37753.fb2 Der Sohn des Lichts - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 29

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ACHTUNDZWANZIG

Die ehemaligen Schüler des Kap verbrachten einen angeregten Abend. Tänzerinnen vertrieben den jungen Männern die Zeit. Wein, duftende Braten und Süßspeisen wurden gereicht. Setaou erzählte ein paar Schlangenanekdoten und verriet, wie er schöne Frauen verführte, indem er sie vor einem Reptil rettete, das er zuvor selbst in ihre Privatgemächer eingeschleust hatte. Dieses, wie er selbst fand, etwas ungehörige Verfahren ersparte ihm endloses Vorgeplänkel.

Jeder erzählte, was ihm bevorstand: Ramses würde zur Armee gehen, Ameni die Schreiberlaufbahn fortsetzen, Acha Diplomat werden, Moses die öffentlichen Bauvorhaben überwachen, und Setaou würde sich weiterhin seinen geliebten Kriechtieren widmen. Wann würden sie sich wohl wiedersehen, so glücklich und siegesgewiß?

Setaou zog sich als erster zurück, in Begleitung einer nubischen Tänzerin, die ihm rührende Blicke zugeworfen hatte. Moses mußte noch ein paar Stündchen schlafen, bevor er nach Karnak aufbrach, wo Sethos ein riesiges Bauvorhaben geplant hatte. Ameni, der das Trinken nicht gewohnt war, schlummerte auf weichen Kissen. Die Nacht war erfüllt von Duft.

»Eigenartig«, sagte Acha zu Ramses, »die Stadt scheint so friedlich.«

»Sollte es denn anders sein?«

»Meine Reisen durch den Osten und Nubien haben mir die Augen geöffnet. Wir leben und wiegen uns in Sicherheit. Doch im Norden wie im Süden haben mehr oder minder furchterregende Völker nichts anderes im Sinn, als sich unserer Reichtümer zu bemächtigen.«

»Im Norden sind es die Hethiter, aber wer lauert im Süden?«

»Solltest du die Nubier vergessen haben?«

»Die sind doch schon seit langer Zeit unsere Untertanen.«

»Das glaubte ich auch, bis ich dorthin kam, mit dem Auftrag, den Stand der Dinge etwas genauer zu erforschen. Die Zungen lösten sich, und ich hörte, was hinter den Kulissen geredet wurde, und kam einer Wirklichkeit nahe, die ganz anders ist, als man hier bei Hof glaubt.«

»Du drückst dich recht rätselhaft aus.«

Der vornehme und elegante Acha schien so gar nicht geschaffen für lange Reisen durch unwirtliche Landstriche. Dennoch war er stets ausgeglichen, wurde nie laut und legte eine unerschütterliche Ruhe an den Tag. Seine innere Kraft und seine geistige Regsamkeit erstaunten einen jeden. Jetzt wurde auch Ramses klar, daß er niemals eine von Acha vorgetragene Meinung überhören durfte. Seine Vornehmheit war trügerisch, hinter dem Erscheinungsbild eines Mannes von Welt verbarg sich ein entschlossener und selbstsicherer Charakter.

»Weißt du, daß wir hier über Staatsgeheimnisse reden?«

»Das ist doch dein Aufgabenbereich«, sagte Ramses spöttisch.

»Diesmal bist du ganz direkt betroffen, und weil wir Freunde sind, meine ich, du solltest eine Nacht Vorsprung bekommen vor Chenar. Morgen früh wird er nämlich Mitglied des Rates sein, den der Pharao einberufen wird.«

»Solltest du mir zuliebe dein Wort brechen?«

»Ich begehe keinen Verrat an meinem Land, denn ich bin überzeugt, daß du in dieser Angelegenheit eine Rolle spielen wirst.«

»Könntest du dich etwas klarer ausdrücken?«

»Im Gegensatz zu den Fachleuten bin ich der Meinung, daß sich in einer unserer nubischen Provinzen ein Aufstand vorbereitet. Nicht einfach eine schlichte Unmutsbewegung, sondern ein richtiger Aufstand, der zahlreiche Opfer kosten dürfte, wenn die ägyptische Armee nicht schnell eingreift.«

Ramses war verblüfft.

»Hast du es gewagt, eine solch unglaubliche Ansicht vorzutragen?«

»Ich habe sie schriftlich ausgeführt und meine Gründe erläutert. Ich bin zwar kein Seher, aber hellsichtig.«

»Der Vizekönig von Nubien und die Generäle werden dich als Spinner hinstellen!«

»Das ist zu erwarten, aber der Pharao und seine Ratgeber werden meinen Bericht lesen.«

»Und warum sollten sie deine Ansicht teilen?«

»Weil sie der Wahrheit entspricht, und ist die Wahrheit nicht Leitstern unseres Herrschers?«

