37758.fb2 Der verh?ngnisvolle Urlaub - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 9

Der verh?ngnisvolle Urlaub - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 9

Kapitel 9

Paul und Mimmi Fabrici saßen im Wohnzimmer ihres Hauses in Düsseldorf und führten ein kleines Streitgespräch. Der Grundstein dazu war gelegt worden, als Paul gesagt hatte:»Ich möchte nur wissen, warum wir von Peter nichts hören. Der müßte doch die Sache dort längst im Griff haben.«

Mimmi äußerte nichts, sie lächelte nur still vor sich hin.

«Was gibt's da zu grinsen?«fragte er sie grob.

«Darf ich mich nicht freuen?«

«Über was?«

«Über meine Tochter.«

«Unsere Tochter, meinst du wohl?«

«Sie wird, scheint mir, ganz schön fertig mit dem. Das hast du wohl nicht erwartet, was?«

«Erwartet habe ich, daß der sich als Mann entpuppt und nicht als Schlappschwanz.«

«Was will er denn machen gegen Karins kalte Schulter, wenn sie sie ihm zeigt?«

«Morgen rufe ich ihn an, falls sich noch nichts gerührt haben sollte.«

«Hast du seine Nummer?«

«Die erfahre ich von seinem Vater.«

«Hoffentlich.«

Mimmi sagte dies in einem gewissen Ton, der untrüglich darauf schließen ließ, daß sie das genaue Gegenteil erhoffte.

«Warum soll ich die von ihm nicht erfahren?!«brauste Paul prompt auf, verstummte jedoch dann, weil er spürte, daß er sich hier in der schwächeren Position befand. Er steckte sich eine Zigarre in den Mund und griff nach der Zeitung, deren Kreuzworträtsel er heute noch nicht gelöst hatte. Dies tat er nämlich sehr gern. Allerdings gelang es ihm nur selten, einer vollen Lösung nahezukommen. Meistens blieb er schon auf halber Strecke hängen, was seiner Leidenschaft freilich keinen Abbruch tun konnte. Das macht ja den wahren Kreuzworträtselfreund aus: seine Unverdrossenheit.

«Ein römischer Geschichtsschreiber mit fünf Buchstaben?«fragte er.

Mimmi überlegte.

«Cäsar«, sagte sie,»hat fünf Buchstaben, aber er war kein Geschichtsschreiber.«

«.sondern der Hund von unserem Nachbarn, als wir noch in Ra-tingen wohnten«, fiel Paul sarkastisch ein.»Wozu liest du eigentlich dauernd? Die Schreiberlinge sind doch deine Freunde?«

Mimmi würdigte ihn keiner Antwort mehr. Eine Weile blieb es still. Dann rührte sich Paul wieder.

«Ein Speisefisch mit drei Buchstaben?«

«Aal.«

«Eben nicht. So schlau wäre ich selbst auch gewesen. Der letzte Buchstabe ist ein i.«

Mimmi überlegte nur kurz.

«Hai.«

Paul schwankte, ob er aufschreien oder sanft ironisch reagieren sollte. Er entschied sich für letzteres. Sanfte Ironie ist oft viel wirksamer als Gebrüll.

«Meine liebe Frau«, sagte er,»der Hai hat schreckliche Zähne, die schrecklichsten überhaupt, und frißt andere Fische. Deshalb ist er ein. was?«

«Raubfisch, meinst du?«»Ja, meine liebe Frau, das meine ich nicht nur, sondern das weiß ich. Er ist ein Raubfisch und kein Speisefisch.«

«Aber so ganz unrecht habe ich nicht.«

«Wieso?«

«Ich erinnere dich an die Haifischflossensuppe und die Haifischsteaks.«

Nun blieb Paul Fabrici stumm.

«Außerdem ist doch der letzte Buchstabe ein i, sagst du«, bekräftigte Mimmi.

Zuletzt blieb ihrem Mann nur bohrender Zweifel an der Richtigkeit dieses i übrig, das er selbst zu verantworten hatte im Zuge der von ihm bereits niedergeschriebenen Lösungswörter.

Als es Zeit für die >Drehscheibe< wurde, fragte Mimmi:»Hast du etwas dagegen, daß ich den Fernseher einschalte?«

Paul brütete noch über dem verdammten i, er blickte nicht auf. Mimmi erntete aber von ihm einen Brummlaut, der als Zustimmung gelten konnte.

Der erste Bericht im Fernseher handelte von Hilfsmaßnahmen, die für die Opfer eines Erdbebens in Anatolien eingeleitet wurden.

