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TEIL IV

Cupido und Dionysos sind zwei der gewaltigsten Götter, denn sie können die Seele ergreifen und sie so weit in den Wahnsinn treiben, daß sie die Zügel verliert.

Achilles Tatius

1

Athen in Griechenland

Diese Giftnatter.

Antonius konnte Fulvias Anblick kaum ertragen. Perusia hatte sie um zehn Jahre altern lassen. Sie hatte sich die Haare mit Henna gefärbt, nach der germanischen Mode, doch das milderte nicht die Falten, die sich seit ihrer letzten Begegnung um ihren grausamen Mund gebildet hatten. Ihre Augen waren stumpf wie Blei, ihr Gesicht grau wie Basalt.

Es war jedoch weniger ihr Äußeres, das Antonius schaudern ließ, sondern die Erinnerung an das, was sie getan hatte. Diese Schlange, diese Xanthippe hatte sich in sein Leben eingeschaltet. Wenn es sich dabei um sein Liebesleben gehandelt hätte, hätte er das noch verstanden - aber nein, sie hatte sich in sein politisches Leben gemischt!

Munatius Plancus, der Speichellecker, stand hinter ihr und machte ein beschämtes Gesicht, anders als Fulvia, die ihn anfunkelte, als sei alles seine Schuld.

Das Anwesen lag auf einer Anhöhe, von der aus man einen Blick über das Meer hatte. Auf dem Boden in der Mitte des Raumes war eine Nillandschaft mit Flußpferd und Krokodil abgebildet. Ausgerechnet, dachte Antonius. Sie hatten auf beiden Seiten Stellung bezogen, zwischen ihnen schlängelte sich der Fluß, das Sinnbild seiner Sünden. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn Fulvia das Mosaik selbst in Auftrag gegeben hätte.

»Wer hätte das gedacht?« sagte Fulvia endlich mit beißendem Hohn. »Der Krieger kehrt zurück. Hattest du einen angenehmen Winter?«

Ihre Unverfrorenheit verschlug ihm einen Moment lang die Sprache. »Das gleiche könnte ich dich fragen«, erwiderte er.

»Du hast gesoffen und gehurt«, zischte sie.

«... was nichts ist im Vergleich zu deinen Taten. Ich habe dich nur einige Monate allein gelassen, und schon hast du Italien an den Rand des Bürgerkriegs geführt.«

»Ich habe es für dich getan. Kannst du das auch von dir behaupten?«

Antonius warf Plancus einen Blick zu, der daraufhin verlegen fortsah. Antonius hätte ihn am liebsten gepackt und ins Meer geschleudert. »Hast du sie in diesem Wahnsinn unterstützt?« fragte er.

Plancus' Adamsapfel hüpfte wie ein Korken auf den Wellen auf und ab. »Mein Herr...«, stammelte er und verstummte.

Antonius richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Fulvia. »Am meisten verwundert mich deine Dummheit.«

»Es wäre nicht geschehen, wenn du nach Rom gekommen wärest, anstatt deine Rute im Orient zu schwingen.«

Antonius starrte sie an. Wo hatte sie solche Ausdrücke gelernt? Sie hatte eindeutig zu lange unter Soldaten gelebt.

Die vergangenen Monate waren hart für ihn gewesen. Nach den wilden Lustbarkeiten Alexandrias erwartete ihn in Rom wieder die rauhe Wirklichkeit. Zuerst war er nach Ephesos gesegelt, wo er feststellen mußte, daß die Parther inzwischen fast ganz Syrien besetzt hatten, einschließlich der Stadt Tarsos. Um dieses Problem zu lösen, hatte er jedoch zuerst wieder ein Heer zusammenstellen müssen.

Eine Aufgabe, die leichter gewesen wäre, hätte sich nicht Octavian aufgrund dieses albernen Zwischenspiels in Perusia seine elf gallischen Legionen einverleibt.

In Athen hatte Antonius schließlich seine Frau und seine Mutter angetroffen, die vor Octavian geflüchtet waren. Da Sextus Pompejus seiner Mutter zuvor Zuflucht gewährt hatte, stand er nun auch noch in der Schuld dieses erbitterten Gegners des römischen Triumvirats.

»Claudia ist auch hier«, sagte Fulvia. Fulvias Tochter aus erster Ehe, die Octavian den Pakt hatte versüßen sollen, als sie das Triumvirat bildeten. »Octavian hat sie zurückgeschickt, einschließlich dieses Briefes.« Sie schleuderte ihm eine Schriftrolle entgegen. »Er behauptet, sie sei unversehrt. Wie kann das sein, wenn er sie drei Jahre lang bei sich hatte? Was hat er denn mit ihr gemacht?«

»Offenbar nicht viel.«

»Ebenso deine Schuld! Dein Bübchen hat dich hinters Licht geführt!«

Antonius hätte sie am liebsten erwürgt. »Ich habe den Krieg nicht angefacht. Ich fürchte, jemand anders ist von ihm hinters Licht geführt worden.«

»Du begreifst es einfach nicht.«

»Es gibt nichts zu begreifen, außer daß du mich mit in deinen Sumpf gezogen hast.«

»Octavian hat sich aufgeführt, als herrsche er über ganz Rom! Er suchte nur eine Ausrede, um dir die gallischen Legionen fortzunehmen. Du hast es ihm möglich gemacht.«

»Nein, meine Liebe, das warst allein du.«

»Du wurdest in Rom gebraucht. Was hast du denn getan, während ich deine Schlachten schlug?«

»Während du meine Schlachten verlorst!«

»Dein Bübchen ist hinter dir her! Er will dein geliebtes Triumvirat auflösen.«

»Mein Bübchen, mein Triumvirat?« Antonius wandte sich an Plancus. »Wie konntest du das zulassen?«

»Weil ich es ihm befohlen habe«, kreischte Fulvia.

Antonius wich zurück. Bei Jupiter, diese Frau war von Sinnen. Marcus Plancus mußte in den vergangenen zwölf Monaten eine höllische Zeit durchgemacht haben. Beinahe tat ihm der Schafskopf leid.

Fulvia machte einen Schritt auf Antonius zu. Ihr Gesicht war nur eine Handbreit von seinem entfernt. »Du wirst es schon noch sehen. Octavian lechzt nach deinem Blut.«

»Dieser Wicht? Ohne seinen Namen ist er ein Nichts. Mit dem werde ich fertig.«

»Das hat Cicero auch gedacht«, höhnte sie. In ihren Mundwinkeln hatte sich Speichel gesammelt, ein paar Tröpfchen klebten bereits an seinem Brustschild. Fulvia hatte tatsächlich den Verstand verloren. »Eines Tages wirst du mir recht geben. Er wird dich vernichten, Antonius, wenn du ihn nicht tötest.«

»Ich hatte einen Pakt mit ihm. Du hast mein Wort gebrochen.«

»Handele jetzt. Zerquetsche ihn! Danach bist du Herr über Rom.«

»Du bist ein Ungeheuer«, erwiderte Antonius, machte kehrt und verließ den Raum.

In Alexandria

Im Sommer leuchtete die Stadt so weiß, daß es die Augen schmerzte. Vom Hafen her kam ein Windhauch, der den Geruch von Tang und den Feuerrauch des Pharosturms mit sich führte. Über den Werften kreisten die Möwen mit wildem Geschrei. Weiter draußen tummelten sich Delphine, die feuchtglitzernd über die Wellenbrecher sprangen.

Antonius war seit drei Monaten fort. Im Palast war es wieder ruhig geworden. Der Bund der Freunde des Lebens hatte sich aufgelöst, und Kleopatra bekam wieder genug Schlaf. Dennoch fehlte Antonius ihr auf eigentümliche Weise.

»In Rom seid Ihr in aller Munde«, sagte Mardian.

Kleopatra wandte sich vom Fenster ab. »Immer noch?«

»Man redet über Antonius' Besuch in Alexandria. Von seinen Exzessen, aber auch von den Euren.«

»Von meinen?«

»Im Forum sagt man, daß Eure Gier der seinen entspricht. Auch sollt Ihr Gefangene zum Vergnügen foltern und Euch jede Nacht einen Sklaven zum Bettgefährten nehmen.«

»Das ist abscheulich! Ich fasse die Sklaven noch nicht einmal an, geschweige denn, daß ich mit ihnen mein Lager teile.«

»Genau das behauptet man aber.«

»Und weil ich bei seinen Exzessen dabei war, bin ich ihm schon gleich?«

»Offenbar ja.«

»Und was weißt du über die Versöhnung zwischen dem Imperator und seiner Frau?«

»Sie ist wohl nicht geglückt.«

Kleopatra schmunzelte. Sie konnte sich die Szenen zwischen den beiden lebhaft vorstellen.

»Zur Zeit segelt er nach Italien. Man spricht von dem Beginn eines neuen Bürgerkriegs.«

»Und Fulvia?«

»Sie bleibt in Athen. Fühlt sich nicht wohl, glaube ich. Wie es heißt, hat Perusia ihrer Gesundheit geschadet.«

»Ich danke dir, Mardian. Halte mich weiterhin auf dem laufenden.«

»Jawohl, Majestät.«

Nachdem Mardian sie verlassen hatte, wandte Kleopatra sich wieder dem Fenster zu. Sie war also immer noch Gesprächsthema in der Republik. Im Grunde machte ihr das Geschwätz kaum etwas aus, sie konnte Octavians Gerüchteküche ohnehin nicht ausmerzen.

Was würden sie erst sagen, wenn sie wüßten, daß ich Antonius' Kind in mir trage, dachte sie und legte die Hände auf ihren Bauch. Wahrscheinlich, daß es das Kind eines der Gefangenen ist, den ich gefoltert habe, oder das eines der zahllosen Sklaven, die ich in mein Bett genommen und anschließend enthauptet habe.

Sie ging zu einer der Ruhebänke und ließ sich darauf nieder. Es war zu heiß, um schwanger zu sein.

Ach, und der edle Herr Antonius hatte sich nicht mit seiner lieben Gemahlin versöhnt. Nun, das hatte sie ohnehin nicht für möglich gehalten. Fulvia hatte sich endlich als Hindernis erwiesen. Selbst Antonius würde nun einsehen, daß er sie loswerden mußte. Wenn man sich doch nur einmal auf ihn verlassen könnte! Und wenn er nun vor dem Problem Reißaus nahm, anstatt sich ihm zu stellen? Wahrscheinlich benötigte er Hilfe.

Sie rief nach ihrem Kammerherrn. »Hol mir Olympos herbei«, trug sie ihm auf.

2

An die allergnädigste und erlauchteste Majestät, Königin von Ägypten, Herrin der zwei Länder, vaterliebende Göttin.

Es gibt traurige Nachrichten, denn ich muß Eurer Majestät berichten, daß die Gemahlin des edlen Imperators Antonius, Triumvir von Rom, am heutigen Tag hier in Athen einer Krankheit erlag, die als Folge des vergangenen Kriegsgrauens in Italien angesehen werden darf. Die Menschen, die sie gekannt haben, werden sie beweinen.

Ich hatte das Glück, noch kurz vor ihrem Tode ihre Bekanntschaft zu machen. Ich habe Eure Grüße ausgerichtet und ihr Eure Geschenke überreicht. Die eingelegten Feigen in Honig, die ich ihr als Delikatesse unseres Landes empfahl, haben ihr Freude bereitet.

Zu Antonius ist ein Bote unterwegs, um ihm die traurige Nachricht zu überbringen.

Euer ergebener Diener und Freund

Olympos

Kleopatra betrat das Kinderzimmer. Sie mußte sich an den Wänden abstützen, da ihr plötzlich schwindelte. Die Geburtshelferinnen hatten ihr gesagt, daß sie sehr viel Blut verloren habe. Ihr Arzt hatte ihr starke Dosen Poleiminze verabreicht und ihr ein ranzig schmeckendes Gebräu eingeflößt, damit sie wieder zu Kräften kam. Kleopatra hatte jedoch verkündet, daß sie von allein genesen würde, sobald sie einen bestimmten Brief von Olympos erhielte.

Antonius war zweimal Vater geworden. Alexander und Kleopatra. Sie lagen in ihren Bettchen. Das von Alexander schmückte ein Elfenbeinfries mit Tigern, das der kleinen Kleopatra eins mit Elefanten. So, dachte Kleopatra, nun habe ich die Kinder der beiden größten Männer Roms in meiner Obhut. Wir werden sehen, ob man mich jetzt immer noch verleugnen kann.

Alexander glich bereits seinem Vater. Es war ein gesunder, kräftiger Junge mit einem Kopf voller Locken. Die kleine Kleopatra war zierlicher, dunkler, mit olivfarbener Haut. Kleopatra kniete neben dem Bettchen nieder, betrachtete das kaum merkliche Heben und Senken der winzigen Brust und das herzförmige Mündchen. Eine Tochter, eine Frau wie ich. Die nächste Isis.

