37806.fb2 Die Perle (German Edition) - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 3

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Es waren zehn Meilen über die Lagune bis zur anderen Seite des Rings aus Sand. Hier töteten die zum Spielball der Wellen gewordene Baumstämme, Balken, Wracks von Kuttern und Trümmer von Häusern neun von zehn der jämmerlichen Gestalten, die die Durchquerung der Lagune überlebt hatten. Halb ertrunken und erschöpft wurden sie in diesen wahnwitzigen Mörser der Elemente geschleudert und zu formlosen Fleischklumpen zermalmt. Aber Mapuhi hatte Glück. Seine Chancen standen Eins zu Zehn; durch eine Laune des Schicksals war ihm das Glückslos zugefallen. Aus einer Reihe von Wunden blutende schleppte er sich ans Ufer.

Ngakuras linker Arm war gebrochen. Die Finger ihrer rechten Hand waren zerschmettert und Wange und Stirn klafften auf bis zum Knochen. Mapuhi umklammerte einen Baum, der noch stand, hielt das Mädchen fest und rang schluchzend nach Luft, während die Wasser der Lagune knietief, manchmal sogar hüfttief vorbeirauschten.

Um drei Uhr morgens war die Hauptgewalt des Hurrikans gebrochen. Um fünf Uhr blies nur noch eine steife Brise. Und um Sechs war es totenstill und die Sonne schien. Der Seegang hatte nachgelassen. Am immer noch unruhigen Rand der Lagune sah Mapuhi die zerschmetterten Körper derer, denen die Landung missglückt war. Zweifellos waren Tefara und Nauri unter ihnen. Er ging den Strand entlang und untersuchte die Körper, bis er seine Frau entdeckte, die halb im, halb aus dem Wasser lag. Er setzte sich hin und weinte mit rauen Tierlauten, wie es die Art der urtümlichen Trauer ist. Dann regte sie sich benommen und stöhnte. Er sah genauer hin. Sie war nicht nur am Leben, sie war unverletzt. Sie schlief lediglich. Sie hatte auch das Glück des einen unter Zehn gehabt.

Von den Zwölfhundert, die in der Nacht zuvor noch gelebt hatten, blieben nur Dreihundert übrig. Der mormonische Missionar und ein Gendarm führten eine Zählung durch. Die Lagune war mit Leichen übersät. Kein Haus und keine Hütte stand mehr. Auf dem ganzen Atoll waren keine zwei Steine aufeinander geblieben. Jede fünfzigste Kokospalmen stand noch, und auch diese waren Wracks, an denen keine einzige Nuss mehr hing.

Es gab kein frisches Wasser. Die flachen Quellen, in denen sich das durch die Oberfläche sickernde Regenwasser sammelte, waren voller Salz. Aus der Lagune wurden ein paar wenige durchweichte Säcke Mehl geborgen. Die Überlebenden schnitten die Herzen aus den umgestürzten Kokospalmen und aßen sie. Hier und da verkrochen sie sich in winzigen Unterschlupfen, die sie in den Sand gruben und mit Resten von Blechdächern abdeckten. Der Missionar fertigte eine primitive Destille an, aber er konnte nicht genug Wasser für dreihundert Menschen destillieren. Am Ende des zweiten Tages entdeckte Raoul bei einem Bad in der Lagune, dass das seinen Durst ein wenig stillte. Er schrie die Neuigkeit hinaus und bald danach konnte man dreihundert Männer, Frauen und Kinder bis zum Hals in der Lagune stehend bei dem Versuch sehen, Wasser durch ihre Haut zu trinken. Ihre Toten trieben um sie herum und sie traten auf die, die immer noch auf dem Grund lagen. Am dritten Tag begruben die Leute ihre Toten und ließen sich nieder, um auf die Rettungsdampfer zu warten.

