37753.fb2 Der Sohn des Lichts - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 37

Der Sohn des Lichts - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 37

SECHSUNDDREISSIG

Iset, die schöne, schmiegte sich an den nackten Körper ihres Geliebten und säuselte ihm ein Liebeslied ins Ohr, das alle Hingen Ägypterinnen kannten:

»Wäre ich doch deine Sklavin, gefesselt an deine Schritte. Ich könnte dich kleiden und entkleiden, die Hand sein, die dich kämmt und die dich massiert. Ich wäre die, die dein Gewand wäscht und die dich mit Duft benetzt. Wäre ich doch deine Armreife und dem Schmuck, die deine Haut berühren und ihren Duft kennen.«

»Das singt der Liebhaber, nicht seine Geliebte.«

»Was soll’s? Ich will, daß du es hörst, immer wieder hörst.«

Iset war eine stürmische und zärtliche Geliebte. Geschmeidig und leidenschaftlich, erfand sie ständig neue Spiele, um ihren Geliebten zu entzücken.

»Ob du Regent oder Bauer bist, mich kümmert’s nicht! Dich liebe ich, deine Kraft, deine Schönheit.«

Isets Aufrichtigkeit und Leidenschaft gefielen Ramses. In ihren Augen war keine Spur von Heuchelei. Er erwiderte ihre Hingabe mit der Glut seiner sechzehn Jahre, und im Einklang genossen sie ihre Lust.

»Verzichte«, schlug sie vor.

»Worauf?«

»Auf das Regentenamt, auf die Zukunft als Pharao. Verzichte, Ramses, und lebe glücklich mit mir.«

»Als ich noch Kind war, wollte ich König werden. Dieser Gedanke ließ mich fiebern und nicht mehr schlafen. Dann lehrte mich mein Vater, wie unbedacht ein solcher Ehrgeiz war. Ich verzichtete, vergaß diesen Wahn. Und nun ruft Sethos mich zu sich auf den Thron. Ein feuriger Sturzbach reißt mich mit, und sein Ziel ist mir unbekannt.«

»Stürze dich nicht hinein, bleib am Ufer.«

»Bin ich denn frei in meiner Entscheidung?«

»Schenke mir dein Vertrauen, ich werde dir beistehen.«

»Wie immer du dich auch mühst, ich bin allein.«

Tränen liefen Iset über die Wangen.

»Ich weigere mich, ich will keine Schicksalsergebenheit! Gemeinsam werden wir die Prüfungen leichter bestehen.«

»Ich werde meinen Vater nicht verraten.«

»Laß mich wenigstens nicht im Stich.«

Von Heirat wagte Iset, die Schöne, nicht mehr zu sprechen. Wenn nötig, würde sie im Schatten verharren.

Unter Ramses’ belustigtem Blick betastete Setaou das Diadem und den Uräus des Regenten.

»Fürchtest du diese Schlange etwa?«

»Gegen ihren Biß habe ich keine Arznei, gegen ihr Gift gibt es keine Mittel.«

»Solltest auch du mir vom Amt des Regenten abraten?«

»Also bin ich nicht der einzige, der dieser Ansicht ist?«

»Iset, die Schöne, wünscht sich ein ruhigeres Dasein.«

»Wer könnte es ihr verübeln?«

»Du, der Abenteurer, träumst plötzlich von einem zurechtgestutzten und friedlichen Leben?«

»Der Weg, den du einschlägst, ist voller Gefahren.«

»Haben wir uns nicht vorgenommen, die wahre Macht zu ergründen? Du setzt täglich dein Leben aufs Spiel. Warum sollte ich verzagter sein?«

»Ich trotze nur Reptilien, du wirst gegen Menschen antreten müssen, eine viel gefährlichere Art.«

»Wärest du bereit, mir zur Seite zu stehen?«

»Aha, der Regent bildet seine Gefolgschaft…«

»Ich vertraue dir und Ameni.«

»Moses nicht?«

»Er kennt seinen eigenen Weg, aber ich bin überzeugt, ihn als Haumeister wiederzutreffen. Gemeinsam werden wir großartige Tempel errichten.«

