37695.fb2 Das Testament der G?tter - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 8

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»Kennt Ihr den Verantwortlichen für die Sicherheit des Sphinx von Gizeh?«

»Ich bin ihm zwei- oder dreimal über den Weg gelaufen.«

»Scheint er Euch vertrauenswürdig?«

»Er ist ein berühmter Altgedienter; sein guter Ruf ist bis zu meiner Feste gelangt. Man vertraut ein derart ehrenvolles Amt nicht irgend jemandem an.«

»War dieses irgendwie gefährlich?«

»Keineswegs! Wer würde sich an den Sphinx heranwagen? Es handelt sich um eine Ehrenwache, deren Mitglieder vor allem die Versandung des Bauwerks im Auge behalten sollen.«

Die Vorübergehenden traten vor ihnen zur Seite; ein jeder wußte um die Schnelligkeit des Pavians, der imstande war, seine Reißzähne in das Bein eines Räubers zu schlagen oder diesem gar den Hals zu brechen, bevor sein Herr noch einschreiten konnte. Wenn Kem und sein Affe ihre Erkundungsgänge machten, verflüchtigten sich böse Absichten. »Kennt Ihr den Aufenthaltsort dieses Altgedienten?«

»Er bewohnt ein Diensthaus nahe der Hauptkaserne.«

»Mein Einfall war schlecht; kehren wir in die Amtsstube zurück.«

»Möchtet Ihr meine Unterlagen nicht mehr überprüfen?«

»Es waren die seinen, die ich nachsehen wollte; doch die werden mir keine weiteren Erkenntnisse bringen. Ich erwarte Euch morgen früh bei Sonnenaufgang. Wie ist der Name Eures Pavians?«

»Töter.«

6. Kapitel

Bei Sonnenuntergang verschloß der Richter sein Amtszimmer und führte seinen Hund am Nilufer aus. Sollte er sich in diesen winzigen Vorgang verbeißen, den er doch ablegen konnte, indem er sein Siegel daruntersetzte? Sich einem unbedeutenden Verwaltungsakt in den Weg zu stellen, hatte kaum einen Sinn. Aber war er tatsächlich unbedeutend? Ein Mensch vom Lande, in ständiger Berührung mit der Natur und den Tieren, entwickelt ein feines Gespür; Paser empfand ein so eigenartiges, beinahe besorgniserregendes Gefühl, daß er eine, wenn auch nur kurze, Untersuchung durchführen wollte, um für diese Versetzung ohne Gewissensbisse einstehen zu können. Brav war verspielt, doch er mochte Wasser nicht. Er trottete in gehörigem Abstand vom Fluß entfernt, auf dem Lastschiffe, schlanke Segler und kleine Nachen vorüberglitten. Die einen waren auf Lust-, die anderen auf Lieferfahrt, andere wiederum auf großer Reise. Der Nil nährte Ägypten nicht allein, er schenkte dem Land auch noch einen bequemen und schnellen Verkehrsweg, bei dem sich Winde und Strömungen auf wundersame Weise ergänzten. Große Schiffe mit erfahrenen Mannschaften verließen Memphis in Richtung Meer; manche würden lange Entdeckungsfahrten zu fernen Ländern unternehmen. Paser beneidete sie nicht darum; ihr Los erschien ihm grausam, da es sie weit von einem Land entfernte, von welchem er jede Flur, jeden Hügel, jede Wüstenstraße, jedes Dorf liebte. Alle Ägypter fürchteten sich davor, in der Fremde zu sterben; das Gesetz wollte, daß man den Leib des Unglücklichen in die Heimat überführte, damit er seine Ewigkeit nahe bei seinen Ahnen, unter dem Schutz der Götter, verleben möge.

Brav stieß eine Art Quieken aus; ein kleiner, grüner Affe, so flink wie der Nordwind, hatte ihm soeben das Hinterteil mit Flußwasser bespritzt. Tief gekränkt und verärgert fletschte der Hund die Zähne und schüttelte sich; erschrocken sprang der Spaßmacher in die Arme seiner Herrin, einer jungen Frau von ungefähr zwanzig Jahren.