Wie wirst du mit dieser Männerwelt fertig werden? fragte sie stumm. Mir hat sie immer nur Schmerz bereitet. Männer sind treulos, rücksichtslos und selbstsüchtig. Sie trinken zuviel und lieben zuwenig.

Einer deiner Brüder ist ein Caesar, dein Zwilling ein Antonius. Ich werde euch voreinander schützen. Ich werde nicht zulassen, daß ihr euch Böses tut, wie es bei mir und meinen Geschwistern der Fall war. Ich werde mir etwas einfallen lassen, das euch allen etwas gewährt.

Schlaf gut, meine Kleine. Ich hole deinen Vater bald zu uns zurück.

Die Albaner Berge, außerhalb Roms

Meine Schwester ist ein entzückendes Geschöpf, dachte Octavian. Octavias helle Haare lagen in Flechten über dem Kopf und waren im Nacken hochgesteckt. Sie hoben den langen Hals hervor und wirkten im Sonnenlicht golden, ganz zauberhaft. Vielleicht wußten die ägyptischen Hundesöhne doch, was sie taten, wenn sie ihre Schwestern heirateten. Ich weiß nicht, ob ich etwas dagegen hätte.

An diesem Tag war Octavia in eine elegante, golddurchwirkte Stola aus himmelblauer Seide gehüllt. An den Ohren funkelten Perlen, um den Hals lag eine Kette aus Saphiren, an den Händen glitzerten goldene Armbänder und Ringe. Sie hatte einen kleinen Schirm aufgeklappt, der sie vor der Sonne schützte, und verströmte den teuren Geruch eines zimtgetränkten Duftwassers. Sie saßen auf der Terrasse von Octavians Haus in den Albaner Bergen mit Blick über den Albaner See. Inzwischen war es Herbst geworden, und die Blätter der Bäume färbten sich golden. Die Luft war warm und schwer, und die Olivenhaine und Weinberge, die sich auf den Hängen zu ihren Füßen erstreckten, leuchteten in satten Erntefarben.

»Wie lange bist du jetzt schon verwitwet?« fragte Octavian.

»Beinahe zwei Jahre, Bruder.«

Octavian gab ein paar bedauernde Schnalzlaute von sich. So lange schon? Ihr verstorbener Mann Marcellus war einer seiner Stabsoffiziere gewesen; er war bei Philippi gefallen.

Sehr anständig von ihm, denn man wußte nie, wann man einmal eine heiratsfähige Schwester nötig hatte.

Nach diesem ruhmreichen Tod hatte Octavian die Vormundschaft über Octavia übernommen. Seitdem lebte sie unter seinem Dach. Er war froh, daß er Maecenas' Rat befolgt und sie nicht gleich wieder verheiratet hatte.

»Fehlt dir die Gesellschaft eines Gemahls?« fragte er Octavia. Ihm schien, daß es nur einen Grund gab, warum einer Frau von Octavias Rang ein Mann fehlen könne, doch im Falle seiner Schwester bezweifelte er selbst diesen. Sie wirkte kalt wie ein Fisch.

»Ich möchte das Andenken meines Gemahls nicht beflecken, indem ich schlecht von ihm rede«, antwortete Octavia nach einigem Nachdenken. »Doch es wäre falsch zu sagen, daß er mir fehlt.«

Octavian lächelte. »Aber gewiß sehnst du dich doch nach Kindern.«

»Hast du eine Ehe für mich geplant?«

»Vielleicht.« Hochgeborene Frauen konnte man in drei Gruppen aufteilen, dachte Octavian. Eine, die mit Gladiatoren ins Bett stieg, eine, die mit jedem ins Bett stieg, und eine, die zu Hause blieb. Octavia, die Götter mögen sie segnen, gehörte zu der letzten. Sie war nie eins der Gladiatorenliebchen gewesen, hatte die Stickerei wohlgeölten Muskeln und wildem Bettgerangel vorgezogen. Es hatte weder Tempeltreffen gegeben noch Verhältnisse mit Senatoren. Selbst Caesar hatte sie nicht bekommen, was auf dem Palatin noch immer große Verwunderung hervorrief.

»Ich finde, du hast Marcellus lange genug betrauert.«

Octavia schwieg. Ihre Augen waren so grau und kühl wie Schiefer. Octavian wußte selten, was sich in ihrem Inneren abspielte.

»Es wäre eine gute Ehe, sie entspräche der Schwester eines römischen Triumvirn. Ich denke an Marcus Antonius.«

Nicht die leiseste Regung, weder Interesse noch Abscheu, wobei er letzteres von einer Frau ihrer Bildung generell nicht erwartete.

»Ist dabei nicht auch Fulvias Meinung von Bedeutung?« erkundigte Octavia sich höflich.

»Nicht mehr. Sie ist tot.« Octavia betrachtete ihn forschend. Octavian hob die Hände in gespieltem Entsetzen. »Ich habe nichts damit zu tun, Schwester, obwohl der Verdacht besteht, daß sie vergiftet wurde. Das ist jedoch nicht meine Art.«

»Wo ist es geschehen?«

»In Athen. Zur Bestattung bringt man sie hierher zurück. Die Griechen wollten sie nicht begraben, aus Furcht, daß sie ihnen die Ernte verdirbt.«

»Das ist eine sehr grausame Bemerkung.«

»Ich sage nur, was jeder denkt. Du willst mir doch nicht die Wahrheit zum Vorwurf machen.«

Sie maß ihn mit unergründlichen Blicken. »Weiß Marcus Antonius von deiner Idee?« fragte sie.

»Noch nicht. Doch da sie dazu dient, Rom Sicherheit und Ruhe zu gewähren, wird er ihren Vorteil erkennen.«

Octavia seufzte. »Ich habe keinen Einwand.«

Und wenn, dachte Octavian, würde es keine Rolle spielen. »Gut, ich werde mich um alles weitere kümmern.«

In Alexandria

Kleopatra war wieder einmal früher zu ihren Pflichten zurückgekehrt, als die Ärzte es für ratsam hielten. Sie hatte ihnen die Fellachenfrauen vor Augen gehalten, die ihre Kinder während der Arbeit auf dem Feld gebaren. Und außerdem, hatte sie noch hinzugesetzt, gibt es Wichtigeres zu tun, als im Bett zu liegen und ranzig schmeckendes Gebräu zu trinken.

Es war zu Beginn des neuen ägyptischen Jahres, die Kalenden des Septembris, wie die Römer die Zeit nannten, in der der Nil anstieg. Zumindest hoffte man das in Alexandria.

Kleopatra saß mit ihren Ministern zusammen und studierte die Berichte ihrer Bezirksverwalter. Sie lauschte gerade den Ausführungen Diomedes' über den Bestand der Getreidespeicher, als Mardian unangemeldet hereinplatzte. Seine Miene verhieß nichts Gutes. Kleopatra machte sich auf das Schlimmste gefaßt.

»Laßt uns allein!« befahl sie den anderen.

Die Blicke der Minister huschten neugierig über Mardians Gesicht, ehe sie den Raum verließen. Eine derartige Unterbrechung verbreitet sich wie ein Lauffeuer im Palast, dachte Kleopatra. Erst stellt man Mutmaßungen an, danach werden Gerüchte laut.

Kleopatra holte tief Luft. Was würde es dieses Mal sein? Ein Aufstand in Oberägypten? Hatte es etwas mit Antonius zu tun? War sein Schiff im Sturm zerschellt? War er Octavian im Kampf unterlegen?

Mardian bebte wie ein Sklave, den man beim Küchendiebstahl erwischt hat. Es mußte etwas wahrhaft Verhängnisvolles eingetreten sein.

Kleopatra atmete noch einmal tief durch. »Ist Antonius tot?« fragte sie.

Der Eunuch schüttelte verneinend den Kopf, die weichen Hängebacken zitterten. »Nein, Majestät, er lebt.«

»Was ist es dann? Hat man uns überfallen?«

»Er hat mit Octavian Frieden geschlossen.«

Kleopatra spürte, wie ihr das Blut aus den Wangen wich. »Wieder?«

»Sie haben das Triumvirat in Brindisi erneuert und auf einen Bürgerkrieg verzichtet.«

Nun gut, das war zwar eine Enttäuschung, erklärte jedoch weder die Blässe seines Gesichts noch das Flattern seiner Hände. Innerlich hatte sie ohnehin gewußt, daß der edle Antonius trotz ihres Drängens nicht kämpfen würde. Caesar hätte natürlich nicht gezögert, doch Antonius war nicht Caesar.

»Womit hältst du zurück?«

»Der Friede hatte einen Preis.«

Eine Ahnung tauchte in ihr auf und schnürte ihr den Magen zu.

»Er wird Octavians Schwester heiraten.« Nachdem er es gesagt hatte, wich Mardian zurück, als fürchte er sich vor einem Wutausbruch der Königin. Doch Kleopatra starrte ihn nur an.

Etwas in ihr war in diesem Moment zerbrochen.

Nicht, weil Antonius sie verraten hatte, das war beileibe nichts Neues. Nein, es war die Schäbigkeit des Verrats. Ich habe seine Kinder geboren, während er seinen Elendspakt schloß, dachte sie. Ich habe ihm die Welt geboten, und er sucht sich ein Mauseloch. Ich wollte ihm Größe schenken, und er gibt sich mit dem Mittelmaß zufrieden.

»Der einzigartige Marcus Antonius hat das Ungeheuerliche getan«, sagte sie.

»Ich bedaure, daß ich Euch diese Botschaft überbringen mußte.«

»War es nicht zu erwarten? Er ist nicht besser als all die anderen.«

»Man sagt, daß er dazu gezwungen wurde, Majestät. Octavian ließ den Hafen von Brindisi verschließen. Antonius mußte nördlich davon an Land gehen. Als die Soldaten sich gegenüberstanden, verweigerten sie den Kampf. Viele der Legionen hatten zuvor bei Philippi Seite an Seite gekämpft, sie sind des Krieges müde. Sie haben das Bündnis herbeigeführt.«

»O ja, gewiß muß man Antonius mit Gewalt in das Bett dieser Frau zerren.« Antonius. Er glich einem Bär, der von einem Honigtopf zum nächsten tappte, um seine Tatze hineinzustecken. »Ist Octavians Schwester schön?«

»Nicht so schön wie Ihr.«

»Wenn du mich wie ein dummes kleines Mädchen behandelst, lasse ich dir den Kopf abschlagen.«

Mardian schaute sie unglücklich an. »Wie ich vernommen habe, ist ihr Hals wie der eines Schwans und ihr Gesicht wie das der Aphrodite.«

»Der arme Antonius, wie furchtbar muß das für ihn sein.«

»Stimmt, man kann sich seine Verzweiflung vorstellen.«

Kleopatra schwieg für eine Weile. Dann schien sie sich wachzurütteln wie aus einem langen Schlaf. »Was hat ihm das Bündnis eingebracht?«

»Octavian behält die gallischen Legionen, doch er wird Sizilien von Sextus befreien. Antonius wendet sich gegen die Parther.«

»Das heißt, daß Antonius den Westen kampflos aufgegeben hat.«

»Er scheint den Osten für wichtiger zu halten.«

Kleopatra seufzte. »Gut, es ist nicht mehr zu ändern. Wir haben gewürfelt und haben verloren.«

»Wünscht Ihr allein zu sein? Soll ich die Minister für heute entlassen?«

»Nein. Wenn sie an der Tür lauschen und hören, wie ich mit Vasen um mich werfe, werden sie glauben, ich sei wütend. Ich will die Sache nicht aufbauschen - es ist ein kleiner Rückschlag, weiter nichts. Laß sie wieder herein, ich muß mich an die Arbeit machen.«

Ein kleiner Rückschlag.

Der Schmerz wollte ihr schier die Brust zerdrücken. Am Ende ist es immer dasselbe mit den Römern, dachte sie. Ihren Samen geben sie mir, doch nie ihr Wort.

Ich bleibe eine Fremde, eine von diesen ägyptischen Sumpfpflanzen. Nun, sie haben mich einmal gekränkt, weil ich zu sehr als Frau empfand. Julius zu lieben war ein Fehler. Ein zweites Mal werde ich diesen Fehler nicht begehen.

Ich werde es als Ärgernis behandeln - so wie einen gebrochenen Vertrag. Das ist alles nur Politik.

Ich muß weiterkämpfen, muß mich an die Arbeit machen, genau wie ich es Mardian gesagt habe.

