37860.fb2 Drei Kameraden - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 10

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X

Der Ford stand fertig in der Werkstatt. Neue Arbeit war nicht hereingekommen. Wir mußten etwas unternehmen. Köster und ich gingen auf eine Auktion. Wir wollten ein Taxi kaufen, das dort versteigert wurde. Taxis waren immer ziemlich gut weiterzuverkaufen.

Das Versteigerungslokal war in einem Hinterhaus im Norden der Stadt. Außer dem Taxi wurde noch ein Haufen anderer Dinge verauktioniert. Ein Teil der Sachen stand auf dem Hof. Betten, wackelige Tische, ein vergoldeter Käfig mit einem Papagei, der»Grüß Gott, Liebling!«rief, eine Standuhr, Bücher, Schränke, ein alter Frack, Küchenstühle, Geschirr – das ganze Elend zerbröckelnden, untergehenden Daseins.

Es war noch zu früh, als wir ankamen; der Auktionator war noch nicht da.

Ich kramte zwischen den ausgestellten Sachen umher und sah mir ein paar von den Büchern an – zerlesene billige Exemplare griechischer und lateinischer Klassiker mit vielen handschriftlichen Notizen am Rande. Auf den verschossenen, zerblätterten Seiten standen nicht mehr die Verse von Horaz und die Lieder Anakreons – auf ihnen stand nur noch der Schrei der Not und der Hilflosigkeit eines verlorenen Lebens. Wer diese Bücher besessen hatte, dem waren sie Zuflucht gewesen, und er hatte sie behalten bis zuletzt, und wer sie hergegeben hatte, hierher, der war am Ende.

Köster blickte mir über die Schulter.»Traurig, so was, wie?«Ich nickte und zeigte auf die anderen Sachen.»Das auch, Otto. Zum Spaß werden Küchenstühle und Kleiderschränke nicht hierhergebracht.«

Wir gingen zu dem Wagen, der in der Ecke des Hofes stand. Die Lackierung war abgewetzt und verbraucht, aber der Wagen war sauber, auch unter den Kotflügeln. Ein untersetzter Mann mit herabhängenden, breiten Händen stand in der Nähe und schaute uns stumpf an.

»Hast du die Maschine untersucht?«fragte ich Köster.

»Gestern«, sagte er.»Ziemlich ausgeleiert, aber tadellos gepflegt.«

Ich nickte.»Sieht auch so aus. Der Wagen ist heute morgen noch gewaschen worden, Otto. Das hat der Auktionsfritze sicher nicht getan.«

Köster schüttelte den Kopf und sah zu dem untersetzten Mann hinüber.»Es wird der Besitzer sein. Er stand gestern auch hier und putzte den Wagen.«

»Verdammt«, sagte ich,»der Mann sieht aus wie ein überfahrener Hund.«

Ein junger Mann kam quer über den Hof auf den Wagen zu. Er trug einen Mantel mit einem Gürtel und war unangenehm forsch.»Das ist ja wohl der Schlitten«, sagte er halb zu uns, halb zu dem Mann, und klopfte mit seinem Spazierstock auf die Kühlerhaube. Ich sah, wie es in den Augen des Mannes zuckte.»Macht nichts, macht nichts«, wehrte der Gürtelmann großzügig ab,»der Lack ist sowieso keine fünf Groschen mehr wert. Ehrwürdige Klamotte. Müßte eigentlich ins Museum, was?«Er lachte mächtig über seinen Witz und sah uns beifallsfreudig an. Wir lachten nicht mit. Er wandte sich an den Besitzer.

»Was wollen Sie denn für den Großvater haben?«

Der Mann schluckte und schwieg.»Alteisenwert, was?«meckerte der Jüngling in strahlender Laune und drehte sich wieder zu uns herüber.»Die Herren haben auch Interesse?«

Mit gesenkter Stimme:»Könnten Kippe vereinbaren. Wagen für Appel und Ei einsteigern und Profit teilen. Wozu den Leuten da unnötig Geld in den Hals schmeißen! Übrigens Guido Thieß von der Augeka.«

Er wirbelte seinen Bambusstock und zwinkerte uns vertraulich überlegen zu. Für diesen fünfundzwanzigjährigen Wurm gibt's keine Geheimnisse, dachte ich ärgerlich, weil mir der schweigsame Mann neben dem Wagen leid tat, und sagte:»Sie müßten anders als Thieß heißen.«

»Nanu«, meinte er geschmeichelt. Er war scheinbar Komplimente für seine Tüchtigkeit gewöhnt.