»Er ist nicht bösartig«, behauptete Paser, »aber er verabscheut es, naß gemacht zu werden.«

»Meine Äffin hat ihren Namen wahrlich verdient: Schelmin muß andauernd Streiche spielen, vor allem Hunden. Ich versuche ohne Erfolg, sie zur Vernunft zu bringen.« Die Stimme war so lieblich, daß sie Brav beruhigte und er gleich begann, das Bein der Besitzerin des Äffchens zu beschnuppern und abzulecken. »Brav!«

»Laßt ihn; ich glaube, er hat mich angenommen, und das freut mich sehr.«

»Wird Schelmin meine Freundschaft zulassen?«

»Um das herauszufinden, müßt Ihr näher kommen.« Paser jedoch war wie erstarrt: Er wagte keinen Schritt vor. Im Dorf hatten einige Mädchen ihm schöne Augen gemacht, ohne daß er sich darum gekümmert hatte; mit seinen Studien und dem Erlernen seines Berufs leidenschaftlich beschäftigt, hatte er Liebeleien und Gefühle vernachlässigt. Die Handhabung des Gesetzes hatte ihn frühzeitig reifen lassen, doch dieser Frau gegenüber fühlte er sich hilflos. Sie war schön.

Schön wie die Morgenröte des Frühlings, wie ein erblühender Lotos, wie eine glitzernde Welle mitten auf dem Nil. Ein wenig größer als er, das Haar ins Blonde spielend, das Gesicht makellos, mit zarten Zügen; sie hatte einen offenen, geraden Blick und Augen von sommerlichem Blau. An ihrem schlanken Hals hing eine Kette aus Lapislazuli; an ihren Hand- und Fußgelenken Bänder aus Karneol. Ihr leinenes Kleid ließ ihre festen und hoch angesetzten Brüste, zur Vollkommenheit geformte Hüften ohne starke Rundungen und lange, schlanke Beine erahnen. Ihre Füße und ihre Hände entzückten das Auge durch ihre Zartheit und Anmut. »Habt Ihr Angst?« fragte sie verunsichert. »Nein … selbstverständlich nicht.« Auf sie zuzugehen hätte geheißen, sie von nahem zu betrachten, ihren Duft einzuatmen, sie beinahe zu berühren … Er hatte nicht den Mut dazu. Da sie begriff, daß er sich nicht rühren würde, tat sie drei Schritte in seine Richtung und hielt ihm die kleine, grüne Äffin hin. Mit zitternder Hand streichelte er ihr die Stirn. Und Schelmin kratzte ihn mit flinkem Finger an der Nase. »Das ist ihre Art, einen Freund zu erkennen.« Brav muckte nicht auf; zwischen dem Hund und der Äffin war Waffenstillstand geschlossen. »Ich habe sie auf einem Markt gekauft, auf dem man Waren aus Nubien feilbot; sie schien so unglücklich, so verloren, daß ich nicht widerstehen konnte.« An ihrem linken Handgelenk entdeckte er einen merkwürdigen Gegenstand.

»Befremdet Euch meine tragbare Uhr[23]? Sie ist mir unerläßlich, um meinen Beruf auszuüben. Mein Name ist Neferet; ich bin Ärztin.« Neferet, »die Schöne, die Vollkommene, die Vollendete« … Welch anderen Namen hätte sie tragen können? Ihre goldene Haut schien unwirklich; jedes Wort, das sie aussprach, war wie einer der verzaubernden Gesänge, die man bei Sonnenuntergang auf dem Land vernahm.

»Dürfte ich Euch nach Eurem Namen fragen?« Es war unentschuldbar. Er hatte sich nicht einmal vorgestellt und also eine sträfliche Unhöflichkeit begangen.

