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Okay, es bringt mich fast um. Es ist halb acht am nächsten Morgen, und ich bin total verpennt, denn jedes Mal, wenn ich am Einschlafen war, hat Luke irgendwas gemurmelt wie: »Ich guck nach meinen E-Mails«, und ich musste schon wieder meine laszive Nymphomanennummer abziehen.
Was -offen gesagt -echte Vorteile hatte. Aber jetzt sind wir voll und ganz befriedigt, alle beide. Ich meine, echt jetzt. Wir sind fix und fertig. (Zumindest für den Augenblick.) Und ich weiß, dass Luke nun andere Dinge im Kopf hat. Bisher habe ich es geschafft, ihn im Schlafzimmer zu halten. Ich habe uns das Frühstück ins Bett geholt, und er trinkt seine zweite Tasse Kaffee, während Minnie ein Stück Toast knabbert. Jeden Moment wird er auf seine Uhr sehen und sagen:
»Hast du mein Notebook gesehen?« Er blickt auf.
Ich wusste es.
»Hm ... hast du es verlegt?« Ich weiche ihm aus.
»Es muss hier irgendwo sein ... « Er schiebt das Hemd herum, das er gestern Abend auf den Boden geworfen hatte.
»Bestimmt.« Ich nicke weise. Ich habe es vorhin heimlich rausgeschafft und hinter den Flaschen im Putzmittelschrank in der Waschküche versteckt. Dann habe ich ein Bügelbrett und einen überquellenden Wäschekorb vor die Schranktür geschoben. Da findet er es nie im Leben.
»Ich muss mich bei Bonnie melden und ihr die Lage erklären ... « Zielstrebig sucht er im Zimmer herum. »Wo zum Teufel ist es? Ich habe es doch gestern Abend noch gehabt! Ich glaube, langsam werde ich dement. Kann ich deinen BlackBerry benutzen?«
»Der Akku ist alle«, lüge ich lammfromm. »Hab' vergessen, ihn aufzuladen.«
»Dann gehe ich an den Computer von deinen Eltern ... «
»Die haben ihr Passwort geändert«, sage ich hastig. »Da kommst du nicht rein. Noch Kaffee, Schatz?«
Das Telefon auf dem Nachtschränkchen klingelt, und ich gehe ran, so natürlich wie möglich.
»Hallo? Oh, es ist für dich, Luke!« Ich gebe mir Mühe, überrascht zu klingen. »Es ist Gary!«
»Hi, Gary.« Luke nimmt den Hörer. »Tut mir leid, mein BlackBerry ist kaputt ... « Er stutzt und glotzt das Telefon an. »was?«, sagt er schließlich. »Aber, Gary ... «
Sittsam nippe ich an meinem Kaffee, betrachte Luke und versuche, nicht zu lächeln. Endlich legt er auf. Er sieht erschüttert aus.
»Ach, du Schande!« Er sinkt in die Kissen. »Das war Gary. Ich glaube, er hat einen Nervenzusammenbruch.«
»Gibt's ja nicht!«, rufe ich theatralisch.
Der gute, alte Gary. Ich wusste doch, dass er mich nicht im Stich lässt.
»Er sagt, wir müssen uns dringend treffen, über die Firma reden, über sein Leben, wie er den Druck loswerden kann. Er klang absolut verzweifelt. Ausgerechnet Gary!« Luke sieht aus, als fehlten ihm die Worte. »Ich meine, er ist der letzte Mensch auf der Welt, von dem ich erwarten würde, dass er zusammenbricht. Er war immer so ausgeglichen. Er sagt, er kann London nicht mehr ertragen. Er will sich mit mir an irgendeinem abgelegenen Ort im New Forest treffen. Du meine Güte!«
Es ist das Ferienhaus, zu dem Gary immer mit seiner Familie fahrt. Da gibt es kein Handynetz, kein Internet und auch kein Fernsehen. Gary und ich hatten heute Morgen ein kleines Pläuschchen. Er meinte, er könnte die Sache mit dem Nervenzusammenbruch den Vormittag über durchhalten, und danach würde uns schon noch was einfallen.
