38227.fb2 Geheimnis der Magd - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 38

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XXXVI

Der Garten der Margarethe Gänslein blühte zu dieser Jahreszeit herrlich. Zwar standen die Rosen noch nicht in voller Pracht, aber dafür gediehen zahllose Frühjahrsblumen, sich in alle Richtungen windende grüne Zweige und üppiges Buschwerk in solchem Maße, dass man, vom Zaun aus gesehen, glauben musste, man betrete eine verwunschene, aber durchaus freundliche Höhle.

Aufgrund dieses wilden Bewuchses war selbst der Herrin des Gartens von außen nicht aufgefallen, dass innerhalb ihres grünen Refugiums wieder einmal eine Überraschung auf sie wartete. Und dieses Mal nicht etwa allein ein versteckter Brief – nein, ein ganzer Karren voller Güter stand dort neben der Laube und war lediglich mit einigen belaubten Zweigen bedeckt.

»Was ist das?«, entfuhr es Margarethe, nachdem sie sich soeben von ihrem Begleiter Gugelmann verabschiedet hatte.

Götz Gugelmann – er hatte im gleichen Moment sein Pferd bestiegen und wollte den Rückweg zum Wirtshaus antreten – schaute sich fragend nach der Frau um, die sich tatsächlich erlaubt hatte, ihn für seine Hilfeleistung bezahlen zu wollen. Noch immer war er ein wenig enttäuscht, ja, beleidigt über Margarethes Blindheit gegenüber der Tatsache, dass es sich bei ihm – zumindest in diesem Falle – um einen Ehrenmann handelte, der einer in Not geratenen Dame natürlich unentgeltlich zur Seite stand.

»Was ist Euch, gute Frau?«, rief er ihr über den Zaun hinweg zu, ohne sie jedoch zwischen dem vielen Grün ausmachen zu können.

»Was ist das?«, wiederholte diese nur, und obwohl Gugelmann sich nicht sicher war, ob er diese Aussage als Einladung werten sollte, stieg er von seinem Pferd und bahnte sich den Weg durch Blätter und Schlingpflanzen hin zu der schönen Witwe, die, ohne auf ihn zu achten, damit beschäftigt war, die Ladung eines Karrens zu begutachten, der inmitten ihres Gartens stand.

»Ein Weinfass, Krüge mit Öl und Säcke voller Gewürze«, richtete Margarethe nun wie selbstverständlich das Wort an den Medicus, der seinerseits zu dem Karren ging, um ihn in Augenschein zu nehmen.

»Wollt Ihr ein Fest in Eurem Rosengarten veranstalten, werte Frau Händlerin?«, fragte Gugelmann und erntete anstatt eines Lächelns nur einen bösen Blick.

»Das ist ein weiteres Komplott«, stieß diese bloß hervor und rauschte an dem erstaunten Wundarzt vorbei. Gugelmann folgte ihr kopfschüttelnd und blickte ihr kurz hinterher, als sie zu Fuß dem Pfad in Richtung Stadtmauer entgegensteuerte. Dann nahm er beide Pferde am Zügel und ging seinerseits langsam zurück zu dem größeren Weg, von dem sie gekommen waren.

»Weiber sind und bleiben ein Rätsel, Gugelmann. Lass dir das endlich gesagt sein«, murmelte er vor sich hin, als er an einer Gabelung stehengeblieben war, um zu überlegen, ob er nach Hameln reiten oder besser doch zurückkehren sollte zu Knecht und Wagen. Er hatte sich soeben für Letzteres entschieden, als er mit einem Mal drei bewaffnete Büttel auf sich zukommen sah.

»Na, die haben mir noch gefehlt.«

»Der Knochenbrecher Gugelmann«, rief einer von Weitem, ein lustiger Bursche, dem der fahrende Arzt einst einen gebrochenen Arm geschient hatte. »Was treibt Euch so früh am Morgen an den Rand der Stadt?«

Gugelmann lachte laut auf und klopfte dem Burschen auf die Schulter. Er war erleichtert, ein bekanntes Gesicht unter den Bütteln erkannt zu haben, denn nicht immer gingen diese Wächter von Ruhe und Ordnung sanft mit Vertretern der fahrenden Zünfte um.

»Was macht der Arm? Lässt er sich bewegen wie eh und je?«, fragte er, geschickt der Frage des anderen ausweichend.

