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Sie legte Steine und Kiesel im Graben an der Böschung des Flußufers übereinander, bedeckte sie mit Sand und glättete die Oberfläche mit den Händen. Dann setzte sie sich hin, den Rücken an einen Maulbeerbaum gelehnt. Die Erde kühlte ihre heiße Haut. Aus dem Baum schien Feuchtigkeit in ihren schmerzenden Rücken zu fließen. Sie preßte ihre Stirn und ihre Wangen gegen den Stamm und leckte mit trockener Zunge den herausfließenden Saft ab.
Der feuchte Baumstamm weckte eine frühe Erinnerung in ihr, ein vertrautes Gefühl. Es war, als flösse Milch aus einer warmen, nassen Brustwarze in ihren Mund. Ein Schweißtropfen fiel von ihrer Stirn auf die Nase. Sie wischte ihn mit dem Ärmel ab, dann rieb sie sich die Augen, aber sie waren trocken. »Möge Allah sich deiner erbarmen, Mutter.«
Sie sah zum Himmel hoch, und das Morgenlicht fiel in ihre großen schwarzen Augen. Sie hielt nie den Blick gesenkt, und auch beim Gehen sah sie nie zu Boden. Wie ihre Tante Zakeya hatte sie einen stolzen, zornigen Blick, aber es stand keine Herausforderung in ihm, Angst schien ihn zu trüben, und sie wirkte verloren. Ihr Blick wanderte über den unendlichen Himmel, tauchte in seine Tiefe. In weiter Ferne sah sie den Horizont, eine dunkle Linie, wo Himmel und Erde sich trafen. Hinter ihrem Rücken stieg langsam die rote Sonnenscheibe höher und verströmte ihr Licht über die Welt. Ein Schauer überlief ihren Körper. War es die noch nachwirkende Kälte der Nacht oder die Angst vor dem Kommenden? Sie wußte es nicht. Sie bedeckte ihr Gesicht mit dem Kopftuch, um es vor dem Licht zu schützen. Der Fluß vor ihren Augen lag da wie immer, und seine Ufer erstreckten sich endlos weit. Sie sah zurück, und was sie sah, unterschied sich nicht von dem, was vor ihr lag. Irgendwo in dieser endlosen Weite war ihr Dorf. Und als wäre sie zurückgekehrt oder als hätte sie es nie verlassen, erinnerte sie sich an ihre Lehmhütte gleich neben der ihrer Tante Zakeya, an das hohe Tor mit den Eisenstäben auf der anderen Straßenseite, hinter dem sich das große Haus vor neugierigen und kritischen Blicken versteckte.
Als sie klein war, kroch sie auf allen vieren über die staubige Straße, und wenn sie den Kopf hob, sah sie die Eisenstäbe wie lange schwarze Beine langsam auf sich zukommen, sie schienen sie mit ihrem Gewicht erdrücken zu wollen. Erschrocken schrie sie auf, und sofort griffen zwei kräftige Arme nach ihr und hoben sie hoch. Sie vergrub ihr Gesicht in dem schwarzen Gewand, das sich vertraut und rauh anfühlte und nach Teig und Hefe roch. Wenn sie sich an die Brust schmiegte, steckte ihr die Mutter eine reife Maulbeere, süß und weich, in den Mund. Und mit der Frucht, die ihren Mund mit dem Geschmack füllte, den sie so sehr mochte, schluckte sie die Tränen.
Der Anblick der Eisenstäbe hatte ihr seit jeher Angst eingejagt. Die Erwachsenen redeten oft von dem Tor mit den Eisenstäben, aber sie näherten sich ihm nie, und wenn sie an ihm vorbeigehen mußten, wechselten sie heimlich auf die andere Straßenseite und senkten die Stimmen. Der Ausdruck in ihren Augen, Stolz, Zorn oder auch Grausamkeit, verwandelte sich umgehend in demütige Ergebenheit, als würden sie sich plötzlich in ihr Schicksal fügen. Sie senkten die Köpfe und blickten zu Boden, und in ihren Augen war keine Spur von Zorn oder Rebellion mehr zu sehen.