3

Auf dem Palatin in Rom

Antonius haßte es, die Toga zu tragen. Sobald er einen Schritt vorwärts machte, rutschte sie herunter und schleifte hinter ihm her. Togen waren zu warm, zu schwer, und ihre Wolle juckte auf der Haut. Welches verworrene römische Hirn hatte sich nur dieses Kleidungsstück ausgedacht?

Er und Octavia lagen auf Ruhebänken im Innenhof seines Hauses auf dem Palatin. Luftige Wolken zogen über den Himmel, auf der moosbedeckten Mauer sonnte sich eine Eidechse, und in den Gärten schrie ein Pfau und öffnete sein Gefieder zu einem großen schillernden Rad.

Antonius überlegte gerade, wie Octavia wohl ohne Kleidung aussähe. Bei den unförmigen, weiten Gewändern der Römerinnen ließ sich das nicht erkennen, anders als bei den Ägypterinnen, wo die Kleidung nur wenig verbarg.

Das Gespräch war bisher recht förmlich verlaufen. Antonius sehnte sich nach Kleopatras Witz und auch nach dem derben Spott seiner Huren. Dennoch war er zuversichtlich, daß er schließlich entschädigt würde, wenn er in der Hochzeitsnacht die Kerzen löschte.

»Wie hat Euch der Osten gefallen?« erkundigte Octavia sich höflich.

Antonius stutzte. Bezog sie sich womöglich auf seine Gelage mit den Freunden des Lebens? Ihr Blick verriet nichts, sie war ebenso schwer zu durchschauen wie ihr Bruder. »Oh, Alexandria besitzt eine einzigartige Bibliothek«, hörte er sich sagen. »Ganz hervorragend.« Er haßte sich selbst, wenn er nüchtern war.

»Dann habt Ihr gewiß viel Zeit mit Lesen verbracht.«

Machte sie sich über ihn lustig? »In Alexandria läßt sich vieles tun. Auch die Gymnasien finden so rasch nicht ihresgleichen. Ich habe gejagt und geangelt, und einmal bin ich auf einem Kamel geritten.« Bei allen Göttern, er hörte sich an wie Plancus. Selbst ein Streit mit Fulvia war vergnüglicher gewesen als dieses Geschwätz. Doch den würde es nicht mehr geben. Als er von ihrem Tod erfuhr, hatte er sich betrunken und mit Sisyphus und Dellius gefeiert.

Er griff nach dem Weinkrug. »Wünscht Ihr noch Wein?«

Octavia schüttelte den Kopf.

Nein, natürlich nicht. Antonius nahm einen tiefen Zug aus seinem Pokal. Danach fühlte er sich ein wenig besser.

»Es tat mir leid, von Fulvias Tod zu hören.«

»Habt Ihr sie gekannt?«

»Flüchtig. Wir sind uns nur selten begegnet.«

»Hättet Ihr sie besser gekannt, würde Euch ihr Tod nicht dauern.«

Diese Bemerkung brachte das Gespräch vorerst zum Erliegen. Das war ihr wahrscheinlich zu hart, dachte Antonius. Welch ein bleiches, wächsernes Geschöpf. Am liebsten würde ich ihr in den Hals beißen, um nachzusehen, ob überhaupt Blut in ihr fließt.

»Mein Bruder wünscht unsere Ehe«, hub sie nach einer Weile wieder an.

»Er beweist mir damit eine große Ehre.«

»Es dient zu seinem Nutzen und zu Eurem.«

Na gut, jetzt hatte sie es wenigstens ausgesprochen. »Das ist wohl wahr«, entgegnete Antonius. »Dennoch rühmt man in Rom Eure Schönheit. Ich darf mich glücklich schätzen.«

»Ihr werdet sehen, daß der Wert meiner Treue den meiner Schönheit übersteigt, Marcus.«

Der Pfau stieß abermals einen Schrei aus. Die Sonne hatte sich hinter einer Wolke verzogen. Was nutzt mir die Treue einer Frau, dachte Antonius. Eine kleine Kostprobe von dem Flaum zwischen deinen Schenkeln wäre mir lieber.

»Wir wollen etwas klarstellen«, sagte er. »Wenn wir verheiratet sind, bleibt meine Freiheit unangetastet. Ich bin ein Mann aus Fleisch und Blut.«

»Mir wäre es lieb, wenn ich Euch glücklich machte.«

Der Klang ihrer Stimme ließ ihn argwöhnisch werden. Wenn Frauen sein Glück erwähnten, erwarteten sie in der Regel eine Gegenleistung. Selbst Kleopatra. Doch Kleopatra hatte politische Interessen, ihre Beweggründe verstand er besser als die, die Fulvia getrieben hatten.

»Wir werden eine Hochzeit feiern, von der man in Rom lange reden wird«, sagte er, um ihr einen Gefallen zu tun. Er befahl seinem Mundschenk, den Wein für ihn neu zu mischen.

»Ihr solltet weniger trinken«, sagte Octavia.

Götter! Sie fing schon jetzt damit an. »Ich tue, was mir gefällt«, entgegnete er. Was man für ein Bündnis nicht alles in Kauf nahm! Ich kann die Zukunft erkennen, dachte er, ganz ohne Astrologen. Diese Frau verabscheut mich, sie wird genauso an mir herumnörgeln wie Fulvia. Sie wird mir den Wein verdünnen, wegen meiner Liebschaften zürnen und im Bett unter mir liegen wie eine Tote. Doch wenn es uns allen einen Krieg erspart, ist es das wohl wert.

4

Kleopatra lag auf ihrem Bett, sah durch das Fenster zu, wie der Mond durch die Wolken glitt, und lauschte den sanften Wellenschlägen. Es war eine heiße Nacht, ihr Körper war matt und schwer. Sie schloß die Augen. Den ganzen Tag über hatte sie sich mit ihren Ministern beraten und die Beschlüsse zur Verbesserung der Kanäle debattiert. Sie war müde und fand dennoch keinen Schlaf.

Die Gedanken an Antonius hielten sie wach.

Ihre Finger fuhren an ihrem Körper entlang, zwischen die Schenkel. Sie rieb sich sanft, befeuchtete die Finger mit der Zunge und ließ sie zwischen die seidigen Lippen gleiten. Sie stöhnte leise und bäumte sich auf, berührte sich, wie Julius es getan hatte.

Früher am Tag hatte sie einen Brief von Antonius erhalten.

An Ihre erlauchte Majestät, Kleopatra, Königin von Ägypten.

Wir senden Euch Grüße aus Rom und teilen Euch unsere Vermählung mit Octavia mit, ein Ereignis, das Rom mit Freude erfüllt. Überdies gratulieren wir Euch zu der Geburt Eurer königlichen Kinder, ein Ereignis, von dem wir erst jetzt erfuhren.

Wir danken Euch für Eure Gastfreundschaft während unseres Aufenthalts in Eurer prächtigen Stadt. Die Erinnerung an Eure warmherzige Freundschaft wird uns auf ewig begleiten. Wir erfreuen uns an der Gewißheit, daß Ihr uns wie auch Rom gewogen bleibt.

Imperator Marcus Antonius, Triumvir.

Der Zorn ließ ihre Finger schneller werden. Die Erleichterung kam plötzlich und heftig. Hinterher lag Kleopatra in der Dunkelheit, wach und dennoch unbefriedigt. Das Vergnügen ist wertlos, dachte sie, wenn kein Mann da ist, der einen im Schlaf umfängt.

Doch solche Gefühle bedeuteten Schwäche, und sie hatte sich geschworen, einer derartigen Schwäche nie mehr nachzugeben.

Auf dem Palatin in Rom

Das Mondlicht fiel durch die Zypressenzweige draußen vor dem Fenster und malte zarte Tupfer auf die Wände. Antonius schaute zu, wie Octavia ihre Tunika ablegte. Darunter trug sie ein Lendentuch und ein einfaches Brustband. Sie war zart wie eine Nymphe, und ihre Haut schimmerte wie Alabaster. Wie eine der Statuen im Garten, dachte Antonius.

Offenbar wünschte sie nicht, daß er sie nackt sah, denn sie schlüpfte sittsam, wie es sich für eine römische Frau gehörte, unter die Decke, um sich dort von ihrer Unterkleidung zu befreien.

Antonius rollte sich auf die Seite und streckte die Hand nach ihr aus. Durch den Vergleich mit den Statuen hatte er mit einem kalten Körper gerechnet, so daß ihn die warme Haut überraschte. Als er sie in die Arme nahm, schlangen sich ihre Glieder um ihn wie Weinreben um einen Eichenstamm. Mehr eine Umklammerung denn eine Umarmung, dachte er spöttisch.

Er küßte sie. Ihre Lippen waren weich, und ihr Mund schmeckte süß. Sie erwiderte seinen Kuß mit unerwarteter Hingabe.

Antonius schlug die Decke zurück, um sie anzusehen. »Bei allen Göttern, du bist wahrhaftig schön«, murmelte er. Die Vollkommenheit ihres Körpers war überwältigend. Sie war fast zu vollkommen.

Er beugte sich über sie und küßte ihre Brüste. Ihre Haut roch frisch und rein wie ein Bergquell. Er saugte an ihren Brustwarzen, knabberte daran mit den Zähnen, bis sie hörbar die Luft einzog und zurückzuckte.

Dann packte er sie bei den Hüften und zwang sie wieder zu sich.

Er drang in sie ein, schroff und rücksichtslos, stieß rasch und heftig zu. Er hatte nicht vorgehabt, ihr weh zu tun, doch ihre gefügige Schönheit machte ihn wütend. Seine Lust war angestachelt. Die blonden Haare und die weiße Haut verschmolzen zu einem Bild von Milch und Honig.

Doch als er die Augen schloß, lag nicht Octavia unter ihm, sondern er dachte an eine Frau mit olivfarbener Haut, an dunkle Haare, die ein Gesicht mit bemalten Lippen umrahmten, an verführerisch blitzende Augen. Mit einemmal war er wieder inmitten seiner exotischen Träume, die er glaubte aufgegeben zu haben, als er Alexandria verließ.

Antonius hatte während der Hochzeitsfeier zuviel Wein getrunken. Seine Sinne waren betäubt, die Gier hingegen aufgereizt. Den Gipfelpunkt der Lust erreichte er nicht nach einer köstlich ansteigenden Woge, sondern als plötzliche Explosion, die ihn keuchend und erschöpft auf seine schöne Gefährtin niederwarf.

Werde ich den höchsten Genuß nie mehr erreichen, ohne mir zuvor Kleopatras Bild heraufzubeschwören? ging es ihm durch den Kopf.

Octavia fuhr ihm zärtlich über die Locken, streifte sein Ohr mit ihren Lippen und flüsterte: »Ich habe mich schon so lange nach dir gesehnt, ich habe dich immer gewollt.«

Bei Jupiter, dachte er, habe ich mich verhört, oder hat sie das wirklich gesagt?

5

IM RÖMISCHEN MONAT JANUS IM JAHRE 39 VOR CHRISTI GEBURT

Die Albaner Berge außerhalb Roms

Scribonia hatte sich die Haare rotblond färben lassen, wie es der germanischen Mode, die Rom derzeit beherrschte, entsprach. Es paßte nicht zu ihr und sah lächerlich aus. Zwischen dem dünnen Haar, das sie mit dem Brenneisen gekräuselt hatte, schimmerte die blasse Kopfhaut durch, was ihrem Aussehen etwas Gerupftes verlieh. Ihr Gesicht war mit Gerstenmehl und zermahlenem Hirschhorn gepudert und wirkte starr.

Sie trug ein Gewand aus kostbarer Seide und hatte sich mit Broschen, Ringen, Ketten, Ohrringen und breiten goldenen Armreifen geschmückt. Octavian fand jedes Stück so fehl am Platz wie Verzierungen an einem Müllwagen. Scribonia war grobknochig, ihre Zähne waren schlecht, ihr Ruf war der einer Xanthippe.

Doch sie war die Tante des Sextus Pompejus, des Abtrünnigen und Seeräubers, dessen Blockade Rom in die Knie gezwungen hatte. Octavian wußte, daß ihm nichts anderes übrigblieb, als sie zu heiraten.

»Einer der römischen Triumvirn«, sagte sie und musterte ihn wie einen Sklaven, den jemand zum Verkauf feilbot. »Ich hatte eigentlich etwas Besseres erwartet.«

»Ähnliches könnte ich behaupten.«

»Doch der Staat fordert die Pflicht.«

»So ist es.«

Scribonia trat auf die Terrasse. Die Statuen und Büsche in dem sanft abfallenden Garten waren mit Rauhreif überzogen. Die Rebstöcke auf den welligen Hügeln glichen knotigen braunen Skeletten. Sie würden erst wieder schön sein, wenn sie in saftigem Grün stünden, beladen mit schweren blauen Trauben. Sie ging wieder hinein und wärmte sich am Feuer der Pinienscheite, die auf dem Rost loderten.

