37695.fb2 Das Testament der G?tter - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 38

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Sethi begrub den hohen Krieger, wobei er Sorge trug, sich die Stätte ins Gedächtnis einzuprägen. Falls er überleben sollte, würde er den Körper bergen und ihn nach Ägypten zurückbringen. Es gab kein grausameres Geschick für ein Kind der Beiden Länder, als fern seines Landes begraben zu sein. Den Rückweg anzutreten, hätte geheißen, erneut in die Falle zu gehen; vorzurücken barg die Gefahr, mit anderen Widersachern zusammenzustoßen. Er wählte dennoch die zweite Lösung in der Hoffnung, so schnell als möglich mit den Kriegern von Heerführer Ascher in Verbindung zu treten, vorausgesetzt, daß sie nicht vernichtet worden waren. Die Pferde waren bereit, die Fahrt wieder aufzunehmen. Falls ein erneuter Hinterhalt vor ihm lag, würde Sethi nicht gleichzeitig den Wagen lenken und seinen Bogen handhaben können. Mit zugeschnürter Kehle folgte er einem steilen Weg, der auf ein verkommenes Häuschen mündete. Der junge Mann sprang ab und ergriff ein Schwert. Rauch stieg aus einem einfachen Schlot auf. »Kommt heraus!«

Auf der Schwelle erschien ein wild aussehendes Mädchen in Lumpen und mit schmutzigem Haar. Sie schwenkte drohend ein grobes Messer. »Sei unbesorgt und laß deine Waffe fallen.« Die Gestalt wirkte zerbrechlich, außerstande, sich zu verteidigen. Sethi ließ keine besondere Vorsicht walten. Als er dicht vor ihr stand, stürzte sie sich unversehens auf ihn und versuchte, ihm die Klinge ins Herz zu stoßen. Er wich geschickt aus, spürte jedoch sogleich einen brennenden Schmerz am linken Oberarmmuskel. Wie von Sinnen hieb sie erneut auf ihn ein.

Mit einem Fußtritt entwaffnete er sie und warf sie auf die Erde. Blut floß seinen Arm herunter. »Ganz ruhig, oder ich fessele dich.« Sie schlug wie eine Rasende um sich. Er drehte sie um und betäubte sie mit einem Handkantenschlag in den Nacken. Sein Umgang mit Frauen als junger Held nahm wahrlich eine schlechte Wendung. Dann trug er sie ins Innere des alten Gemäuers mit gestampftem Lehmfußboden. Modrige Wände, armseliger Hausrat, eine mit Ruß überzogene Feuerstelle. Sethi legte seine arme Beute auf einer löchrigen Matte ab und band ihr die Handgelenke und die Fesseln mit einem Strick.

Unversehens übermannte ihn die Müdigkeit. Er setzte sich mit dem Rücken zur Feuerstelle, den Kopf zwischen die Schultern gezogen; er zitterte wahrhaftig bis ins Mark. Die Angst drang ihm aus allen Poren.

Der Dreck widerte ihn an. Hinter dem Haus war ein Brunnen. Er füllte einige Krüge, reinigte seine Verletzung und putzte den einzigen Raum. »Auch du hast eine Wäsche dringend nötig.« Er besprengte die junge Frau, die sogleich aufwachte und schrie. Der Inhalt eines zweiten Krugs erstickte ihre Schreie. Als er ihr das schmutzige Gewand abstreifte, wand sie sich wie eine Schlange. »Ich will dich nicht vergewaltigen, Närrin!«

Verstand sie seine Absichten? Jedenfalls fügte sie sich. Wie sie da so nackt dastand, schien sie den Wasserschauer zu genießen. Als er sie abtrocknete, deutete sie ein Lächeln an. Die Helligkeit ihrer Haare überraschte ihn.

»Du bist hübsch. Hat man dich schon geküßt?« An der Art, wie sie die Lippen öffnete und die Zunge bewegte, sah Sethi, daß er nicht der erste war. »Wenn du mir versprichst, lieb zu sein, binde ich dich los.«

Ihre Augen flehten. Er nahm den Strick ab, der ihre Füße fesselte, streichelte ihre Waden, ihre Schenkel und legte seinen Mund auf die goldenen Locken ihres Geschlechts. Sie spannte sich wie ein Bogen. Mit freien Händen dann umschlang sie ihn.