Als sie laufen konnte, durfte sie zum Feld gehen. Entweder trieb sie den Esel an oder sie zog den Büffel an einem langen Strick hinter sich her, und er folgte ihr überall hin. Jeden Tag ging sie mit einem Tonkrug auf dem Kopf am Nil entlang bis zur Biegung des Flusses, wo die Mädchen die Krüge mit Wasser füllten. Sie vermied es, am Eisentor vorbeizugehen und machte einen Umweg um das halbe Dorf, um zum Wasserplatz zu gehen. Inzwischen wußte sie, daß hinter dem Eisentor ein großer Hof lag und dahinter das große Haus des Bürgermeisters in einem Garten mit Bäumen und Blumen. Aber in ihrer Vorstellung verbarg sich ein riesiges Ungeheuer hinter dem Tor, ein gräßlicher Teufel mit zwanzig Beinen, der sie zu Tode trampeln würde, falls sie einmal nicht achtgab.
Als sie älter war, nahm sie den direkten Weg zum Fluß, obwohl er an dem Eisentor vorbeiführte. Sie war alt genug, um zu wissen, daß sich keine Teufel dahinter versteckten und daß der Bürgermeister mit seiner Frau und seinen Kindern in dem großen Haus wohnte. Doch wenn vom Bürgermeister die Rede war, fuhr ihr immer ein Schauer über den Rücken. Die Jahre gingen vorbei, aber der Schauer blieb, auch wenn sie ihn in ihrem Innern kaum mehr wahrnahm.
Eines Tages befahl ihr der Vater, am nächsten Morgen nach dem Frühstück zum Haus des Bürgermeisters zu gehen. In der Nacht machte sie kein Auge zu. Sie war damals erst zwölf Jahre alt, und sie verbrachte die dunklen Nachtstunden damit, sich die Zimmer im Haus des Bürgermeisters auszumalen. Ein Badezimmer aus weißem Marmor, von dem ihr die Nachbarskinder erzählt hatten, tauchte vor ihren Augen auf. Sie hatten auch erzählt, daß der Bürgermeister jeden Abend in Milch badete. Und sie stellte sich vor, daß seine Frau eine weiche, weiße Haut hatte und mit nackten Beinen durch das Haus ging. Der Sohn sollte ein eigenes Zimmer voller Gewehre, Panzer und Flugzeuge besitzen, die wirklich fliegen konnten. Auch der Bürgermeister erschien immer wieder vor ihren Augen, so wie sie ihn einmal gesehen hatte, als er in seinem weiten schwarzen Umhang zwischen den Männern aus dem Dorf die Straße entlangging. Wenn sie ihm danach begegnete, war sie immer ins Haus gelaufen.
Am nächsten Morgen, bevor sich die Morgenröte über dem Himmel ausbreitete, stand sie auf, wusch ihr Haar, scheuerte ihre Fersen mit einem Stein, zog eine saubere galabeya an und verhüllte ihren Kopf mit einem schwarzen Schleier. Sie setzte sich hin und wartete auf Scheich Zahran, der sie zum Haus des Bürgermeisters bringen sollte. Aber als er kam, lief sie davon und versteckte sich auf dem Ofen. Sie jammerte und weinte in ihrem Versteck und wollte sich nicht von der Stelle bewegen. Als sie einmal tief Luft holte, hörte sie den Polizeichef sagen: »Unser Bürgermeister ist ein großzügiger Mann, und seine Frau stammt aus einer angesehenen Familie. Du bekommst zwanzig Piaster am Tag. Du bist ein dummes Mädchen ohne jeden Verstand. Wie kannst du das Gute zurückweisen, das dir bevorsteht? Willst du lieber hungern und arm sein, statt ein bißchen zu arbeiten?«
»Ich arbeite hier im Haus meines Vaters, Scheich Zahran, und ich arbeite den ganzen Tag auf dem Feld«, antwortete sie schluchzend aus ihrem Versteck auf dem Ofen. »Ich bin nicht faul, aber ich will nicht im Haus des Bürgermeisters arbeiten.«
Der Polizeichef gab es auf, sie zum Herunterkommen zu überreden. Er sagte: »Tut, was euch gefällt. Du scheinst das Gute, das Allah dir tun will, nicht zu verdienen. Hunderte von Mädchen würden die Gelegenheit, beim Bürgermeister zu arbeiten, beim Schopf fassen. Aber er hat deine Tochter ausgesucht, Kafrawi, weil er glaubt, daß du ein guter, ehrlicher Mann bist und sein Vertrauen verdienst. Was wird er sagen, wenn er erfährt, daß du sein Angebot ausschlägst?«
»Ich bin bereit, es anzunehmen, Scheich Zahran, aber du kannst doch sehen, daß das Mädchen nicht will«, antwortete Kafrawi.
