37753.fb2 Der Sohn des Lichts - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 25

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VIERUNDZWANZIG

In diesem achten Regierungsjahr Sethos’ beging Ramses seinen sechzehnten Geburtstag in jenem Teil der östlichen Wüste, der zu den berühmten Bergwerken von Serabit el-Khadim führt. Trotz aller Wachsamkeit blieb der Weg gefährlich, und niemand wagte sich gern in diese öde, von unheimlichen Geistern und räuberischen Beduinen bevölkerte Gegend vor. Trotz Festnahmen und Verurteilungen griffen sie immer wieder Karawanen an, die die Sinaihalbinsel durchqueren mußten.

Obwohl die Expedition keinen kriegerischen Charakter hatte, sicherten eine Reihe von Soldaten den Schutz des Pharaos und der Minenarbeiter. Die Anwesenheit des Königs machte aus dieser Reise ein außergewöhnliches Ereignis, von dem der Hof erst abends zuvor in Kenntnis gesetzt worden war. Während der Abwesenheit des Königs würde Königin Tuja das Steuer des Staatsschiffes übernehmen.

Ramses erhielt sein erstes bedeutendes Amt. Man ernannte ihn zum Kommandanten der Fußtruppe unter Bakhens Oberbefehl. Bakhen war zum Befehlshaber der Expedition befördert worden. Ihre Begegnung im Augenblick des Abmarsches war eisig gewesen, doch keiner von beiden konnte unter den Augen des Königs einen Zusammenstoß vom Zaun brechen. Während der Dauer ihrer Mission mußte sich jeder mit dem Charakter des anderen abfinden. Bakhen klärte sofort die Rangfolge, indem er Ramses befahl, die Nachhut zu übernehmen, wo nach seinen Worten »ein Neuling die geringste Gefahr für seine Untergebenen darstellte«.

Mehr als sechshundert Mann bildeten die Truppe, die auszog, Türkise heranzuschaffen, den Stein der himmlischen Hathor, die im Herzen eines kargen und wüsten Landes sich diese Gestalt erwählt hatte.

Der Weg durch die Wüste bereitete kaum Schwierigkeiten. Er war gut gespurt, wurde regelmäßig gewartet und war gesäumt von kleinen Festungsanlagen und Wasserstellen. Allerdings verlief er durch feindliche Landstriche, wo rote und gelbe Berge aufragten, deren Höhe die Neulinge verblüffte. Einige bekamen Angst, diese Gipfel könnten Dämonen ausspucken, die sich ihrer Seele bemächtigten, doch dank der Anwesenheit des Pharaos und der Selbstsicherheit seines Sohnes ließen sie sich beruhigen.

Ramses hatte auf eine schwere Prüfung gehofft, um seinem Vater sein Können zu beweisen. Daher beklagte er innerlich seine so einfache Aufgabe. Dieser dreißig Mann starke, seinem Befehl unterstellte Fußtrupp ließ sich von seiner Autorität mühelos beeindrucken. Alle hatten schon von seinem Ruf als begnadeter Bogenschütze und Pferdebändiger gehört und hofften, hätten sie erst einmal unter ihm gedient, auf eine Beförderung.

Nach eindringlichem Zureden von Ramses hatte Ameni auf dieses Abenteuer verzichtet. Seine schwache Konstitution untersagte ihm eine so große körperliche Anstrengung, und außerdem hatte er in einer Müllhalde nördlich der verdächtigen Werkstatt soeben eine Kalksteinscherbe entdeckt, die eine merkwürdige Inschrift trug. Es war noch zu früh, zu behaupten, dies sei die richtige Spur, doch der junge Schreiber verfolgte sie verbissen.

Ramses beschwor ihn, vorsichtig zu sein. Zu seinem Schutz ließ er ihm Wächter da und gab ihm den Rat, sich im Notfall an Setaou zu wenden, der mit dem Verkauf von Gift an die Arzneikammern der Tempel und dem Vertreiben unerwünschter Kobras aus den Häusern der Reichen allmählich zu Wohlstand gelangte.