Sethi hatte zehn Stunden lang einen traumlosen Schlaf geschlummert. Da seine Wunde pochte, war er mit einem Sprung auf den Beinen und trat aus dem Gemäuer.

Sie hatte seine Waffen geraubt und die Zügel des Wagens zerschnitten. Die Pferde waren entflohen. Kein Bogen, kein Dolch, kein Schwert, keine Stiefel, kein Überwurf mehr. Der Streitwagen versank unnütz im Schlamm, unter einem strömenden Regen, der seit dem Morgen fiel. Dem Helden, in den Rang eines von einer Wilden geprellten Trottels befördert, blieb nur noch übrig, zu Fuß gen Norden zu wandern.

Wutentbrannt zertrümmerte er den Wagen mit Steinen, damit er nicht in die Hände des Feindes fiel. Mit einem einfachen Schurz bekleidet, schritt Sethi, wie ein Esel bepackt, unter den unablässigen Regengüssen vorwärts: in einem Beutel altbackenes Brot sowie ein Stück der Deichsel, das eine hieroglyphische Inschrift mit dem Namen des Offiziers trug; Krüge mit frischem Wasser und die löchrige Matte. Er überwand einen Paß, durchquerte einen Pinienwald und stürmte einen steilen Abhang hinunter, der in einem See endete, welchen er an der Böschung umrundete.

Das Gebirge wurde unwirtlich. Nach einer Nacht im Schutz eines Felsens, an dem sich der Wind brach, erklomm er einen rutschigen Pfad und wagte sich in ein dürres Gebiet vor. Seine Lebensmittelvorräte waren rasch erschöpft. Er begann, Durst zu leiden. Als er sich endlich erquicken konnte, indem er einige Schlucke aus einem Pfuhl brackigen Wassers trank, hörte Sethi plötzlich Äste knacken. Mehrere Menschen näherten sich. Er kroch hinter den Stamm einer riesigen Pinie, um sich zu verbergen. Fünf Männer stießen einen Gefangenen mit auf dem Rücken gefesselten Händen vor sich her. Ihr Anführer, von kleinem Wuchs, packte ihn an den Haaren und zwang ihn niederzuknien. Sethi war zu weit entfernt, um zu hören, was er sagte, doch die Schreie des Gemarterten brachen bald die Stille des Gebirges. Einer gegen fünf und dazu noch unbewaffnet … der junge Mann hatte keinerlei Aussicht, den Unglücklichen zu retten. Der Folterer versetzte ihm Schläge, befragte ihn, schlug ihn erneut, befahl schließlich seinen Helfershelfern, ihn zu einer Höhle zu schleifen. Am Ende eines letzten Verhörs schnitt er ihm die Kehle durch.

Nachdem die Mordgesellen sich entfernt hatten, blieb Sethi mehr als eine Stunde reglos hocken. Er dachte an Paser, an dessen Liebe für Gerechtigkeit und äußerste Vollkommenheit, wie hätte er sich angesichts dieser Barbarei verhalten? Ihm war fremd, daß es so nahe an Ägypten eine Welt ohne Gesetz gab, in der ein Menschenleben nicht den geringsten Wert besaß.

Sethi zwang sich, bis zur Höhle hinunterzuklettern. Seine Beine zitterten, die Schreie des Sterbenden hallten noch in seinen Ohren wider. Der Gemarterte hatte seine Seele ausgehaucht. Nach seinem Schurz und seinem Aussehen zu urteilen, war der Mann Ägypter, zweifelsohne ein Mann von Aschers Heer, der in die Gewalt der Aufrührer geraten war. Mit bloßen Händen hob Sethi ihm ein Grab im Innern der Höhle aus.

Voller Entsetzen und restlos erschöpft, setzte er seinen Weg fort und überließ sich dem Schicksal. Dem Feind gegenüber würde er keine Kraft mehr haben, sich zu verteidigen.

Als zwei behelmte Krieger ihn anriefen, sank er auf die feuchte Erde.

Ein Zelt.