»Du musst dich um Gary kümmern«, sage ich ernst. »Schließlich ist er deine rechte Hand. Ich finde, du solltest hinfahren und ihn anhören. Sonst macht er noch Dummheiten«, füge ich eilig hinzu, als Luke zu zögern scheint. »Das Risiko willst du doch nicht eingehen, oder? Ruf Bonnie an, und bitte sie, deine Termine zu verlegen.« Schon will Luke nach dem BlackBerry in seiner Tasche greifen, als ihm etwas einfällt. »Das kann ja wohl nicht wahr sein ...« Leise fluchend langt er nach dem Festnetztelefon. »Ich weiß nicht mal ihre Nummer.«
»Die ist.. .« Gerade noch rechtzeitig beiße ich mir auf die Zunge. Verdammt. Ich werde unvorsichtig. »Am besten lässt du dich von der Zentrale durchstellen«, sage ich eilig. »Hier!« Ich reiche ihm einen alten Notizblock von Brandon Communications, und mühsam tippt Luke die Nummer ein, mit finsterer Miene im Gesicht.
Ich muss mir direkt auf die Lippe beißen, um nicht zu grinsen. Er ist total gereizt.
»Hi, Maureen. Hier ist Luke. Könnten Sie mich zu Bonnie durchstellen?« Er nimmt einen Schluck Kaffee. »Bonnie. Gott sei Dank. Sie glauben nicht, was hier gerade los ist. Ich habe weder meinen BlackBerry noch mein Notebook, und eben kriege ich so einen merkwürdigen Anruf von Gary, und ich habe keine Ahnung, wie ich das alles unter einen Hut ... « Er stutzt, und ich sehe, wie sich sein Gesicht allmählich entspannt.
»Oh, ich danke Ihnen, Bonnie«, sagt er schließlich. »Das wäre großartig. Dann reden wir später. Haben Sie unsere Privatnummer? Okay. Und ... danke.« Er legt den Hörer auf und sieht mich an. »Bonnie lässt mir per Kurier ein neues Notebook bringen, während ich bei Gary bin. Wenn du es entgegennehmen würdest, könnte ich es auf dem Rückweg zum Büro hier abholen.«
»Was für eine großartige Idee!«, rufe ich, als wäre es mir neu und ich hätte nicht schon mindestens fünfzig E-Mails zu dem Thema hin und her geschickt. »Gut, dass Bonnie so tüchtig ist, nicht?«, kann ich mir nicht verkneifen.
Bonnie schickt uns ein präpariertes Notebook, das sich aufgrund eines, »Serverfehlers« nicht ins Internet einloggen kann. Die technische Abteilung hat außerdem Lukes E-Mail-Konto lahmgelegt und eine Attrappe eingerichtet. Diese will Bonnie mit so vielen E-Mails bestücken, dass er beschäftigt ist und keinen Verdacht schöpft -sonst aber nichts. Wir schneiden ihn mehr oder weniger von der virtuellen Zivilisation ab.
»Und sie besorgt mir einen Wagen, der mich zu Gary bringt. Er müsste in etwa zwanzig Minuten hier sein.« Stirnrunzelnd sieht sich Luke im Zimmer um. »Ich weiß genau, dass ich mein Notebook gestern Abend bei mir hatte. Ich weiß es genau.«
»Mach dir keine Gedanken um das Notebook«, sage ich tröstend wie zu einem psychotischen Patienten. »Was hältst du davon, wenn du Minnie anziehst?«
Mein BlackBerry meldet mir vibrierend einen Anruf, und sobald Luke außer Hörweite ist, greife ich ihn mir und gehe ran, ohne vorher einen Blick darauf geworfen zu haben.
