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Alles schien sich langsam und schwerfällig wie immer zu bewegen. Die rote Sonnenscheibe stieg den Himmel hinunter und näherte sich langsam, mächtig und erstickend der Erde, bevor sie hinter ihr versank. Die dunklen Silhouetten der Bauern und ihrer Esel und Büffel zogen mit schleppenden Schritten hintereinander über die staubige Straße und ergossen sich zähflüssig in die Wege und Gassen und weiter in die Häuser und Ställe, die in ein düsteres Zwielicht getaucht waren. Aus den offenen Türen drangen die Gerüche von fermentiertem Dünger, menschlichen Exkrementen und backfertigem Teig. Die Nacht hatte die Erde noch nicht in ihren dichten Mantel gehüllt, als am Flußufer keine Bewegung mehr wahrzunehmen, kein Mensch und kein Tier mehr zu sehen war. Nur die Fußspuren der Menschen und die Abdrücke der flachen, runden Hufe der Esel und Büffel waren auf dem staubigen Weg zurückgeblieben, auf dem hier und da warme, noch dampfende Kothaufen lagen.
Der Körper am Ufer war nicht mehr warm. Vom Fluß wehte eine sanfte Brise herüber und ließ den abgetragenen, dünnen Umhang aufflattern, so daß die schwieligen Fersen des Mannes, der Elwau gewesen war, zum Vorschein kamen.
Ein heftiger Windstoß fuhr unter den Umhang und entblößte den Unterleib. Schlaftrunken starrte Haj Ismail auf die langen, behaarten Beine und die vollen, muskulösen Schenkel. Er riß die Augen auf und war plötzlich hellwach, als wäre ihm ein Ziegelstein auf den Kopf gefallen. Mit einem Ruck setzte er sich auf und schaute sich nach allen Seiten um, dabei wanderten seine Augen in verschiedene Richtungen. Wenn sein rechtes Auge geradeaus blickte, schien sein linkes Auge rückwärts zu schauen, und wenn sein linkes Auge nach rechts sah, blickte sein rechtes Auge nach links. Er war mit einem Schielen auf die Welt gekommen. Für ihn bestand alles aus zwei Teilen, jedes einzelne Ding schien sich zu verdoppeln, denn während ein Auge sah, was es sehen wollte, kämpfte das andere immer darum, frei zu sein.
Er stand auf, ging zu der Leiche und zog den Umhang über den nackten Körper. Seine Hand berührte die behaarte Haut, fühlte die kräftigen Muskeln darunter. Ein Schauer überlief ihn. Schnell ging er zur Flußböschung zurück, wo der Polizeichef lag und schlief. Er rollte sich zusammen und versuchte wieder einzuschlafen, aber er konnte die behaarten, muskulösen Schenkel nicht vergessen, auf die sich eins seiner Augen konzentrierte, während das andere sich hinter dem Lid versteckte. Er mußte an die Zeit denken, als er zehn Jahre alt gewesen war. Sein Cousin Youssef war älter und stärker als er. Seine Arme und Beine waren bereits behaart, und er hatte muskulöse Schenkel. Als er sie zum ersten Mal sah, wollte er entsetzt davonlaufen, aber sein Cousin hatte die Tür abgeschlossen und es gab kein Entkommen. Er versuchte, Youssef auszuweichen, aber dieser packte ihn mit einem eisernen Griff im Nacken, warf ihn mit dem Gesicht nach unten auf den Boden und schob ihm die galabeya über die Schenkel. Der kräftige, schwere Körper preßte sich auf sein Gesäß und drückte sein Gesicht so fest auf den Boden, daß er keine Luft mehr bekam. Nach einer Weile stand Youssef auf, schloß die Tür auf und ging davon. Er selbst war den ganzen Tag dort liegengeblieben, ohne sich zu rühren. Als sein Vater ihn aus dem Geschäft rief, schloß er die Augen und täuschte Schlaf vor. Er hörte seinen Vater näherkommen und ihn mit zorniger Stimme rufen. Er wollte antworten, aber kein Laut kam über seine Lippen. Da traf ihn eine schwere Faust in den Nacken. Er sprang schnell auf und folgte seinem Vater widerstandslos in das Geschäft an der Straßenecke, wo ein paar Päckchen mit Tee, Gewürzen und Tabak sowie ein paar Stück Seife auf alten, morschen Regalen standen.
