37695.fb2 Das Testament der G?tter - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 40

Das Testament der G?tter - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 40

»Meine Erinnerungen schützen mich.«

»Nehmt einmal an, Euer Auftraggeber scherte sich nicht um diese Drohung.«

Sie schlug die Augen nieder. »Deshalb habe ich Memphis verlassen und halte mich hier versteckt. Euretwegen habe ich alles verloren.«

»Ist Heerführer Ascher zu Euch gekommen?«

»Nein.«

»Die Wahrheit wird strahlend ans Licht kommen, das verspreche ich Euch.«

»Ich glaube nicht mehr an Versprechen.«

»Habt Vertrauen.«

»Weshalb will man Euch zerstören, Richter Paser?«

»Ich ermittele über einen Unfall, der sich in Gizeh ereignet hat. Fünf Altgediente der Ehrenwache haben dabei, wie die amtliche Fassung besagt, den Tod gefunden.«

»Über diese Angelegenheit wurden keinerlei Gerüchte laut.«

Des Richters Versuch war gescheitert. Entweder wußte sie nichts, oder sie schwieg beharrlich. Plötzlich legte sie ihre rechte Hand auf die linke Schulter und stieß einen Schmerzensschrei aus. »Was habt Ihr?«

»Heftiges Gliederreißen. Bisweilen kann ich den Arm nicht einmal mehr bewegen.« Paser zögerte nicht lange. Sie hatte ihm geholfen, jetzt mußte er ihr Beistand leisten.

Neferet behandelte gerade ein am Fuß verletztes Eselsfüllen, als Paser ihr Sababu vorstellte. Sie hatte dem Richter versprochen, ihren Namen geheimzuhalten.

»Ich bin dieser Frau auf dem Fährkahn begegnet; sie leidet an der Schulter. Könntet Ihr ihr Linderung verschaffen?«

Neferet wusch sich ausgiebig die Hände. »Ein altes Leiden?«

»Älter als fünf Jahre«, antwortete Sababu streitsüchtig. »Wißt Ihr, wer ich bin?«

»Eine Kranke, die ich zu heilen versuchen werde.«

»Ich bin Sababu, Dirne und Eigentümerin eines Hauses des Bieres.« Paser war bleich geworden.

»Die Häufigkeit geschlechtlicher Beziehungen und der Verkehr mit Liebhabern von zweifelhafter Reinlichkeit sind vielleicht die Ursachen Eures Übels.«

»Untersucht mich.«

Sababu zog das Kleid aus, unter dem sie völlig nackt war.

Sollte Paser die Augen schließen, sich umdrehen oder in der Erde versinken? Neferet würde ihm diese Schmach niemals vergeben. Kunde eines Freudenmädchens: genau das war das Geständnis, das er hier vor ihr machte! Sein Leugnen würde so lächerlich wie sinnlos sein.

Neferet betastete die Schulter, folgte mit dem Zeigefinger dem Verlauf eines Nervs, machte die Kraft- und Reizpunkte aus und überprüfte die Wölbung des Schulterblattes.

»Es ist ernst«, schloß sie. »Die Gelenkentzündung ist bereits verformend. Wenn Ihr Euch nicht pflegt, werden Eure Gliedmaßen steif werden.« Sababu verlor ihren Hochmut. »Was … was ratet Ihr mir?«

»Zuerst Euch des Biers und des Weines zu enthalten; dann jeden Tag Urabsud der Weidenrinde einzunehmen; und endlich das tägliche Auftragen eines Balsams aus Natron, Weißöl, Tere­binthenharz, Olibanumöl, Honig sowie Nilpferd-, Krokodil-, Wels- und Äschefett[52]. Diese Stoffe sind kostspielig, und ich besitze sie nicht. Ihr werdet einen Arzt in Theben aufsuchen müssen.« Sababu kleidete sich wieder an. »Säumt nicht«, empfahl Neferet ihr an, »das Leiden scheint mir von raschem Verlauf.« Gedemütigt begleitete Paser die Dirne noch bis zum Dorfeingang. »Bin ich frei?«

»Ihr habt Euer Wort nicht gehalten.«

»Es wird Euch überraschen, doch bisweilen widert die Lüge mich an. Vor einer Frau wie ihr sich zu verstellen, ist unmöglich.«

Paser ließ sich im Staub des Wegrands nieder. Seine Arglosigkeit hatte ihn ins Verderben geführt. In unerwarteter Art und Weise hatte Sababu ihren Auftrag schließlich doch erfüllt; der Richter fühlte sich zerschmettert. Er, der über allen Tadel erhabene Gerichtsbeamte, Buhlgeselle einer Dirne, ein Heuchler und verderbter Lüstling in Neferets Augen! Sababu, der gute Geist, Sababu, die die Richter und das Andenken ihres Vaters ehrfürchtig achtete, Sababu, die nicht gezögert hatte, ihn bei der ersten Gelegenheit zu verraten. Morgen würde sie ihn an Monthmose verhökern, sofern dies nicht bereits geschehen war.