»Hi, Bonnie?«
»Nein, hier ist Davina.«
Ich bin dermaßen mit meinen Gedanken bei den heutigen Ereignissen, dass ich eine Nanosekunde brauche, bis ich begreife, wer dran ist. »Davina?« Ich kann meine Überraschung nicht verbergen. »Hi! Wie geht es Ihnen?«
»Becky! Sie Ärmste! Das ist ja schrecklich!« Einen desorientierten Augenblick lang denke ich, sie meint, dass die Sache mit der Party fast herausgekommen wäre. Dann erst merke ich, wovon sie spricht.
»Ach, das.« Ich verziehe das Gesicht. »Ja, ich weiß.«
»Was ist denn passiert?«
Ich könnte echt darauf verzichten, die ganze Sache noch mal durchzugehen. Irgendwie hatte ich es geschafft, nicht mehr daran zu denken.
»Na ja, mein Chef hat das mit dem »Shop in Private Service rausgefunden.« Ich spreche ganz leise. »Und es hat ihm nicht gefallen. Also hat man meinen Arbeitsvertrag vorläufig ausgesetzt und eine Untersuchung des ganzen Vorfalls angekündigt.« Ehrlich gesagt waren die letzten paar Tage so hektisch, dass ich überhaupt nicht an diese Untersuchung gedacht habe.
»Aber Sie haben uns das Leben gerettet!« Leidenschaft spricht aus Davinas Stimme. »Wir sind uns alle einig, dass wir es uns nicht gefallen lassen. Wir haben uns gestern getroffen ein paar von Ihren Stammkundinnen. Jasmine hat die Nachricht verbreitet, und dann haben wir uns auf einer E-Mail-Liste eingetragen ... «
»Jasmine?« Ich kann nicht glauben, dass Jasmine die Truppen zusammengetrommelt hat.
»Wir werden es nicht zulassen! Wir werden etwas unternehmen. Und dieser Chef, den Sie da haben, wird sich noch wünschen, er hätte sich nie mit Ihnen angelegt.«
Sie ist so wütend, dass ich ganz gerührt bin. Von Jasmine auch. Obwohl, mal ehrlich: Was können die denn schon machen? Höchstens einen gemeinsamen Beschwerdebrief schreiben.
»Also ... danke, Davina. Ich bin Ihnen wirklich dankbar.«
»Ich halte Sie auf dem Laufenden. Aber eigentlich wollte ich fragen, ob ich irgendwas für Sie tun kann? Ich habe den ganzen Tag frei, und wenn Sie vielleicht reden möchten, wenn Sie etwas Aufheiterung brauchen ... «
Eine Woge der Dankbarkeit ergreift mich. Davina ist wirklich ein Schatz. »Danke, eigentlich nicht.« Es sei denn, Sie könnten irgendwie meinen Mann ablenken ...
Oh. Abrupt stehen meine Gedanken still. Davina ist doch Ärztin, oder? Also könnte sie vielleicht ... Nein. Darum kann ich sie nicht bitten. Das wäre doch ein allzu großer Gefallen. Aber es würde mir das Leben retten, und sie hat es mir angeboten ...
»Offen gesagt, gibt es da etwas, das mir wirklich helfen würde«, sage ich vorsichtig. »Aber der Gefallen wäre ziemlich groß ... «
»Alles! Sagen Sie es einfach!«
Davina ist einfach die Größte. Bis Luke wieder mit Minnie zurückkommt, steht der Plan fest. Davina und ich haben Bonnie jeweils eine SMS geschickt. Alles ist vereinbart. Hastig schiebe ich meinen BlackBerry unter die Decke und lächle Luke an, als -wie verabredet -das Telefon klingelt.
»Oh, hi, Bonnie!«, sage ich unschuldig. »Ja, Luke ist hier. Möchten Sie ihn sprechen?«
Ich reiche ihm den Hörer, und diesmal muss ich mir noch fester auf die Lippe beißen, als Lukes Gesicht lang und immer länger wird.
»Eine dringende medizinische Untersuchung?« wettert er schließlich.
Oh, Gott, ich darf nicht lachen. Ich darf nicht!