In der Zwischenzeit war Nauri, ihrer Familie durch den Hurrikan entrissen, in ihr eigenes Abenteuer davon gespült worden. Sie klammerte sich an eine raue Planke, die sie verletzte und aufschürfte und ihren Körper mit Splittern durchbohrte, und mitsamt dieser Planke wurde sie glatt über das Atoll hinaus auf die offene See getragen. Hier, unter dem unvorstellbaren Ansturm von Bergen von Wasser, verlor sie ihre Planke. Sie war eine alte Frau und ging an die Sechzig; aber sie stammte von den Paumotus und hatte ihr ganzes Leben in Sichtweite des Ozeans verbracht. Während sie durch die Dunkelheit schwamm, würgend, halb erstickt und nach Luft ringend, prallte eine Kokosnuss mit heftigem Schlag gegen ihre Schulter. In diesem Augenblick fasste sie ihren Plan und griff nach der Nuss. Innerhalb der nächsten Stunde fing sie noch sieben weitere ein. Zusammengebunden bildeten sie einen Rettungsring, der sie am Leben erhielt, während er sie gleichzeitig zu Klump zu schlagen drohte. Sie war eine fettleibige Frau und zog sich leicht Verletzungen zu; aber sie hatte Erfahrung mit Hurrikans und während sie zu ihrem Haigott betete, sie vor Haien zu beschützen, wartete sie darauf, dass der Wind endlich nachließ. Aber um drei Uhr war sie in einen derartigen Dämmerzustand verfallen, dass sie nichts davon merkte. Und auch als um sechs Uhr Totenstille eintrat, merkte sie nichts. Sie wurde unsanft in die Gegenwart zurück gerissen, als eine Welle sie auf den Strand warf. Sie krallte sich mit wunden, blutenden Händen und Füßen fest und stemmte sich gegen den Rücksog, bis sie aus der Reichweite der Brandung heraus war.

Sie wusste, wo sie war. Dieses Stück Land konnte nur die winzige Insel Takokota sein. Sie besaß keine Lagune. Niemand lebte dort.

Hikueru war fünfzehn Meilen entfernt. Sie konnte Hikueru nicht sehen, aber sie wusste, dass es im Süden lag. Die Tage verstrichen und sie lebte von den Kokosnüssen, die sie über Wasser gehalten hatten. Sie versorgten sie mit Trinkwasser und Nahrung. Aber sie trank weder soviel, wie sie wollte, noch aß sie soviel. Rettung war fraglich. Sie sah die Rauchfahnen der Hilfsdampfer am Horizont, aber welcher Dampfer würde schon zu dem einsamen, unbewohnten Takokota kommen?

Vom ersten Augenblick an wurde sie von den Leichen verfolgt. Das Meer versuchte hartnäckig immer wieder, sie auf ihr Stückchen Sand zu werfen, und sie blieb, bis ihr die Kräfte schwanden, hartnäckig dabei, sie wieder ins Meer zurück zu werfen, wo die Haie sie zerrissen und verschlangen. Als sie nicht mehr konnte, begannen die Leichen ihren Strand mit ihrem grausigem Schrecken zu überziehen und sie zog sich so weit wie möglich von ihnen zurück, was nicht weit war.

Am zehnten Tag war ihre letzte Kokosnuss aufgebraucht und sie vertrocknete vor Durst. Sie schleppte sich auf der Suche nach Kokosnüssen den Strand entlang. Es war seltsam, dass so viele Leichen antrieben und keine einzige Nuss. Es mussten doch mehr Kokosnüsse herumschwimmen als tote Menschen! Schließlich gab sie auf und blieb erschöpft liegen. Das Ende war da. Es blieb ihr nichts mehr, als auf den Tod zu warten.

Als sie aus ihrem Dämmerzustand wieder auftauchte, wurde sie sich nach und nach bewusst, dass sie ein Büschel rotblonden Haares auf dem Kopf einer Leiche anstarrte. Das Meer warf den Körper auf sie zu, zog ihn wieder zurück. Er rollte herum und sie sah, dass er kein Gesicht mehr hatte. Und dennoch kam ihr an diesem Büschel rotblonden Haares etwas bekannt vor. Eine Stunde verging. Sie strengte sich nicht besonders an, die Leiche zu identifizieren. Sie wartete auf den Tod, und es war ihr ziemlich gleichgültig, welcher Mann dieses entsetzliche Ding einmal gewesen war. Aber nach Ablauf einer Stunde setzte sie sich langsam auf und starrte den Leichnam an. Eine ungewöhnlich hohe Welle hatte ihn soweit an Land geworfen, dass die kleineren ihn nicht mehr erreichen konnten. Ja, sie hatte recht; dieses Büschel rotblonden Haares konnte nur einem Menschen in den Paumotus gehören. Es war Levy, der deutsche Jude, der Mann, der die Perle gekauft und auf der Hira mit sich fortgenommen hatte. Nun, eines war offensichtlich: Die Hira war gesunken. Der Gott der Fischer und Diebe des Perlenaufkäufers hatte ihn im Stich gelassen.