Der Prinz hielt die Augen offen. Er, der die Wüste so liebte, obgleich er beinahe darin umgekommen wäre, schätzte die des Sinai ganz und gar nicht. Es gab hier zu viele stumme Felsen, zu viele beunruhigende Schatten, zu viel Chaos. Bakhen beschwichtigte ihn zwar, doch Ramses befürchtete immer noch einen Beduinenüberfall. Gewiß, die große Zahl der Ägypter würde sie wohl abhalten, anzugreifen, aber was hinderte sie, einen Nachzügler auszurauben oder, noch schlimmer, sich nachts in das Zeltlager einzuschleichen? Man konnte nicht vorsichtig genug sein, mußte Umsicht walten lassen. Nach einem kurzen Zwist mit Bakhen wurde beschlossen, daß letzterer die Sicherheitsvorkehrungen zwar befehligen, Ramses’ Vorschläge aber berücksichtigen werde.

Eines Abends entfernte der Sohn des Pharaos sich von seiner Nachhut und ging von Zelt zu Zelt bis zur Spitze der Kolonne, um etwas Wein zu holen für seine Männer, die von der Versorgungseinheit benachteiligt wurden. Man verwies ihn an den Verantwortlichen, der in seinem Zelt bei der Arbeit saß. Ramses hob einen Zipfel der Leinwand, bückte sich und entdeckte verblüfft einen Mann in Schreiberhaltung, der im Lampenschein eine Karte studierte.

»Moses! Du hier?«

»Befehl des Pharaos. Ich habe den Auftrag, die Versorgung zu gewährleisten und eine genauere Karte der Gegend zu erstellen.«

»Und ich befehlige die Nachhut.«

»Ich wußte nicht, daß du dabei bist. Bakhen redet offensichtlich nicht gern von dir.«

»Allmählich verstehen wir uns besser.«

»Gehen wir nach draußen, hier ist es zu eng.«

Die beiden jungen Männer hatten fast den gleichen Körperbau, ihre kräftige Gestalt und ihre natürliche Stärke ließen sie älter erscheinen. Sie wirkten nicht mehr wie Jünglinge, sondern wie erwachsene Männer.

»Das war eine schöne Überraschung«, bekannte Moses, »ich langweilte mich im Harim, und da kam diese Einberufung. Ohne endlich wieder frischen Wind um die Ohren zu bekommen, hätte ich wohl bald Reißaus genommen.«

»Ist Mer-Our denn kein wundervoller Ort?«

»Nicht für mich, die launischen Mädchen ärgern mich, die Handwerker hocken auf ihren Geheimnissen, und eine Verwalterstelle ist nichts für mich.«

»Und hast du’s jetzt besser getroffen?«

»Zweifellos! Ich liebe diese Gegend mit ihren unbestechlichen Bergen, diese Landschaft, die etwas Geheimnisvolles ausstrahlt. Hier fühle ich mich daheim.«

»Und das Feuer, das in dir lodert, wird es schwächer?«

»Ja, es ist nicht mehr ganz so verzehrend. In diesen verbrannten Felsen und diesen geheimen Schluchten verbirgt sich das, was mich hellen wird.«

»Das glaube ich nicht.«

»Vernimmst du denn den Ruf nicht, der aus diesem vergessenen Boden aufsteigt?«

»Ich verspüre eher eine Bedrohung.«

Moses ereiferte sich.

»Eine Bedrohung! Spricht aus dir der Soldat?«

»Als Versorgungsmann vernachlässigst du die Nachhut, meine Männer haben keinen Wein bekommen.«

Der Hebräer lachte schallend.

»In der Tat bin ich dafür verantwortlich. Nichts darf ihre Wachsamkeit beeinträchtigen.«

»Eine geringe Menge würde den Kampfgeist der Truppe beleben.«

»Da haben wir also unseren ersten Streit«, stellte Moses fest; »wer soll recht bekommen?«

»Keiner von uns beiden, es geht nur um das Wohl der Truppe.«

»Fliehst du damit nicht vor dir selbst, indem du dich hinter einer Pflicht versteckst, die man dir von außen aufgezwungen hat?«

»Hältst du mich für so feige?«

Moses blickte Ramses in die Augen.

