37695.fb2 Das Testament der G?tter - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 37

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»Die Zeit drängt.«

»Vorschrift ist Vorschrift.«

»Können wir darüber reden?«

»In meinem Arbeitszimmer, aber macht Euch keine Hoffnungen.«

Die Unterredung war von kurzer Dauer. Der Krieger kam hastig aus der Amtsstube, stürzte sich auf die Zügel und trieb das Gefährt auf den Weg nach Asien. Die Räder ächzten und wirbelten eine Sandwolke auf.

»Weshalb diese Eile? Wir sind doch nun mit den Vorschriften im reinen.«

»Mehr oder weniger. Ich habe hart draufgehauen, aber dieser Trottel könnte schneller als vorgesehen wieder aufwachen. Solche Halsstarrigen haben harte Schädel. Ich habe unsere Papyri selbst in Ordnung gebracht. Bei den Streitkräften, mein Kleiner, muß man sich zu helfen wissen.«

Die ersten Tage der Reise verliefen friedlich. Lange Wegstrecken, Versorgen der Pferde, Überprüfen der Ausrüstung, Nächte unterm Sternenhimmel, Verpflegen in den Marktflecken, in denen der Anführer sich mit einem Heeresboten oder einem Mitglied der Geheimen Späher in Verbindung setzte und den Kem der Truppen benachrichtigen hieß, daß nichts dessen Voranrücken stören würde. Der Wind drehte, wurde schneidend. »Der Frühling in Asien ist häufig frisch; leg deinen Überwurf an.«

»Ihr wirkt besorgt.«

»Die Gefahr kommt näher. Ich wittere sie wie ein Hund. Wie steht es um die Nahrung?«

»Es bleiben uns noch Fladen, Fleischklößchen, Zwiebeln und Wasser für drei Tage.«

»Das dürfte genügen.«

Bald darauf fuhren sie in ein stilles Dorf ein; der Marktplatz war menschenleer. Sethis Bauch krampfte sich zusammen.

»Nur keine Angst, Kleiner. Sie sind vielleicht auf den Feldern.«

Der Wagen fuhr ganz langsam weiter. Der Offizier ergriff eine Lanze und sah sich mit wachsamem Blick um. Er hielt vor dem Amtsgebäude, in dem der Beauftragte der Streitkräfte und der Übersetzer weilten. Es war leer.

»Dann wird das Heer eben keinen Bericht erhalten. Daran wird man erkennen, daß sich ein ernster Zwischenfall ereignet hat. Alles deutet auf einen Aufstand.«

»Bleiben wir hier?«

»Ich möchte lieber weiter vorstoßen. Du nicht?«

»Das hängt davon ab.«

»Wovon, Kleiner?«

»Wo befindet sich Heerführer Ascher?«

»Wer hat dir von ihm erzählt?«

»Sein Name ist berühmt in Memphis. Ich würde gerne unter seinem Befehl dienen.«

»Du bist wirklich vom Glück begünstigt. Genau zu ihm sollen wir stoßen.«

»Hat er dieses Dorf geräumt?«

»Sicher nicht.«

»Wer dann?«

»Die Beduinen[50]. Die niederträchtigsten, die besessensten und arglistigsten aller Wesen. Beutezüge, Plünderungen, Geiselnahmen, das sind ihre Vorgehensweisen. Wenn es uns nicht gelingt, sie auszumerzen, werden sie Asien, das Land zwischen Ägypten und dem Roten Meer sowie die umliegenden Gaue verderben. Sie verbünden sich bereitwillig mit jedem beliebigen Eroberer, mißachten die Frauen genauso sehr, wie wir sie lieben, speien auf die Schönheit und die Götter. Ich habe vor nichts Angst, aber die, mit ihren schlecht gestutzten Bärten, ihren um die Köpfe gewickelten Stoffen und den langen Gewändern, die fürchte ich. Entsinne dich stets, Kleiner: Das sind Feiglinge. Die überfallen dich hinterrücks.«

»Sollten sie alle Einwohner abgeschlachtet haben?«

»Wahrscheinlich.«

»Heerführer Ascher wäre demnach versprengt und vom Hauptheer abgeschnitten?«

»Möglich.«

Sethis lange, schwarze Haare tanzten im Wind. Trotz seines kräftigen Körperbaus und seines mächtigen Brustkorbs fühlte der junge Mann sich schwach und verletzlich.