Sie kroch hinab zu dem toten Mann. Sein Hemd war fortgerissen worden und sie konnte den ledernen Geldgürtel um seine Taille sehen. Sie hielt den Atem an und zerrte an den Schnallen. Sie gaben leichter nach, als sie erwartet hatte und sie kroch hastig über den Sand fort, den Gürtel hinter sich her schleifend. Tasche nach Tasche öffnete sie die Verschlüsse des Gürtels und fand sie leer. Wo konnte er sie hingetan haben? In der allerletzten Tasche entdeckte sie sie, die erste und einzige Perle, die er auf dieser Reise gekauft hatte. Sie kroch noch ein paar Meter weiter weg, um dem Pestgestank des Gürtels zu entkommen und untersuchte die Perle. Es war die, die Mapuhi gefunden und die ihn Toriki geraubt hatte. Sie wog sie in der Hand und rollte sie zärtlich hin und her. Aber sie sah nicht die ihr innewohnende Schönheit. Was sie sah, war das Haus, das Mapuhi und Tefara und sie so sorgfältig im Geiste gebaut hatten. Jedesmal, wenn sie die Perle ansah, sah sie das Haus in allen Details vor sich, einschließlich der achteckigen Pendeluhr an der Wand. Das war etwas, wofür es sich zu leben lohnte.

Sie riss einen Streifen aus ihrem Ahu und knotete sich die Perle sicher um den Hals. Dann ging sie den Strand entlang, stöhnend und keuchend, aber fest entschlossen, Kokosnüsse zu finden. Bald hatte sie eine entdeckt, und als sie sich umsah, eine zweite. Sie brach eine davon auf, trank die Milch, die schimmlig schmeckte und aß das Fleisch bis zum letzten Brocken. Ein wenig später fand sie einen zertrümmerten Einbaum. Der Ausleger war verschwunden, aber ihre Hoffnung wuchs und bevor der Tag vorüber war, hatte sie auch den Ausleger gefunden. Jeder Fund war eine Verheißung. Die Perle ein Talisman. Spät am Nachmittag sah sie eine Holzkiste, die tief im Wasser schwamm. Als sie sie an Land zerrte, klapperte der Inhalt und drinnen fand sie zehn Büchsen Lachs. Sie öffnete eine davon, indem sie damit auf das Kanu einhämmerte. Als ein Loch entstand, trank sie den Saft. Danach verbrachte sie mehrere Stunden damit, den Lachs herauszuholen, indem sie Stück für Stück heraushämmerte und –quetschte.

Noch acht Tage länger wartete sie auf Rettung. In der Zwischenzeit befestigte sie den Ausleger wieder am Kanu, wobei sie zum Verzurren alle Kokosfasern verwendete, die sie finden konnte, und auch die verbliebenen Reste ihres Ahu. Das Kanu hatte große Risse und sie konnte es nicht wasserdicht bekommen; aber sie verstaute eine aus der Schale einer Kokosnuss gemachte Kalebasse als Schöpfer an Bord. Das Paddel war ein Problem. Mit einem Stück Blech sägte sie sich die Haare dicht über der Kopfhaut ab. Aus den Haaren flocht sie eine Schnur; und mittels dieser Schnur verzurrte sie ein einen Meter langes Stück Besenstiel mit einem Brett von der Lachskiste.

Mit den Zähnen nagte sie sich Keile zurecht und mit diesen Keilen spannte sie die Verzurrung fest.

Am achtzehnten Tag, um Mitternacht, brachte sie das Kanu durch die Brandung zu Wasser und machte sich auf den Rückweg nach Hikueru. Sie war eine alte Frau. Die durchlittene Mühsal hatte ihren Körper allen Fetts beraubt, bis kaum mehr als Haut und Knochen und ein paar Muskelstränge übrig blieben. Das Kanu war groß und hätte von drei starken Männern gepaddelt werden sollen.