»Du sollst etwas Wein bekommen, aber bemühe dich, die Berge des Sinai zu lieben.«

»Dies ist nicht Ägypten.«

»Ich bin kein Ägypter.«

»Doch, das bist du.«

»Du irrst.«

»Du bist in Ägypten geboren, wurdest dort erzogen und wirst dir dort deine Zukunft aufbauen.«

»So spricht ein Ägypter, kein Hebräer. Meine Ahnen sind nicht die deinen. Vielleicht haben sie hier gelebt, hier bin ich auf ihrer Spur, hier kann ich ihre Hoffnungen nachempfinden, auch ihre Niederlagen.«

»Sollte dir der Sinai den Kopf verdrehen?«

»Das kannst du nicht verstehen.«

»Solltest du das Vertrauen verloren haben?«

»Natürlich nicht.«

»Ich liebe Ägypten mehr als mich selbst, Moses. Nichts ist mir kostbarer als mein Vaterland. Wenn du deines entdeckt zu haben glaubst, kann ich deine Rührung durchaus verstehen.«

Der Hebräer setzte sich auf einen Felsbrocken.

»Ein Vaterland? Nein, diese Wüste ist kein Vaterland. Ich liebe Ägypten ebenso wie du. Ich schätze die Freuden, die es mir bietet, aber ich verspüre einen Ruf von anderswo.«

»Und kaum bist du anderswo, wirst du schwankend!«

»Da hast du nicht unrecht.«

»Gemeinsam werden wir noch andere Wüsten durchqueren, und du wirst zurückkehren nach Ägypten, weil dort ein einzigartiges Licht leuchtet.«

»Wie kannst du deiner so gewiß sein?«

»Weil ich in der Nachhut keine Zeit mehr habe, mich um die Zukunft zu sorgen.«

In der dunklen Nacht des Sinai stieg zweistimmiges Lachen zu den Sternen empor.

Die Esel gaben den Takt an, die Männer folgten. Jeder trug eine seinen Kräften gemäße Last, keinem fehlte es an Wasser oder Nahrung. Mehrmals gebot der König dem Zug Einhalt, damit Moses eine genaue Karte des Sinai erstellen konnte. Unterstützt von Landvermessern, stieg der Hebräer bis zur Quelle der ausgetrockneten Wadis hinauf, erklomm Abhänge, bestimmte neue Orientierungspunkte und erleichterte den Fachleuten somit die Arbeit.

Ramses verspürte immer noch diese dumpfe Unruhe. Daher stand er mit drei erfahrenen Soldaten unausgesetzt Wache, damit sein Freund nicht von plündernden Beduinen angegriffen wurde. Moses wäre wohl in der Lage gewesen, sich selbst zu verteidigen, aber er konnte ihnen auch in eine Falle gehen. Doch nichts Aufregendes geschah, und Moses leistete fabelhafte Arbeit, die für spätere Bergbauarbeiter oder Karawanen alles leichter machen würde.

Nach dem Abendessen saßen die beiden Freunde noch lange um die Feuerstelle und plauderten. An das Kichern der Hyänen und das Knurren der Leoparden waren sie gewöhnt. Ihnen behagte dieses rauhe Leben fernab der Bequemlichkeit des Palastes von Memphis und des Harim von Mer-Our. Mit derselben Begeisterung erwarteten sie den Morgen, der ihnen, davon waren sie überzeugt, neue Einblicke gewähren würde in das Geheimnis, das sie beharrlich zu ergründen suchten. Manchmal sprachen sie kein Wort und lauschten nur in die Nacht. Raunte sie ihnen nicht zu, ihre Jugend würde alle Hindernisse bezwingen?

Der lange Zug kam zum Stillstand.

Noch am Vormittag? Das war ungewöhnlich. Ramses befahl seinen Männern, ihr Gepäck abzulegen und sich auf den Kampf vorzubereiten.

»Ruhig Blut«, empfahl ein Soldat, über dessen Brust eine lange Narbe verlief. »Bei allem Respekt, Kommandant, wir sollten lieber ein Friedensgebet sprechen.«

»Woher nimmst du deine Gelassenheit?«

»Weil wir am Ziel sind.«

Ramses trat ein paar Schritte seitwärts. Ein Felsplateau, das unzugänglich schien, zeichnete sich in der Sonne ab.

Vor ihnen lag Serabit el-Khadim, Herrschaftsgebiet der Göttin Hathor, Herrin des Türkislandes.