Von seinem Vater hatte er gelernt, wie man Piaster zählte, sie in die Schublade legte und diese abschloß. Er hatte ihm ebenfalls gezeigt, wie Tabak gewogen wurde: man stellte ein Päckchen in eine Schale und ein kleines Gewicht in eine andere Schale, und die Zunge der Waage mußte genau die Mitte anzeigen und durfte nicht nach einer Seite ausschlagen. Bevor sein Vater abends sein Geschäft abschloß, setzte er ihn neben sich auf die Bank und zeigte ihm, wie Spritzen gegeben und Abszesse geöffnet wurden.
Nach dem Ramadan machte sein Vater eine Pilgerfahrt nach Mekka, von der er nicht zurückkam. Außer dem Geschäft hatte er ihm einen kleinen Beutel mit einer Zange zum Zähneziehen, Amuletten mit Versen aus dem Koran, Injektionsnadeln, einer Rasierklinge für Beschneidungen und einem Fläschchen Jod hinterlassen, das seit langem ausgetrocknet war.
Während er da lag, fühlte er einen stechenden Schmerz im Hinterkopf. Er holte ein Taschentuch hervor und band es fest um seinen Kopf, dann schloß er die Augen und wollte gerade einschlafen, als er sah, wie sich eine geisterhafte Gestalt der Leiche näherte. Er stieß den Polizeichef an der Schulter und sagte leise: »Scheich Zahran.«
Der Polizeichef sprang auf die Füße und rief: »Wer ist da?«
Er bekam keine Antwort.
Seine schmalen, schlitzähnlichen Augen sahen vorsichtig nach allen Seiten, konnten aber nichts erkennen. Dann begann er, in einem weiten Kreis um die Leiche herumzugehen, wobei er seine Blicke über das Maisfeld, das Flußufer und die Böschung schweifen ließ. Als er nichts fand, was seine Aufmerksamkeit erregte, ging er zum Dorfbarbier zurück, der mit gekreuzten Beinen dasaß, aber seine Augen durchsuchten nach wie vor die Dunkelheit.
»Wer war das, Haj Ismail?« fragte er.
»Ich könnte schwören, daß ich einen Mann gesehen habe, Scheich Zahran.«
»Laß es gut sein und leg dich schlafen, und laß den allmächtigen Gott walten.«
»Aber ich habe gesehen, wie er sich der Leiche näherte.«
»Wer würde eine Leiche stehlen?«
»Und ich sage dir, daß ich ihn gesehen habe.«
»Hast du ihn erkannt?«
»Nein, dazu war er zu weit entfernt.«
»Es ist sicher Elwaus Teufel, der über ihm schwebt.«
»Sein Teufel? Die einzigen Teufel in dieser Welt sind die Menschen.«
Er sah den Polizeichef mit einem Auge an und fragte mit gespielter Unschuld: »War es ein Teufel, der Elwau getötet hat?«
Der Polizeichef antwortete hastig: »Nein, es war Kafrawi.«
»Kafrawi bringt es nicht einmal übers Herz, ein Huhn zu schlachten, das weißt du genau«, sagte der Dorfbarbier.
»Aber jeder Mann kann töten, wenn seine Ehre auf dem Spiel steht«, erwiderte der Polizeichef hitzig.