»Keine Schmerzen, keine Schwierigkeiten. Ich bin wieder der beste Armbrustschütze unter den Männern des Vogts. Besser noch als früher!«

»Schwätz kein dummes Zeug, Hein«, fuhr ihm nun einer der anderen beiden, ein schwerer, gedrungener Rotschopf, über den Mund.

»Was treibst du hier, Quacksalber?«, wiederholte dieser die Frage seines Kameraden, jedoch in wenig freundlicher Manier.

»Meine Pferde sind mir entlaufen. Der Knecht hat einmal wieder zu viel gesoffen und sie nicht fest genug angebunden. Verprügeln werd ich ihn, wenn ich ihn zwischen die Finger bekomme.«

Der rote Büttel brummte nur, dann fragte er: »Hast du jemanden gesehen? Zigeuner vielleicht oder anderes Diebsgesindel? Uns wurde gemeldet, dass sich am frühen Morgen Leute in den Gärten der Reichen zu schaffen gemacht haben.«

Gugelmann war ein Meister der Täuschung, und auch dieses Mal hoffte er, sich nichts anmerken zu lassen, als er log: »Ja, da sind mir vier seltsame Burschen entgegengekommen. Ich habe sie in der Eile nicht weiter in Augenschein genommen. War nur froh, dass sie meine entlaufenen Pferde nicht vor mir entdeckt hatten. Das war dort drüben, in Richtung Nobiskrug.«

Er zeigte in die Richtung, welche entgegengesetzt zu Margarethe Gänsleins Garten lag, doch leider ging seine Rechnung nicht auf, denn nun brummte der Rote:

»Hein und Johann, ihr lauft zum Nobiskrug und haltet Ausschau nach dem Pack. Ich werde sehen, was sie in den Gärten angerichtet haben.«

Gugelmann nickte zustimmend. Innerlich dachte er jedoch, dass es nun doch besser wäre, wenn er eiligst den Weg nach Hameln und nicht den zu Knecht und Wagen wählte.

»Ich werde dir später alles erklären, Mechthild. Sei bitte unbesorgt, ich bin wohlauf. Mir geht es gut.«

Margarethes Stimme klang ungehalten. Sie war ganz und gar nicht in der Stimmung, ihrer Base über ihr nächtliches Fortbleiben Rechenschaft abzulegen.

»Hilf mir lieber, aus diesem Kleid herauszukommen«, wandte sie sich an die mit sorgenvoller Miene in ihrem Schlafgemach stehende Mechthild.

»Du bist ganz verschmutzt, Margarethe. Sag mir doch bitte, was geschehen ist. Gab es etwa einen Überfall?«

»So ähnlich. Oh, könntest du mich bitte dort hinten am Rücken kratzen, liebe Mechthild? Bitte, es ist kaum mehr zu ertragen«, bat Margarethe die Base nun aus einem dringenden Bedürfnis heraus, aber auch, um sie von weiteren, bohrenden Fragen abzubringen.

»Wenn das keine Flohbisse sind, Gretchen. Wo hast du gelegen?«

»Wir mussten die Nacht in einem Gasthaus verbringen.«

»Aber wo sind die Magd und der gute Bennheim abgeblieben?«, fragte Mechthild weiter, ihre Base mit beiden Händen am entblößten Rücken kratzend.

»Sie werden bald nachkommen. Weiter unten, Hilde, weiter unten. Ja, genau dort. Ich sollte heute Abend unbedingt ein Bad nehmen.«

»Du machst mir das Leben schwerer als mein umtriebiger Sohn, Grete. Und das will schon etwas heißen.«

»Ich weiß doch, und ich werde dir alles erklären. Das verspreche ich dir.« Margarethe fing nun ihrerseits an, in ihren Armbeugen zu kratzen. Sie hoffte inständig, dass es allein Flöhe waren, die hinter diesen Juckattacken steckten, und dass nicht etwa ein Teil von Hasenstocks lepraartigem Ausschlag auf sie übergegangen war.

»Herrin!« Es war die Stimme des Küchenburschen, der nun in der offenen Türe stand und freudig auf das Szenario starrte, welches die beiden Witwen dem jungen Kerl darboten.

