37695.fb2 Das Testament der G?tter - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 5

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Nachdem er sich die nötigen Mittel aus einem kleinen Laden des Viertels besorgt hatte, machte Paser sich ans Werk. Er besprengte die Wände und den Boden mit Wasser, in dem er Natron gelöst hatte, bestäubte sie dann mit einem Gemisch aus zerstoßener Kohle und der Pflanze bebet[17], deren kräftiger Geruch Geschmeiß und Ungeziefer fernhielt. Endlich vermengte er Weihrauch, Myrrhe, Cinnamomum[18] sowie Honig und nahm eine Ausräucherung vor, die das Gemäuer läuterte, indem es ihm einen angenehmen Duft verlieh. Um diese kostspieligen Stoffe zu erwerben, hatte er sich verschulden müssen und den größten Teil seines nächsten Gehalts ausgegeben.

Erschöpft entrollte er seine Matte und breitete sie auf dem Boden aus. Etwas störte ihn jedoch und hinderte ihn am Einschlafen: der Petschaftsring. Doch er nahm ihn nicht ab. Der Hirte Pepi hatte sich nicht geirrt: Er hatte keine Wahl mehr.

4. Kapitel

Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als der Gerichtsschreiber Iarrot mit schwerem Tritt in das Amtszimmer kam. Massig, pausbäckig, mit rotem, von Kupferrose gezeichnetem Gesicht, tat er keinen Schritt, ohne seinem Gang den Takt eines mit seinem Namen gezeichneten Stocks aufzuerlegen, welcher ihn zu einer bedeutenden und geachteten Persönlichkeit machte. Iarrot, gut und gern um die Vierzig, war glücklicher Vater eines Mädchens, Ursache all seiner Sorgen. Alle Tage nämlich stritt er sich mit seiner Gattin wegen der Erziehung des Kindes, das er unter keinerlei Vorwand hemmen und einschränken wollte. Das Haus erscholl ständig von ihrem zunehmend heftiger werdenden Gezänk.

Zu seiner großen Überraschung rührte gerade ein Arbeiter Gips unter zerstoßenen Kalk, um diesen weißer zu machen, prüfte dann die Beschaffenheit des Erzeugnisses, indem er es in einen Kalksteinkegel goß, und verstopfte schließlich ein Loch in der Vorderwand des richterlichen Wohnhauses.

»Ich habe keine Arbeiten angeordnet«, sagte Iarrot erzürnt.

»Ich schon. Und besser noch, ich führe sie unverzüglich aus.«

»Mit welchem Recht?«

»Ich bin der Richter Paser.«

»Aber … Ihr seid sehr jung!«

»Solltet Ihr mein Gerichtsdiener sein?«

»In der Tat.«

»Der Tag ist schon recht weit vorgeschritten.«

»Gewiß, gewiß … doch ich wurde von häuslichen Verdrießlichkeiten aufgehalten.«

»Welche dringenden Fälle stehen an?« fragte Paser, während er mit dem Verputzen fortfuhr. »Die Klage eines Baumeisters. Er verfügte über Ziegelsteine, doch es fehlte ihm an Eseln, um sie zu befördern. Er beschuldigt den Verleiher, sein Bauwerk absichtlich zu behindern.«

»Das ist in Ordnung gebracht.«

»Auf welche Weise?«

»Ich habe den Verleiher heute morgen aufgesucht. Er wird den Geschäftsmann entschädigen und die Ziegelsteine schon morgen befördern; eine Verhandlung wurde abgewendet.«

»Seid Ihr auch Verputzer?«

»Ein kaum begabter Laie. Die uns vom Schatzhaus zugeteilten Mittel sind ziemlich dürftig; daher werden wir uns in den meisten Fällen selbst helfen müssen. Weiter?«

»Ihr werdet zu einer Viehzählung erwartet.«

»Genügt der eigens dafür geschulte Schreiber nicht?«

»Der Gebieter des Anwesens, der Zahnheilkundler Qadasch, ist davon überzeugt, daß einer seiner Bediensteten ihn bestiehlt. Er hat um eine Untersuchung gebeten; Euer Vorgänger hat diese so lange wie möglich hinausgeschoben. Offen gesagt, ich habe ihn verstanden. Falls Ihr es wünscht, werde ich Beweggründe finden, um sie noch weiter zu verzögern.«

»Das wird nicht notwendig sein. Übrigens … wißt Ihr einen Besen zu handhaben?« Da der Gerichtsdiener stumm blieb, reichte der Richter ihm den kostbaren Gegenstand.