»Ein hübsches Plätzchen habt Ihr hier. Ihr scheint mir wohlhabend.«

»Schön, daß es Euch gefällt.« »Doch wie man sich erzählt, war Euer Großvater nur Seilmacher.«

Octavians Hände verkrampften sich zu Fäusten.

»In meiner Familie gab es sieben Konsuln«, fuhr sie fort.

Sie ist also nicht nur zänkisch, sondern auch hochnäsig, dachte Octavian. Es war abzusehen, daß er sie aus ganzem Herzen hassen würde, doch auch Claudia hatte er nicht gemocht. Das spielte keine Rolle. Es galt lediglich, den Pakt von Misenum zu besiegeln, den er mit Sextus geschlossen hatte, so daß die Seestraßen wieder geöffnet würden und er noch einmal Luft holen konnte nach den vielen Kämpfen. Ein politischer Schritt, sonst nichts.

Scribonia starrte ihn finster an.

»Ich möchte ein Kind.«

Bei allen Göttern, sie meinte das ernst.

»Seid Ihr dazu in der Lage? Wie man hört, zieht Ihr Knaben wie Maecenas vor.«

Octavian nahm sich zusammen und antwortete: »Ich war nie säumig, wenn es um die Staatspflicht ging.«

Scribonia lächelte. »Nun, dann wäre auch das geregelt. Stochert also hinfort nicht mehr an falschen Orten herum.«

Damit ist der Pakt wohl besiegelt, dachte Octavian.

In Alexandria

Kleopatra nahm Caesarion bei der Hand und führte ihn durch die kalten Gewölbe der königlichen Mausoleen. Die Luft war erfüllt von dem schweren, süßlichen Geruch des Verfalls. Um sie herum befanden sich die alten Grabmäler der Ptolemaier, die Straße ihrer Ahnen, angefangen bei dem schlichten, schmucklosen Sarkophag von Ptolemaios I. bis hin zu dem aufwendigen Grabmal ihres Vaters, mit dem dionysischen Fries aus Weinreben und Efeu. Dort drüben lag die Grabstätte ihres Bruders, Ptolemaios XIII., auch im Tode gestraft von Verachtung, ohne Schmuck, nur mit dem Namen versehen. Daneben das Grab von Antiochos, aus glänzendem rosafarbenem Granit, geschmückt mit Wagenskulptur und Pferden, den Dingen, die ihm als Kind am liebsten gewesen waren.

Knisternde Fackeln wiesen ihnen den Weg, und Spinnen und Käfer flohen vor ihnen in dunkle Ecken.

»Dieses ist das Mausoleum von Ptolemaios IV«, sagte Kleopatra. Ihre Stimme wurde als dumpfes Echo zurückgeworfen. »Er hat seinen Vater ermordet, um den Thron zu besteigen. Dort siehst du das Grab von dem Ptolemaios, den man den Dicken nannte. Und hier, unter der Platte mit den Schiffen und Elefanten, liegt einer, der seinen Neffen ermordet und die eigene Mutter geheiratet hat, Kleopatra II. Sie hatten ein Kind, doch dann hat er sich in seine Nichte verliebt, in Berenike. Er hat sie geheiratet, hat das Kind ermordet, das er mit seiner Mutter gezeugt hatte, und ihr den zerstückelten Körper übersandt. Als er starb, tötete Berenike auch Kleopatra. Diese Berenike war die Mutter deines Großvaters. Als er heranwuchs, versuchte sie ihn zu vergiften, woraufhin er sie hinrichten ließ.«

Caesarion starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an. Er hatte sich an ihrer Hand festgekrallt und sah aus, als sei ihm übel.

»Warum erzählst du mir das?«

»Ich erzähle es dir, damit du die Wahrheit über deine Familie und über dein Erbe erfährst. Eines Tages bist du König von Ägypten, Caesar Ptolemaios XV. Bis dahin mußt du verstanden haben, daß Herrschaft sowohl eine Bürde als auch ein Geschenk bedeutet. Du mußt deine Vorfahren ehren, selbst wenn viele von ihnen schreckliche Dinge getan haben.« Kleopatra hielt einen Moment inne und fuhr dann fort: »Ich selbst habe auch schreckliche Dinge getan.«

»Was für schreckliche Dinge?«

Wie soll ich es ihm verständlich machen? dachte Kleopatra. Wie kann ich ihm das mit Arsinoe erklären, mit Antiochos und Fulvia? Wie soll er es verstehen? »Das erzähle ich dir, wenn du älter bist. Heute sollst du begreifen, daß Herrscher das Recht besitzen, ihre Pläne auszuführen, selbst wenn es für andere Leid bedeutet. In deinen Schlachten werden Soldaten sterben, und Rivalen werden auf deinen Befehl hin ermordet. Ist dir die Bürde zu groß, kannst du nicht König sein.«

Caesarion holte tief Luft. »Ich habe verstanden«, antwortete er, doch seine Stimme klang zaghaft. Ein ernstes Kind, dachte Kleopatra. Wie er seinem Vater gleicht!

»Nein, du hast es noch nicht verstanden. Das kannst du erst, wenn du einmal selbst die Macht benutzt hast. Du mußt nur wissen, daß Könige den Willen der Götter ausführen. Die Götter schenken uns Macht und vergeben uns unsere Taten.«

Aus einer der Ecken drang ein Rascheln an ihr Ohr. Es war ein Skorpion, der sich aus dem Schein der Fackeln ins Dunkle flüchtete.

»Mir gefällt es hier nicht«, klagte Caesarion weinerlich.

»Du mußt deine Herkunft begreifen, Caesarion.«

Das schmale, blasse Gesicht schaute zu ihr empor.

»Du bist ein Nachkomme der Isis, durch mich und durch deinen Vater, den die Götter erwählten, um Rom und Ägypten zu vereinen.«

»Warum liegt er nicht hier begraben?«

»Er war ein Römer, und dort herrschen andere Sitten. Dein Vater...« Sie überlegte, wie sie ihn ihm beschreiben sollte. Ob sie alles erwähnen sollte, das Anmaßende in seinem Wesen, die Rücksichtslosigkeit, den Ehrgeiz? Oder nur, daß er ein großer Krieger, ein liebevoller Mann mit einzigartigem Verstand ausgerüstet, gewesen war? Wie sollte sie ihm Julius nahebringen, wenn ihr die Gründe für etliche seiner Taten selbst fremd geblieben waren? »Dein Vater war der kühnste Kämpfer, den es je gab. Er war so groß wie Alexander. Er herrschte über Rom, und er wünschte sich, daß sowohl das römische Reich als auch Ägypten eines Tages dir gehören.«

»Ich wünsche mir...«, begann Caesarion und verstummte wieder. Was immer seine Wünsche ausmachte, ließ sich offenbar nicht in Worte fassen.

Kleopatra kniete sich vor ihn und legte die Hände auf seine Schultern. »Du hast ein Schicksal, Caesarion. Wenn du erwachsen bist, wirst du Rom und Ägypten vereinen und über ein Reich gebieten, das größer ist als das von Alexander. Du wirst den Osten vor den Römern retten. Dafür wurdest du geboren.«

Caesarion nickte, eingeschüchtert von dem Geruch des Todes und dem Blick seiner Mutter.

Er glaubte, was sie sagte, denn er war noch zu jung, um den Zweifel in ihren Augen zu erkennen.

Octavian betrat Scribonias Schlafgemach. Gewöhnlich vermied er übermäßigen Weingenuß, doch im Verlauf des abendlichen Hochzeitsfestes hatte er einiges getrunken. Dennoch fühlte er sich so nüchtern, als ob er Wasser getrunken hätte. Das wird wohl das Entsetzen sein, dachte er.

Scribonia saß aufrecht im Bett, in ein weißes Gewand gehüllt. Ihre Kammerfrau hatte sich große Mühe gegeben und ihr die Haare mit Kämmen und Spangen zu einer modischen Frisur aufgesteckt. Dann hatte man die Ärmste mit Bleiweiß gepudert und Wangen und Lippen mit dem Rot der Lackmusflechte gefärbt. Octavian fand das Ergebnis schaurig.

Er zog die Tür hinter sich zu und legte die Toga ab.

»Wir sollten es rasch hinter uns bringen«, sagte Scribonia.

»Darauf habt Ihr mein Wort.«

Er wußte nicht, ob er es schaffen würde. Agrippa hatte ihm geraten, sich die hübsche Sklavin vor Augen zu halten, die er am Morgen genommen hatte. Der Schuft Maecenas hatte ihm zugeraunt, er solle vor allem an ihn denken. Bis vor wenigen Augenblicken hatte Octavian das noch lustig gefunden, doch nun fühlte er sich wie ein Gladiator, der im Begriff ist, in die Arena zu steigen, und das fand er ganz und gar nicht mehr komisch.

Als er die letzten Kleidungsstücke ablegte, zog Sribonia eine Augenbraue hoch. »Da braucht Ihr aber noch etwas mehr, um einen Eimer zu füllen«, spottete sie.

Götter! Für eine angeblich so hochgeborene Dame ließ ihr Geschmack an Witzen einiges zu wünschen übrig.

6

»Hast du das gesehen?« fragte Octavian.

Sie saßen auf den obersten Rängen des Circus Maximus, und Octavian reichte Antonius eine Münze. Ein silberner denarius, auf dem Sextus' Vater Pompejus abgebildet war, mit einem Dreizack in der Hand. Im Hintergrund erkannte man einen Delphin, und auf der Rückseite befand sich eine Galeere mit aufgeblähten Segeln.

Antonius lächelte. Zu Lebzeiten hatte Pompejus an seinem Ruf als großer Admiral geschmiedet, nun war er sogar zu Neptun aufgestiegen. Wie es aussah, hatte Sextus beschlossen, Octavian bei dessen eigenem Spiel zu schlagen und sich selbst ebenfalls zum Göttersohn zu erheben.

»Ärgert dich das?«

Octavian verzog das Gesicht zu einer säuerlichen Grimasse. »Der Bastard fordert uns heraus. Läßt sich eigene Münzen prägen! Wagt es, sich Göttersohn zu nennen!«

»Das ist in der Tat unbegreiflich«, erwiderte Antonius. Die Ironie verfehlte jedoch ihre Wirkung.

Ihre Unterhaltung wurde von Fanfarenstößen unterbrochen, die den Beginn des Festes verkündeten. Als erstes erwartete man die Prozession der Götter, danach würden Wettkämpfe stattfinden. Jupiter, der als erster an den Zuschauern vorbeigetragen wurde, erntete dünnen, höflichen Applaus.

Antonius lehnte sich zurück, um den Zug in Ruhe zu genießen, doch seine Gedanken irrten ab. Octavian würde sich bald das Leben nehmen müssen, davon war er überzeugt. Er hingegen wollte sich baldmöglichst aus dem Staub machen. Sobald Octavia das Kind zur Welt gebracht hätte, würde er wieder nach Athen gehen. Die Republik kam einfach nicht zur Ruhe. Das Volk traute dem Pakt mit Sextus nicht und ahnte, daß Octavian zum nächsten Krieg rüstete. Als jüngste Maßnahme hatte der junge Caesar Sklaven und Erbschaften besteuern wollen, um neue Gelder einzutreiben, doch als die neuen Erlasse im Forum angeschlagen wurden, hatte der Pöbel sie heruntergerissen. Die Stimmung in der Hauptstadt war aufgeladen.

»Wie geht es Scribonia?« erkundigte sich Antonius nach einer Weile. Octavian war in Begleitung von Livia Drusilla erschienen, obwohl diese verheiratet war. Der junge Caesar schien davon auszugehen, daß ihm alles gestattet war. Auch Maecenas befand sich bei ihm, mit einem aufreizenden Lächeln auf den Lippen.

»Scribonia ist eine Hexe«, erwiderte Octavian.

»Oh, aber sie ist doch mit Neptun verwandt.«

»Wohl eher mit Medusa.«

Mittlerweile wurden weitere Götterstatuen auf Wagen an ihnen vorbeigerollt. Mars, Apollo, Mithras. Wildes Beifallsgejohle und begeistertes Klatschen brach aus, als die Reihe an Neptun war. Das war eine deutliche Absage an Octavian.

Antonius warf ihm einen verstohlenen Blick zu. Die Wangen des Bübchens brannten, seine Hände krallten sich um die vergoldeten Sesselstützen. Er gab dem Zenturio an seiner Seite einen Befehl, woraufhin dieser mit einer Kohorte im Gefolge die Stufen der Arena hinunterstürmte.