»Was erlaubt er sich?«, herrschte Mechthild den frechen Knaben an und bedeckte rasch den nackten Rücken ihrer Base mit einem Laken.

Margarethe hingegen wandte sich um und fragte: »Was will er?«

»Da ist jemand, der Euch dringend sprechen will. Es handelt sich um den Bader Gugelmann.«

»Gugelmann?«, fragte Mechthild erstaunt.

»Hat er es sich anders überlegt und möchte nun doch entlohnt werden?«, murmelte Margarethe vor sich hin, gab dem Jungen einen Wink, dass er zu verschwinden habe, und beeilte sich dann, in ein neues Kleid zu schlüpfen.

»Gugelmann?«, wiederholte die Base erneut.

»Ja, Gugelmann«, sagte Margarethe und warf noch einen kurzen Blick in den Spiegel, bevor sie nach unten ging.

Er stand in der als Gewürzlager dienenden Diele und hielt fast schüchtern seine bunte Mütze in beiden Händen, dieser sonst so dreiste, laute Mensch.

»Wollt Ihr Geld?«, fragte Margarethe noch von der Treppe aus.

Er blickte ihr wortlos entgegen und wartete, bis sie vor ihm stand, dann schüttelte er den Kopf und sagte: »Können wir ungestört reden?«

Nur wenige Augenblicke später saß Margarethe an ihrem Schreibpult und tauchte rasch immer wieder die lange, weiße Feder in ein Tintenfass. Mechthild wurde fast schwindelig beim Hinsehen, so schnell konnte Margarethe schreiben. Und nicht nur das – sie war gleichzeitig in der Lage, ihrer Base Anweisungen zu geben.

»Ich werde für einige Tage verschwinden müssen, Mechthild. Es ist ein Komplott gegen mich geschmiedet worden, das mich ins Blumenloch bringt, wenn ich bleibe. Erzähle in der Stadt, ich sei auf Fernreise, und gib das hier an Bennheim weiter, wenn er irgendwann am heutigen Tage wieder auftaucht. Es geht um die anstehenden Geschäfte, insbesondere um die Lieferung an den Herzog.«

Damit reichte sie zwei voll beschriebene Briefbögen an die verdutzte Mechthild und begann sogleich einen weiteren Brief zu schreiben, während sie ohne Unterbrechung fortfuhr zu reden:

»Dieses Schreiben ist für Hasenstock. Bitte lies es dir sorgfältig durch, bevor du es zu ihm bringst. Du musst es ihm persönlich überreichen.«

»Ich?« Das war alles, was Mechthild hervorbrachte.

»Der Bote muss ein Mensch sein, dem ich voll und ganz vertraue, liebe Hilde. Und wer anders sollte das sein als du? Bitte beeile dich und bringe es ihm noch heute. Leider habe ich keine Zeit mehr, dir zur erklären, warum ich ihm derartige Zeilen schreibe. Bitte erschrick nicht, wenn du sie liest.«

Nun reichte sie auch das dritte Blatt Papier über den Tisch an die Base weiter und erhob sich. Mechthild stand noch immer, einer griechischen Statue gleich, da, die Briefe in der Hand, und starrte auf den nun leeren Platz, an dem soeben noch ihre Base gesessen hatte.

»Ich muss nun gehen«, flüsterte Margarethe ihr von hinten ins Ohr und drückte ihr dann einen dicken Kuss auf die Wange. »Gib auf dich acht und hab vielen Dank.«

»Aber Gretchen, bitte erkläre mir doch …«, stammelte Mechthild schließlich. Doch im gleichen Moment vernahm sie nur noch die festen Schritte Margarethes, welche durch die nahe Halle in Richtung Hinterausgang eilte, und die verstummten, nachdem die dortige Türe ins Schloss gefallen war.

Werter Hasenstock,

gewiss ist es für Euch von Interesse zu erfahren, dass Euer Handelsgut, dessen Ihr in der gestrigen Nacht beraubt worden seid, gut sortiert und fein verpackt in meinem Rosengarten an der Südseite der Stadtmauer zu finden ist. Natürlich ist es durchaus möglich, dass Ihr über diesen Umstand bereits informiert seid, aber dennoch empfand ich es als meine Pflicht, Euch darüber in Kenntnis zu setzten, bevor sich Dritte der kostbaren Güter bemächtigen.