»Jawohl«, fuhr ich fort,»Rotznase müßten Sie heißen. Guido Rotznase!«

Er prallte zurück.»Nu ja«, meinte er schließlich,»zwei gegen einen…«

»Wenn's das ist«, sagte ich,»ich geh' mit Ihnen auch allein, wohin Sie wollen.«

»Danke«, erwiderte Guido frostig,»danke wirklich!«und zog sich zurück.

Der untersetzte Mann mit dem verstörten Gesicht stand da, als ginge ihn alles nichts an, und starrte auf den Wagen.

»Wir sollten ihn nicht kaufen, Otto«, sagte ich.

»Dann kauft ihn dein Gürteltier Guido«, erwiderte Köster.»Wir können dem Mann nicht helfen.«

»Stimmt«, sagte ich.»Aber trotzdem – es hängt was dran.«

»Wo hängt heute nichts dran, Robby? Glaube mir: für den Mann drüben ist es sogar besser, daß wir hier sind. Er kriegt so vielleicht ein bißchen mehr für den Wagen. Aber ich verspreche dir: wenn das Gürteltier nicht bietet, tu ich's auch nicht.«

Der Auktionator kam. Er war eilig, er hatte anscheinend viel zu tun. Jeden Tag gab es ja Dutzende von Auktionen. Mit runden Gesten begann er den armseligen Kram zu versteigern. Er hatte den gußeisernen Humor und die Sachlichkeit eines Mannes, der täglich mit dem Elend zu tun hat, ohne selbst davon berührt zu werden.

Die Sachen gingen für Pfennige weg. Ein paar Händler kauften das meiste. Sie hoben nur nachlässig einen Finger, wenn der Auktionator einen Blick zu ihnen hinüberwarf, oder schüttelten den Kopf. Aber dem Blick des Auktionators folgten manchmal ein Paar andere Augen – aus einem verhärmten Frauengesicht, Augen, die zu den Fingern der Händler aufsahen wie zu einem Gebot Gottes -, voll Hoffnung und Angst. Auf das Taxi boten drei Leute – als erster Guido – dreihundert Mark. Ein Schandgebot. Der untersetzte Mann war herangekommen. Er bewegte lautlos die Lippen. Es sah aus, als wolle er mitbieten. Aber die Hand sank herab. Er trat zurück.

Das nächste Gebot war vierhundert Mark. Guido ging auf vierhundertfünfzig. Es entstand eine Pause. Der Auktionator bot herum -»keiner mehr – zum ersten – zum zweiten…«

Der Mann am Taxi stand mit aufgerissenen Augen und gesenktem Kopf da, als erwarte er einen Schlag ins Genick.

»Tausend«, sagte Köster. Ich sah ihn an.»Ist ja drei wert«, murmelte er.»Kann nicht sehen, wie der da abgeschlachtet wird.«

Guido machte uns verzweifelte Zeichen. Er hatte die Rotznase vergessen, als es ums Geschäft ging.»Elfhundert«, meckerte er und klapperte uns mit beiden Augenlidern zu.

Hätte er am Hintern noch eins gehabt, er hätte auch mit dem geklappert.

»Fünfzehnhundert«, sagte Köster.

Der Auktionator geriet in Schwung. Er tanzte mit seinem Hammer umher wie ein Kapellmeister. Das waren andere Zahlen als zwei Mark, zwei Mark fünfzig vorhin.

»Fünfzehnhundertzehn«, erklärte Guido schwitzend.

»Achtzehnhundert«, sagte Köster.

Guido deutete an seine Stirn und gab es auf. Der Auktionator hopste. Ich dachte plötzlich an Pat.»Achtzehnhundertfünfzig«, sagte ich, ohne es recht zu wollen.

Köster drehte erstaunt den Kopf.»Die fünfzig tu ich dazu«, sagte ich rasch.»Es ist für irgendwas – zur Vorsicht.«

Er nickte.

Der Auktionator schlug uns den Wagen zu. Köster bezahlte sofort.

»So was!«sagte Guido, der es sich doch nicht verkneifen konnte und herangekommen war, als wäre nichts gewesen.»Für tausend Mark hätten wir die Kiste haben können. Den Dritten hätten wir sofort 'rausgeblufft.«

»Grüß Gott, Liebling«, schrie eine blecherne Stimme hinter ihm.

Es war der Papagei, der in seinem goldenen Käfig jetzt drankam.

»Rotznase«, fügte ich hinzu. Guido verschwand achselzuckend.