»Paser … Ich bin einer der Richter des Gaus.«

»Seid Ihr hier geboren?«

»Nein, in der Gegend von Theben. Ich bin gerade erst nach Memphis gekommen.«

»Auch ich bin dort geboren!« Sie lächelte verzückt. »Hat Euer Hund seinen Auslauf beendet?«

»Nein, nein! Er bekommt nie genug.«

»Gehen wir ein wenig, ja? Ich muß Luft schnappen; die Woche, die gerade verstrichen ist, war ermüdend.«

»Übt Ihr Euren Beruf bereits aus?«

»Noch nicht; ich beende mein fünftes Lehrjahr. Ich habe zunächst die Arzneikunde und die Zubereitung der Heilmittel erlernt, dann habe ich im Tempel von Dendera als Tierkundige gedient. Man hat mich gelehrt, die Reinheit des Blutes der Opfertiere zu untersuchen und alle Arten von Tieren, von der Katze bis zum Stier, zu pflegen. Fehler wurden hart bestraft – mit dem Stock, wie bei den Knaben!« Paser litt bei der Vorstellung, daß diesem bezaubernden Körper Marter zugefügt wurden.

»Die Strenge unserer alten Meister ist die beste aller Ausbildungen«, befand sie. »Wenn das Ohr des Rückens offen ist, vergißt es die Unterrichtung nie mehr. Anschließend bin ich in der Schule der Heilkunde von Sais aufgenommen worden, wo ich den Titel einer ›Zuständigen der Leidenden‹ erhielt, nachdem ich verschiedene Fachgebiete studiert und mich darin geübt habe: Heilkunde der Augen, des Bauches, des Anus, des Kopfes, der verborgenen Organe, der in den Säften gelösten Flüssigkeiten und der Chirurgie.«

»Was verlangt man noch von Euch?«

»Ich könnte bereits Fachheilkundige sein, doch das ist der niedrigste Rang; ich werde mich damit begnügen, falls ich nicht imstande bin, Ärztin der allgemeinen Heilkunde zu werden. Der Fachheilkundige sieht bloß einen Ausdruck der Krankheit, ein begrenztes Bild der Wahrheit. Ein Schmerz an einer bestimmten Stelle bedeutet nicht, daß man den Ursprung des Übels kennt. Ein Fachheilkundiger vermag nur einen Teilbefund zu erstellen. Arzt der allgemeinen Heilkunde zu werden, ist das wahre Ziel jedes Heilkundigen; doch die zu bestehende Prüfung ist derart schwierig, daß die meisten davon Abstand nehmen.«

»Wie könnte ich Euch helfen?«

»Ich werde meinen Meistern allein trotzen müssen.«

»Möge es Euch gelingen!«

Sie durchschritten ein Beet Kornblumen, in dem Brav sogleich herumtollte, und ließen sich im Schatten einer Purpurweide nieder.

»Ich habe viel geredet«, beklagte sie, »das entspricht nicht meinen Gewohnheiten. Solltet Ihr Bekenntnisse anlocken?«

»Sie gehören zu meinem Beruf. Diebstähle, rückständige Zahlungen, Kaufverträge, Familienstreitigkeiten, Ehebrüche, Gewalttaten, ungerechte Abgaben, Verleumdungen und tausend andere Verstöße, das ist der Alltag, der mich erwartet. Mir fällt es zu, Ermittlungen zu leiten, Aussagen nachzuprüfen, Tatsachen und Hergänge zu erschließen und Urteile zu fällen.«

»Das ist mühselig.«

»Euer Beruf ist es nicht minder. Euch liegt das Heilen am Herzen, mir, daß Recht gesprochen werde; mit unseren Anstrengungen zu haushalten wäre Verrat.«

»Ich verabscheue es, die Umstände auszunutzen, aber …«

»Sprecht, ich bitte Euch.«

»Einer meiner Lieferanten von Heilkräutern ist verschwunden. Er ist ein barscher, doch rechtschaffener und sachkundiger Mann; gemeinsam mit einigen Berufsgenossen haben wir kürzlich Anzeige eingereicht. Vielleicht könntet Ihr die Nachforschungen beschleunigen?«

»Ich werde mich dafür verwenden; wie ist sein Name?«

»Kani.«

»Kani!«

»Kennt Ihr ihn etwa?«

»Er ist vom Verwalter des Anwesens eines gewissen Qadasch mit Gewalt ausgehoben worden. Heute ist er wieder ein freier und unbescholtener Mann.«

»Dank Euch?«