Wind des Nordens war nicht unzufrieden darüber, erneut die Landluft zu kosten; als Träger der richterlichen Ausrüstung schritt er kräftig aus, während Brav in der Gegend umherstreunte und freudig ein paar Vögel aufscheuchte. Wie gewohnt hatte Wind des Nordens sogleich die Ohren gespitzt, als der Richter ihm andeutete, daß sie sich zum Gut des Zahnheilkundlers Qadasch begeben würden, das zwei Stunden Fußmarsches südlich der Hochebene von Gizeh lag; der Esel hatte ohne Zögern die rechte Richtung eingeschlagen.

Paser wurde überaus herzlich vom Gutsverwalter begrüßt. Dieser war nur zu glücklich, einen befugten Richter empfangen zu können, welcher geneigt war, ein Geheimnis aufzuklären, das das Leben der Viehhirten vergiftete. Diener wuschen ihm die Füße, boten ihm einen neuen Schurz an und machten sich dazu noch anheischig, ihm den, den er trug, zu säubern; zwei junge Burschen fütterten den Esel und den Hund. Qadasch wurde über die Ankunft des Amtmannes benachrichtigt, und man errichtete in aller Eile einen erhöhten Bretterboden mit einem rotschwarzen, von Lotossäulchen getragenen Himmel darüber; vor Sonne geschützt, würden sich hierunter Qadasch, Paser und der für die Herden zuständige Schreiber niederlassen.

Als dann der Gebieter des Anwesens erschien, mit einem langen Stab in der rechten Hand und von Trägern mit seinen Sandalen, seinem Sonnenschirm und seinem Prunkstuhl gefolgt, begannen Musikantinnen sistrum[19] und Flöte zu spielen, und junge Bäuerinnen reichten ihm Lotosblüten dar. Qadasch war ein Mann um die Sechzig mit üppiger, weißer Haarpracht; ein großer Mann mit einer auffallenden, von violetten Äderchen durchzogenen Nase, niedriger Stirn und vortretenden Wangenknochen, der sich häufig die tränenden Augen wischte.

Paser wunderte sich über die rote Verfärbung seiner Hände; ganz ohne Zweifel litt der Zahnheilkundler an einem schlechten Blutkreislauf. Qadasch maß ihn mit argwöhnischem Blick. »Also Ihr seid der neue Richter?«

»Zu Euren Diensten. Es ist erfreulich festzustellen, daß die Bauern fröhlich sind, wenn der Gebieter des Anwesens ein edles Herz besitzt und den Stab fest in Händen hält.«

»Ihr werdet es weit bringen im Leben, junger Mann, wenn Ihr die Hohen achtet.«

Der Zahnheilkundige, dessen Sprache ungelenk wirkte, war fein gewandet. Geschlitzter Prunkschurz, Wams aus Raubtierleder, eine Halskette von sieben Reihen blauer, weißer und roter Perlen sowie Armreife an den Handgelenken verliehen ihm ein stattliches Aussehen.

»Setzen wir uns«, schlug er vor. Er selbst nahm auf seinem Lehnstuhl aus bemaltem Holz Platz; Paser ließ sich auf einem kubischen Sitz nieder. Vor ihm wie vor dem Schreiber der Herden stand ein kleiner, niedriger Tisch, der für das Schreibzeug vorgesehen war.