»Das kannst du den Dorfbewohnern oder dem Untersuchungsrichter erzählen, aber nicht mir«, sagte Haj Ismail. »Ich sehe, daß du zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen willst. Aber im Ernst, wer ist der Mörder?«
Der Polizeichef lachte scharf auf, dann sagte er mit einem Gähnen: »Das weiß nur Allah.«
Haj Ismail sah ihn wieder mit einem Auge an. »Du kennst sie alle ohne Ausnahme und kannst jeden einzelnen beim Namen nennen.«
Jetzt war es Scheich Zahran, der sich unschuldig stellte. »Worauf willst du eigentlich hinaus, Haj Ismail?«
Der Dorfbarbier sagte mit einem Augurenlächeln: »Wer es auch war, morgen früh kommt der Offizier mit den Polizeihunden.«
»Glaubst du, daß Hunde mehr wissen als Menschen?« fragte der Polizeichef ironisch. »Jeder weiß, daß Kafrawi Elwau wegen Nefissa umgebracht hat. Viele haben ihn mit Blut an den Händen neben der Leiche gesehen. Er steckt tief in diesem Verbrechen.«
Der Dorfbarbier lachte wieder auf. »Du bist wirklich der Sohn des Teufels, Scheich Zahran.«
»Ich bin der gehorsame Diener dessen, der uns seine Befehle gibt.« Er gähnte gelangweilt. »In Wahrheit sind wir alle seine gehorsamen Diener.«
»Wir alle dienen Gott.«
»Es steht fest, daß wir alle Diener sind. Egal, wie hoch wir steigen oder wie tief wir fallen, die Wahrheit ist, daß wir alle Sklaven sind und jemandem dienen.«
»Gottes Sklaven sind wir nur, wenn es Zeit zum Beten ist. Aber die Sklaven des Bürgermeisters sind wir die ganze Zeit.«
Scheich Zahrans Augen leuchteten, als er dem Barbier ins Ohr flüsterte: »Weißt du, daß er nachts wegen Zeinab kein Auge zumacht? Ich habe getan, was ich konnte, um sie umzustimmen, aber sie weigert sich nach wie vor.«
»Kafrawi leistet ihr dabei sicher Beistand. Glaubst du, daß er Verdacht geschöpft hat?« fragte der Dorfbarbier.
Der Polizeichef wies diese Möglichkeit schnell von sich. »Nein, ganz sicher nicht. Um Verdacht zu schöpfen, braucht man ein denkfähiges Hirn. Aber diese Bauern haben kein Hirn, im besten Fall haben sie das Hirn eines Büffels. Seit Nefissa fort ist, hat Kafrawi außer Zeinab niemand, der ihm im Haus und auf dem Feld hilft, das ist das Problem. Wie oft habe ich ihm gesagt, daß der Bürgermeister ihm ganze zehn Pfund für ihre Arbeit geben wird, daß sie in seinem Haus essen und trinken und es so bequem haben wird, wie sie es sich nie erträumen würde. Sie braucht nur sein Haus zu putzen und kann heimgehen, wenn sie mit der Tagesarbeit fertig ist. Aber er will nicht auf mich hören. Sein Kopf ist härter als Granit.«
»Seine Tochter Zeinab ist genauso dickschädelig wie er. Ich habe mir die größte Mühe gegeben, sie zu überzeugen, und ihr alles bis ins Kleinste erklärt, aber sie ist störrisch wie ein Maulesel«, sagte Haj Ismail. »Ich kann keine Vorzüge an ihr erkennen. Jedes andere Mädchen in Kafr El Teen ist wohlerzogener und hübscher als sie.«
Scheich Zahran senkte die Stimme. »Er hat einen sonderbaren Geschmack, was Frauen angeht, und wenn ihm eine gefällt, kann er sie nicht vergessen. Du weißt, daß auch er recht eigensinnig ist. Hat er einmal ein Auge auf eine Frau geworfen, muß er sie unter allen Umständen haben.«
Haj Ismail gähnte herzhaft. »Warum auch nicht? Menschen wie er, die zur Elite gehören, kennen das Wort unmöglich nicht.«
»Sie wandeln wie Götter über der Erde.«
»Nein, Scheich Zahran, Götter sind sie sicherlich, aber laufen tun sie nicht, sie fahren in Autos. Laufen ist etwas für Leute wie uns.«
»Und nicht nur das Laufen! Du scheinst zu vergessen, daß wir auch auf der Erde schlafen.«
Der Polizeichef rollte sich unter seinem Umhang zusammen und schloß die Augen. Haj Ismail warf schnell einen letzten Blick auf die Leiche am Ufer, dann rollte auch er sich unter seinem Umhang zusammen. Leise sagte er: »So ein Jammer! Elwau war zu jung zum Sterben!«
Der Polizeichef hatte ihn gehört und seufzte: »Unser Leben liegt in Gottes Hand, Haj Ismail!«
»Wahrhaftig, da hast du recht. Allah allein entscheidet darüber, wann wir diese Erde verlassen müssen.«
Und so schliefen sie mit der Überzeugung ein, daß das Leben der Einwohner von Kafr El Teen von einem Gott gelenkt wurde, der in ihren Gedanken allgegenwärtig war, mit dem sie so manchen Abend verbrachten und plauderten, entweder vor dem Geschäft des Dorfbarbiers oder auf der Terrasse seines Hauses über dem Nil. Sie wußten, wie sehr er sich nach Zeinab verzehrte und daß dieses Verlangen nur durch den Tod gelöscht werden konnte und er sie früher oder später in seine Gewalt bekommen würde. Denn wie alle Götter war er überzeugt, daß ihm nichts unmöglich war.
