37753.fb2 Der Sohn des Lichts - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 7

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SECHS

Zielstrebig schwamm Ramses auf das Floß zu. Diese kunstvoll aus Papyrusstämmen und dünnen Schnüren gefertigte Insel würde dem zehnten Ansturm der Horde von Schwimmern, die mit der Absicht, ihn zu schlagen, gegen den Prinzen angetreten waren, nicht standhalten, zumal sie heute besonders stürmisch waren wegen der bewundernden Blicke all der jungen Mädchen, die am Ufer des Kanals dem Wettkampf zusahen. Weil jeder zu siegen hoffte, trugen sie Amulette um den Hals, der eine einen Frosch, der andere einen Ochsenschenkel, so mancher gar das schützende Auge. Ramses war nackt, nahm keinerlei Magie zu Hilfe, aber er schwamm schneller als die anderen.

Die meisten wurden von der Dame ihres Herzens angefeuert. Doch Sethos’ jüngerer Sohn kämpfte nur um seiner selbst willen, um sich zu beweisen, daß er über seine Kräfte hinauswachsen und auch hier als erster das Ufer erreichen konnte.

Ramses gewann den Wettkampf mit fünf Längen Vorsprung. Er verspürte keine Müdigkeit und hätte noch stundenlang schwimmen können. Verdrossen und schmallippig beglückwünschten ihn seine Gegner. Jeder kannte den aufbrausenden Charakter des Prinzen, dem der Weg zur Macht für immer versagt war und der wohl bald als gebildeter Müßiggänger im tiefen Süden, weit von Memphis und der Hauptstadt entfernt, residieren würde.

Eine hübsche Dunkelhaarige von fünfzehn Jahren, die durchaus schon fraulich wirkte, trat auf ihn zu und reichte ihm ein Tuch.

»Der Wind ist kühl, hiermit kannst du dich abtrocknen.«

»Das brauche ich nicht.«

Schelmisch schaute sie drein mit ihren reizvollen grünen Augen,der kleinen, geraden Nase, den schmalen Lippen und dem kaum hervortretenden Kinn. Sie war anmutig, lebhaft und elegant in ihrem durchscheinenden Leinenkleid, das gewiß aus einer noblen Werkstatt stammte. Unter dem Kopfband steckte eine Lotosblüte.

»Das ist ein Irrtum; selbst die Robustesten erkälten sich.«

» Ich weiß nicht, was Krankheit ist.«

»Ich heiße Iset. Heute abend gebe ich ein kleines Fest mit meinen Freundinnen. Wirst du mein Gast sein?«

»Gewiß nicht.«

»Solltest du es dir anders überlegen, bist du mir willkommen.« Lächelnd ging sie davon, ohne sich noch einmal umzuwenden.

Sary, der Lehrmeister, schlief im Schatten einer großen Sykomore, die den Mittelpunkt seines Gartens bildete. Ramses ging vor seiner Schwester Dolente, die sich auf einer Ruhebank aalte, auf und ab. Sie war weder schön noch häßlich und nur auf ihre Bequemlichkeit und ihr Wohlergehen bedacht. Die Stellung ihres Gatten versprach ein geruhsames Leben, abgeschirmt gegen den Alltagstrubel. Sie war zu groß, fühlte sich ständig ermattet, hatte eine fettige Haut, die sie von früh bis spät mit Salben einrieb, rühmte sich aber, als ältere Schwester von Ramses die kleinen Geheimnisse der besseren Gesellschaft zu kennen.

»Du besuchst mich nur selten, geliebter Bruder.«

»Ich bin zu beschäftigt.«

»Das Gerücht spricht eher von Müßiggang.«

»Frag deinen Gatten.«

»Du bist sicher nicht gekommen, um dich an meinem Anblick zu erfreuen…«

»Stimmt, ich brauche einen Rat.«

Dolente war entzückt. Ramses schätzte es gar nicht, anderen danken zu müssen.

»Ich höre. Wenn es mir gefällt, werde ich dir antworten.«

»Kennst du eine gewisse Iset?«

»Beschreib sie mir.«

Der Prinz tat es.

»Iset, die Schöne! Eine gefährliche, kokette Person. Manche halten sie für die schönste Frau von Memphis.«

»Ihre Eltern?«

»Reiche Honoratioren aus einer seit Generationen im Palast verkehrenden Familie. Sollte Iset, die Schöne, dich eingefangen haben?«

»Sie hat mich zu einem Fest geladen.«

»Da wirst du nicht der einzige sein! Dieses Mädchen feiert allabendlich ein Fest. Solltest du etwas für sie empfinden…«

»Sie hat mich herausgefordert.«

»Indem sie den ersten Schritt tat? Sei nicht altmodisch, geliebter Bruder! Iset, die Schöne, hat einfach befunden, du seist nach ihrem Geschmack, das ist alles!«

»Das steht einem jungen Mädchen doch nicht an…«

»Und warum nicht? Wir leben in Ägypten, nicht unter rückständigen Barbaren. Als Gattin empfehle ich sie dir nicht, aber…«

»Schweig.«

»Möchtest du nicht mehr erfahren über Iset, die Schöne?«

»Danke, liebe Schwester, mehr brauche ich nicht zu wissen.«

»Halte dich nicht zu lange in Memphis auf.«

»Eine Warnung?«

»Du bist hier niemand mehr; wenn du bleibst, wirst du welken wie eine Blume, die niemand gießt. In der Provinz wird man dich achten. Zähl nicht darauf, Iset, die Schöne, mitzunehmen. Sie mag keine Besiegten. Ich habe mir sagen lassen, dein Bruder, der künftige König Ägyptens, sei ihren Reizen nicht abgeneigt. Laß so schnell wie möglich von ihr ab, Ramses, sonst könnten deinem unbedeutenden Leben große Gefahren drohen.«

Es war kein Fest im landläufigen Sinne. Mehrere junge Mädchen aus Jen besten Familien hatten sich vorgenommen, unter sachkundiger Anleitung ihre Begabung für den Tanz unter Beweis zu stellen. Ramses war spät eingetroffen, da er am Festmahl nicht teilnehmen wollte; so geriet er unbeabsichtigt in die erste Reihe der zahlreichen Zuschauer.