«Guck mal«, sagte Mimmi,»die hat eine neue Frisur.«

Sie meinte die Moderatorin.

Das Erdbeben hatte mehr als 3.000 Tote gefordert.

«Ich komm' nicht drauf«, ärgerte sich Paul.»Erinnere mich an die Auflösung in der morgigen Nummer.«

«Vorher hat mir die besser gefallen, was meinst du? Jetzt finde ich den ganzen Schnitt einfach zu kurz. So jung ist die auch nicht mehr.«

Im Fernsehen sang dann ein Kinderchor aus Japan, der auf EuropaTournee war.

«Niedlich!«rief Mimmi entzückt.»Wenn die noch klein sind, gefallen mir sogar die Schlitzaugen! Dir nicht auch, Paul?«

«Den römischen Geschichtsschreiber«, antwortete Paul,»habe ich bis auf einen Buchstaben, den letzten. Die anderen vier sind: n-e-p-o-. Er muß also heißen: Nepom oder Nepon oder Nepor oder Nepos oder Nepot — «

«Paul!«schrie Mimmi.

Der Ruf war so laut, daß Mimmis Gatte aufblickte.

«Was denn?«

«Die Karin!«

Pauls Blick folgte dem Fingerzeig Mimmis auf den Bildschirm und saugte sich an diesem fest. In der dritten Reportage der Drehscheibe< war >Miß Nickeroog< an der Reihe.

Die Moderatorin sagte:»Urlaubszeit — Zeit der Miß-Wahlen<. Das erleben wir jedes Jahr. An jedem besseren Ort, dessen Haupteinnahmequelle der Fremdenverkehr ist, finden solche Konkurrenzen statt. Den Gästen muß etwas geboten werden. Tagsüber steigen sie auf die Berge oder schwimmen im Meer — je nach der Region, in der sie sich aufhalten; abends aber droht ihnen die Langeweile. Und das darf nicht sein. Die Leute in den Verkehrsämtern zerbrechen sich die Köpfe über Vorbeugungsmaßnahmen, sie werden dafür auch bezahlt — und sie kommen immer wieder auf dasselbe: die Wahl einer Miß oder — auf deutsch — einer Königin. So ziemlich den höchsten Bekanntheitsgrad haben schon die diversen Weinköniginnen erreicht, etwa die fränkischen oder pfälzischen; die Hopfenkönigin der Hallertau folgt ihnen auf dem Fuße. Zahlreich sind also die alljährlichen Schönheitsköniginnen. Trotzdem gibt es aber auch noch bedauerliche Lücken, die nicht zu übersehen sind. Um nur zwei Beispiele zu nennen: es fehlt immer noch die regelmäßige Wahl einer Reeperbahnkönigin< oder einer Miß Oktoberfest<. Worüber wir uns jedoch schon seit Jahren freuen dürfen, ist die Miß Nickeroog<. Eine ganze Reihe schöner junger Damen ist schon in die Geschichte jener kleinen Insel vor unserer Nordseeküste eingegangen. Wie alle Jahre fand auch heuer wieder die Wahl statt, die jeder Saison die Krone aufsetzt. Ein Kamerateam des ZDF war dabei. Der folgende Bericht ist von Wilhelm Wedemeyer.«

Ein schwerer Laut des Ächzens drang aus dem Mund Paul Fabricis. Mimmi hingegen strahlte. Hektische rote Flecken waren auf ihren Wangen erschienen. Sie konnte kaum atmen vor innerer Spannung. Gebannt starrte sie auf den Bildschirm, auf dem während des gan-zen Textes der Moderatorin ein statisches Bild von der gekrönten Karin zu sehen war. Als die Moderatorin verstummte, setzte der Film, den man gedreht hatte, ein, und die Bilder mit Karin als Mittelpunkt wurden lebendig.

«Ich werde wahnsinnig«, stöhnte Paul Fabrici.

Mimmi guckte fasziniert.

«Hast du dir das angehört, was die von sich gab?«war Paul zu vernehmen.

«Wer?«

«Die Ansagerin. Das war doch ein einziger Kübel voll Hohn und Spott von der.«

«Ach die! Sieh dir doch die Frisur von der an, dann weißt du Bescheid!«

«Aber recht hat sie!«fing Paul zu brüllen an.»Hundertprozentig recht! Das Ganze ist ja auch ein Zirkus, wie man sich ihn nicht übler vorstellen kann! Und das mit meiner Tochter!«

«Mit unserer Tochter«, benützte Mimmi die Gelegenheit, sich einmal zu revanchieren.