Das geht nicht gut, dachte Antonius.

Die Soldaten sprangen über die Barrieren und rannten über den Sand zu den Sklaven, die das Fuhrwerk mit der festgezurrten Neptunstatue zogen. Sie gestikulierten wild und deuteten auf die Ausgänge. Offenbar sollte Neptun den Umzug verlassen.

Die Menge bekundete ihr Mißfallen durch wütendes Gebrüll. Bald flogen Steine durch die Luft.

Antonius wandte sich an Octavian. »Ich glaube, das war keine gute Idee.«

»Sextus ist nicht der Herrscher von Rom.«

»Noch nicht«, knurrte Antonius leise.

Inzwischen waren etliche der Zuschauer in die Arena geklettert. Die Soldaten zückten ihre Schwerter. Es wird nicht mehr lange dauern, dachte Antonius, und der Sand ist mit Blut getränkt, nur daß es dieses Mal nicht das Blut der Gladiatoren sein wird.

Octavian war blaß geworden. Einer der Steine schlug dicht neben ihm auf - das Volk zeigte, was es von diesem Göttersohn hielt. Der Sohn des Neptun schien ihm besser zu gefallen.

Ein Soldat aus Octavians Leibwache beugte sich zu ihm vor und flüsterte ihm ein paar Worte ins Ohr.

»Er rät uns zum Aufbruch«, sagte Octavian zu Antonius.

Antonius grinste - ein Aufstand setzte sein Blut in Wallung. Er sah, wie Munatius Plancus mit erhobenem Schwert auf der obersten Treppenstufe erschien. Mutiger Bursche! Octavian hatte sich ordentlich verschätzt, was die Stimmung des Volkes betraf, ganz außerordentlich verschätzt.

Octavian war unter dem Vorwand, daß er sich um Livias Sicherheit sorgte, mit seiner Leibwache abgezogen. Antonius war geblieben, da es ihm widerstrebte, sich von einer Handvoll Aufschneider Angst einjagen zu lassen. Schließlich verließ er den Circus in Begleitung von Munatius Plancus und einer Phalanx makedonischer Legionäre.

Draußen vor der Arena umzingelte der Pöbel ihre Wagen und ging gegen die Posten vor, die man zum Schutz der Triumvirn abgestellt hatte. Blutjunge Soldaten, stellte Antonius fest, noch halbe Kinder. Wenn seine Veteranen hier gewesen wären, hätte man längst wieder Ordnung geschafft.

Als nächstes sah er, daß die Reihe der Posten schwankte.. Dann wurde sie an einer Stelle durchbrochen. Octavian ging zu Boden.

Antonius riß sein Schwert aus der Scheide, doch Plancus packte ihn am Arm. »Wollt Ihr wirklich einschreiten?« raunte er.

»Wieso fragst du das?« zischte Antonius zurück, obgleich er wußte, was der andere dachte.

»Laßt sie doch gewähren! Danach seid Ihr der Herr über Rom. Das Volk liebt Euch, es wünscht nur Octavian den Tod.«

»Octavian ist mein Schwager!«

»Er ist Euer Rivale.«

Antonius erwiderte den Blick des anderen. Seltsam, er hatte Plancus immer für einen Schwächling gehalten, doch die Augen, die ihm jetzt entgegenbrannten, glichen schwarzen Löchern. Ihn hat man in Perusia zu nichts überreden müssen, dachte Antonius.

Er zögerte. Plancus hatte recht, er mußte nur stehenbleiben und zusehen.

7

DER ÄGYPTISCHE MONAT PHAOPHI IM JAHRE 39 VOR CHRISTI GEBURT

In Alexandria

Es war einer der letzten Tage des Sommers. Nachdem Kleopatra die morgendlichen Pflichten erledigt hatte, nahm sie ein leichtes Mittagsmahl zu sich, zog sich noch einmal für eine Stunde mit Mardian und dem dioiketes zurück und widmete sich anschließend ihren Kindern. Spät am Nachmittag nahm sie die Arbeit wieder auf, die sich unweigerlich bis in die Nachtstunden zog. Tag für Tag derselbe Ablauf.

Mardian hatte es aufgegeben, sie zu größeren Ruhepausen anzuhalten. Kopfschüttelnd und widerwillig nahm er es inzwischen hin, daß ihr Sehnen und Trachten auf nichts anderes gerichtet war als auf das Wohl Ägyptens und die Zukunft von Caesarion.

Eines Nachmittags, während er ihr Gesellschaft leistete, ließ sie sich ein Glas Rosenwasser einschenken, schob die Schriftrollen zur Seite und erkundigte sich nach den neuesten Nachrichten aus Rom.

»Nun«, begann er, »wie es aussieht, läuft jetzt alles gut für Marcus Antonius. Ventidius, sein Oberbefehlshaber, hat die Parther in Syrien besiegt, und Octavia hat ihm eine Tochter geschenkt.«

»Eine Tochter«, sagte sie. Auf ihren Zügen lag die Andeutung eines Lächelns.

»Antonia.«

»Antonia«, wiederholte sie mechanisch, während sie die Papiere wieder zu sich zog und die Berichte des Königlichen Hafenmeisters überflog, die sie über den Ausbau der neuen Flotte informierten.

»Doch es hat vor dem Circus neue Aufstände gegeben. Octavian wurde vom Pöbel angegriffen.«

»Wurde er verletzt?«

»Nur ein paar Schrammen. Wie es heißt, hat Antonius ihn gerettet.«

Das ließ sie innehalten. Sie hob den Blick und zog die Augenbrauen fragend in die Höhe. »Er hat ihn gerettet?«

»Wenn er und seine Soldaten nicht eingeschritten wären, hätte man Octavian zerstückelt.«

Kleopatra stieß einen langen Seufzer aus. »Was hat er sich nur dabei gedacht?«

»Offenbar ist er nicht nur ein Spaßvogel, Majestät, sondern ein Mann mit ganz unterschiedlichen Eigenschaften.«

»Und wir dürfen abermals nur ausharren und zusehen, wie uns ein Römer die Vielfalt seiner Eigenschaften vorführt.«

»Auch ich finde sein Verhalten rätselhaft. Es muß sich um eine seltsame Vorstellung von Ehre gehandelt haben.«

»...so daß wir nicht wissen, ob er sich eines Tages für oder gegen uns entscheidet.« »Er ist tatsächlich schwer einzuschätzen.« Kleopatra hielt den Bericht des Hafenmeisters hoch. »Nun, wenn Rom uns bedrängt, sind wir gewappnet. Noch nie zuvor war Ägypten so stark. Die neue Flotte ist beinahe fertig, die letzte Ernte war ausgezeichnet, unsere Speicher sind voll. Die Ausfuhr von Glas und Papyrus könnte nicht besser sein. Wir haben den Silberanteil in unseren Münzen erhöht, wogegen Rom die seinen entwertet hat. Rom darbt, wir blühen auf. Ich werde nie wieder vor Römern auf den Knien liegen.«

Mardian betrachtete sie mit einem stolzen Lächeln. Er erinnerte sich noch daran, wie er sie als Kind zum ersten Mal mit zum Hippodrom genommen hatte, um ihr das Reiten beizubringen. Ptolemaios hatte sich gleich nach dem ersten Sturz geweigert, sein Pferd noch einmal zu besteigen. Kleopatra hingegen hatte sich auch dann nicht davon abbringen lassen, als ihr Körper schon mit blauen Flecken übersät war.

Damals hatte er zu ihrem Vater gesagt, daß nur Kleopatra Ägypten retten könne. Entweder hatte jener sich die Worte zu Herzen genommen, oder der alte Trunkenbold war nach und nach selbst dahintergekommen.

Kleopatras Mut ließ sich nicht bezwingen. Sie würde immer einen Ausweg finden, um ihre Wünsche durchzusetzen. Armer Antonius. Beinahe hätte Mardian Mitleid mit ihm gehabt.

Auf dem Palatin in Rom

Der kleine Syrer hatte noch nicht einmal den ersten Flaum auf den Wangen. Statt dessen besaß er wunderschöne dunkle Augen und ein Hinterteil, das so fest wie ein Apfel war. Er saß auf Maecenas' Schoß, während ihm dieser über die Schenkel strich. »Du willst das gräßliche Weib also loswerden«, sagte er unterdessen zu Octavian.

»Erst warte ich noch ab, ob sie einen Sohn bekommt.«

»Was ist, wenn er ihr gleicht?«

»Wenn er ihr gleicht, kommt er in den Circus«, murmelte Agrippa.

»Sind dir schon Gründe eingefallen, um dich von ihr zu trennen?«

»Gründe?« wiederholte Octavian und zuckte die Achseln. »Noch nicht. Wie wäre es mit schlechtem Geschmack?«

»Warum? Weil ihr deine Geliebte nicht gefällt?«

»Nun, ich finde, das zeugt von schlechtem Geschmack.«

Es war in Rom ein offenes Geheimnis, daß Octavian sich in die junge Livia Drusilla verliebt hatte, die mit einem Senator verheiratet und im sechsten Monat schwanger war. Ob es das Kind ihres Mannes oder das von Octavian war, wußte keiner.

»Heißt das auch, daß du dich endlich um diesen kleinen Wüterich in Sizilien kümmern wirst?« erkundigte sich Maecenas, wenngleich er vermutete, daß Octavian gar keine andere Wahl hatte. Trotz des Vertrages von Misenum erreichten die Frachtschiffe mit dem Getreide Rom immer noch nicht. Sextus schob es auf die Piraten und tat so, als gehörten deren Schiffe, die vor Sizilien kreuzten, nicht zu seiner Flotte.

In Rom führte die Hungersnot zu immer neuen Aufständen. Octavian mußte etwas unternehmen.

»Sextus hatte von Anfang an nicht vor, sich an den Vertrag zu halten«, kam es vorwurfsvoll von Agrippa.

»Du könntest Antonius um Hilfe bitten«, schlug Maecenas vor.

»Ich brauche seine Hilfe nicht.«

»Aber er ist einer der Triumvirn und ist verpflichtet, mit dir gegen den Feind zu kämpfen«, hielt Agrippa ihm entgegen.

»Zudem muß nicht nur Sextus Einhalt geboten werden. Das gleiche gilt für Antonius.«

»Das stimmt«, pflichtete Maecenas ihm bei. »Wir müssen ihn noch ein Weilchen von Parthien fernhalten, denn wenn er dort siegt, sind wir am Ende. Rom würde ihn feiern wie einen Gott.«

Octavian nickte nachdenklich. »Du hast natürlich recht. Ich will sehen, was ich tun kann.«

Maecenas' Hand war unter der Tunika des Jungen verschwunden, der zu kichern anfing und sich auf seinem Schoß wand. Octavian hätte im Grunde nichts dagegen gehabt, an diesem Spielchen teilzunehmen, doch er hielt sich zurück.

»Agrippa wird sich um Sextus kümmern«, sagte er zu Maecenas.

»Agrippa?« Maecenas gluckste. »Paß auf, daß du keine nassen Füße bekommst«, sagte er zu diesem gewandt.

Agrippa legte das Gesicht in beleidigte Falten. Octavian nickte ihm aufmunternd zu. Agrippa war ein kluger Kopf und ein geschickter Taktierer. Octavian war sich nur nicht recht schlüssig, ob einem Mann zu trauen war, der keine Knaben mochte.

8

Octavians Stadthaus war ein eindrucksvolles Gebäude aus Stein. Es lag auf dem Palatin inmitten eines Hains aus Pinien und Zitronenbäumen, mit Blick über das Forum. Auf der Terrasse standen Tontöpfe mit Lorbeerbüschen, darunter plätscherte ein Springbrunnen, gesäumt von Rosenbäumen, deren Duft die Sommerluft tränkte.

Spät am Nachmittag erschien Octavia in einer Sänfte mit zugezogenen Fenstern. Octavian wußte, daß sie allein gekommen war, denn Antonius besuchte zu dieser Tageszeit die öffentlichen Bäder, wo er sich mit Freunden treffen und mit seiner Muskelpracht prahlen konnte. Octavian stellte sich vor, wie er die nackten Männer begutachtete, die im caldarium schwitzten. Eine Gewohnheit, die schwer abzulegen war, selbst wenn er sich geschworen hatte, die Ehe nur noch mit Frauen zu brechen.

Octavia wirkte blaß und vielleicht auch ein wenig zu mager, doch wen sollte das wundern? Es war gewiß nicht leicht, einen Herkules zum Mann zu haben. Dennoch machte sie einen glücklichen Eindruck.

»Behandelt Antonius dich gut?« erkundigte sich Octavian, als sie auf den Ruhebänken lagen und die Diener ihnen Feigen und Weintrauben gebracht hatten.