»Und Acha?«

»Ich werde mit ihm reden.«

»Dein Angebot ehrt mich, aber ich lehne es ab. Habe ich dir schon gesagt, daß ich Lotos zur Gemahlin nehmen werde? Vor Frauen muß man sich in acht nehmen, das gebe ich zu, aber Lotos ist eine wertvolle Gehilfin. Ich wünsche dir Glück, Ramses.«

In knapp einem Monat hatte Chenar die Hälfte seiner Freunde eingebüßt. Es war also noch nicht alles verloren. Er hatte befürchtet, allein zu stehen, aber etliche Würdenträger glaubten trotz Sethos’ Entscheidung nicht an Ramses’ Zukunft. Es könnte ja sein, daß beim Ableben des Pharaos der Regent sich aus Trauer und mangelndem Selbstvertrauen zur Übergabe des Amtes in erfahrenere Hände entschlösse.

War Chenar denn nicht Opfer einer Ungerechtigkeit geworden? Ihn, den künftigen Nachfolger, hatte man ohne weitere Erklärung und ohne Federlesen einfach zur Seite gedrängt. Wie hatte Ramses seinen Vater denn dazu bringen können, wenn nicht durch Verleumdung seines älteren Bruders?

Chenar genoß es, als Opferlamm betrachtet zu werden. Jetzt lag es an ihm, diesen unerwarteten Vorteil zu nutzen, zunehmend beunruhigendere Gerüchte auszustreuen und, wenn Ramses sich vergaloppierte, als sicherer Hort zu erscheinen. Dies alles einzufädeln würde Zeit brauchen, viel Zeit, denn um Erfolg zu haben, mußte er auch die Pläne des Gegners kennen. Daher bat Chenar um eine Audienz beim neuen Regenten, der in einem Trakt des Königspalastes von Memphis in unmittelbarer Nähe des Pharaos residierte.

Doch zuerst war das Hindernis Ameni zu überwinden, Ramses’ böser Geist. Wie konnte man ihn bloß bestechen? Er hielt nichts von Frauen, auch nichts von Tafelfreuden, hockte ständig in seinem Arbeitszimmer und schien keinen anderen Ehrgeiz zu haben, als Ramses zu dienen. Aber jeder Panzer hatte einen wunden Punkt, und den würde er, Chenar, schon herausfinden.

Ehrerbietig richtete er das Wort an den Sandalenträger des Regenten und beglückwünschte ihn zum tadellosen Zustand seiner neuen Amtsräume. Ameni, bei dem Schmeicheleien nichts fruchteten, würdigte Chenar keines Wortes und führte ihn nur in den Audienzsaal des Regenten.

Auf den Stufen des Podests mit dem Thron hockte Ramses und spielte mit seinem Hund und seinem kleinen Löwen, der zusehends kräftiger wurde. Die beiden Tiere verstanden sich prachtvoll, der Löwe bezwang seine Kraft und der Hund seinen Hang, ihn zu necken. Wächter hatte dem kleinen Wildfang sogar beigebracht, unbemerkt Fleisch aus den Küchen zu stehlen, und Schlächter hatte sich angewöhnt, den gelben Hund zu schützen und niemanden an ihn heranzulassen.

Chenar stand wie vom Donner gerührt.

Das sollte ein Regent sein? Der zweite Mann im Staat nach dem Pharao? Ein spielender Knabe in der Kraft seiner Jugend! Sethos mußte eine solch unbesonnene Entscheidung ja bereuen! Obwohl er vor Empörung kochte, riß Chenar sich zusammen.

»Würde der Regent so gütig sein, mich anzuhören?«

»Nicht so feierlich, Bruder! Komm, setz dich.«

Der gelbe Hund hatte sich auf den Rücken gerollt und streckte zum Zeichen seiner Unterwürfigkeit gegenüber Schlächter alle viere in die Luft. Ramses gefiel diese List. Auch dem Löwen gefiel das, er merkte gar nicht, daß der Hund ihn an der Nase herumführte und die Spielchen nach seinem Geschmack gestaltete. Das zu beobachten war sehr aufschlußreich für den Regenten. Wurden hier nicht Klugheit und Kraft zu Verbündeten?