»Das Mädchen entscheidet also, was in deinem Haus geschieht?« rief Scheich Zahran erhitzt aus.
»Nein, hier entscheide ich. Aber was soll ich tun, wenn sie keine Vernunft annimmt?«
»Was soll ich tun? Wie kann ein Mann eine solche Frage stellen?« sagte Scheich Zahran und wurde immer aufgeregter. »Schlage sie. Weißt du nicht, daß Mädchen und Frauen erst gehorchen, wenn sie geschlagen werden?«
Also rief Kafrawi mit entschlossener Stimme: »Nefissa, komm sofort herunter!«
Als Nefissa keine Anstalten machte, ihm zu gehorchen, stieg er auf den Ofen, schlug sie mehrmals und zog sie so lange an den Haaren, bis sie endlich nachgab. Wortlos übergab er sie Scheich Zahran.
Das Rattern von Holzrädern drang an ihre Ohren. Sie drehte sich um und sah einen Karren, der von einem alten, müden Esel gezogen wurde, langsam auf sich zukommen. Der Esel schüttelte plötzlich seinen Kopf und stieß einen langgezogenen, klagenden Schrei aus. Der Karren hielt neben ihr an. Sie sah Tränen in den Augen des Esels. Der Mann auf dem Karren starrte sie an, und sie versteckte ihr Gesicht hinter dem Schleier. Sie kannte ihn nicht aus Kafr El Teen und war beruhigt. Sie rief ihm zu: »Onkel, nimmst du mich nach Al Ramla mit?«, und stand auf.
Der Mann betrachtete sie, wie sie so am Flußufer stand, und ihm fiel die Wölbung ihres Bauchs auf. Ein Verdacht stieg in ihm auf. Aber als sie ihm direkt ins Gesicht sah und er den Zorn und den Stolz in ihren Augen bemerkte, verflog sein Verdacht. Ihre Bewegungen waren langsam, als wäre sie erschöpft, aber sie hielt sich gerade.
Mit schroffer Stimme sagte er: »Steig auf.«
Sie schwang sich auf den Karren und setzte sich neben ihn, ihre. Augen waren auf die Straße gerichtet, sie schwieg. Nach einer Weile fragte er mit einem schnellen Seitenblick auf ihren Bauch: »Besuchst du deinen Mann in Al Ramla?«
Ohne die geringste Regung in den Augen sagte sie: »Nein.«
Er schwieg eine Weile, bevor er sie weiter ausfragte. »Ist dein Mann in Kafr El Teen geblieben?«
Sie blickte ungerührt vor sich auf die Straße und antwortete: »Nein.«
Jetzt wurden seine Blicke direkter. Er betrachtete ihre großen, rauhen Hände, die in ihrem Schoß lagen. Sie trug keine Armreifen. Sie ist die Tochter eines Bauern und ans Hacken und Pflügen gewöhnt, dachte er. Doch als sie ihn ansah, entdeckte er in ihren Augen etwas, das er bei Frauen aus armen Bauernfamilien noch nie gesehen hatte. Es war nicht nur Zorn, und es war nicht nur Stolz. Es war etwas Mächtigeres. Plötzlich mußte er daran denken, wie er als Kind den Zaun vor dem Haus des Bürgermeisters hochgeklettert war und dessen Tochter auf einmal vor ihm gestanden hatte. Im selben Moment schlug ihm der Polizeichef des Dorfes mit seinem Stock auf die Schulter, und er stieg, so schnell er konnte, wieder herunter. Während seiner ganzen Kindheit träumte er davon, in ihre Augen zu sehen. Er hatte nie begriffen, warum dieser Wunsch so stark war. Er erzählte niemandem etwas davon. Der Wunsch war so seltsam, so verrückt, so unerhört, daß er nicht wagte, ihn auszusprechen.