»Er ist ein guter Ehemann«, erwiderte Octavia.

»Dann hast du ihn gezähmt.«

»Ich fürchte nicht, denn er streicht durch das Haus wie ein wildes Tier. Wenn ich ihn gezähmt habe, dann sicherlich nicht für lange Zeit.«

Für eine Weile plauderten sie über Belanglosigkeiten, über Antonia, das Wetter und Gedichte. Sie beide verehrten Vergil und Horaz. Die Politik ließen sie jedoch aus. Es war kein Thema, das römische Männer mit ihren Frauen besprachen, geschweige denn mit ihren Schwestern.

Schließlich sagte Octavian jedoch: »Wie ich gehört habe, willst du Rom verlassen.«

»Wir reisen nach Athen. Antonius trifft Vorbereitungen zur Eroberung Parthiens, er hat sich Griechenland als Stützpunkt ausgewählt.«

Octavian setzte ein schiefes Lächeln auf. »Parthien...«

»Das war schon immer sein Ziel.«

»Sieh an. Nun, Griechenland wird ihm gefallen. Die Gelehrten dort können sich mit denen Alexandrias messen.«

Octavia fragte sich, ob er sie absichtlich ärgern wollte. Seine Miene kam ihr verdächtig vor. »Habe ich dein Wort, daß du in seiner Abwesenheit nichts gegen ihn unternimmst?«

»Wir schlossen doch einen Pakt.«

»Gegen den du verstoßen wirst, wenn es dir paßt.«

Er lächelte wieder, auch dieses Mal nicht freundlich. »Darf ich deinen Worten eine gewisse Zuneigung für unseren Herkules entnehmen?«

»Er ist jetzt mein Mann.«

»Gewiß.«

»Und er hält sein Wort, Octavian. Er tut dir nichts, wenn du ihm nicht schadest.«

»Du machst dir tatsächlich etwas aus ihm. Ich hätte nie gedacht, daß dir Gladiatoren gefallen, ich hielt dich eher Dichtern zugeneigt.«

»Spar dir deinen Spott!« fuhr sie ihn an.

Ihr kleiner Bruder hatte sich verändert. Richtig gemocht hatte sie ihn zwar nie, doch nun beschlich sie erstmalig ein Gefühl der Furcht. Seine Eifersucht auf Antonius war offenkundig geworden, seit dieser nach Rom zurückgekehrt war. Octavian hatte aufgehört, sich die Beine zu enthaaren, und hatte sich einen Bart stehenlassen, um männlicher zu erscheinen - und das, obwohl sich die Macht seit Perusia zu seinen Gunsten verlagert hatte.

Octavia waren die Gerüchte über Livia Drusilla und ihren Bruder inzwischen auch zu Ohren gekommen. Livia war eine hübsche und angesehene Frau, wogegen man Octavian nur schwerlich als attraktiv bezeichnen konnte, erst recht nicht dann, wenn ihm, wie jetzt, die Nase lief und er in seiner dicken Tunika und seinem wollenen Leibwärmer noch immer vor Kälte zitterte wie ein durchnäßtes Schaf. Wie bei manch anderen Männern auch, schien ihn jedoch die Macht begehrenswert zu machen.

Für Octavia war die Geschichte mit Livia ein Zeichen, daß das Einvernehmen zwischen ihrem Bruder und Sextus dem Ende zu ging - vorausgesetzt, es hatte je bestanden.

Livia Drusilla war mit Tiberius Claudius Nero, einem Vetter von ihr, verheiratet, einem kriecherischen Versager, der von einer Krise in die nächste stolperte und sich weder durch Mut noch durch Treue auszeichnete. Er hatte Caesar gegen Pompejus unterstützt, sich nach dessen Tod im Senat jedoch für Brutus stark gemacht. Nach den Proskriptionen hatte er sich auf die Seite von Antonius geschlagen, doch als Perusia fiel, war er nach Sizilien geflüchtet und hatte sich mit Sextus verbündet. Nach dem Vertrag von Misenum war er dann zu Octavian übergelaufen. Böse Zungen behaupteten, daß er sich den Namen dessen, dem er gerade anhing, abends auf einer Wachstafel notierte, da er sonst Gefahr liefe, sich nach dem Erwachen nicht mehr daran zu erinnern.

Livia entstammte einer der ältesten römischen Aristokratien. Wenn Octavian es schaffte, sich mit ihr zu vermählen, wäre das ein wichtiger Schritt zur Gewinnung der Republikaner. Octavia hatte auch gehört, daß ihr Bruder Livias Ehemann die Scheidung angeraten, und dieser, in seinem Eifer zu gefallen, darin eingewilligt hatte. Ein gefälliger Mensch, alles was recht war.

»Es wird erzählt, du hättest dir eine Geliebte zugelegt«, sagte sie jetzt.

»Caesars Blut läßt sich wohl nicht verleugnen.«

»Sie ist blutjung und schwanger. So weit ist Caesar nie gegangen. Ist es dein Kind oder das ihres Mannes?«

Das zufriedene Grinsen erlosch auf Octavians Gesicht. »Ich brauche keine Lektion von dir. Das ist meine Angelegenheit.«

»Ich hoffe nur, daß du Antonius nicht ebenso kalt fallenläßt, wie du es bei Scribonia erwägst.«

»Scribonia ist meine Frau, ihr schulde ich nichts. Antonius ist ein ganz anderer Fall. Zudem wünsche ich die Sache nicht weiter zu erörtern.«

Er hatte es mit leichtem Spott gesagt, doch Octavia wußte, er meinte die Scheidung ernst. Sie hoffte nur, daß er nicht annahm, auch sie würde sich ihres Mannes so leicht entledigen, wenn es politisch ratsam wäre. Sie hatte Antonius ins Herz geschlossen, denn er hatte das Zeug, ein großer Mann zu werden - wenngleich nicht unbedingt ein guter.

Die Sänfte schaukelte durch die Straßen des Aventin. Die Schreie der Händler und der Rauch aus den Badehäusern drangen durch die zugezogenen Fenster. Octavia dachte über die Worte ihres Bruders nach. Es war noch nicht entschieden, ob sie den Winter in Rom verbringen würde. Antonius fand, daß die Stadt zu weit von seinen Provinzen entfernt war, und wollte nach Athen.

Nun, wo immer es ihn hinzog, sie würde ihm folgen. Octavia wußte, was über ihren Mann und ihren Bruder geredet wurde, und daß man ihnen Böses unterstellte. Sie hoffte, daß sie sich nie für einen von beiden entscheiden mußte, denn sie waren die einzige Familie, die sie besaß.

In Alexandria

Kleopatra ließ den Blick über die Liste in ihrer Hand wandern. Ab und zu hielt sie inne und erkundigte sich bei ihrem dioiketes über die genaue Bedeutung der einzelnen Posten, wobei sie ihn scharf musterte, um zu sehen, ob er bei einer der Antworten zögerte oder den Blick senkte. Das sorgfältige Prüfen der Zahlen war ein Weg, sich der Ehrlichkeit ihrer Minister zu versichern. Ägypten war zwar reich, doch die menschliche Gier durfte man nicht unterschätzen.

Eine weitere Möglichkeit der Kontrolle war, die Minister sich gegenseitig überwachen zu lassen, denn auf ihren Eifer, den anderen zu entlarven, war größter Verlaß.

Als sie die gewünschten Auskünfte eingeholt hatte, entließ sie ihr Opfer und wandte sich an Mardian. »Nun, was hältst du von seinen Ausführungen?«

»Ihr wart sehr unerbittlich, Majestät.«

»Er ist der dioiketes, er hat sich vor mir zu verantworten.« Auf Kleopatras Tisch stand eine runde Hülse aus Metall. Sie ergriff sie und warf sie Mardian zu.

Er entnahm ihr eine Schriftrolle. Es war eine Botschaft von Apollodoros aus Athen, und Mardian überflog die Zeilen.

Antonius hatte es sich offenbar in Athen bequem gemacht, wo man ihn aufgenommen hatte wie einen verlorenen Sohn. Er war zum Schutzherrn der dortigen Spiele ernannt worden und hatte in seiner Rolle als neuer Dionysos an einem Kultfest zu Ehren der Göttin Pallas Athene teilgenommen.

Er hatte also wieder den Lebensstil aufgenommen, von dem er sich in Alexandria nur so widerwillig getrennt hatte. Ein Gelage folgte dem nächsten, wobei es sich um derart ausschweifende Orgien handelte, daß selbst die Griechen staunten - und das wollte etwas heißen.

»Sie errichten ihm Statuen«, zischte Kleopatra wütend. »Versehen mit Inschriften wie: dem großen und unnachahmlichen Antonius.«

»Groß und unnachahmlich wobei?« spöttelte Mardian und versicherte sich mit einem hastigen Blick, ob Kleopatra die Anspielung unziemlich fand. Wie es schien, war die Königin jedoch eines Sinnes mit ihm.

»Zur Zeit ist ihm Fortuna noch hold«, sagte Kleopatra. »Aber das wird nicht andauern, warte es nur ab. Bald wird er Botschaften nach Alexandria senden und uns ewige Liebe schwören. Ich weiß es genau.«

»Er scheint in der Tat gesegnet zu sein«, stimmte Mardian ihr zu. Gesegnet mit einem ausgezeichneten Feldherrn, dachte er insgeheim.

»Ich sollte mich nicht ärgern«, fuhr Kleopatra fort. »Doch seine Blindheit ist erstaunlich. Vielleicht haben die Griechen recht - vielleicht ist er ein Gott. Seine Schwächen jedenfalls übertreffen die eines gewöhnlichen Menschen bei weitem.«

»Auch seine Unbeschwertheit wirkt auf mich göttlich.«

»Nur daß die Götter sich das Unbeschwertsein leisten können, immerhin sind sie unsterblich.« Kleopatra schüttelte den Kopf.

»Oh, Mardian, was soll ich nur tun?«

Mardian verstand ihre Not. Die richtigere Frage wäre jedoch, was sie tun konnte. Sie ist Ägypten, dachte er. Sie muß sich mit Rom verbinden oder es bezwingen. Bezwingen konnten sie das mächtige Reich aber nicht. Demnach bliebe nur die Verbindung. Und von den beiden Römern, die dazu zur Auswahl standen, war einer ihr größter Feind - und der andere Marcus Antonius.

»Ich habe erfahren, daß Antonius in seinen Provinzen die Statthalter zu Königen kürt«, sagte Mardian. »Herodes ist jetzt König von Judäa und Amyntas König von Galatien. Das hat Antonius im Osten sehr beliebt gemacht.«

»Einem Mann, der Könige ernennen kann, wird es an Freunden nie mangeln, desgleichen aber auch nicht an Feinden.«

»Das Rad des Schicksals dreht sich schnell«, murmelte Mardian vieldeutig.

»Gewiß«, antwortete Kleopatra. »Aber wird es sich auch schnell genug drehen, um Ägypten zu retten?«

9

Auf dem Palatin in Rom

Scribonia, bar jeder Schminke, das Haar wirr um den Kopf, das Gesicht fahl und erschöpft von den Anstrengungen der Geburt, war ein unerfreulicher Anblick. Genaugenommen erinnerte sie Octavian an einen nassen Lappen, den man ausgewrungen und fallen gelassen hatte.

Nun, dachte er, was mußte sie in ihrem Alter auch noch ein Kind gebären? Es geschieht ihr nur recht.

Octavian stellte sich ans Fußende des Bettes und lächelte auf Scribonia hinab. Er genoß es, sie leiden zu sehen.

Ihre Sklavinnen und Dienstbotinnen drängten sich um das Bett. In dem Raum hing ein unangenehmer Geruch, bei dem Octavian befürchtete, daß er von Blut stammte. Eine der Geburtshelferinnen hastete an ihm vorbei und schaffte ein Behältnis aus dem Raum, in dem sich die Nachgeburt befand. Bei Jupiter, welch eine ekelhafte und widerwärtige Angelegenheit!

Scribonia hielt ein kleines Bündel in den Armen. Octavian beugte sich vor und erspähte ein rosafarbenes kleines, runzeliges Gesicht.

»Es ist ein Mädchen«, verkündete ihm eine der Frauen. Na gut, damit wäre das erledigt. »Ich bin hier, um dir zu sagen, daß ich mich scheiden lasse«, sagte Octavian.