Aber sie tat es allein, mit einem improvisierten Paddel. Außerdem leckte das Kanu stark, und ein Drittel ihrer Zeit musste sie darauf verwenden, es auszuschöpfen. Bei hellem Tageslicht hielt sie vergebens Ausschau nach Hikueru. Hinter ihr war Takokota hinter dem Horizont verschwunden. Die Sonne brannte auf ihre Nacktheit hernieder und raubte ihren Körper das letzte Quäntchen Feuchtigkeit. Zwei Dosen Lachs waren noch übrig und im Laufe des Tages schlug sie Löcher hinein und saugte die Flüssigkeit heraus. Sie konnte keine Zeit darauf vergeuden, das Fleisch herauszuholen. Eine Strömung setzte nach Westen, und sie trieb westwärts ab, unabhängig davon, wie weit sie südwärts vorankam.

Am frühen Nachmittag, aufrecht im Kanu stehend, sichtete sie Hukueru. Seine Fülle an Kokospalmen war verschwunden. Nur hie und da, in weiten Abständen, konnte sie die zerfetzten Überbleibsel eines Baumes sehen. Der Anblick weckte ihre Lebensgeister. Sie war näher, als sie geglaubt hatte. Die Strömung versetzte sie nach Westen. Sie stemmte sich dagegen und paddelte weiter. Die Keile in der Verzurrung des Paddels lockerten sich und sie verlor in regelmäßigen Abständen viel Zeit damit, sie wieder fest zu schlagen. Und dann das Schöpfen. Eine Stunde von drei musste sie das Paddeln einstellen, um zu schöpfen. Und die ganze Zeit driftete sie weiter nach Westen.

Bei Sonnenuntergang lag Hikueru südöstlich von ihr, drei Meilen entfernt. Es war Vollmond und um Acht lag das Land genau im Osten und war zwei Meilen entfernt. Sie kämpfte noch eine Stunde lang weiter, aber das Land blieb so weit weg wie vorher. Die Strömung hatte sie jetzt fest in ihrem Griff; das Kanu war zu groß, das Paddel unzulänglich, zu viel Zeit und Kraft verschwendete sie mit Schöpfen. Außerdem war sie sehr schwach und wurde immer schwächer. Trotz aller Anstrengungen wurde ihr Kanu nach Westen abgetrieben.

Sie schickte ein Gebet zu ihrem Hai-Gott, ließ sich über die Bordwand gleiten und fing an, zu schwimmen. Tatsächlich erfrischte sie das Wasser und sie ließ das Kanu schnell hinter sich. Nach Ablauf einer Stunde war sie dem Land merklich näher gekommen. Dann kam die Angst. Genau vor ihren Augen, keine sieben Meter entfernt, durchschnitt eine große Finne das Wasser. Als sie gleichmäßig darauf zu schwamm, glitt sie langsam davon, kurvte nach rechts und umrundete sie. Ohne die Finne aus den Augen zu lassen schwamm sie weiter. Wenn die Finne untertauchte, legte sie sich mit dem Gesicht nach unten aufs Wasser und hielt Ausschau. Wenn die Finne wieder auftauchte, schwamm sie weiter. Das Monster hatte es nicht eilig – soviel konnte sie erkennen. Ohne Zweifel war es seit dem Hurrikan gut genährt. Wäre es sehr hungrig gewesen, hätte es nicht gezögert, sie anzugreifen. Der Hai war fünf Meter lang und sie wusste, dass er sie mit einem einzigen Biss in zwei Hälften zerteilen konnte.

Aber sie konnte ihre Zeit nicht mit ihm verschwenden. Ob sie vorwärts schwamm oder nicht, die Strömung zog sie immer weiter vom Land weg. Eine halbe Stunde verstrich und der Hai wurde dreister. Da er keine Gefahr in ihr sah, kam er in immer enger werdenden Kreisen näher und betrachtete sie im Vorbeigleiten mit unverfrorenem Blick. Früher oder später, das war ihr klar, würde er genügend Mut gesammelt haben, um sie anzugreifen. Sie entschloss sich, nicht darauf zu warten. Es war eine Verzweiflungstat, die sie da plante. Sie war eine alte Frau, einsam im Ozean und erschöpft von Hunger und Mühsal. Und dennoch musste sie im Angesicht dieses Tigers der See seinen Angriff vorwegnehmen, indem sie ihn selbst angriff. Sie schwamm weiter und wartete auf ihre Chance. Endlich glitt er träge vorbei, kaum mehr als zwei Meter entfernt. Unvermittelt ging sie auf ihn los und tat so, als wollte sie ihn angreifen. Er schlug wild mit dem Schwanz und schoss davon. Seine sandpapierartige Haut erwischte sie und schürfte ihr die Haut vom Ellbogen bis zur Schulter ab. Er schwamm schnell in einem größer werdenden Kreis und verschwand schließlich.