Er wandte sich zur Seite und sah sie an. Ihre Blicke begegneten sich und hielten einander stand. Sie sah nicht an ihm vorbei, wie es die anderen Mädchen von Kafr El Teen oder El Ramla an ihrer Stelle getan hätten. Er konnte sich den Ausdruck in ihren Augen nicht erklären und sah wieder auf die Straße vor sich. Er schlug mit den Zügeln auf den Rücken des Esels und dachte: »Sie macht nicht den Eindruck, als wäre sie davongelaufen. Und sie scheint auch keine Angst zu haben.«
Wieder fiel sein Blick auf sie. An ihren nackten Füßen klebte getrockneter Schlamm. Er fragte: »Kommst du von weit her?«
Sie blickte weiter auf die Straße vor sich und antwortete: »Ja.«
Er gab sich mit ihrer Antwort nicht zufrieden. »Bist du die ganze Nacht gelaufen?«
»Ja.«
Er verstummte. Er konnte nicht glauben, daß diese junge Frau die ganze Nacht allein über staubige Straßen und Felder gegangen war, in denen sich Füchse, Wölfe und Banditen versteckt hielten. Eine Weile sagte er nichts und achtete auf die Straße, die vor ihnen lag. Er schien das Problem von allen Seiten zu betrachten, bevor er leise sagte: »Die Nacht ist gefährlich.«
Er hatte diese Worte absichtlich mit einer sonderbaren Stimme ausgesprochen, als wollte er sie erschrecken und Angst in ihren Augen sehen. Aber sie starrte weiter geradeaus auf den Horizont und den Weg, der vor ihnen lag.
»Die Nacht ist sicherer als der Tag, Onkel«, sagte sie.
Er schwieg. Sein Gesicht war unbewegt wie bei einem geschlagenen Kind, das seinen Schmerz und seine Tränen verbirgt. Er fühlte einen Druck in seiner Brust und hatte das starke Verlangen zu weinen, das er seit langer Zeit unterdrückte, seit dem Tag, als der Polizeichef ihn mit seinem Stock geschlagen hatte. Hätte sie ihn in diesem Augenblick angesehen und ihm zugelächelt, dann hätte er seinen Kopf an ihre Brust gelegt und wie ein Kind geweint. Hätte er bei den heftigen Schwankungen des Karrens auch nur die leiseste Regung in ihren Augen bemerkt, dann hätte er sich einen Moment lang erleichtert gefühlt. Aber in ihren Augen regte sich nichts, und sie lächelten auch nicht. Sie sah ihn nicht einmal an, als hätte sie seine Anwesenheit vergessen. Und wenn sie ihn doch einmal ansah, hatte er das Gefühl, daß sie an etwas anderes dachte, etwas Wichtiges, Bedeutendes, mit dem verglichen er für sie kaum mehr als Fliegendreck bedeutete. Er holte ein Stück Kautabak aus seiner Tasche hervor, oder vielleicht war es ein Stückchen Haschisch oder Opium. Er steckte es in den Mund. Sein Speichel schmeckte bitter, er schluckte mehrmals, und dann begann er kräftig zu husten, als wollte er ein uraltes Gefühl der Erniedrigung loswerden. Er senkte den Kopf, tieftraurig wie jemand, der soeben begriffen hat, daß Erniedrigung das einzige Gefühl ist, das er kennt und das er Tag und Nacht mit sich herumschleppt.
Er preßte die Lippen zusammen und schlug mit seinem langen Stock auf den alten Esel ein, so wie es der Polizeichef mit den Kindern armer Eltern machte, wenn sie nach der Schule beim Spielen erwischt wurden. Er hatte es plötzlich eilig, nach Al Ramla zu kommen und diese lästige junge Frau so bald wie möglich loszuwerden.
Der Holzkarren kam auf der gewundenen Straße nur langsam voran, er schwankte stark von einer Seite zur anderen, und es sah aus, als würde er gleich ein Rad verlieren und zusammenbrechen. Sie hörte den Esel schnaufen und keuchen. Sein Atem war langsam und monoton wie eine Uhr, wie das Holpern der Holzräder, die sich unentwegt drehten, wie der Herzschlag in ihrer Brust und in ihrem Bauch, auch kurz vor dem Zusammenbruch.