Das Schnarchen der beiden Männer stieg vom Ufer, wo sie Schutz gesucht hatten, in die Dunkelheit hinauf, zog durch die stille Nacht und drang an die Ohren von Metwalli, der sich im Maisfeld versteckt hatte. Er trat aus dem Feld hervor und ging mit vorsichtigen Schritten auf die Leiche zu, wobei er das linke Bein stärker nachzog als das rechte. Die Einwohner von Kafr El Teen erkannten ihn sofort an seinem eigentümlichen Gang, der sie an einen hinkenden Hund denken ließ. Seit er als Kind eine Knochenkrankheit gehabt hatte, war ein Bein kürzer als das andere.
Er tauchte oben am Ufer auf. Das Mondlicht beschien seinen Kopf, der im Verhältnis zu seinem Körper außergewöhnlich groß war. Seine kleinen Augen lagen zusammengesunken in seinem aufgedunsenen Gesicht. Unter seiner dünnen Nase standen wulstige Lippen hervor. Seine Unterlippe hing auf das Kinn herab, so daß seine fleischige Mundhöhle zu sehen war, aus der unaufhörlich Speichel auf seinen langen Bart troff.
Sobald die Kinder des Dorfes ihn erblickten, rannten sie hinter ihm her, und sie riefen im Chor: »Da geht der Idiot!« Manchmal warf eines von ihnen sogar einen Stein nach ihm oder zog ihn an seiner galabeya. Er ging weiter, ohne sie zu beachten, während ihm der Speichel aus dem Mund tropfte und er wie ein streunender Hund vorwärtshinkte. Wenn er durch die Straßen ging, starrte er die Häuser und die Passanten mit einem stumpfen, leeren Blick aus feuchten Augen an. Am Ende des Tages setzte er sich in der Nähe des Friedhofs ans Ufer, wo er sich am Kopf und am ganzen Körper kratzte und die Läuse zwischen den Fingerspitzen knackte.
Kam eine Frau aus dem Dorf an ihm vorbei, warf sie ihm ein halbes Brot oder einen Maiskolben oder eine Maulbeere in den Schoß. Manche berührten ihn auch und sagten: »Gib mir deinen Segen, Scheich Metwalli.« Dann vergaß er einen Augenblick das Kratzen und Läuseknacken und streckte die Hände nach ihr aus, berührte ihre Schulter oder ihre Hand oder ihr Bein und stammelte dazu ein paar unverständliche Worte, während der weiße Speichel in seinem schwarzen Bart hängenblieb.
Man erzählte sich, daß eine gelähmte Frau ihn berührt hatte und geheilt worden war, und daß er einem Blinden das Augenlicht zurückgegeben hatte. Er war von Gott auserwählt worden, und er verstand etwas von Krankheiten und konnte die Geheimnisse der Zukunft ergründen. Allah hatte ihm diese Kräfte verliehen, weil er die schwächsten seiner Geschöpfe für seine heiligen Zwecke auserwählte. Deshalb nannten sie ihn Scheich Metwalli.
Der Dorfbarbier Haj Ismail nannte ihn den »Besessenen«, der Polizeichef Scheich Zahran bezeichnete ihn als den »Verlausten«, und die Kinder hatten ihn »Metwalli, der Idiot« getauft. Er war der Sohn von Scheich Osman, der auf dem Friedhof für die Seelen der Verstorbenen Verse aus dem Koran rezitiert hatte. Aber Scheich Osman war tot und hatte ihm nichts außer seinem abgetragenen Kaftan, seinem Turban, einem leeren Brotkorb und einem abgegriffenen Koran mit einem halbzerrissenen Umschlagdeckel hinterlassen.