Paul sprang auf und stampfte durchs Zimmer.

«Ich werde wahnsinnig«, wiederholte er dabei.

Inzwischen lief schon der Text des Reporters Wilhelm Wedemeyer.

«.ein rheinisches Mädchen, entzückend anzusehen und hochintelligent, wie wir unseren Zuschauern versichern können.«

«Hochintelligent?«schrie Paul Fabrici außer sich.»Du Arschloch!«titulierte er den Mann, von dem nur die Stimme zu hören war.»Saublöd ist die! Das beweist sie doch mit dem, was sie treibt, du Vollidiot!«

«Paul!«

«Ich schreibe denen in Mainz einen Brief, den sie sich.«

Er holte keuchend Atem und war so wütend, daß er, als er fortfuhr, nicht den berühmten Spiegel anführte, sondern sagte:». in den Arsch stecken können!«

«Paul!!«

Das ergab natürlich einen ganz falschen Sinn, was Paul da gesagt hatte, aber trotzdem wiederholte er es:»In den Arsch, jawohl!«

«Mäßige dich, Paul, ich bitte dich!«

Ein Teil von Wedemeyers Text wurde wieder verständlich.

«.habe ich mit Einheimischen gesprochen, mit alten Nickeroo-gern, denen nach Friesenart jedes Wort eher aus der Nase gezogen werden muß, als daß sie es einem nachwerfen, ja, und die sagten mir, daß sie noch keine solche Miß Nickeroog< erlebt haben. Schon bei ihrer Ankunft auf der Insel war jedem klar, wie die Wahl in diesem Jahr nur enden könne.«

Paul fiel wieder auf seinen Stuhl.

«Mimmi«, stöhnte er,»mach den Kasten aus!«

«Nein.«

«Schalt ihn ab! Das ist doch dasselbe Gequatsche wie von dem Weibsbild!«

«Psst«, machte Mimmi.»Ich möchte alles hören, es geht doch um Karin. Ich verstehe nicht, daß dich das nicht interessiert.«

«Mich nicht interessiert?!«schrie Paul.»Und wie mich das interessiert! Gerade deshalb halte ich den nicht mehr aus«, fügte er unlogisch hinzu, sprang auf, rannte zum Fernsehapparat und schaltete ihn ab.

Mimmi fing sofort an zu weinen.

Paul stampfte wieder auf und ab, blieb kurz stehen, schüttelte den Kopf, sagte:»Wie man sich in einem Menschen nur so täuschen kann.«

Mimmi, zutiefst getroffen, weinte nur.

«Über meine Schwelle braucht mir ein solches Arschloch nicht mehr zu kommen«, fuhr Paul Fabrici erbittert fort.

In Mimmi bäumte sich etwas auf.

«Das wird ja immer toller!«rief sie unter Schluchzen.»Du kannst doch deshalb nicht deine Tochter verstoßen! Kennst du denn überhaupt keine Grenzen mehr?«

«Ich rede doch nicht von Karin, du dumme Gans!«

«Von wem dann?«

«Von Peter Krahn, diesem Scheißkerl.«

Die Kriterien Mimmis, wenn sie an den jungen Mann dachte, waren zwar andere als die ihres Gatten, aber da sie sich mit denen Pauls im Resultat nunmehr trafen, erhob Mimmi keinen Widerspruch.

«Ich habe ihm doch gesagt, wie er vorgehen soll«, fuhr Paul fort.»Ganz eindeutig habe ich ihm das gesagt.«

Mimmis tränennasser Blick haftete wieder an der blind gewordenen Bildscheibe, während Paul schloß:»Aber der hat wohl Angst vor der eigenen Courage bekommen, als er vom Schiff ging. Nee, nee, einen solchen Schwiegersohn kann ich nicht haben. Gott sei Dank, daß sich das noch rechtzeitig herausgestellt hat. Wenn ich einmal die Augen zumache, muß ein Mann in meine Fußstapfen treten, der sich überall durchsetzen kann, privat und geschäftlich, sonst sehe ich für die Firma schwarz.«

«Kann ich den Apparat wieder einschalten?«fragte Mimmi, sich mit dem Taschentuch die Tränen trocknend.

«Nein!«

«Bitte.«

Paul Fabrici hob die Faust, um sie auf den Tisch niedersausen zu lassen, ließ sie jedoch auf halbem Wege in der Luft stehen, hielt sie einen Augenblick still, öffnete die Finger und winkte schroff und verächtlich in Richtung Fernseher.