Eine Bettstatt, ein Kissen unter dem Kopf, eine Decke. Sethi richtete sich auf. Die Spitze eines Messers nötigte ihn, sich wieder hinzulegen. »Wer bist du?«

Der Mann, der ihn verhörte, war ein ägyptischer Offizier mit einem Gesicht wie gemeißelt. »Sethi, Bogenschütze der Streitwagentruppe.«

»Woher kommst du?« Er berichtete von seinen Großtaten. »Kannst du deine Behauptungen beweisen?«

»In meinem Beutel ist ein Stück des Wagens mit dem Namen meines Anführers.«

»Was ist aus ihm geworden?«

»Die Beduinen haben ihn getötet.«

»Und du, du hast dich davongemacht.«

»Selbstverständlich nicht! Mit meinen Pfeilen habe ich an die fünfzehn getroffen.«

»Wann wurdest du verpflichtet?«

»Zu Beginn des Monats.«

»Kaum fünfzehn Tage, und du sollst bereits ein Meister des Bogens sein!«

»Eine Gabe.«

»Ich glaube nur an Ertüchtigung. Wie wäre es, wenn du nun endlich die Wahrheit sagtest?« Sethi warf die Decke zurück. »Das ist die Wahrheit.«

»Könntest du nicht deinen Anführer beseitigt haben?«

»Ihr redet wirr!«

»Ein verlängerter Aufenthalt in einem Verlies wird dir die Gedanken wieder zurechtrücken.« Sethi stürzte nach draußen. Zwei Soldaten hielten ihn an den Armen fest, ein dritter hieb ihm in den Magen und betäubte ihn mit einem Faustschlag in den Nacken.

»Wir haben recht daran getan, diesen Spitzel gesund zu pflegen. Er wird gar nicht mehr aufhören zu plaudern.«

22. Kapitel

In einem der meistbesuchten Wirtshäuser Thebens zu Tisch sitzend, lenkte Paser die Unterhaltung auf Hattusa, eine der zum Landeswohl angenommenen Gemahlinnen von Ramses dem Großen. Beim Abschluß des Friedens- und Bündnisvertrages mit den Hethitern hatte PHARAO eine der Töchter des asiatischen Herrschers als Unterpfand der Aufrichtigkeit zur Gattin erhalten. An die Spitze des Harems von Theben gesetzt, verlebte sie dort ein Dasein in verschwenderischem Prunk. Hattusa, die Unnahbare, Unsichtbare, war nicht beliebt. Böse Zungen griffen sie an; betrieb sie nicht die Schwarze Kunst, verbündete sie sich nicht mit den Geistern der Nacht, weigerte sie sich denn nicht, bei den Großen Festen zu erscheinen?

»Ihretwegen«, verkündete der Besitzer des Wirtshauses, »hat sich der Preis der Salben verzweifacht.«

»Weshalb ist sie dafür verantwortlich?«

»Ihre Hofdamen, deren Zahl stetig zunimmt, schminken sich den lieben langen Tag. Der Harem verbraucht eine unwahrscheinliche Menge an Salben erster Güte, erwirbt sie teuer und treibt so deren Marktpreise in die Höhe. Beim Öl verhält es sich genauso. Wann werden wir endlich von dieser Fremden befreit sein?« Niemand übernahm Hattusas Verteidigung.