In Athen

Octavia folgte dem Lachen über die marmornen Gänge, vorbei an den mannshohen Vasen aus Porphyr, den hohen Säulen, um die sich rote Glyzinien rankten, den kunstvoll geschnittenen Hecken, dem plätschernden Brunnen. Vorbei auch an den Statuen des Dionysos, des Herkules und der Statue von Antonius selbst. Sie eilte durch die Kolonnaden, die den Innenhof umgaben, vorbei an den Gärtnern, die die Beete mit den Rosen hegten. Sie fand Antonius in einem der Räume am hinteren Ende der Säulenhalle, zusammen mit Antonia. Er warf das Kind in die Luft und fing es wieder auf. Das kleine Mädchen quietschte vor Vergnügen.

Octavia genoß den Anblick und lächelte versonnen. Das Kind liebte Antonius abgöttisch, und umgekehrt galt das zweifellos ebenso. Octavia wünschte, alles würde immer so bleiben wie jetzt.

Antonius hielt inne und drehte sich um. Er sah, daß sie ihn beobachtete, und grinste ihr zu.

»Ich wußte nicht, daß du hier bist«, sagte sie. »Sie ist schon wieder größer geworden«, gab Antonius zur Antwort. »Eines Tages sieht sie so aus wie du.«

»Oder wie du, was ich nicht hoffe.«

Er lachte schallend. »Mit dicken Muskeln und einer Knollennase? Ich hoffe nicht. Was sagst du dazu, mein süßes Prinzeßchen?« Er warf die Kleine abermals hoch und fing sie wieder auf. Das Kind juchzte und fuchtelte mit den kleinen Fäusten durch die Luft.

Octavia spürte, wie ihr Herz diesem Mann zuflog. Er konnte so wundervoll sein, wenn er wollte.

»Der Koch möchte wissen, was du zur Abendmahlzeit wünschst«, sagte sie lächelnd.

»Nichts, denn wir sind eingeladen. Quintus Dellius veranstaltet ein Symposium in seinem Haus.«

Octavias Lächeln erlosch. »Ich dachte, wir würden den Abend zu zweit verbringen.« Antonius betrachtete sie entsetzt.

»Vielleicht gehst du besser allein«, sagte sie. »Ich fühle mich nicht wohl.«

»Du wirkst nicht krank auf mich«, erwiderte er. Sie wich seinem Blick aus. »Es ist wahrscheinlich das Kind. Du weißt, daß ich das Essen nicht bei mir behalte, wenn ich schwanger bin.«

Antonius lachte. »Ich behalte das Essen auch nicht bei mir, das hält mich aber von nichts zurück.«

»Nichts hält dich zurück«, entgegnete sie scharf und bereute die Worte im selben Augenblick.

»Hör zu, was willst du eigentlich von mir? Ich habe dich zu allen deinen Freunden begleitet, ja mir sogar noch Dichter und Philosophen angehört, die mich zu Tode gelangweilt haben. Heute abend möchte ich Wein trinken und einmal richtig ausgelassen sein.«

»Ist meine Gesellschaft dir nicht genug?«

»Octavia! Ich bin ein Mann mit rotem Blut in den Adern...«

»Mit rotem Blut?« fiel sie ihm ins Wort. »Ist es nicht eher roter Wein?«

Mit welchen Blicken er sie maß! »Komm mit mir«, bettelte er ungeduldig. »Gönn dir doch auch einmal ein wenig Spaß. Es wird dir guttun.«

»Ich bleibe lieber hier. Du weißt, daß ich mir nichts aus Wein und wirrem Gerede mache.« Sie hatte nicht vorgehabt, zu nörgeln und sich wie eine römische Matrone aufzuführen, doch sie konnte nicht anders. Sie wußte, was er tat, wenn sie nicht bei ihm war. Wenn es allein das Trinken wäre, würde sie es vielleicht besser ertragen.

»Es ist doch nur ein bißchen Abwechslung«, knurrte er verdrossen.

»Ein bißchen Abwechslung? In Rom nennt man das...«

»Es interessiert mich nicht, wie man es in Rom nennt! Ich hasse Rom! Dort ist es im Winter zu kalt und im Sommer zu heiß. Eine Stadt voller Wichtigtuer und Mörder. Warum, glaubst du, will ich hier leben?«

Antonia wand sich inzwischen wie ein Wurm in seinen Armen. Er setzte sie auf den Boden, erhob sich und stürmte aus dem Raum. Das Kind fing an zu weinen.

Octavia nahm ihr Töchterchen auf und versuchte, es zu trösten. Nach kurzer Zeit beruhigte sich das Kind, gluckste wieder fröhlich und nuckelte am Daumen. Octavia stieß einen tiefen Seufzer aus. Wenn sie auch nicht das Aussehen ihres Vaters hat, dachte sie, so doch gewiß sein Naturell.

Das Gelage, das auf das abendliche Mahl folgte, begann mit einem Wetttrinken, bei dem jeder Becher Wein in einem Zug zu leeren war. Als Gastgeber durfte Quintus Dellius bestimmen, wie viele Becher getrunken werden mußten und wie voll sie zu sein hatten.

An diesem Abend hatte er die Zahl auf zwölf Pokale festgesetzt, jeweils bis an den Rand gefüllt. Bei den Trinkern handelte es sich um Antonius, Plancus und Canidius, einen weiteren von Antonius' Offizieren, Sisyphus, den Zwerg, sowie vier Freunde von Antonius aus dem dionysischen Schauspielerbund Athens.

Die Regel besagte, daß jeder Mann seinen Becher austrinken und ihn zum Beweis, daß er geleert war, an seinen Nachbarn weiterreichen mußte. Die Tafelrunde durfte erst verlassen werden, wenn man sein Quantum bewältigt hatte.

»Es heißt, daß Octavian sich von seinem häßlichen Weib scheiden läßt«, sagte Plancus, während Antonius den Pokal ansetzte und ihn in gierigen Zügen leer trank, wobei ihm ein wenig davon auf die Tunika rann.

»Heute abend wird weder über Rom noch über Politik geredet«, befahl Antonius und wischte sich das Kinn mit dem Handrücken ab.

»Wie steht's mit Kleopatra?« erkundigte sich Sisyphus, das Altmännergesicht mit der großen Nase und dem breiten Kinn zu einem Grinsen verzogen, das ihn sowohl komisch wie tückisch wirken ließ. »Er schmachtet nämlich nach ihr«, verkündete er den anderen.

Canidius und Plancus tauschten verstohlene Blicke aus. »Stellt Octavia Euch nicht zufrieden?« fragte Dellius. Antonius wußte nicht recht, was er darauf antworten sollte. Wenn Octavia nicht so verständnisvoll wäre, könnte er sie womöglich ertragen, doch ihre Sanftheit versetzte ihn in Wut. Fulvia war ihm fast noch lieber gewesen als die geduldige und zärtliche Octavia. Sisyphus hatte recht, Kleopatra fehlte ihm. Sie war die Frau, die ihn verstand. Sie war im Bett zwar nicht so wild und entfesselt wie Fulvia, doch wer wollte schon jede Nacht eine Furie bei sich haben? Nein - Kleopatra hatte ihn einfach zu befriedigen gewußt, bei Tag und bei Nacht. Sie hatte ihm nie Vorhaltungen gemacht. Sie genoß seine Gesellschaft, wenn er sich vergnügte, ohne sich selbst hinreißen zu lassen. Sie war die vollkommene Gefährtin für einen Mann wie ihn.

Octavias stille Häuslichkeit hingegen belastete sein Gewissen. Sie verbrachte den Tag mit dem Kind, stattete Freunden Besuche ab, besuchte den Dianatempel, um zu beten, und beaufsichtigte die Dienerschaft. Ab und zu lauschte sie Vorträgen in Athens Platonischer Akademie. Einmal hatte sie den Stoiker Athenodoros zu einem abendlichen Gastmahl eingeladen. Einen Stoiker!

»Ich bin mit Octavia ganz zufrieden«, sagte Antonius nach einer Weile.

»Doch warum nur ein Feld beackern, wenn man auf vielen ernten kann?« prustete Plancus los.

»Auf unseren glorreichen Ackermann, unseren Dionysos«, krähte Sisyphus und leerte seinen Pokal.

Antonius griff nach dem nächsten Pokal, hob ihn hoch und verkündete: »Auf den Nil und seine reiche Ernte.«

»Auf den Osten und seine Wunder!« grölte Sisyphus, und alle stimmten johlend ein.

Dellius schaute noch einmal verstohlen zu Plancus. Er wußte, daß sie beide dasselbe dachten. Witze reißen, gut und schön, doch hoffentlich vergaß Antonius nicht, daß er Römer war und die ägyptische Ernte Rom zustand und sonst niemandem.

10

Die Höhle war mit grünen Zweigen geschmückt, an den Wänden hingen Tierhäute, und auf dem Boden standen Tamburine bereit. Dionysos saß auf seinem Thron und trank aus seinem Juwelenbecher. Sein Zwerg wartete ihm auf. Über der Schulter des Gottes lag ein Löwenfell, auf seinen Muskeln prangte ein frisch tätowiertes Efeublatt. Er trug eine Efeukrone und hielt einen efeubewachsenen Stab in der Hand, mit einem Tannenzapfen an der Spitze.

Der Neuling wurde hereingeführt. Es war ein junges Mädchen. Die Tamburine und Flöten wurden schneller, die Tänze der Eingeweihten enthemmter. Sie näherten sich bereits dem enthousiasmos, der ersten Phase der Ekstase. Ein flötenspielender Satyr zog hüpfend seine Kreise um das Mädchen. Eine der Priesterinnen trat vor den Thron und badete die Füße des Gottes in Wein.

Eine Ziege wurde in die Höhle gezerrt, sie bockte vor Angst, bis man ihr geschickt und schnell die Klinge über den Hals zog. Anschließend wurde ihr ein Stück Fleisch aus dem Leib geschnitten, das man dem Mädchen zum Verzehr hinhielt. Mit blutbeschmiertem Mund wurde es danach vor den Thron geschleift und auf die Knie gezwungen.

Eine Frau mit Dreizack und Peitsche näherte sich ihr. Das Mädchen zog die Tunika hoch, die Frau holte aus und ließ die Peitsche niederknallen. Bei jedem Knall vollführte der Satyr einen Luftsprung. Nackte Mänaden wanden sich in verzückten Drehungen.

Je schneller die Peitsche wurde, um so wilder bewegten sich die Tanzenden. Die Körper waren schweißgebadet. Das Mädchen fiel vornüber, und die Peitsche verstummte. Der Satyr half dem Mädchen hoch. Er schleppte es zum Altar, wo ein Bärtiger, als Frau verkleidet und geschminkt, ihr ein kupfernes Gefäß reichte, das mit Wasser gefüllt war. Der Kopf des Mädchens wurde heruntergedrückt, damit es sein Spiegelbild sah. Der Satyr flüsterte ihm etwas ins Ohr.

Das Mädchen rang nach Luft und stürzte aus der Höhle.

In Alexandria

»Danach, Majestät«, sagte Mardian, »überließ man sich ganz der Zügellosigkeit.«

Kleopatra schwieg und brütete vor sich hin.

Dionysos war der Schutzherr des königlichen Hauses von Ägypten, sein Name wurde mit der gleichen Ehrfurcht angerufen wie der von Osiris. Ptolemaios IV. hatte ein Efeublatt auf dem Körper tätowiert gehabt, um sich als Anhänger des Gottes auszuweisen. Ihr Vater, als neuer Dionysos, verstand seine Rolle als Schirmherr der Künste. Nach der Legende war Dionysos, wie viele der alten Götter, von seinen Feinden ermordet und zerstückelt begraben worden. Zeus hatte ihn wieder zum Leben erweckt, ihn unsterblich gemacht und ihn als Wohltäter unter die Menschen geschickt. In Ägypten war die Anbetung des Dionysos eng verkettet mit der des Osiris.

Doch anders als Osiris besaß Dionysos eine Doppelnatur, seine geschlechtlichen Vorlieben waren nicht eindeutig. Da ihn der Mythos jedoch mit weiblichem Gefolge versah, besaß er vor allem unter den Frauen eine große Anhängerschaft und glich in diesem Punkt der Göttin Isis. Ausgeübt in reiner Form, suchte der Kult des Dionysos die Begegnung mit dem Gott durch Ekstase, nach der man mit rauschhaftem Trinken und Tanzen strebte. In früheren Zeiten gipfelten die Riten in einer Zeremonie auf einem Berg, wo sich die Anbeter ihren Gott in Form von wilden Ziegen einverleibten, die sie roh verschlangen und deren Blut sie tranken.

Die strengen, sittsamen Römer, die solche Exzesse abstießen, hatten den Kult verboten. Das hatte dazu geführt, daß er etlichen Völkern, die unter Rom litten, zum Ausdruck des Widerstands geworden war.

Und nun huldigte Antonius diesem Gott in aller Öffentlichkeit, ob als politische Herausforderung an Rom oder aus ureigenem Glauben.