»Eurer Erklärung zufolge«, erinnerte der Richter, »besitzt Ihr einhunderteinundzwanzig Stück Rindvieh, siebzig Schafe, sechshundert Ziegen und ebenso viele Schweine.«

»So ist es. Bei der letzten Zählung, vor zwei Monaten, fehlte ein Ochse! Nun ist aber mein Vieh von großem Wert; das magerste Stück könnte leicht gegen ein Leinengewand und zehn Sack Gerste eingetauscht werden. Ich will, daß Ihr den Dieb festsetzt.«

»Habt Ihr Eure eigene Untersuchung durchgeführt?«

»Das ist nicht meines Amtes.« Der Richter wandte sich an den auf einer Matte sitzenden Schreiber der Herden. »Was habt Ihr in Euren Verzeichnissen vermerkt?«

»Die Anzahl der Tiere, die man mir vorgezeigt hat.«

»Wen habt Ihr befragt?«

»Niemanden. Meine Arbeit besteht im Schreiben, nicht im Befragen.«

Paser würde nichts weiter aus ihm herausbringen; gereizt zog er aus seinem Korb ein mit einer feinen Gipsschicht überzogenes Täfelchen aus Sykomore, einen zugeschnittenen Binsenpinsel von fünfundzwanzig Zentimetern Länge sowie einen Wasserbecher hervor, in dem er die schwarze Tinte anrührte. Als er bereit war, gab er dem Gutsverwalter einen Wink, die Vorführung zu beginnen. Mit einem leichten Klaps auf den Hals des ungeheuren Ochsen an der Spitze trieb dieser den Zug an. Das Tier setzte sich behäbig in Bewegung, von seinen schweren und friedlichen Artgenossen gefolgt. »Herrlich, nicht wahr?«

»Ihr mögt dem Züchter meine Anerkennung ausdrücken«, empfahl Paser.

»Der Dieb muß ein Hethiter oder ein Nubier sein«, meinte Qadasch. »Es gibt viel zu viele Fremde in Memphis.«

»Ist Euer Name nicht libyschen Ursprungs?« Der Zahnheilkundler verbarg seine Verärgerung nur schlecht.

»Ich lebe seit langer Zeit in Ägypten, und ich gehöre zur besten Gesellschaft; ist der Reichtum meines Anwesens nicht der augenscheinlichste Beweis? Ich habe die hochrühmlichsten Höflinge behandelt, das solltet Ihr wissen. Bleibt an Eurem Platz!« Mit Früchten, Lauchbunden, Körben voll Lattich und Gefäßen mit Duftstoffen beladene Träger begleiteten die Tiere. Ganz offenkundig handelte es sich hier nicht um eine einfache Überprüfung der Viehzählung; Qadasch wollte den neuen Richter blenden und ihm das Ausmaß seines Vermögens vorzeigen. Brav hatte sich geräuschlos unter den Sitz seines Herrn geschlichen und betrachtete das nacheinander vorbeiziehende Vieh.

»Aus welchem Landstrich stammt Ihr?« fragte der Zahnheilkundler.

»Ich bin es, der hier die Ermittlung leitet.« Zwei angespannte Ochsen trotteten an den erhöht Sitzenden vorüber; plötzlich legte sich der ältere auf den Boden und sträubte sich weiterzugehen. »Hör auf, dich totzustellen«, sagte der Kuhtreiber; der Gescholtene sah ihn mit furchtsamem Blick an, bewegte sich jedoch nicht. »Schlag ihn«, befahl Qadasch. »Einen Augenblick«, forderte Paser, indem er von dem Bretterboden herabstieg. Der Richter streichelte die Weichen des Ochsen, besänftigte ihn und versuchte mit Hilfe des Kuhhirten, ihn wieder auf die Beine zu bringen. Beruhigt stand das Tier wieder auf. Paser ging an seinen Platz zurück. »Ihr seid recht empfindsam«, meinte Qadasch spöttisch.

»Ich verabscheue Gewalt.«

»Ist sie nicht bisweilen nötig? Ägypten hat sich gegen Eindringlinge schlagen müssen, Männer sind für unsere Freiheit gestorben. Solltet Ihr sie etwa deswegen verdammen?«

Paser richtete sein Augenmerk wieder auf den Zug der Tiere; der Schreiber der Herden zählte. Zum Abschluß der Zählung fehlte im Vergleich zu den Angaben des Eigentümers ein Ochse. »Untragbar!« brüllte Qadasch, dessen Gesicht sich purpurn verfärbte. »Man bestiehlt mich – auf meinem eigenen Grund und Boden –, und niemand will den Schuldigen verraten!«

»Eure Tiere dürften doch gekennzeichnet sein.«

»Selbstverständlich!«