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Ich schrieb ja bereits, dass Gevatter Tod keine Dienstzeiten kennt und auch an Festtagen wie Weihnachten keine Pause macht. Manchmal sucht er sich aber auch die ungünstigsten Zeitpunkte aus, die man sich vorstellen kann.
Es ist ein Samstag, kurz vor Weihnachten, die Zeit der Weihnachtsfeiern. An diesem Samstag haben wir aus dem »Sauren Hahn« den Weihnachtsmann abgeholt. Er ist halbnackt vom Tisch gefallen, tot.
Die Belegschaft eines innerstädtischen Friseursalons, alles Frauen, hatte sich dort zu ihrer alljährlichen Weihnachtsfeier eingefunden. Zu vorgerückter Stunde, man hatte das Essen schon nahezu endverdaut und dem reichlich angebotenen Alkohol kräftig zugesprochen, kam die große Stunde des Weihnachtsmannes.
Der kam in rot-weißem Mantel, schwarzer Hose, schwarzen Stiefeln und mit prallgefülltem Sack in den Saal und rief wohl ein paarmal: »Hohoho!«
Dann holte er aus dem Sack einen tragbaren CD-Spieler, schaltete ihn ein und hüpfte zu den Klängen von »It’s raining men« auf einen der Tische, um sich zuerst den falschen Rauschebart vom Gesicht und dann die Klamotten vom Leib zu reißen.
Mittlerweile wissen wir, dass der Mann einunddreißig Jahre alt war, Maik mit »ai« hieß, aus Greitz stammte und vermutlich nicht »Hohoho« sondern »Höhöhö« gerufen hat. Er soll gerade dabei gewesen sein, seinen Hosengürtel zu öffnen, um die kreischenden Damen mit der Striptease-Nummer, für die er gebucht war, zu erfreuen, da hat er die Augen verdreht und sich wortlos aus dem Leben verabschiedet.
An dieser Tatsache vermochte auch der eilends herbeigerufene Notarzt nichts mehr zu ändern, weshalb die Ordnungsmacht dann uns mit dem Abtransport und der vorübergehenden Gewährung einer adäquaten Bettstatt betraute.
Die oberste der haareschneidenden Tanten meinte ausgerechnet mich fragen zu müssen, ob ich mich da auskenne und wie das denn so sei. Nun ja, mich fragen ja oft irgendwelche Angehörigen auch zu ungünstigen Zeiten so allerlei Dinge. Manchmal stemmen wir gerade einen zwei Zentner schweren Toten durch ein enges Treppenhaus, und dann fragt mich irgendein Neffe, ob ich schon wisse, wann die Beerdigung stattfinde oder wo man denn einen besonders preiswerten Kranz kaufen könne.
Aber die Meisterin der Frisuren fragte: »Wie issen det nu? Ick har ja schließlich für det Tanzen ooch bezahlt. Kriech ick jetzt Ersatz?«