Jetzt humpelte er lange nicht so stark, wie wenn er beobachtet wurde. Sein Blick war so ruhig, wie es noch niemand bei ihm gesehen hatte. Ab und zu sah er sich vorsichtig um. Seine Unterlippe hing nicht mehr herab, und der Speichel floß ihm nicht mehr aus dem Mund. Niemand aus dem Dorf hätte ihn in diesem Augenblick erkannt.
Er näherte sich der Leiche, die mit einem Umhang bedeckt am Ufer lag. Nicht weit entfernt von ihr ließ er sich fallen und begann, auf dem Bauch vorwärts zu kriechen. Als er bei den Füßen angekommen war, hob er den Umhang hoch, steckte seinen Kopf darunter und zog sich langsam an den Beinen und Schenkeln hoch.
Hätte der Polizeichef in diesem Moment die Augen geöffnet, wäre ihm nichts Besonderes aufgefallen. Der Umhang bedeckte immer noch die Leiche, und die leichte Bewegung, ein kaum wahrnehmbares wellenähnliches Heben und Senken, konnte durchaus vom Wind hervorgerufen sein. Und auf einen anderen Gedanken wäre der Polizeichef nicht gekommen, weder er noch einer der teuflischen Geister, die an vielen Orten ihr Unwesen treiben, vor allem an den Plätzen, die von Lebenden für die Toten ausgesucht wurden. Denn schließlich war es ja nur ein Körper, aus dem alles Leben entwichen war, der dort am Ufer lag, und wer außer Würmern, die sich in alles hineinfressen, würde sich für einen Toten interessieren?
Aber Metwalli lebte seit Jahren wie ein Wurm unter den Toten. Tag für Tag saß er an demselben Platz am äußersten Ende des Dorfes, am Ufer des Nils, und wartete, bis die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war. Dann stand er auf, humpelte die Böschung hinunter und ging langsam zum Friedhof, wo er sein Bett zwischen den Toten aufschlug. Bevor er sich schlafen legte, ging er zwischen den Gräbern auf und ab, bückte sich ab und zu und hob Brot- und Kuchenkrumen von der Erde auf, die die Verwandten der Toten hatten fallen lassen. Nachdem er gegessen hatte, blieb er noch eine Zeitlang wach, als ließe ihm irgend etwas keine Ruhe. Er stand plötzlich wieder auf, ging geradewegs auf eines der Gräber zu und ließ sich dabei von einem bestimmten Geruch leiten, der ihm so vertraut war, daß er ihn bereits von weitem wahrnahm und aus vielen anderen Gerüchen herauskannte. Es war der Geruch von gerade beerdigtem Fleisch, von warmem Blut und lebenden Zellen in einem Körper, der bereits tot war.
Fieberhaft grub er mit seinen langen, drahtigen Fingern in der Erde. Sie waren scharf und spitz wie die Klauen einer Katze, die in der Erde nach einem Stück Fleisch scharrt. Seine Hände, durch diese wiederholte Übung trainiert, zogen das weiße Leichentuch fort, rollten es fest zusammen und vergruben es in der Erde, wo sie es am nächsten Morgen, wenn alle noch schliefen, wieder ausgraben würden.
War diese Arbeit getan, wandte er sich dem noch warmen Körper des Toten zu. War es eine Frau, legte er sich der Länge nach auf sie. War es ein Mann, drehte er ihn mit dem Gesicht nach unten um, legte sich auf ihn und preßte seinen Unterleib gegen das Gesäß.
Am nächsten Morgen war Metwalli aus Kafr El Teen verschwunden. Keiner suchte ihn und keiner wunderte sich, wo er geblieben war. Er aber saß in einem Nachbardorf, in Al Ramla oder Bahout, in einer belebten Straße mitten auf dem Wochenmarkt und verschacherte ein paar Meter verschmutztes weißes Tuch, von dem niemand ahnte, daß es noch vor wenigen Stunden als Leichentuch gedient hatte.