Zögernd ließ sich Chenar auf eine der Stufen nieder, wahrte aber einen gewissen Abstand zu seinem Bruder. Der Löwe fing an zu knurren.

»Hab keine Angst. Wenn ich es ihm nicht befehle, greift er nicht an.«

»Diese Wildkatze wird eines Tages gefährlich werden. Er könnte einen ranghohen Besucher anfallen…«

»Die Gefahr besteht nicht.«

Wächter und Schlächter spielten nicht weiter, sie beobachteten Chenar. Seine Anwesenheit mißfiel ihnen.

»Ich bin gekommen, dir meine Dienste anzutragen.«

»Sei bedankt.«

»Womit gedenkst du mich zu beauftragen?«

»Die Staatsangelegenheiten und das öffentliche Leben sind mir noch völlig fremd, wie könnte ich dir da ein Amt übertragen, ohne einen Fehler zu begehen?«

»Aber du bist doch der Regent!«

»Sethos ist der alleinige Herr über Ägypten, er und niemand anders trifft die wichtigen Entscheidungen. Er bedarf meiner Meinung nicht.«

»Ja, aber…«

»Ich bin mir meiner Unzulänglichkeit vollkommen bewußt und habe auch nicht die Absicht, mich als Regierender aufzuspielen. Mein Verhalten wird sich nicht ändern, ich werde dem Pharao dienen und ihm gehorchen.«

»Du wirst aber eigene Entscheidungen treffen müssen!«

»Das hieße ja, den Pharao zu verraten. Ich werde mich mit den Aufgaben begnügen, die er mir überträgt, und sie nach bestem Vermögen erfüllen. Wenn ich versage, wird er mich absetzen und einen anderen Regenten benennen.«

Chenar war entwaffnet. Er hatte das überhebliche Auftrumpfen eines Raubtiers erwartet und sah ein demütiges und harmloses Lämmchen vor sich! Oder sollte Ramses gelernt haben, sich zu verstellen, und in den Schafspelz geschlüpft sein, um den Gegner auf eine falsche Fährte zu locken? Das ließ sich leicht herausfinden.

»Ich vermute, daß du dich mit der Rangfolge im Staat vertraut gemacht hast.«

»Um diese Feinheiten zu erkennen, bedürfte ich mehrerer Monate, wenn nicht gar Jahre, ist das wirklich erforderlich? Dank Amenis Fleiß werden mir viele lästige Verwaltungsaufgaben erspart bleiben, so daß ich immer noch Zeit finden werde für meinen Hund und meinen Löwen.«

Keinerlei Spott klang da an, Ramses schien tatsächlich unfähig, seine Macht zu ermessen. Und Ameni, der war bei allem Fleiß und Arbeitseifer nichts weiter als ein junger Schreiber von siebzehn Jahren. Ameni würde die Geheimnisse des Hofes nicht so schnell entschlüsseln. Wenn Ramses es ablehnte, sich mit erfahrenen Männern zu umgeben, würde er seine Stellung schwächen und wie ein Esel dastehen.

Chenar mußte gar nicht kämpfen, er konnte weiter auf vertrautem Boden agieren.

»Ich war der Annahme, der Pharao habe dir in bezug auf meine Person Richtlinien erteilt.«

»Du hast recht.«

Chenar stutzte, also rückte er doch endlich mit der Wahrheit heraus! Bisher hatte er ihm etwas vorgemacht, und nun würde er ihm gnadenlos den Hieb versetzen, ihn aus dem öffentlichen Leben auszuschließen.

»Was wünscht der Pharao?«

»Daß sein älterer Sohn wie bisher seinen Verpflichtungen nachkommt und das Amt des Obersten Zeremonienmeisters übernimmt.«

Oberster Zeremonienmeister, das war ein wichtiges Amt. Chenar würde sich um die Gestaltung der offiziellen Zeremonien kümmern, die Anwendung der Erlasse überwachen und ständig Anteil haben an der Politik des Königs. Er war also ganz und gar nicht ins Abseits gedrängt, würde auch weiterhin an entscheidender Stelle stehen, selbst wenn diese nicht so herausragend war wie die des Regenten. Mit etwas Geschick könnte er durchaus seine Netze spinnen, haltbar und dauerhaft.

