37753.fb2 Der Sohn des Lichts - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 8

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SIEBEN

WÄCHTER HATTE HUNGER. Entschlossen leckte der goldgelbe Hund seinem Herrn, der wirklich zu lange schlief, übers Gesicht. Ramses fuhr hoch, noch in einem Traum befangen, in dem er den liebenden Körper einer Frau an sich preßte, deren Brüste süßen Äpfeln glichen, deren Lippen so zart wie Zuckerrohr und deren Beine so geschmeidig wie Kletterpflanzen waren.

Ein Traum? Nein, es war kein Traum! Es gab sie wirklich, Iset hieß sie, die Schöne, sie hatte sich ihm hingegeben und ihn die Lust entdecken lassen.

Wächter, dem die Erinnerungen des Prinzen nichts sagten, bellte mehrmals ungeduldig. Ramses begriff endlich und begleitete den Hund in die Palastküchen, wo er gierig das Futter verschlang. Sobald der Napf geleert war, machten sie sich auf in Richtung Stallungen.

Dort standen herrliche Pferde, die sorgfältig gepflegt, geschniegelt und gestriegelt wurden. Wächter war argwöhnisch gegenüber diesen hochtrabenden Vierbeinern, die völlig unvorhersehbar reagieren konnten. Lieber hielt er sich vorsichtig hinter seinem Herrn.

Ein paar Stallburschen spotteten über einen Lehrling, der mit großer Mühe einen strohgeflochtenen Tragkorb voller Pferdeäpfel schleppte. Einer stellte ihm ein Bein, so daß der Unglückliche den Korb fallen ließ und der Inhalt ihm vor die Füße rollte.

»Aufsammeln«, befahl der Henkersknecht, ein Fünfzigjähriger mit bulligem Gesicht.

Der Unglücksrabe wandte sich um, und da erkannte ihn Ramses.

»Ameni!«

Der Prinz sprang ihm bei, versetzte dem Stallknecht einen Hieb mit dem Ellbogen und half seinem Freund, der an allen Gliedern zitterte, auf.

»Was machst du denn hier?«

Der verstörte junge Mann stammelte etwas Unverständliches. Eine rachsüchtige Hand legte sich auf Ramses’ Schulter.

»Hör mal, du… Wer bist du, daß du dir erlaubst, uns ins Handwerk zu pfuschen?«

Ein Ellbogenhieb in den Brustkasten, und der Fragesteller flog auf den Rücken. Wutschnaubend wegen dieser Erniedrigung, rief er mit schmerzverzerrtem Gesicht seine Kameraden herbei.

»Die wollen wir mal etwas Anstand lehren, diese beiden frechen Bengel…«

Der goldgelbe Hund bellte und bleckte die Zähne.

»Lauf«, befahl Ramses Ameni.

Der Schreiber war unfähig, sich zu rühren.

Einer gegen sechs, das konnte Ramses nicht schaffen. Doch solange die Burschen davon überzeugt waren, hatte er eine winzige Chance, diesem Wespennest zu entkommen. Der kräftigste stürzte sich auf ihn, seine Faust stieß ins Leere, und bevor er begriff, wie ihm geschah, wurde er in die Luft geworfen und knallte auf den Rücken. Zweien seiner Verbündeten erging es ebenso.

Ramses war froh, daß er sich im Kampfsportunterricht stets so eifrig und gewissenhaft gestählt hatte. Diese Kerle wußten nicht zu kämpfen, da sie nur rohe Gewalt kannten und zu schnell siegen wollten. Wächter kämpfte mit ihm, er biß den vierten in die Wade, sprang aber sogleich zur Seite, um nicht noch einen Hieb abzubekommen. Ameni hatte die Augen geschlossen, Tränen quollen aus ihnen hervor.

Zögernd rotteten die Stallburschen sich erneut zusammen. Nur ein Adelssprößling konnte diese Griffe kennen.

»Woher kommst du?«

»Solltet ihr Angst haben, sechs gegen einen?«

Der Wildeste schwenkte hohnlachend ein Messer.

»Du bist von schöner Gestalt, aber ein Unfall wird dich entstellen.«

Ramses hatte nie gegen einen Bewaffneten gekämpft.

»Ein Unfall, im Beisein von Zeugen… Sogar der Kleine da wird sich auf unsere Seite schlagen, um seine Haut zu retten.«

Der Prinz ließ das Messer mit der kurzen Klinge nicht aus den Augen. Bedrohlich umkreiste der Stallknecht Ramses, der sich nicht von der Stelle rührte. Der Hund wollte seinen Herrn verteidigen.

»Platz, Wächter!«

»Du liebst also dieses abscheuliche Tier. Es ist so häßlich, daß es nicht verdient zu leben.«

»Nimm dir zuerst den vor, der stärker ist als du.«

»Du bist ganz schön eingenommen von dir selbst!«

Die Klinge streifte Ramses’ Wange. Mit einem Fußtritt gegen das Handgelenk versuchte er, den Stallknecht zu entwaffnen, aber er traf ihn nur flüchtig.

»Du bist hartnäckig, aber allein!«

Die anderen zogen ihre Messer.

Ramses empfand keine Furcht. In seinem Innersten entwickelte sich eine Kraft, von der er bisher nichts wußte, eine rasende Wut gegen Ungerechtigkeit und Feigheit.