»Schon, aber…«

»Sei nicht ungläubig, bereite dich lieber vor.«

»Mich vorbereiten, worauf denn?«

»Sobald der Pharao beschlossen haben wird, den Aufruhr niederzuschlagen, wird er ganz sicher einen seiner Söhne mitnehmen wollen. Das mußt du sein, und nicht Chenar. Das ist die Gelegenheit für dich, deine Fähigkeiten als Soldat unter Beweis zu stellen.«

»Und wenn du dich geirrt hast…«

»Das ist ausgeschlossen. Finde dich frühzeitig ein im königlichen Palast.«

Ungewöhnliche Erregung herrschte im Seitenflügel des Palastes, wo der Pharao die »neun einzigen Freunde« sowie die anderen Ratsmitglieder, Generäle und einige Minister, versammelt hatte. Im allgemeinen beschränkte der König sich auf ein Gespräch mit seinem Wesir, wobei er sich Fälle, die er für entscheidend hielt, genauer vornahm. Aber an diesem Morgen war, ohne daß es Anzeichen dafür gegeben hätte, der erweiterte Rat zu einer Dringlichkeitssitzung geladen worden.

Ramses meldete sich bei dem Stellvertreter des Wesirs und ersuchte um eine Audienz beim Pharao. Man beschied ihn, sich zu gedulden. Da Sethos jedes Gerede zuwider war, würden die Verhandlungen sich nicht lange hinziehen. Das glaubte der Prinz jedenfalls, doch so war es nicht. Sie dauerten ungewöhnlich lange, über die Zeit des Mittagessens hinaus, bis in den frühen Nachmittag. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Teilnehmern mußten beträchtlich sein, und die Entscheidung des Königs würde erst fallen, wenn er sicher war, den richtigen Weg, den es einzuschlagen galt, zu erkennen.

Erst als die Sonne sich neigte, traten die einzigen Freunde mit ernster Miene aus dem Ratssaal, gefolgt von den Generälen. Kurz darauf holte der Stellvertreter des Wesirs Ramses herein.

Doch nicht Sethos, sondern Chenar empfing ihn.

»Ich wünsche den Pharao zu sehen.«

»Er ist beschäftigt, worum geht es?«

»Dann werde ich wiederkommen.«

»Ich bin befugt, dir zu antworten, Ramses. Wenn du dich weigerst, mit mir zu sprechen, werde ich das melden. Unser Vater wird dein Verhalten nicht billigen. Du vergißt nur allzu häufig, daß du mir Achtung schuldest.«

Die Drohung beeindruckte Ramses nicht. Er war entschlossen, alles auf eine Karte zu setzen.

»Wir sind Brüder, Chenar, solltest du das vergessen haben?«

»Unsere jeweilige Stellung…«

»Untersagt sie uns Freundschaft und Vertrauen?«

Dieser Einwurf verwirrte Chenar, und sein Ton wurde weniger schneidend.

»Nein, natürlich nicht, aber du kennst kein Maß, bist immer so aufgebracht…«

»Ich verfolge meinen Weg, du den deinen. Die Zeit der Illusionen ist vorbei.«

»Und wohin führt dein Weg?«

»In die Armee.«

Chenar faßte sich ans Kinn.

»Das wirst du sicherlich glänzend machen, doch aus welchem Grund wolltest du den Pharao sehen?«

»Um an seiner Seite in Nubien zu kämpfen.«

Chenar sprang auf.

»Wer hat dir denn etwas von einem Krieg in Nubien erzählt?«

Ramses ließ sich nicht beirren.

»Ich bin königlicher Schreiber und höherer Offizier, es fehlt mir nur eine formgerechte Einberufung zu einem Feldzug. Gib sie mir.«

Chenar ging unschlüssig auf und ab und setzte sich wieder.

»Das geht nicht.«

»Warum nicht?«

»Es ist gefährlich.«

»Machst du dir Sorgen um meine Gesundheit?«

»Ein Prinz von Geblüt kann sich solchen Gefahren, die schwer abzuschätzen sind, nicht aussetzen.«

»Wird der Pharao etwa nicht selbst seine Truppen ins Feld führen?«

»Laß ab von diesem Plan, dein Platz ist nicht dort.«

»Im Gegenteil!«

»Mein Entschluß ist unwiderruflich.«

»Dann werde ich mich eben an meinen Vater wenden.«

»Keinen Skandal, Ramses, das Land hat andere Sorgen; ein alberner Zwischenfall…«

»Hör auf, dich mir in den Weg zu stellen, Chenar.« Das Mondgesicht des Thronerben verhärtete sich. »Was wirfst du mir vor?«

»Bekomme ich meine Ernennung?«

»Diese Entscheidung obliegt dem König.«

»Anhand deines Vorschlags…«

»Darüber muß ich nachdenken.«

»Dann beeil dich.«

Acha blickte um sich. Ein recht großer Raum, zwei klug angeordnete Fenster, die für Durchlüftung sorgten, Wände und Decke mit Blumenornamenten und roten und blauen geometrischen Mustern verziert, ein paar Stühle, ein niedriger Tisch, ein paar gute Matten, Truhen mit viel Stauraum, ein Schrank für die Papyrusrollen… Das Arbeitszimmer, das man ihm soeben zugeteilt hatte hier im Amt der Gesandten, erschien ihm durchaus angemessen. Nicht vielen Beamten seines Alters wurde eine solche Ausstattung zuteil.