»Werde ich dir über mein Tun Rechenschaft ablegen müssen?«

»Mir nicht, dem Pharao, wie sollte ich etwas beurteilen, das ich nicht kenne?«

Also war Ramses nur ein Strohmann! Sethos behielt alle Macht in Händen und vertraute weiterhin seinem älteren Sohn.

In der Mitte der heiligen Stadt Heliopolis ragte der gewaltige Tempel empor, der Re, dem Gott des Lichts und Schöpfer des Lebens, geweiht war. Im November, wenn die Nächte kühler wurden, bereiteten die Priester dort das Osiris-Fest vor, Osiris, das verborgene Antlitz Res.

»Memphis und Theben kennst du«, sagte Sethos zu Ramses, »entdecke jetzt Heliopolis. Hier hat das Denken unserer Ahnen Gestalt angenommen. Vergiß nicht, diesem heiligen Ort zu huldigen, Theben drängt sich allzu häufig in den Vordergrund. Ramses, der Begründer unseres Herrscherhauses, sorgte für Gleichgewicht und die gerechte Machtverteilung zwischen den Hohepriestern von Heliopolis, Memphis und Theben. Ich achtete stets seine Sicht, achte auch du sie. Unterwirf dich keinem Würdenträger, aber sei das Band, das sie vereint und sie führt.«

»Ich denke oft an Auaris, die Stadt Seths«, bekannte Ramses.

»Wenn das Schicksal dich zum Pharao macht, wirst du dorthin zurückkehren und, sobald ich tot sein werde, mit der geheimen Macht in Berührung kommen.«

»Du wirst nie sterben!«

Dieser Ausruf klang wie ein Herzenserguß, auf Sethos’ Lippen wurde ein Lächeln sichtbar.

»Wenn mein Nachfolger mein Ka pflegt, wird diese Gunst mir vielleicht zuteil.«

Sethos hieß Ramses eintreten in das Heiligtum, den großen Tempel Res, wo in der Mitte eines Hofes unter freiem Himmel ein mächtiger Obelisk stand, dessen vergoldete Spitze den Himmel durchbohrte, um schädliche Einflüsse zu zerstreuen.

»Das ist die Verkörperung des Urgesteins, das zu Anbeginn der Zeiten aus dem Urozean aufstieg. Durch seine Anwesenheit auf Erden wird die Schöpfung bestehen bleiben.«

Ramses stand noch wie gebannt, doch schon führte der Vater ihn zu einer riesigen Akazie, der von zwei Priesterinnen, die Isis und Nephthys darstellten, gehuldigt wurde.

»In diesem Baum«, erklärte Sethos, »zeugt der Unsichtbare den Pharao, nährt ihn mit der Milch der Sterne und gibt ihm seinen Namen.«

Noch weitere Wunder warteten auf den Regenten. In einer weiträumigen Kapelle stand auf stuckverziertem Holzsockel eine Waage aus Gold und Silber, die vier Ellen Spannweite und mehr als vier Ellen Höhe erreichte. Die Spitze zierte ein goldener Pavian, die Verkörperung des Gottes Thot, des Meisters der Schrift- und Rechenkunst.

»Die Waage von Heliopohs wiegt Seele und Herz jedes Wesens und jedes Dings. Möge Maat, die von dieser Waage versinnbildlicht wird, dem Denken und Tun stets beseelen.«

Zum Abschluß dieses Tages in der Stadt des Lichts führte Sethos Ramses noch zu einer Baustelle, die die Arbeiter bereits verlassen hatten.

»Hier entsteht eine neue Kapelle, denn das Werk darf nie unterbrochen werden. Der Tempelbau ist die erste Pflicht eines Pharaos, durch ihn wird er sein Volk erbauen. Knie nieder, Ramses, und vollbringe dem erstes Werk.«

Sethos reichte Ramses Hammer und Meißel, und unter dem Schutz des erhabenen Obelisken und des väterlichen Blicks legte der Regent den Grundstein für das künftige Bauwerk.