Ich ging zu dem Mann, dem der Wagen gehörte. Eine blasse Frau stand jetzt bei ihm.»Ja…«sagte ich.»Weiß schon…«, erwiderte er.

»Hätten es lieber nicht gemacht«, sagte ich.»Aber Sie hätten nur weniger gekriegt.«

Er nickte und arbeitete an seinen Händen herum.»Der Wagen ist gut«, sagte er plötzlich rasch, sich überstürzend,»der Wagen ist gut, er ist das Geld wert, ganz bestimmt, Sie haben ihn nicht überzahlt, es lag nicht an dem Wagen, ganz gewiß nicht, es ist – es war…«

»Weiß schon«, sagte ich.

»Von dem Geld kriegen wir nichts«, sagte die Frau.»Geht alles wieder weg.«-»Wird schon wieder werden, Mutter«, sagte der Mann.»Wird schon wieder werden.«

Die Frau erwiderte nichts.»Beim Schalten kratzt er vom ersten auf den zweiten Gang«, sagte der Mann,»aber das ist kein Defekt. Er hat's schon gemacht, als er neu war.«Er stand da, als rede er von einem Kinde.»Drei Jahre haben wir ihn schon, und nie war was dran. Es ist nur – erst war ich krank und dann hat mich einer 'reingelegt – ein Freund…«

»Ein Lump«, sagte die Frau mit hartem Gesicht.»Laß man, Mutter«, sagte der Mann und sah sie an,»ich komme schon wieder hoch. Nicht, Mutter?«

Die Frau antwortete nicht. Der Mann war naß vor Schweiß.»Geben Sie mir Ihre Adresse«, sagte Köster,»vielleicht brauchen wir mal jemand zum Fahren.«

Der Mann schrieb eifrig mit seinen schweren, ehrlichen Händen. Ich sah Köster an; wir wußten beide, daß es ein Wunder sein müßte, wenn es was würde. Und Wunder gab's nicht mehr. Höchstens nach unten.

Der Mann redete und redete, wie im Fieber. Die Auktion war aus. Wir standen allein auf dem Hof. Er gab uns Ratschläge für den Winter mit dem Anlasser. Er faßte den Wagen immer wieder an. Dann wurde er still.»Nun komm, Albert«, sagte die Frau.

Wir gaben ihm die Hand, Sie gingen. Wir warteten, bis sie weg waren. Dann ließen wir den Wagen an.

Unter der Durchfahrt sahen wir eine kleine alte Frau. Sie trug den Papageienkäfig in den Armen und wehrte sich gegen ein paar Kinder. Köster hielt an.»Wo wollen Sie hin?«fragte er sie.

»Du liebe Zeit, ich habe kein Geld für Droschkefahren«, erwiderte sie.

»Brauchen Sie auch nicht«, sagte Otto.»Ich habe Geburtstag und fahre heute umsonst.«

Mißtrauisch hielt sie den Käfig fest.»Nachher kostet's doch was.«

Wir beruhigten sie, und sie stieg ein.

»Wozu haben Sie denn den Papagei gekauft, Mutter?«fragte ich, als sie ausstieg.

»Für abends«, sagte sie.»Glauben Sie, daß das Futter teuer ist?«

»Nein«, sagte ich,»aber wieso für abends?«

»Er kann doch sprechen«, erwiderte sie und sah mich mit ihren hellen alten Augen an.»Dann ist doch einer da, der redet.«

»Ach so…«, sagte ich.

Nachmittags kam der Bäckermeister, um seinen Ford abzuholen. Er sah grau und verbittert aus. Ich war allein auf dem Hof.»Gefällt Ihnen die Farbe?«fragte ich.

»Ja, schon«, sagte er und sah den Wagen unschlüssig an.

»Das Verdeck ist sehr schön geworden.«

»Gewiß…«

Er stand herum und schien sich nicht entschließen zu können, abzufahren. Ich erwartete, daß er noch irgendwas umsonst einzuhandeln versuchen würde, einen Wagenheber, einen Aschenbecher oder etwas Ähnliches.

Aber es kam anders. Er schnaufte eine Weile herum, sah mich dann aus seinen rotgeäderten Augen an und sagte:»Wenn man so denkt – da hat sie nun vor ein paar Wochen noch gesund und munter drin gesessen…«

Ich war etwas erstaunt, ihn so plötzlich weich zu sehen, und vermutete, daß ihm das flinke schwarze Luder, das er zuletzt bei sich gehabt hatte, bereits auf die Nerven ging. Ärger macht ja die Leute leichter sentimental als Liebe.