Als Ort ihrer Darbietung hatten zwölf Tänzerinnen das Ufer des großen Weihers gewählt, in dem weiße und blaue Lotosblüten prangten. Der ganze Platz wurde erleuchtet von Fackeln, die in hohen Schäften steckten.

Die jungen Frauen – Perlennetz über kurzem Hemd, Perücke mit drei Zopfreihen, breite Halsketten und Lapislazuli-Armbänder vollführten unzüchtige Gebärden. Geschmeidig neigten sie sich zu Boden, streckten sie die Arme unsichtbaren Partnern entgegen, um sie zu umfangen. Jede Bewegung wurde voll ausgekostet, und jeder Zuschauer hielt den Atem an.

Plötzlich warfen die Tänzerinnen Perücke, Hemd und Perlennetz ab – die Haare waren hochgesteckt, die Brüste nackt, nur ein kurzer Schurz bot spärliche Verhüllung, der rechte Fuß hämmerte auf den Boden, bis sie plötzlich, alle gemeinsam, einen weiten, gestreckten Sprung rückwärts machten, der laute Bewunderung fand. Anmutig neigten und wiegten sie sich und vollführten noch weitere, nicht minder aufsehenerregende Kunststücke.

Vier junge Frauen lösten sich aus der Gruppe, die jetzt sang und im Takt klatschte. Die von einer altbekannten Weise beflügelten Solistinnen stellten die vier Winde dar. Iset, die Schöne, verkörperte den sanften Nordwind, der an glühendheißen Abenden alle Lebewesen aufatmen läßt. Sie übertraf ihre Partnerinnen bei weitem und genoß es sichtlich, alle Blicke auf sich zu lenken.

Ramses vermochte sich ihrem Zauber nicht zu entziehen. Ja, sie war großartig, und keine konnte es mit ihr aufnehmen. Sie setzte ihren Körper ein wie ein Instrument, dem sie vertraute Melodien entlockte, und das wirkte so gelöst, als betrachte sie sich selbst ohne jede Scham. Zum erstenmal erblickte Ramses eine Frau, die in ihm den Wunsch weckte, sie in die Arme zu schließen.

Sobald der Tanz zu Ende war, löste er sich aus den Reihen der Zuschauer und setzte sich abseits an eine Ecke des Eselpferchs.

Iset, die Schöne, hatte es darauf abgesehen, ihn herauszufordern. Da sie wußte, daß sie seinen Bruder heiraten würde, gab sie ihm den Gnadenstoß, um ihm noch deutlicher zu machen, daß er ausgestoßen war. Er, der von Großem geträumt hatte, mußte Demütigung um Demütigung hinnehmen. Aus diesem Teufelskreis mußte er hinaus, er mußte die Dämonen abschütteln, die sich ihm immer wieder in den Weg stellten. Die Provinz! Wenn es denn so sein sollte! Dort würde er beweisen, was er wert war, in jeder Hinsicht. Wenn auch das mißlang, würde er zu Setaou ziehen und sich den gefährlichsten Schlangen stellen.

»Sollte dich etwas bedrücken?«

Lautlos hatte Iset, die Schöne, sich ihm genähert. Sie lächelte ihn an.

»Nein, ich habe nachgedacht.«

»Wohl völlig in Gedanken versunken? Alle Gäste sind fort, meine Eltern und ihre Dienerschaft schlafen.«

Ramses war nicht bewußt geworden, wie die Zeit verstrichen war, beleidigt erhob er sich.

»Verzeih mir, ich verlasse dein Reich unverzüglich.«

»Hat dir eine Frau schon einmal gesagt, daß du schön und verführerisch bist?«

Das gelöste Haar, die bloßen Brüste, dieses verwirrende Funkeln in den Augen… Sie verstellte ihm den Weg.

»Bist du nicht mit meinem Bruder verlobt?«

»Begnügt sich ein Königssohn mit Gerüchten? Ich liebe, wen ich will, und deinen Bruder hebe ich nicht. Dich begehre ich, hier und jetzt.«

»Königssohn… Bin ich es noch?«

»Liebe mich.«

Gemeinsam lösten sie den verknoteten Schurz.

»Ich vergöttere die Schönheit, Ramses, und du bist die Verkörperung der Schönheit.«

Die Hände des Prinzen liebkosten die junge Frau und nahmen sie gefangen. Er wollte geben und nichts nehmen, seiner Geliebten das Feuer darbieten, das von seinem Wesen Besitz ergriffen hatte. Besiegt gab sie sich hin. Mit unglaublich sicherem Instinkt entdeckte Ramses die geheimen Orte seiner Lust und verzögerte trotz seiner Feurigkeit zärtlich die Erfüllung.

Sie war unberührt wie er. In der Süße der Nacht boten sie sich einander dar, trunken von einem Verlangen, das stets von neuem aufwallte.