In einem Loch im Sand, gedeckt mit Resten von Blechdächern, lagen Mapuhi und Tefara und stritten sich.

»Wenn du getan hättest, was ich dir gesagt habe,« warf ihm Tefara zum tausendsten Mal vor, »und die Perle versteckt und keinem was davon gesagt hättest, dann hättest du sie noch.«

»Aber Huru-Huru war dabei, als ich die Muschel geöffnet habe – habe ich dir das nicht schon tausend und abertausend Mal gesagt?«

»Und nun werden wir kein Haus haben. Raoul hat mir heute gesagt, wenn du die Perle nicht an Toriki verkauft hättest –«

»Ich habe sie nicht verkauft. Toriki hat mich beraubt.«

»– wenn du die Perle nicht verkauft hättest, würde er dir fünftausend französische Dollar geben, und das sind zehntausend Chile-Dollar.«

»Er hat mit seiner Mutter gesprochen,« erklärte Mapuhi. »Sie hat einen Blick für Perlen.«

»Und jetzt ist die Perle verloren,« beklagte sich Tefara.

»Ich habe meine Schulden bei Toriki damit bezahlt. Also habe ich immerhin zwölfhundert verdient.«

»Toriki ist tot,« jammerte sie. »Sein Schoner ist spurlos verschwunden. Er ist zusammen mit der Aorai und der Hira untergegangen. Wird dir Toriki die versprochenen Dreihundert in Waren bezahlen? Nein, denn Toriki ist tot. Und wenn du keine Perle gefunden hättest, würdest du heute Toriki die Zwölfhundert schulden? Nein, denn Toriki ist tot und tote Männer kann man nicht bezahlen.«

»Aber Levy hat Toriki nicht bezahlt,« sagte Mapuhi. »Er hat ihm ein Stück Papier gegeben, das in Papeete gut für Geld war. Und jetzt ist Levy tot und kann nicht bezahlen. Und Toriki ist tot und das Papier ist mit ihm verloren und die Perle ist mit Levy untergegangen. Du hast recht, Tefara. Ich habe die Perle verloren und nichts dafür erhalten. Jetzt lass uns schlafen.«

Plötzlich hob er die Hand und lauschte. Von draußen kam ein Laut wie von schwerem und gequältem Atmen. Eine Hand tastete nach der Matte, die als Tür diente.

»Wer ist da?« rief Mapuhi.

»Nauri,« lautete die Antwort. »Kannst du mir sagen, wo mein Sohn ist? Mapuhi?«

Tefara schrie auf und packte Mapuhis Arm.

»Ein Geist!« sagte sie mit klappernden Zähnen. »Ein Geist!«

Mapuhis Gesicht hatte sich zu einem ungesunden Gelb verfärbt. Er klammerte sich schwach an seine Frau.

»Gute Frau,« sagte er stammelnd, bemüht, seine Stimme zu verstellen, »ich kenne deinen Sohn gut. Er wohnt auf der Ostseite der Lagune.«

Von draußen kam ein seufzender Laut. Mapuhi fühlte sich beschwingt. Er hatte den Geist genarrt.

»Aber woher kommst du denn, alte Frau?« fragte er.

»Aus dem Meer,« kam die niedergeschlagene Antwort.

»Ich wusste es, ich wusste es!« kreischte Tefara und wiegte sich vor und zurück.

»Seit wann schläft Tefara in einem fremden Haus?« klang Nauris Stimme durch die Matte.

Mapuhi blickte voller Furcht und Vorwurf auf seine Frau. Ihre Stimme hatte sie verraten.

»Und seit wann verleugnet Mapuhi, mein Sohn, seine alte Mutter?« fuhr die Stimme fort.

»Nein, nein, ich habe dich nicht – Mapuhi hat dich nicht verleugnet,« stieß er hervor. »Ich bin nicht Mapuhi. Ich sage doch, dass er am Ostende der Lagune ist.«

Ngakura setzte sich im Bett auf und begann zu weinen. Die Matte bewegte sich.

»Was tust du da?« wollte Mapuhi wissen.

»Ich komme rein,« sagte Nauris Stimme.