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Die Besichtigung des Gartens, die von Mimmi vorgeschlagen worden war, fiel ins Wasser. Karin und Walter hatten andere Interessen. Der Garten diente den beiden lediglich zur Deckung. Zwischen Zier-büschen gab es da eine verborgene Bank, die von der ortskundigen Karin zielstrebig angesteuert worden war. Nachdem die beiden sich gesetzt hatten, begann ein bühnenreifer Dialog.
«Mein Herr«, sagte Karin,»ich bin überrascht, Sie in unserem Haus zu sehen.«
«Meine Dame«, antwortete Walter,»ich muß gestehen, daß es meine Absicht war, diese Überraschung herbeizuführen.«
«Wie kommen Sie nach Düsseldorf?«
«Mein Herz zog mich her.«
«Hörten Sie das Rufen meines Herzens?«
«Ich erträumte es mir.«»Aber um zu wissen, wohin Sie sich zu wenden hatten, bedurften Sie der Führung eines sogenannten guten Geistes?«
«Den hatte ich — ohne sein Wissen — gefunden.«
«Wer war es?«
«Ein junger Mensch namens Peter Krahn.«
«Peter Krahn? Wußten Sie, daß er mich heiraten wollte?«
«Ja.«
«Und?«
«Ich hätte ihn erschossen.«
«So sehr lieben Sie mich?«
«So sehr.«
«Sie wären aber ins Gefängnis gekommen.«
«Leider.«
«Dann wäre ich Ihnen gefolgt.«
«So sehr lieben Sie mich?«
«So sehr.«
«Wo haben Sie sich in letzter Zeit aufgehalten? Bei einem Mann?«
«Nein, bei meiner Großmutter.«
«Ich hatte Sie aus meinem Blickfeld verloren und war schon ganz verzweifelt.«
«Wie lange sind Sie bereits in Düsseldorf?«
«Vier Wochen.«
«Warum haben Sie nicht gleich Verbindung mit mir aufgenommen?«
«Ich wollte mich erst ein bißchen einrichten und dann.«
«Dann?«
«Ihrem Tennisklub beitreten, um Ihnen ganz zufällig zu begegnen.«
Aufperlendes Lachen Karins beendete diesen Dialog und normalisierte den weiteren. Vorerst aber fielen sich die beiden in die Arme und setzten an zu einem wahren Furioso gegenseitiger Küsse. Es war wie der Zusammenprall zweier Sturzbäche, die zu lange angestaut worden waren.
Dann fragte Karin:»Und wie hast du Vater kennengelernt?«»Dazu verhalf mir ein gnädiger Zufall«, erwiderte Walter.»Ich kam im richtigen Moment ins Zimmer meines Chefs.«
«Bist du mit deinem Chef zufrieden?«
«Warum?«
«Weil ich an einen Wechsel für dich denke.«
Er blickte sie mit ernster Miene an.
«Karin«, sagte er,»das schlag dir mal aus dem Kopf. Ich bin nicht hinter deinem Reichtum her. Das kannst du auch gleich deinem Vater sagen.«
«Gut«, antwortete sie,»dann verzichte ich eben auf mein Erbe.«
«Bist du verrückt?«
«Nein, du!«
«Verstehst du mich denn nicht?«
«Nee.«
«Aber.«
«Entweder nimmst du mich mit Geld oder ohne Geld. Mir ist das egal. Nehmen mußt du mich auf alle Fälle. So einfach ist das.«
Ja, so einfach war das, für Karin jedenfalls. Walter blickte sie an und sah, daß es ihr ernst war.
«Darüber reden wir noch später«, gab er sich geschlagen.
Und dann erlag auch er dem Bedürfnis des nochmaligen Auf-trumpfens.
«Eines möchte ich aber gleich ein für allemal bestimmt haben.«
«Was?«
«Du beteiligst dich nie mehr an einer Konkurrenz für Schönheitsköniginnen!«
«Nein«, lachte Karin,»nie mehr.«
Ein neues Furioso gegenseitiger Küsse setzte ein. Walter war ein leidenschaftlicher Mann, Karin ein leidenschaftliches Mädchen. Rasch spürte jeder von ihnen, daß ihnen die Küsse nicht mehr genügten.
Aber nein, dachte Karin, das geht ja nicht, mein Fehler ist, daß ich nach Nickeroog mit der Pille ausgesetzt habe. Sie dachte dies, während sie sich an Walter klammerte, und Walter dachte etwas Ähnliches ohne Pille — nämlich: nein, hier nicht, ich muß mich noch gedulden, und wenn's mir noch so schwer fällt.
Plötzlich löste sich Walter von Karin und lauschte.
«Was war das?«
«Was?«fragte Karin.
«Hast du nichts gehört?«
«Nein.«
«Da! Schon wieder!«
Und nun hatte es auch Karin vernommen. An sich selbst. Sie lachte leise.
«Das Knurren meinst du, Walter?«
«Ja. Habt ihr einen Hund? Ist er in der Nähe?«
«Nein. Aber jemand anderer ist in nächster Nähe.«
«Wer?«
«Mein Magen. Er kracht vor Hunger.«
«Du liebe Zeit! Hast du denn noch nichts gegessen?«
«Praktisch keinen Bissen.«
«Warum denn nicht?«
«Die Schuld daran trägst du.«
«Ich?«
«Weil du so lange auf dich hast warten lassen.«
Er nahm sie noch einmal ganz fest in die Arme.
«Liebling«, sagte er, ehe sie sich dem Haus zuwandten,»wenn's danach geht, wirst du in deinem ganzen Leben kein bißchen Hunger mehr verspüren.«