»Was hat dein Spion sonst noch über dieses Fest herausgefunden, bei dem Antonius als Gott auftrat?« fragte Kleopatra.

»Nun, erst einmal hat er sich selbst in den Kult einweihen lassen«, berichtete Mardian. »Als Voraussetzung dafür durfte er tagelang nicht schlafen, mußte fasten und trank nur Wasser. Dadurch, so erklärte man ihm, reinigte er sich von den Sünden des irdischen Daseins und erschlösse sich den Weg zu einem guten Leben nach dem Tod. Für das Ritual wurde er als Frau verkleidet und denselben Peinigungen ausgesetzt, wie ich sie soeben schilderte. Danach erhielt er die Efeukrone und überließ sich sowohl dem Genuß des Weines als auch den Vergnügungen des Körpers. Die Erfahrung ist nach seinen Worten einmalig. Es war, wie er schreibt, als verließe man den Körper und bekäme einen Vorgeschmack auf die Ewigkeit.«

Kleopatra spürte, wie ihr ein Schauer über den Rücken lief. War es das, was ihr Vater gesucht hatte, in den endlosen Orgien der Trunkenheit, die mit den ursprünglichen Riten nichts mehr gemein hatten? Sie konnte sich des Verdachts nicht erwehren, daß ihm mehr am Vergessen gelegen hatte als an der Ewigkeit. »Und was flüstert der Satyr dem Neuling ins Ohr, wenn er sich im Wasser sieht?«

»>Ich sehe, wie der Gott mich sieht<. Das behauptet jedenfalls mein Spion.«

»Ich sehe, wie der Gott mich sieht«, wiederholte Kleopatra nachdenklich. Eine gefährliche Spiegelung! Sie fragte sich, ob dies Teil der alten Riten war oder ob der unnachahmliche Marcus Antonius sich das selbst ausgedacht hatte. Er schien sich der Lust und dem Exzeß nun mit Haut und Haaren verschrieben zu haben - eine schmale Gratwanderung zwischen der Welt und dem Wahnsinn. Es würde schwer sein, ihn in die Wirklichkeit zurückzuholen. »Und welche Rolle spielt Octavia dabei?«

»Sie hört ja nur die Geschichten. Was soll sie also tun? Sie verbringt viel Zeit bei den Philosophen der Akademie.«

»Das leuchtet ein. Mit Antonius verheiratet zu sein erfordert ein hohes Maß an philosophischer Stärke. Ich danke dir, Mardian.«

Nachdem er sie verlassen hatte, stand Kleopatra lange Zeit am Fenster und schaute über die Halbinsel Lochias hinaus auf das Meer. Dahinter lagen sie auf der Lauer - der eine ein Göttersohn, der andere Dionysos höchstselbst. Beiden fehlte zur Vervollkommnung nur noch Ägypten. Ich bin gespannt, dachte sie, wer mich als erster besuchen kommt. Antonius, mit frisch tätowiertem Efeu und Bacchantenstab, oder Octavian, mit dem Schwert voraus, auf der Jagd nach Caesars Sohn.

Ich werde wieder einmal warten. Wahrscheinlich ist es Antonius. Der Große. Der Unnachahmliche.

11

DER MONAT MARTIUS NACH DEM RÖMISCHEN KALENDER IM JAHRE 37 VOR CHRISTI GEBURT

In Athen

Der Papyrus war gerollt, mit Kordel versehen und mit Wachs versiegelt worden. Es hatte achtundzwanzig Tage gedauert, bis er den Weg von Rom nach Athen zurückgelegt hatte. Antonius öffnete ihn und überflog den Text. Dann nahm er das Papier und schleuderte es Octavia in den Schoß. »Sieh dir das an -schon wieder bittet er mich um Hilfe.«

Octavia studierte die Zeilen mit Sorgfalt. Wie es schien, war Octavian glücklos, was seinen Krieg gegen Sextus betraf. In seinem Schreiben bat er den Freund und Triumvir um Hilfe und Nachschub an Schiffen.

»Ich bin ihm im letzten Jahr in Brindisi schon zu Hilfe geeilt«, fluchte Antonius. »Da hatte er es noch nicht einmal für nötig befunden, selbst in Erscheinung zu treten. Auf seinen Wunsch hin habe ich dort einen ganzen Sommer vertan. Was für ein Spielchen hat er sich nun wieder ausgedacht?«

Octavia reichte ihm den Brief zurück. »Du kannst das nicht ignorieren. Rom ist immer noch dein Land.«

»Wenn ich ihm helfe, geht abermals ein Sommer verloren, in dem ich mich auf den Kampf gegen Parthien vorbereiten sollte.«

»Mein Bruder wird dich nicht erneut verärgern wollen, seine Worte sind ernst gemeint. Du weißt, daß er als Stratege nichts taugt. Selbst wenn er hochmütig klingt, bedarf er deiner Hilfe.«

»Und warum sollte ich sie ihm gewähren?«

»Wäre dir Sextus Pompejus lieber als Herrscher von Rom?«

Antonius stieß einen Seufzer aus. »Nun gut. Dies eine Mal noch. Danach widme ich mich meinen eigenen Plänen.«

»Du darfst ihn nicht im Stich lassen.«

»Ich tue es für dich«, entgegnete er.

In gewisser Hinsicht stimmte das sogar. Ein Mann sollte seine Frau zufriedenstellen, jedenfalls im Rahmen des Möglichen. Abgesehen davon wußte Antonius aber auch, daß er Octavian nicht verärgern konnte, solange er eine Armee aus Italien brauchte. Er vermutete, daß der kleine Mistkerl das genau wußte.

Tarent in Italien

Es war ein früher Aprilmorgen. Die Sonne überzog die Berge der Basilicata mit einem rosigen Hauch, und die Menschen eilten zu den Fischmärkten. Eine riesige graue Welle schob sich den Felsen entgegen. Im Hafen lag ein Schiff neben dem anderen, ein unübersichtliches Mastenheer, das sich hob und senkte. Die Soldaten und Seeleute aus Antonius' Flotte drängten in die Stadt.

Weiter draußen im Meer stapfte Antonius an Deck seines Flaggschiffes auf und ab, eingehüllt in seinen roten Mantel, umgeben von den Offizieren seines Stabs, »Er taucht nicht auf«, brüllte er aufgebracht und wedelte Octavia mit dem Brief vor der Nase herum.

Götter, sie sieht blaß aus, ging es ihm plötzlich durch den Kopf. Das Kind hat ihren Bauch anschwellen lassen, und die Überfahrt hat sie noch elender gemacht. Seit Tagen hat sie keine Nahrung bei sich behalten. »Er braucht deine Hilfe«, beschwor sie ihn, »aber er hat seinen Stolz«, setzte sie leise hinzu.

»Und ich habe meinen, Octavia«, begehrte Antonius auf. Er hatte wertvolle Zeit vergeudet und war erneut auf Octavians Mißachtung gestoßen. Doch welchen Zweck hatte es, ihr zu grollen? Sie konnte nichts dafür.

Antonia hatte zu weinen begonnen. Antonius nahm das Kind hoch und warf es in die Luft, bis es wieder lachte.

»Ich werde ihm schreiben«, sagte Octavia. »Laß mich die Sache zwischen euch beiden regeln.«

»Die Sache regeln«, knurrte Antonius. Als ob sie das könnte! Er starrte sie an. Arme Octavia, ihre Lage war so unschön wie seine. Vielleicht sollte er ihr eine Chance geben. Er mochte sie gern - auf seine Weise. Und einen Bruch des Abkommens wollte er ebensowenig wie sie. Er mußte die Sache mit Sextus erledigen, um anschließend ungehindert nach Parthien ziehen zu können. Seine Zukunft lag im Osten, Italien interessierte ihn nicht mehr. Octavian sollte damit glücklich werden. Solange jedenfalls, wie er ihm die Armee überließ.

»Dann schreibe ihm«, gab Antonius nach. »Ich werde warten. Vielleicht läßt sich dieses Debakel ja noch retten.«

Sie warteten zwei Monate, in denen die Kuriere zwischen Rom und Tarent kreuzten. Aus dem Frühling wurde Sommer, die Tage wurden heißer, der Ozean blau und glatt. Ich sollte in Parthien sein und Krieg führen, dachte Antonius, anstatt hier weintrinkend und wütend in einem stinkenden Hafen zu sitzen. Das Bübchen treibt es zu weit.

Ein warmer Windhauch ließ die Türklappe des Zeltes flattern. Antonius schleuderte wütende Blicke über den Tisch, verbiß. sich jedoch jeden Kommentar. Da saß er also. Octavian, der Wurm, mürrisch und schniefend. Den holden Maecenas an seiner Seite und diesen Holzkopf, Agrippa. Octavian hatte dem Trottel den Oberbefehl über die Flotte erteilt. Lediglich ein paar kleine Scharmützel am Rhein hatte der Bursche gewonnen, und schon glaubte er, er sei Admiral.

Was Antonius am meisten aufbrachte, waren die Geschichten, die Octavian über ihn und Kleopatra verbreitet hatte. Dieser elende Heuchler! Nach allem, was er gehört hatte, waren Octavian und seine Spießgesellen selbst nicht abgeneigt, wenn es um Huren und Würfelspiel ging. Der junge Caesar hatte angeblich eine Vorliebe für Jungfrauen entwickelt, die ihm der liebe Maecenas mit beträchtlichem Kostenaufwand besorgte.

Obwohl - wenn man ihn sah, wollte man es nicht glauben. Mitten im Hochsommer trug Octavian zwei Tuniken übereinander, nieste und schneuzte sich die Nase. Ein Wunder, daß er so lange am Leben geblieben war. Andere wurden bei seinem Anblick schon krank - die Haut dünn wie Pergament und Zähne, die wie moosige Felsen aus Sumpfgewässern ragten.

»Du siehst gut aus«, sagte Antonius. Octavian überlief ein Schauer, als ob ihn fröstele. In einem Jahr, dachte Antonius, wird Italien meine Sache sein.

»Ich habe mich ein wenig verkühlt«, erwiderte Octavian. »So etwas wird man nur schwer wieder los. Dazu kommt, daß mir die Füße schmerzen. Ich hätte Rom nicht verlassen dürfen, doch Octavia hat mich ja angefleht zu kommen.«

Diese kleine Ratte. »Ich hätte Athen nicht verlassen dürfen«, wiederholte Antonius und warf Octavians Brief auf den Tisch. »Doch du hast mir das hier geschrieben.«

Octavian betrachtete das Schriftstück so pikiert, als sei es etwas, das der andere hervorgehustet hatte. »Es war ein Irrtum.«

»Einer, der mich den größten Teil des Sommers gekostet hat.«

»Inzwischen habe ich mich entschieden, selbst mit Sextus abzurechnen.«

Antonius hatte gute Lust, den anderen vom Stuhl zu zerren und grün und blau zu schlagen. Dieser schniefende, anmaßende Wurm. »Und warum«, polterte er los, »hast du mir diesen Wisch hier geschrieben?«

Auf diese Weise ging es noch eine Weile hin und her. Maecenas und Agrippa flüsterten Octavian ihre Ratschläge ins Ohr, während der junge Caesar in seinen Tuniken fror und so tat, als sei sein Brief ohne Bedeutung und Antonius' Gegenwart lästig. Doch schließlich wurde ein weiteres Abkommen unterschrieben. Antonius würde hundertzwanzig der mitgebrachten Schiffe bei Octavian lassen - er brauchte sie ohnehin nicht, doch das wußte Octavian nicht - im Tausch gegen zwanzigtausend gallische Legionäre, die ihm nach Parthien folgen würden. Das Triumvirat wurde um weitere fünf Jahre verlängert, und als Zeichen des Vertrauens versprach Octavian, seine Tochter Julia, die nun zwei Jahre alt war, mit Antyllus zu vermählen, Antonius' Sohn aus der Ehe mit Fulvia, der gegenwärtig neun Jahre zählte.

Leicht war Antonius die Einwilligung nicht gefallen. Während der Verhandlungen hatte Canidius ihm in einem vertraulichen Gespräch geraten, sich besser mit Sextus zu verbünden. Sextus, so hatte er argumentiert, hatte Antonius' Mutter Schutz gewährt, als diese darum bat. Er würde die Seeherrschaft im italischen Teil des Mittelmeers beizutragen haben. Doch Antonius entschied sich schließlich doch für die Truppen, den Frieden und das Triumvirat in der bestehenden Form. Sein Blick war auf den Osten gerichtet, mit Rom und den damit verbundenen Problemen wollte er nichts zu tun haben.

Zudem, dachte er im stillen, bekomme ich das von allein, wenn mir erst Parthien gehört.