«Von mir aus.«

Unglaublich behende löste sich Mimmi von ihrem Sessel und drückte die Taste, die ihr Karin wieder ins Zimmer zauberte. Karins Einzug in den Saal des Kurhauses war aber schon vorüber. Sie saß bereits auf ihrem Thron, umschwärmt von Männern, die zur Prominenz der Insel gehörten.

Die Stimme des Reporters sagte soeben:». sseldorf kann stolz sein auf ein solches Aushängeschild vom Ufer des deutschesten aller Ströme. Diese Versicherung gab mir ein trefflicher alter Herr hier, gewiß kein Nationalist, wie man vielleicht meinen könnte, sondern ein alter Reitersmann, auch das sagte er mir selbst, der viel gesehen hat in seinem Leben und von sich sagen kann, nicht nur von Adel der Geburt, sondern auch der Gesinnung zu sein, weshalb er zwischen falscher und echter weiblicher Schönheit zu unterscheiden weiß. Die Miß Nickeroog< dieses Jahres, behauptet er, übertrifft alle ihre Vorgängerinnen; eine Filmkarriere scheint ihr gewiß. Nun.«

«Mimmi«, übertönte Pauls Stimme wieder die des Reporters,»wird dir denn das nicht auch zuviel? Dieser Scheißdreck?«

«Im Gegenteil, ich bin ja so glücklich, unsere Karin macht Karriere — «

«Wo denn?«fiel er ihr ins Wort.

«Beim Film, das hörst du doch.«

Paul verdrehte die Augen.

«Du glaubst wohl jeden Mist, den man dir erzählt?«

Mimmi hörte gar nicht hin.

«Oder beim Fernsehen«, sagte sie selig.»Wenn nicht bei dem einen, dann bei dem anderen; so geht das doch heutzutage.«

Wieder die Stimme des Reporters:»Nickeroog hat seinen großen Tag, seinen großen Abend. Die Königin sitzt auf ihrem Thron, schwingt ihr Zepter, und die Untertanen jubeln ihr zu, vor allem die Männer — «

«Ja, schlafen wollen die alle mit ihr!«grollte Paul Fabrici.

«Ein junges Mädchen«, schloß Wilhelm Wedemeyer,»hat das Tor zu einer neuen Welt für sich aufgestoßen.«

«So hör das doch, Paul«, meinte Mimmi.

Aber er zeigte mit dem gestreckten Finger auf den Apparat, aus dem die Reporterstimme kam, und schrie:»Frag ihn doch, dieses Arschloch, wie viele dieser Nickerooger Missen schon Karriere beim Film oder Fernsehen gemacht haben! Frag ihn! Nicht eine, behaupte ich! Keine einzige!«

«Woher willst du denn das wissen?«

«Das ist allgemein bekannt. Nur deine russischen Dichter, von denen du dich gegenwärtig wieder besoffen machen läßt, scheinen davon keine Ahnung zu haben, nehme ich an.«

Mimmi gedachte den fruchtlosen Streit zu beenden, indem sie würdevoll sagte:»Zu Zeiten Dostojewskis und Tolstois gab es noch kei-nen Film und erst recht kein Fernsehen, deshalb konnten die darüber auch noch nichts schreiben, das ist klar.«

Auf dem Bildschirm flimmerten schon die Aufnahmen von einer Modenschau in Rom.

Paul Fabrici blickte seine Frau an. Sekundenlang. Er öffnete den Mund, wollte etwas sagen, schloß ihn aber wieder und meinte nur:»Es hat ja doch keinen Zweck.«

Dann ging er aus dem Zimmer. Mimmi hörte ihn draußen im Flur die Treppe hinaufsteigen.

Die Modenschau zeigte, daß die Verrücktheiten der Italiener denen der Franzosen nicht nur hart auf den Fersen waren, sondern daß sie sie schon eingeholt hatten. Mimmi fand die Kleider himmlisch und vergaß dabei ganz, daß nicht einmal die Hälfte von ihr in eines dieser Modelle hineingepaßt hätte.

Paul Fabrici rief von oben herunter nach dem Dienstmädchen. Als Mimmi das hörte, wurde sie besorgt, denn im allgemeinen hielt Paul sich an sie, wenn er etwas brauchte. Überging er sie, dann führte er etwas Besonderes im Schilde. Während Mimmi noch nachdachte, hörte sie das Dienstmädchen die Stufen hinauflaufen.

Die Modenschau war zu Ende. Als nächstes folgte ein Bericht über die Ausbildung Behinderter in einer speziellen Werkstatt.