Bevor seine Gegner sich abstimmen konnten, rannte er zwei von ihnen um, wobei er ganz knapp den rachsüchtigen Klingen entging.

»Hört auf, Kameraden!« rief ein Stallbursche.

Eine Sänfte wurde soeben durch das Tor der Stallungen getragen. Die Pracht des Tragsessels bezeugte den Rang dessen, der darauf saß. Den Rücken gegen eine hohe Lehne gestützt, die Füße auf einem Schemelchen, den Kopf von einem Sonnenschirm geschützt, betupfte sich die hohe Persönlichkeit mit einem duftenden Tuch die Stirn. Mit seinen fast zwanzig Jahren, dem runden, fast schon mondförmigen Gesicht, den prallen Wangen, den kleinen braunen Augen, den dicken und lüsternen Lippen lastete der wohlgenährte und jeder körperlichen Ertüchtigung abholde Adlige schwer auf den Schultern seiner Träger, die aufgrund ihrer Geschwindigkeit sich reichen Lohn verdienten.

Die Stallburschen nahmen Reißaus. Ramses bot dem Ankömmling die Stirn, während sein Hund aufmunternd Amenis Bein leckte.

»Ramses! Schon wieder in den Stallungen… Man könnte meinen, die Gesellschaft der Tiere sei dir die liebste.«

»Was führt meinen Bruder Chenar an diesen verrufenen Ort?«

»Ich sehe hier im Auftrag des Pharaos nach dem Rechten. Einem zukünftigen König darf nichts unbekannt sein im Reich.«

»Der Himmel hat dich geschickt.«

»Glaubst du?«

»Würdest du zögern, ein Unrecht zu bereinigen?«

»Worum geht es?«

»Um diesen jungen Schreiber, Ameni. Er wurde von sechs Stallburschen gewaltsam hierhergeschleift und gequält.«

Chenar lächelte.

»Mein armer Ramses, du bist wirklich nicht auf dem laufenden!

Sollte dein junger Freund dir die Strafe, die ihn traf, verheimlicht haben?«

Sprachlos wandte Ramses sich zu Ameni um.

»Dieser Schreiberlehrling hat sich erkühnt, den Fehler eines seiner Vorgesetzten zu berichtigen, der sich unverzüglich beklagt hat ob solch ungebührlichen Hochmuts. Ich befand daraufhin, daß ein Aufenthalt in den Stallungen diesem kleinen Protzer nur guttun könne. Pferdeäpfel und Futter schleppen wird ihm das Rückgrat schon krümmen.«

»Dafür fehlt Ameni die Kraft.«

Chenar befahl den Trägern, den Sessel abzusetzen. Sofort war sein Sandalenträger mit einem Schemel zur Stelle, beschuhte seinem Herrn die Füße und half ihm auf.

»Gehen wir ein Stück«, befahl Chenar, »ich muß mit dir reden, unter vier Augen.«

Ramses überließ Ameni Wächters Obhut.

Die Brüder taten ein paar Schritte unter einen gefliesten Vorbau, der Schutz vor der Sonne bot, die der sehr hellhäutige Chenar verabscheute.

Zwei unterschiedlichere Männer konnte man sich kaum vorstellen. Chenar war klein, untersetzt, dicklich und glich schon jetzt einem vom guten Essen allzu fett gewordenen Würdenträger. Ramses war groß, gelenkig und muskulös, im strahlenden Glanz seiner Jugend. Die Stimme des ersteren war salbungsvoll und unsicher, die des zweiten klangvoll und klar. Sie hatten nichts gemeinsam, außer daß sie die Söhne des Pharaos waren.

»Mach deinen Beschluß rückgängig«, forderte Ramses.

»Vergiß diese Mißgeburt, und reden wir über ernsthafte Dinge. Solltest du nicht so schnell wie möglich die Hauptstadt verlassen?«

»Das hat niemand von mir verlangt.«

»Nun, dann ist’s jetzt soweit.«

»Wieso sollte ich dir gehorchen?«

»Solltest du vergessen haben, welche Stellung ich bekleide und welche du?«

»Soll ich mich dazu beglückwünschen, daß wir Brüder sind?«

»Spiel mir gegenüber nicht den Spitzfindigen, und begnüge dich damit, zu laufen, zu schwimmen und deine Kräfte zu erproben. Eines Tages, wenn es meinem Vater und mir behagt, wirst du vielleicht einen Posten in der Armee erhalten. Unser Land zu verteidigen ist eine ehrenvolle Aufgabe. Für einen Jungen wie dich ist die Luft von Memphis nur schädlich.«

»In diesen letzten Wochen begann ich, mich daran zu gewöhnen.«

»Brich nicht unnötig Streit vom Zaun, und zwinge mich nicht, ein scharfes Urteil unseres Vaters herbeizuführen. Bereite unauffällig deine Abreise vor, und verschwinde sang- und klanglos. In zwei oder drei Wochen werde ich dir deinen Bestimmungsort nennen.«

»Und Ameni?«

»Ich sagte bereits, vergiß deinen elenden kleinen Spitzel. Ich hasse es, mich zu wiederholen. Noch ein letztes: versuch nicht, Iset, die Schöne, wiederzusehen. Du hast vergessen, daß sie die Besiegten verachtet.«