Nach unseren erhellenden Gesprächen der letzten Stunden und der Gewalt der Historie, auf die wir beide nicht ohne Kummer zurückblicken, sehe nun auch ich ein, dass es an der Zeit ist, einen gemeinsamen Weg zu beschreiten. Ich werde Euch nicht bitten zu schweigen, werter Herr Ratsherr, dann jedoch dürft Ihr Selbiges auch nicht von mir erwarten. In Anbetracht der Potenz unserer beider Möglichkeiten wäre es allerdings ein Hohn, würden wir uns gegenseitig zerfleischen wollen. Darin, so glaube ich, sind wir uns einig.

Dringende geschäftliche Angelegenheiten zwingen mich, für einige Tage die Stadt zu verlassen, um mich mit Kaufleuten meiner Handelsgesellschaft in Lübeck zu treffen. Sicherlich ist Euch zu Ohren gekommen, dass die Bewegungen der Türken sich ungünstig auf die Gewürzpreise auswirken. Dagegen gilt es eine gemeinsame Lösung zu finden. Sobald ich aus dem Norden zurückgekehrt bin, werde ich gerne auf Euer Angebot eingehen, mich als Gast in Eurem Hause zu empfangen.

Bis dahin wäre ich Euch sehr verbunden, wenn Ihr unseren gemeinsamen Zukunftsplanungen wohlgesinnt entgegenseht. Ich weiß nun, an welch schrecklicher Krankheit Ihr leidet, und bitte Euch, Euch zu schonen, zu ruhen und wieder zu Kräften zu kommen, damit unser Wiedersehen einen gelungenen Verlauf nehmen kann.

Ich verbleibe mit den besten Wünschen für Eure Gesundheit

Margarethe Gänslein, Witwe des Reinold Gänslein, Kaufmann zu Hameln

»Sie bietet sich ihm an!«, sagte die Begine Regine, nachdem Mechthild ihr mit zitternden Händen das Schreiben zu lesen gegeben hatte, welches sie so rasch wie möglich an den Apotheker Peter Hasenstock überreichen sollte.

Es war eine gehörige Überraschung für Regine gewesen, als am Morgen plötzlich ihre menschenscheue Freundin Mechthild vor dem Laienschwesternheim gestanden hatte, und das auch noch ganz ohne Begleitung. Nun, nachdem sie die Geschichte vernommen hatte, verstand die Begine die Aufregung und Eile sehr wohl und überlegte sich gut, was in dieser Situation zu raten war.

»Das war auch meine Befürchtung, nachdem ich die Zeilen gelesen hatte«, stotterte Mechthild nun. Sie war blass wie die Wand des Kämmerleins, in dem die beiden hockten, und das lag heute nicht an dem weißen Puder, welches sie gerne aufzutragen pflegte. »Das kann sie doch nicht tun. Und ich kann sie erst recht nicht dabei unterstützen, indem ich dieses unmoralische Angebot eigenhändig an den Sittenstrolch übergebe.«

»Doch, das solltest du tun«, antwortete Regine nun zu Mechthilds Erstaunen. »Geh sofort und bringe es ihm. Margarethe ist eine kluge Frau, sie wird wissen, was sie tut. Gewiss ist sie aus der Stadt fort, um Zeit zu gewinnen. Und Zeit gewinnt sie nur, wenn der Lüstling der Annahme unterliegt, einen Sieg davongetragen zu haben. Er soll sich freuen. Denn seine Freude ist die größte Sicherheit für deine Base. Was immer sie nun außerhalb der Stadtmauern zu tun gedenkt.«

Mechthild dachte eine Weile über die Worte ihrer Vertrauten nach. Dann nickte sie, nahm die Hände Regines in die ihren und sagte leise: »Nun, dann soll es wohl sein.«

Stumm verließ sie langsam, aber ohne zu zögern, das Haus der Beginen und schritt nahezu schwebend durch die Bäckerstraße bis in die Osterstraße, wo sie umgehend die Offizin des nunmehr einzigen Hamelner Apothekers betrat.