Ach Gott, dachte Mimmi, die Armen. Schon wieder, man kann sie gar nicht mehr sehen. Mir tun sie ja so leid, aber die ewigen Bilder über sie können einem auch lästig werden. Das soll nicht heißen, daß ich gegen die >Aktion Sorgenkind< bin. Im Gegenteil.

Sie erhob sich, schaltete den Apparat ab, verließ den Raum, um nach ihrem Gatten zu sehen, und fand ihn oben im Schlafzimmer vor dem offenen Kleiderschrank, aus dem er einzelne Stücke herausnahm und sie aufs Bett warf. Sie wurden vom Dienstmädchen aufgenommen und im Koffer verstaut, der am Fußende des Bettes lag.

«Was machst du?«fragte Mimmi, auf der Schwelle stehend, ihren Mann.

«Packen.«»Wohin willst du?«

«Nach Nickeroog, für Ordnung sorgen.«

«Aber — «

«Denkst du, ich lasse das so weiterlaufen? Dann kennst du mich schlecht. Du und Karin, ihr beide kennt mich dann schlecht.«

Mimmi gab dem Dienstmädchen ein Zeichen, das Schlafzimmer zu verlassen. Als das geschehen war, sagte sie:»Paul, ich warne dich. Du läufst Gefahr, dich dort nur zu blamieren. Die Karin hat ihren eigenen Kopf, das weißt du doch, den sie durchzusetzen pflegt, auch dir gegenüber.«

«Diesmal nicht, dafür garantiere ich.«

«Was willst du denn machen, wenn sie sich dir nicht fügt?«

«Ihr ein paar hinter die Löffel hauen, daß ihr das Feuer aus den Augen springt.«

Mimmi legte sich die Hand auf die Brust.

«Bist du wahnsinnig? Sie ist erwachsen!«

«Das ist mir egal. Ich habe mir lange genug von ihr auf der Nase herumtanzen lassen. Das war ein Fehler, wie sich jetzt zeigt. Wir hätten ihr schon diese Schnapsidee, allein in Urlaub zu fahren, austreiben müssen, dann wäre die ganze Sauerei nicht so gekommen. Jedes zweite Wort ist schon seit Jahren von ihr Emanzipation<. Jetzt hat sich's ausemanzipiert, dafür werde ich sorgen. Ganz Düsseldorf lacht über uns, jedenfalls diejenigen mit Verstand. «Paul hob den Zeigefinger.»Die kommt mit mir nach Hause, und hier wird das auch anders! Entweder fängt sie umgehend wieder an zu studieren, oder sie beginnt eine kaufmännische Lehre, die einmal dem Geschäft zugute kommen kann. Das werde ich ihr klarmachen.«

«An eine dritte Möglichkeit denkst du überhaupt nicht?«antwortete Mimmi.

«An welche?«

«Daß sie heiratet.«

«Wen denn?«regte sich Paul schon wieder auf.»Etwa einen von den Schnöseln auf dieser Scheißinsel, die nichts zu tun haben, als nur im Sand herumzuliegen, sich die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen und zu überlegen, welches der Weiber sie als nächste vernaschen können? Auch deine Tochter, vergiß das nicht. Sie ist ja mit den besten Vorsätzen hingefahren. Mit einem Haufen Pillen. Aber so einer käme mir gerade recht als Schwiegersohn.«

Er wandte sich wieder dem Schrank zu, griff hinein und zerrte eine Hose heraus. Zwei andere lagen schon auf dem Bett.

«Nimmst du mich mit, Paul?«

«Wohin? Nach Nickeroog?«

«Ja.«

«Nein, du würdest nur stören.«

Mimmi wußte, wann bei ihrem Mann sozusagen der Zug abgefahren und jedes weitere Wort in den Wind gesprochen war.

«Dann laß mich wenigstens deinen Koffer packen«, sagte sie deshalb.»Das sieht ja hier aus, als ob du eine mehrwöchentliche Geschäftsreise antreten wolltest. Zu was brauchst du drei Hosen? Oder willst du länger dort bleiben?«

«Keine unnötige Stunde länger.«

«Na also, dann genügt doch eine Reisetasche für alles. Was willst du mit dem Riesenkoffer?«

Paul Fabrici blickte zwischen seiner Frau und dem aufgeklappten, halbvollgepackten Koffer hin und her.

«Mach du das«, knurrte er dann und folgte dem Dienstmädchen, das draußen das Ohr an die Tür gelegt hatte, um sich nichts von der ehelichen Auseinandersetzung entgehen zu lassen, und sich um ein Haar zu spät von der Tür gelöst hätte.