»War eine gute Frau«, fuhr er fort,»eine Seele von Frau. Nie verlangte sie was. Zehn Jahre lang hat sie denselben Mantel getragen. Blusen und so was schneiderte sie sich alles selbst. Und das Haus machte sie ganz allein – ohne Mädchen.«

Aha, dachte ich, das machte die Neue wahrscheinlich alles nicht. Der Bäcker begann sich auszusprechen. Er erzählte mir, wie sparsam die Frau gewesen sei. Es war merkwürdig, wie gerührt die Erinnerung an gespartes Geld diesen versoffenen Kegelbruder machte. Nicht einmal richtig fotografieren hätte sie sich lassen, es sei ihr zu teuer gewesen. So hätte er nur ein Bild von der Hochzeit und ein paar kleine Momentaufnahmen von ihr.

Das brachte mich auf einen Gedanken.»Sie sollten sich ein schönes Bild von Ihrer Frau malen lassen«, sagte ich.»Dann haben Sie für immer was. Fotografien verbleichen mit der Zeit. Es gibt hier einen Künstler, der das macht.«

Ich erklärte ihm Ferdinand Graus Tätigkeit. Er wurde sofort mißtrauisch und meinte, das sei wohl sehr teuer. Ich beruhigte ihn – wenn ich mitginge, bekäme er einen Sonderpreis. Er versuchte, sich zu drücken. Aber ich ließ ihn nicht los und erklärte, wenn er so an der Frau hinge, dürfe ihm das nicht zuviel sein. Schließlich war er bereit. Ich rief Ferdinand Grau an und sagte ihm Bescheid. Dann fuhr ich mit dem Bäckermeister los, um die Fotografien der Frau abzuholen.

Die schwarze Person stürzte uns aus dem Laden entgegen. Sie umkreiste den Ford.»Rot wäre schöner gewesen, Puppi!

Aber du mußtest natürlich deinen Kopf durchsetzen.«

»Nu laß mal«, sagte Puppi verdrossen.

Wir gingen in die gute Stube hinauf. Die Schwarze folgte uns. Ihre flinken Augen waren überall. Der Bäcker wurde nervös. Er wollte vor ihren Augen die Fotografien nicht suchen.»Laß uns mal allein«, sagte er schließlich grob.

Herausfordernd mit den Brüsten unter dem straff gezogenen Jumper wippend, drehte sie sich heraus. Der Bäcker holte aus einem grünen Plüschalbum ein paar Bilder hervor und zeigte sie mir. Die Frau als Braut, er daneben mit hochgewichstem Schnurrbart, da lachte sie noch – dann ein anderes, auf dem sie schmal, verarbeitet, mit ängstlichen Augen auf der Kante eines Stuhles saß. Nur zwei kleine Bilder – aber ein ganzes Leben.»Das geht«, sagte ich.»Danach kann er alles machen.«

Ferdinand Grau empfing uns in einem Gehrock. Er sah würdig und feierlich aus. Das gehörte zu seinem Geschäft. Er wußte, daß vielen Trauernden der Respekt vor ihrem Schmerz wichtiger war als der Schmerz selbst.

An den Wänden des Ateliers hingen einige stattliche Ölporträts in goldenen Rahmen; darunter die kleinen dazugehörigen Fotografien. Jeder Kunde konnte dadurch sofort sehen, was selbst aus einer verwischten Momentaufnahme zu machen war. Ferdinand führte den Bäckermeister herum und fragte ihn, welche Art ihm am besten gefiele. Der Bäcker fragte zurück, ob die Preise sich nach der Größe richteten. Ferdinand erklärte, es ginge nicht nach dem Quadratmeter, sondern nach der Ausführung. Darauf gefiel dem Bäcker das größte am besten.

»Sie haben einen guten Geschmack«, lobte Ferdinand,»das Bild ist ein Porträt der Prinzessin Borghese. Es kostet achthundert Mark. Mit Rahmen.«

Der Bäcker zuckte zusammen.»Und ohne Rahmen?«

»Siebenhundertzwanzig.«Der Bäcker bot vierhundert Mark.