Üppiger Pflanzenbestand umgab die Gebäude des Harems am Ostufer. Ein Kanal versorgte das Anwesen, bewässerte verschwenderisch mehrere Lustgärten, die den Hofdamen – Betagte und Witwen – vorbehalten waren, sowie einen großen Obstgarten und eine Blumenanlage, in der sich die Spinnerinnen und Weberinnen ergingen. Wie alle Harems von Ägypten barg der von Theben zahlreiche Werkstätten, Schulen für Tanz, Musik und Dichtkunst, eine eigene Anpflanzung von wohlriechenden Kräutern und eine Wirkstätte für Schönheitsmittel; besonders geschulte Meister bearbeiteten dort Holz, Schmelzglas[51] und Elfenbein; dort schuf man herrliche Gewänder aus Leinen und widmete sich der erlesenen Kunst der Blumenbinderei. Von unablässiger Emsigkeit erfüllt, war der Harem ebenfalls ein Mittelpunkt des Unterrichts, in dem die für die Oberste Verwaltung auserkorenen Ägypter und Fremden sich bildeten. Neben den mit allerprächtigstem Geschmeide gezierten Damen gingen Handwerker, Lehrer sowie Verwalter ein und aus, welchen die Versorgung der Kostgänger mit frischen Lebensmitteln aufgetragen war. Richter Paser wurde früh am Morgen in den Hauptpalast eingelassen. Sein Stand erlaubte ihm, durch die Absperrung der Wachen zu dringen und sich mit Hattusas Kammerherrn zu besprechen. Letzterer nahm das Ansuchen des Richters entgegen und legte es seiner Herrin vor, die es zur Überraschung ihres Untergebenen nicht zurückwies. Der Amtmann wurde in einen Raum mit vier Säulen geleitet, dessen Wände mit Malereien, die Vögel und Blumen darstellten, verziert waren. Ein vielfarbener Bodenbelag verstärkte noch den Zauber des Ortes. Um Hattusa, die auf einem Thronsessel von vergoldetem Holz saß, flatterten zwei Leibdienerinnen. Sie hantierten mit Schminktöpfchen und ‑spateln und Duftschatullen, um schließlich den morgendlichen Putz mit der heikelsten Verrichtung, nämlich dem Anpassen der Perücke, zu beenden, der die Geschickteste noch, nachdem sie die unvollkommenen Locken zurechtgemacht hatte, falsche Strähnen anheftete.

Die hethitische Prinzessin hatte die Dreißig überschritten, und ihre Kopfhaltung bekundete Verachtung; sie bewunderte ihre Schönheit in einem Spiegel, dessen Stiel einen Lotosstengel beschwor.

»Ein Richter bei mir, zu einer derart morgendlichen Stunde! Es macht mich neugierig. Welches ist der Beweggrund Eures Besuchs?«

»Ich möchte Euch gerne einige Fragen stellen.« Sie legte den Spiegel beiseite und entließ die Perückendienerinnen.

»Sagt Euch eine Unterredung unter vier Augen zu?«

»Aufs beste.«

»Endlich ein wenig Zerstreuung! Das Leben ist so langweilig in diesem Palast.« Mit ihrer sehr weißen Haut, ihren langen und feinen Händen und den schwarzen Augen war Hattusa anziehend und beunruhigend zugleich. Eigensinnig, geistreich, beißend und lebhaft, kannte sie keinerlei Nachsicht mit ihrem jeweiligen Gegenüber und fand Gefallen daran, dessen Schwächen, Sprachfehler, ungeschicktes Verhalten oder körperliche Unvollkommenheiten zu brandmarken. Sie musterte Paser mit großer Aufmerksamkeit. »Ihr seid nicht der schönste Mann Ägyptens, indes kann eine Frau sich in Euch verlieben und Euch treu bleiben. Ungeduldig, leidenschaftlich, stets nur nach höchsten Zielen und Werten strebend … Ihr vereint schlimme Mängel in Euch. Und seid in einem Maße ernsthaft, ja beinahe ernst, daß Ihr Eure Jugend vergeudet.«

»Erlaubt Ihr mir, Euch zu befragen?«

»Ein kühner Schritt! Seid Ihr Euch Eurer Unverschämtheit bewußt? Ich bin eine der Gemahlinnen des Großen Ramses und könnte Euch noch in diesem Augenblick Eures Amtes entheben lassen.«

»Ihr wißt genau, daß dies nicht stimmt. Ich würde meine Sache vor dem Gericht des Wesirs verteidigen, und Ihr würdet wegen Mißbrauchs Eurer Macht vorgeladen.«

»Ägypten ist ein befremdliches Land. Nicht allein, daß seine Bewohner an das Recht glauben, sie achten es auch noch und wachen über seine Anwendung. Dieses Wunder wird nicht andauern.« Hattusa nahm den Spiegel wieder zur Hand, um die Locken ihrer Perücke eine nach der anderen zu begutachten.

»Falls Eure Fragen mich belustigen, werde ich sie beantworten.«