Acha diktierte seinem Schreiber die Briefe, empfing Amtsbrüder, die begierig waren, den jungen Mann kennenzulernen, den man höheren Orts als Phänomen einstufte, und hieß dann Chenar willkommen, der jeden vielversprechenden neuen Beamten persönlich näher kennenlernen wollte.

»Zufrieden?«

»Schon mit weniger wäre man zufrieden.«

»Der König hat deine Arbeit hoch bewertet.«

»Möge stets alles, was ich als ergebener Diener Seiner Majestät tue, zu ihrer Zufriedenheit ausfallen.«

Chenar schloß die Tür und sprach in gedämpftem Ton weiter.

»Auch ich schätze deine Arbeit hoch ein. Du hast es erreicht, daß Ramses mit gesenktem Kopf in die Falle gerannt ist: er träumt nur noch davon, in Nubien zu kämpfen! Natürlich habe ich, um ihn anzuheizen, erst einmal seine Forderungen zurückgewiesen und nur allmählich nachgegeben.«

»Ist er nun ernannt?«

»Der Pharao wird sich bereit erklären, ihn nach Nubien mitzunehmen, damit er zum erstenmal an vorderster Front steht. Ramses ahnt ja nicht, daß die Nubier gefährliche Krieger sind und der Aufruhr, der dort lodert, blutig enden kann. Sein Ausflug in die Türkisberge hat seinen Eifer geweckt, er hält sich bereits für einen alten Kämpfer. Von sich aus wäre er nicht auf den Gedanken gekommen, sich zu melden. Haben wir das nicht fein eingefädelt, mein Lieber?«

»Ich hoffe.«

»Und wenn wir jetzt von dir sprächen, Acha? Ich bin nicht undankbar, und deine Begabung als Gesandter hast du glanzvoll bewiesen. Noch ein wenig Geduld, noch ein oder zwei beachtliche und beachtete Berichte, und die Beförderungen werden sich reihen.«

»Ich habe nur den Ehrgeiz, meinem Land zu dienen.«

»Ich auch, das versteht sich doch von selbst. Aber eine höhere Stellung erleichtert wirkungsvolles Tun. Interessierst du dich für den Osten?«

»Genießt er nicht bereits Vorrang in unseren diplomatischen Bemühungen?«

»Ägypten braucht Fachleute deiner Statur. Bilde dich weiter, lerne, horche dich um und sei mir ergeben, du wirst es nicht zu bereuen haben.« Acha verneigte sich.

Obgleich das ägyptische Volk Waffengänge nicht schätzte, weckte Sethos’ Abmarsch gen Nubien kaum Besorgnis. Wie sollten diese barbarischen Stämme einer mächtigen und gut organisierten Armee denn schon standhalten? Dieser Feldzug glich eher einem Eingriff von Ordnungshütern als einem wirklichen Kampf. Nach harter Bestrafung würden diese Aufrührer nicht so bald den Kopf erheben und Nubien wieder eine friedliche Provinz sein.

Dank der warnenden Worte Achas wußte Chenar, daß die Ägypter auf heftigen Widerstand stoßen würden. Mit jugendlichem Überschwang würde Ramses sich bemühen, seine Tapferkeit unter Beweis zu stellen. In der Vergangenheit hatten nubische Pfeile und Beile dem Leben unvorsichtiger Soldaten, die nur allzu überzeugt waren von ihrer Überlegenheit, ein schnelles Ende gesetzt. So konnte man hoffen, daß es Ramses ähnlich ergehen werde.

Das Leben meinte es gut mit ihm, dachte Chenar bei sich. Im Spiel um die Macht setzte er die Figuren so, daß er eigentlich nur gewinnen konnte. Der Pharao verzehrte seine Kräfte, er war unermüdlich tätig. Schon in naher Zukunft würde er nicht umhinkönnen, seinen älteren Sohn als Regenten einzusetzen und ihm immer mehr Handlungsfreiheit zu gewähren. Zurückhaltung üben, Geduld walten lassen und im Hintergrund die Fäden ziehen, das waren die Schlüssel zum Erfolg.

Ameni rannte zur Hauptanlegestelle von Memphis. Mühsam bahnte er sich einen Weg durch die Menschenmenge, die dichtgedrängt den abziehenden Truppen Lebewohl winkte. Auf einer der letzten Abfallhalden hatte er einen Hinweis entdeckt, der wichtig, vielleicht sogar entscheidend war.

Als Sekretär von Ramses durfte er die Absperrung mißachten und erreichte schwer atmend den Kai.

»Wo ist das Schiff des Prinzen?«

»Ist gerade ausgelaufen«, entgegnete ein Offizier.