Ferdinand schüttelte den Löwenschädel.»Für vierhundert Mark können Sie höchstens ein Kopfbild im Profil haben. Aber nicht ein Kniestück en face. Das ist doppelte Arbeit.«Der Bäcker meinte, ein Kopfbild im Profil genüge. Ferdinand machte ihn darauf aufmerksam, daß beide Fotos von vorn aufgenommen seien. Danach könne selbst Tizian kein Profilbild malen. Der Bäcker schwitzte; man sah ihm die Verzweiflung darüber an, damals beim Fotografieren nicht umsichtig genug gewesen zu sein. Er mußte zugeben, daß Ferdinand recht hatte – en face mußte er ein halbes Gesicht mehr malen als im Profil. Der höhere Preis war gerechtfertigt. Er schwankte mächtig. Ferdinand war bis dahin ziemlich zugeknöpft gewesen; jetzt begann er zu überreden. Sein mächtiger Baß rollte gedämpft durchs Atelier. Als Fachmann mußte ich sagen, daß er ein tadelloses Stück Arbeit leistete. Der Bäcker war auch bald reif – besonders, als Ferdinand ihm die Wirkung eines so pompösen Bildes auf übelwollende Nachbarn ausmalte.

»Gut«, sagte er,»aber zehn Prozent Rabatt bei Barzahlung.«

»Einverstanden«, erwiderte Ferdinand,»zehn Prozent Rabatt, und als Anzahlung für meine Auslagen, Farben und Leinwand, dreihundert Mark.«

Sie redeten noch eine Zeitlang hin und her, dann wurden sie einig und besprachen die Ausführung. Der Bäcker wollte eine Perlenkette und eine goldene Brosche mit Diamanten extra dazu gemalt haben. Sie waren auf den Fotos nicht zu sehen.

»Selbstverständlich«, erklärte Ferdinand,»der Schmuck Ihrer Gattin wird mitgemalt. Am besten ist, Sie bringen ihn mir einmal für eine Stunde her, damit er möglichst naturgetreu wird.«

Der Bäcker wurde rot.»Ich habe ihn nicht mehr da. Er ist – ich habe ihn bei Verwandten.«»Ach so. Na, dann geht es auch so. Sah die Brosche ähnlich aus wie die auf dem Bilde drüben?«

Der Bäcker nickte.»Nicht ganz so groß.«

»Schön. Dann werden wir sie so machen. Die Kette brauchen wir ohnehin nicht. Perlen sehen ja alle ähnlich aus.«Der Bäcker atmete auf.»Und wann ist das Bild fertig?«»In sechs Wochen.«»Gut.«Der Bäcker verabschiedete sich.

Ferdinand und ich saßen noch eine Weile allein im Atelier.

»Sechs Wochen brauchst du dazu?«fragte ich.

»Ach wo. Vier, fünf Tage; das kann ich dem aber doch nicht sagen, sonst rechnet er aus, was ich pro Stunde verdiene, und fühlt sich betrogen. Bei sechs Wochen ist er zufrieden. Ebenso wie bei der Prinzessin Borghese. Das ist die menschliche Natur, lieber Robby. Würde ich ihm sagen, es sei ein Nähmädchen, so wäre ihm sein Bild weniger wert. Es ist übrigens das sechstemal, daß verstorbene Frauen den gleichen Schmuck gehabt haben wie drüben auf dem Bild. So spielt der Zufall. Ein fabelhaft anregendes Reklamestück, das Porträt der guten Luise Wolff.«

Ich sah mich um. Von den Wänden starrten aus unbeweglichen Gesichtern Augen herab, die längst im Grabe moderten. Es waren Bilder, die von den Angehörigen nicht abgenommen oder nicht bezahlt worden waren. Alles Menschen, die einmal gehofft und geatmet hatten.»Macht dich das hier nicht allmählich melancholisch, Ferdinand?«

Er zuckte die Achseln.»Nein, höchstens zynisch. Melancholisch wird man, wenn man über das Leben nachdenkt – zynisch, wenn man sieht, wie die meisten damit fertig werden.«

»Na, bei manchen geht's doch auch tiefer…«

»Gewiß. Aber die lassen keine Bilder malen.«

Er stand auf.»Ist auch ganz gut so, Robby, daß sie immer noch ihren wichtigen Kleinkram haben, der sie hält und schützt. Alleinsein – richtig Alleinsein, ohne jede Illusion -, das kommt kurz vor Wahnsinn und Selbstmord.«

Der große kahle Raum schwamm im halben Dämmerlicht. Nebenan hörte man leise Schritte hin und her gehen. Es war die Haushälterin. Sie ließ sich nie sehen, wenn einer von uns da war. Sie haßte uns, weil sie glaubte, wir hetzten Grau gegen sie auf.

Ich ging. Unten kam der Schwall und Lärm der Straße mir wie ein warmes Bad entgegen.