Die Überlieferung behauptete, den Ertrunkenen käme die Gnade des Osiris zuteil, wenn sie vor dem Gericht des Jenseits erscheinen würden. Die Wasser des Nils läuterten sie. Die Liebe verloren, der Name besudelt, der Wunsch nach Vollkommenheit verheert … Der Freitod zog ihn an.

Unversehens legte sich Neferets Hand auf seine Schulter.

»Ist Euer Schnupfen geheilt?« Er wagte nicht, sich zu rühren. »Ich bin untröstlich.«

»Was beklagt Ihr?«

»Diese Frau … Ich schwöre Euch, daß …«

»Ihr habt mir eine Kranke gebracht, und ich hoffe, sie wird sich unverzüglich pflegen.«

»Sie hat danach getrachtet, mein Ansehen zu vernichten, und behauptete dann, dem entsagt zu haben.«

»Eine Dirne mit großem Herzen?«

»Das dachte ich zumindest.«

»Wer wird Euch dies verargen?«

»Ich bin zu Sababu gegangen, mit meinem Freund Sethi, um seine Verpflichtung beim Heer zu feiern.« Neferet zog ihre Hand nicht zurück. »Sethi ist ein wunderbarer Mensch, von unerschöpflichem Ungestüm. Er liebt den Wein und die Frauen, will ein großer Held werden, lehnt jede Einengung ab. Er und ich, wir sind uns auf ewig verbunden. Während Sababu ihn in ihrer Kammer empfing, bin ich sitzen geblieben, ganz in meiner Untersuchung versunken. Ich flehe Euch an, mir zu glauben.«

»Ein Greis bereitet mir Sorgen. Ich müßte ihn waschen und sein Haus entseuchen. Möchtet Ihr mir dabei helfen?«

23. Kapitel

»Steh auf.«

Sethi entwand sich dem Verlies, in das man ihn gesperrt hatte. Schmutzig und ausgehungert, hatte er nicht aufgehört, zotige Lieder zu singen und an die wundervollen, in den Armen der schönen Memphiterinnen verbrachten Stunden zurückzudenken. »Geh voran!«

Der Krieger, der ihm Befehle erteilte, war ein Söldner. Ein ehemaliger Freibeuter[53], der sich für die ägyptischen Streitkräfte wegen des behaglichen Ruhegehalts entschieden hatte, das sie ihren Altgedienten gewährten. Diesem, mit einem Kurzschwert bewaffneten Krieger, dessen Kopf ein Spitzhelm bedeckte, waren Gemütszustände völlig fremd. »Bist du der besagte Sethi?«

Da der junge Mann mit der Antwort etwas säumte, schlug der Söldner ihm in den Magen. Obwohl er sich krümmte, setzte Sethi das Knie nicht auf die Erde.

»Du bist stolz und stämmig. Angeblich sollst du gegen die Beduinen gekämpft haben. Ich, für meinen Teil, glaube nicht daran. Wenn man einen Feind tötet, schneidet man ihm die Hand ab und zeigt sie seinem Vorgesetzten. Meiner Meinung nach bist du wie ein Hase geflohen.«

»Mit einem Stück der Wagendeichsel, von meinem Streitwagen?«

»Beute einer Plünderung. Du sollst mit dem Bogen umgegangen sein, das werden wir jetzt nachprüfen.«

»Ich habe Hunger.«

»Wir werden sehen. Selbst am Ende der Kräfte ist ein wahrer Krieger noch fähig, sich zu schlagen.« Der Söldner führte Sethi an den Saum eines Wäldchens und reichte ihm einen Bogen von beachtlichem Gewicht. Der hölzerne Bogenstab war auf der Vorderseite mit Horn und auf der Rückseite mit Rinde beschichtet. Der Spannstrang bestand aus einer mit Leinfasern ummantelten Ochsensehne, die an beiden Enden mit Knoten befestigt war. »Ziel bei sechzig Metern, auf der Eiche, geradewegs vor dir. Du hast zwei Pfeile, um zu treffen.« Als er den Bogen spannte, glaubte Sethi, die Muskeln seines Rückens würden reißen. Schwarze Punkte tanzten ihm vor den Augen. Die Spannung beibehalten, den Pfeil ausrichten, zielen, den Einsatz vergessen, das Ziel verinnerlichen, zu Bogen und Pfeil werden, durch die Luft fliegen, sich ins Mark des Baums bohren … Er schloß die Augen und schoß. Der Söldner trat einige Schritte vor. »Fast in der Mitte.«