Bäcker ist verunglückt. So etwas hat sich schon ereignet.«

»Der Mörder ist vor uns dagewesen, weil er wußte, daß wir ins Dorf kommen würden. Niemand sollte die Spur des vierten Altgedienten wiederfinden, niemand sollte sich mit dieser Angelegenheit näher befassen.«

»Dringt nicht weiter. Ihr habt irgendeine Abrechnung unter Kriegern aufgestöbert.«

»Wenn die Gerechtigkeit sich geschlagen gibt, wird die Gewalt anstelle von PHARAO herrschen.«

»Ist Euer Leben nicht wichtiger als das Gesetz?«

»Nein, Kem.«

»Ihr seid der unerschütterlichste Mann, dem ich je begegnet bin.«

Wie sehr der Nubier sich doch täuschte! Selbst in diesen unheilvollen Stunden gelang es Paser nicht, Neferet aus seinem Sinn zu verbannen. In der Folge dieses Zwischenfalls, der ihm die Stichhaltigkeit seiner Ahnungen bewies, hätte er sich ganz seiner Untersuchung widmen müssen; doch die Liebe, so heftig wie der Wind des Südens, fegte diesen Vorsatz hinweg. Er stand auf und lehnte sich mit geschlossenen Lidern gegen den Brunnen. »Fühlt Ihr Euch nicht wohl?«

»Es wird vorübergehen.«

»Der vierte Altgediente war noch am Leben«, erinnerte Kem.

»Wie steht es um den fünften?«

»Falls wir ihn befragen könnten, würden wir dieses Geheimnis durchdringen.«

»Sein Dorf ist ohne Zweifel nicht sehr weit entfernt.«

»Wir werden nicht hingehen.« Der Nubier lächelte. »Endlich seid Ihr vernünftig!«