»Zwischen ihm und uns stehen die Beduinen. Wie viele?«

»Zehn, hundert, tausend …«

»Mit zehn nehme ich es auf. Bei hundert zögere ich.«

»Tausend, Kleiner, um ein wahrer Held zu sein. Du wirst mich doch nicht im Stich lassen?« Der Offizier trieb die Pferde wieder an. Sie galoppierten bis zum Eingang einer mit Steilhängen gesäumten Schlucht. Dicht stand das an den Fels geklammerte Gesträuch und ließ nur eine enge Durchfahrt frei.

Die Pferde wieherten und bäumten sich auf; der Wagenführer beruhigte sie. »Sie spüren die Falle.«

»Ich auch, Kleiner. Die Beduinen kauern zwischen den Büschen. Sie werden versuchen, die Beine der Pferde mit Beilhieben durchzuhauen, uns zu Fall zu bringen und uns den Kopf und die Hoden abzuschneiden.«

»Der Preis des Heldentums scheint mir allzu hoch.«

»Dank dir laufen wir beinahe keine Gefahr. Einen Pfeil in jeden Strauch, eine wilde Fahrt, und wir gewinnen.«

»Seid Ihr sicher?«

»Zweifelst du etwa daran? Nachdenken ist schlecht.« Der Krieger zog an den Zügeln. Widerwillig preschten die Pferde in die Schlucht. Sethi hatte keine Zeit, Angst zu bekommen. Er schoß Pfeil auf Pfeil ab. Die beiden ersten verloren sich in unbesetzten Büschen, der dritte bohrte sich ins Auge eines Beduinen, der brüllend aus seinem Unterschlupf stürzte. »Mach weiter, Kleiner!«

Obwohl sich ihm die Haare sträubten und ihm das Blut in den Adern gefror, zielte er auf jedes Gesträuch, drehte sich nach links und dann nach rechts mit einer Schnelligkeit, deren er sich nicht fähig geglaubt hätte. Die Beduinen fielen, in den Bauch, die Brust, den Kopf getroffen.

Gestein und Gesträuch versperrten ihnen den Ausgang der Schlucht.

»Halt dich fest, Kleiner, wir springen!« Sethi hielt mit dem Schießen inne, um sich an die Kante des Kastens zu klammern. Zwei Feinde, die er nicht hatte durchbohren können, schleuderten ihre Äxte in Richtung der Ägypter. Mit vollem Lauf setzten die Pferde am niedrigsten Punkt über das Hindernis. Die Dornen zerkratzten ihnen die Beine, ein Stein ließ die Speichen des rechten Rades bersten, ein weiterer durchschlug die rechte Wand des Kastens. Der Streitwagen schwankte einen Augenblick; mit einem allerletzten Schwung überwanden die Pferde das Hindernis. Der Wagen legte mehrere Kilometer zurück, ohne langsamer zu werden. Durchgerüttelt und benommen klammerte Sethi sich an seinen Bogen und bewahrte nur mit großer Mühe sein Gleichgewicht. Außer Atem, schweißgebadet und mit dampfenden Nüstern blieben die Pferde schließlich am Fuße eines Hügels stehen. »Anführer!«

Eine Axt zwischen den Schulterblättern, brach der Offizier über den Zügeln zusammen. Sethi versuchte, ihn aufzurichten.

»Entsinne dich stets, Kleiner … die Feiglinge greifen immer hinterrücks an …«

»Ihr dürft nicht sterben, Offizier!«

»Nun bist du der einzige Held …« Die Augen brachen, und sein Atem erstarb. Lange drückte Sethi den Leichnam an sich. Der Wagenführer würde sich nicht mehr rühren, ihm nicht mehr Mut zusprechen, nicht mehr das Unmögliche versuchen. Er war allein, in einem feindseligen Land verloren, er, der Held, dessen Tugenden allein ein Toter rühmen konnte.