Sie beobachtete, wie die Sonne am Himmel aufging. Sie beobachtete, wie sie die Felder nach und nach hinter sich ließen und wie vor ihnen die Lehmhütten am Flußufer auftauchten und wie Erdhügel aus dem Boden wuchsen. Es kamen immer mehr Frauen in Sicht, die mit ihren Wasserkrügen auf dem Kopf mit bedächtigen Schritten hintereinander am Ufer entlanggingen. Dann war ein Summen zu hören, denn die Kinder waren aufgewacht, und die Fliegen schwärmten durch die Straßen und über den Hütten. Büffel trotteten in langen Reihen voran und wirbelten Staubwolken auf, und neben ihnen gingen kleinere Gruppen von Männern und Frauen, die Hacken auf den Schultern trugen und ununterbrochen gähnten. Der Gedanke, daß ein neuer Tag anbrach, schien sie noch müder zu machen.
Einen Moment lang glaubte sie, wieder dort zu sein, von wo sie aufgebrochen war, zurück in Kafr El Teen. Sie verhüllte ihr Gesicht mit dem Schleier, aber der Mann neben ihr sagte mit böser, heiserer Stimme: »Steig ab.«
»Sind wir in Al Ramla, Onkel?« fragte sie.
»Ja«, antwortete er, ohne sie anzusehen.
Sie stützte sich mit einem Arm ab und stieg vom Holzkarren, der sich plötzlich unter dem Gewicht ihres Körpers zu einer Seite neigte, jedoch sofort wieder ins Gleichgewicht kam, als ihre Füße den Boden erreichten. Der Karren war leichter und würde schneller vorankommen, dachte er, und er fühlte sich wie von einer Last befreit. Er hörte sie mit schweren Schritten über die Straße gehen und gab dem Esel mehrere Schläge mit dem Stock. Der Karren fuhr langsam weiter. Er wollte sich umdrehen und einen letzten Blick auf sie werfen, aber er besann sich anders. Die Augen auf den Horizont gerichtet, schlug er noch einmal auf den Esel ein, der stolpernd und keuchend den Karren hinter sich herzog, und die Räder nahmen ihr langsames, monotones Holpern wieder auf.
Nefissa sah den Karren hin und her schwanken und blickte auf den schmalen, knochigen Rücken des Mannes, der sie an ihren Vater erinnerte. Bald war der Karren aus ihrem Blickfeld verschwunden, aber das Knarren der Räder und der erstickte, keuchende Atem des Esels hallten in ihren Ohren. Hin und wieder wurden diese Geräusche von einem rasselnden Husten übertönt; ihr Vater hatte genauso gehustet, wenn er vor der Hütte saß und den Rauch aus seiner Wasserpfeife tief einatmete.
Bei der Moschee bog sie nach rechts ab und kam nach einer Weile an ein unbebautes Gelände, wie Om Saber es ihr beschrieben hatte. In der hintersten Ecke stand ein kleines Lehmhaus mit einer großen Holztür, die einen hölzernen Klopfer hatte. In der Nähe war eine Wasserpumpe. Sie setzte sie in Gang und trank das Wasser aus der Hand. Dann ging sie zur Tür, nahm den Klopfer und ließ ihn mehrmals vorsichtig fallen. Sie hörte die gedehnte, ordinäre Stimme einer Frau antworten, die sie an Nafoussa, die Tänzerin von Kafr El Teen, erinnerte.
»Wer ist da?«
»Ich bin es«, sagte Nefissa und brachte nicht mehr als ein Flüstern hervor.
Die gedehnte, ordinäre Stimme rief laut zurück: »Und wer bist du?«
»Ich bin Nefissa«, sagte sie.
»Nefissa und wie weiter?« fragte die Frau beharrlich.
Sie wischte sich einen Schweißtropfen von der Nase und antwortete: »Tante, Om Saber schickt mich zu dir.«
Jetzt blieb es still. Sie hörte ihr Herz klopfen, und ihr Atem ging schwer. Sie starrte auf die Tür, die sich plötzlich wie von Geisterhand öffnete.
Reglos wie eine Statue stand sie da. Aber als sie über die Schwelle trat, fühlte sie, daß sie am ganzen Körper zitterte.