»Mein Gemahl ist unpässlich«, sagte das junge, pausbäckige Ding mit der Haut eines frischen Apfels und den ausdruckslosen Augen einer toten Kuh. »Ihr dürft mir das Schreiben geben, dann überreiche ich es ihm, sobald er erwacht ist.«

Nun streckte sie ihre zarten Fingerchen nach dem Brief aus, den Mechthild in ihren zitternden Händen hielt. Es wäre Mechthild mehr als recht gewesen, auf diese Weise ein Zusammentreffen mit dem unbeliebten Mann zu umgehen. Aber wäre es auch im Sinne Margarethes gewesen, wenn Hasenstocks Weib das Schreiben in die Hände bekäme?

Mechthild zögerte und musterte, äußerlich freundlich wie immer, innerlich verwirrt, die junge Schönheit, die – das durfte man ohne jegliche Bosheit zugeben – nicht den Eindruck erweckte, die notwendige Intelligenz zu besitzen, um neugierig zu sein. Vielleicht konnte sie nicht einmal lesen. Aber dennoch …

»Nein, ich muss darauf bestehen, ihm diesen Brief eigenhändig zu überreichen. Und zwar jetzt gleich.« Nie zuvor war die zurückhaltende, friedfertige Mechthild so entschieden aufgetreten.

Das hübsche Weib schaute noch dümmer als zuvor aus der Wäsche und ging sogar einen Schritt zurück, weil es sich offenbar vor der kleinen, dünnen, altmodisch gekleideten und frisierten Frau zu fürchten schien.

»So folgt mir. Er wird jedoch nicht erfreut sein, geweckt zu werden.«

Mechthild ging der Frau mit den schwingenden Hüften und dem runden Hinterteil nach, den Brief hielt sie fest umklammert. Vor einer verschlossenen, großen Holztüre im ersten Geschoss hielt die Schönheit an und klopfte zaghaft, fast ängstlich an. Von innen war eine zornige Stimme zu vernehmen.

»Wer da?«

»Deine Gemahlin, lieber Peter.«

»Hau ab, du Gans. Willst bloß wieder Geld, oder?«

»Ein Gast ist da. Die Witwe Mechthild aus dem Gänslein-Haus.«

Nichts als Schweigen war nun von innen zu vernehmen. Dann, nach einer ganzen Weile, die beide Frauen stumm abwartend vor der Türe verbrachten, wurde diese geöffnet.

Peter Hasenstock steckte seinen Kopf heraus, um sich davon zu überzeugen, dass die seltsamen Worte seiner Frau tatsächlich der Wahrheit entsprachen.

»Ach«, sagte er nun und versuchte, freundlich zu scheinen. Sein wie mit einer Schicht getrockneten Teigs überzogenes Gesicht jedoch wirkte maskenhaft, fast gruselig. »Tretet ein!«

Mit Schwung öffnete er nun die Türe, und ein wahrlich elender Gestank flog der guten Mechthild regelrecht entgegen. Fast wäre sie, die noch nichts gegessen hatte, in Ohnmacht gefallen. Das besonders Garstige an dem Geruch war, dass Hasenstock offenbar versuchte, ihn mit Duftwasser zu übertünchen, was die Sache jedoch nur schlimmer machte.

Ohne seine Frau eines Blickes zu würdigen, ließ er die Türe vor ihrer Nase wieder zuknallen, nachdem die Base Margarethe Gänsleins eingetreten war.

»Ich bringe Euch dieses«, sagte Mechthild nur und reichte dem Mann, der noch einen Morgenrock trug, das Papier.

»Von ihr?«, fragte er mit einer glückseligen, ja dümmlichen Miene.

»Von der Kauffrau Margarethe Gänslein«, antwortete Mechthild und fügte rasch an: »Ich gehe jetzt.«

Doch Hasenstock nahm sie längst nicht mehr wahr. Fasziniert vertiefte er sich in die Zeilen, welche Margarethe ihm geschrieben hatte, und erst nachdem er beim letzten Satz angekommen war und sich dabei unwillkürlich zwischen den Beinen kratzen musste, stellte er fest, dass die hässliche Nebelkrähe Mechthild bereits das Weite gesucht hatte.

Hämisch lachte Peter Hasenstock und legte sich zurück in sein Bett, vergaß jedoch nicht, den Brief Margarethes mitzunehmen. Es würde ihm ein besonderes Vergnügen bereiten, diesen, in seinen warmen Federn liegend, wieder und wieder zu lesen und seiner Phantasie dabei freien Lauf zu lassen.