»Das ist doch nicht Ihr Ernst!«, ruft er. »Wie kann das so dringend sein, verdammt? Na, dann sagen Sie denen eben, ich kann nicht.« Ich sehe ihm an, wie er immer frustrierter wird. »Na, dann sagen Sie der Versicherung, die können mich mal. Na, dann ... «
Die gute Bonnie. Offenbar spielt sie ihre Rolle am anderen Ende absolut glaubwürdig.
»Das darf doch wohl nicht wahr sein!« Endlich knallt er den Hörer auf. »Offensichtlich muss ich heute Nachmittag eine ausführliche medizinische Untersuchung über mich ergehen lassen. Irgendein Versicherungsscheiß.«
»Das ist ja blöd!«, sage ich mitfühlend.
Davina hat versprochen, Luke die denkbar ausführlichste Untersuchung angedeihen zu lassen. Sie wird mindestens sechs Stunden dauern, er wird in einem Krankenhauskittel stecken und weder sein Notebook noch sein Handy benutzen können, und niemand kann Kontakt zu ihm aufnehmen.
»Dieser Tag ist absolut haarsträubend ... « Er fährt sich mit den Händen durch die Haare und sieht aus, als stünde er total unter Druck.
Luke ist es nicht gewohnt, dass sich etwas seiner Kontrolle entzieht. Fast täte er mir leid, wenn mir nicht derart zum Lachen zumute wäre.
»Ist doch nicht so schlimm.« Liebevoll drücke ich seine Hand. »Spiel einfach mit.« Ich werfe einen Blick auf meine Uhr. »Müsste der Wagen nicht jeden Moment da sein? Solltest du dich nicht bereit machen?«
Als Luke seine Jacke anzieht, summt eine SMS in meinem BlackBerry, und ich klicke sie heimlich an. Sie ist von Bonnie kurz und knapp.
Becky. Haben Sie YouTube gesehen?
Okay. Gerade wenn ich denke, dass absolut alles passiert ist, was passieren kann, kommt schon wieder was. Die Marketing-Abteilung von Foreland Investments hat ein Video gedreht, in dem alle Happy Birthday, Luke!, in die Kamera sagen, und sie haben es bei YouTube reingestellt, unter dem Titel »Happy Birthday, Luke Brandon!«
Ich bin hin und her gerissen, ob ich total gerührt sein oder total die Wände hochgehen soll. Ich meine: YouTube. Meine Güte, hätten sie nicht was weniger Diskretes machen können? Hätten sie es nicht erst morgen Abend reinstelIen können? Jedes Mal, wenn ich es anklicke, brauche ich ein paar Bachblüten-Notfalltropfen.
Bis zehn Uhr hat das Video schon 145 Klicks, wobei nicht mehr als zehn von mir sind. Bis elf Uhr -als Janice und Suze kommen -sind es schon 1.678, und ungläubig muss ich mitansehen, dass zwei weitere Videos gepostet wurden. Eins stammt von der Sacrum-Vermögensberatung, auf dem jemand auf einem Schreibtisch »Happy Birthday, Luke Brandon«, mit Büroklammern geschrieben hat. Das andere kommt von Wetherby's, und darauf singt die versammelte Marketing-Abteilung >Happy Birthday< in die Kamera.
»Das ist so cool!« Fassungslos starrt Suze mein Notebook an.
»Ich weiß.« Ich bin auch richtig stolz. Ich meine, alle diese Leute müssen Luke doch wirklich mögen, wenn sie sich die Mühe machen, ein Video für ihn zu drehen. Aber ich bin doch auch etwas nervös. »Was ist, wenn er es sieht?«
»Er wird es schon nicht sehen«, sagt Suze zuversichtlich. »Was soll er denn bei YouTube? Ich wette, er geht nie zu YouTube. Er hat viel zu viel zu tun. Nur Trauerklöße wie du und ich sind dauernd online.«
Gerade will ich einwenden, dass ich kein Trauerkloß bin, als es an der Tür klingelt und wir alle zusammenzucken. »Das wird er doch wohl nicht sein, oder?«, flüstert Janice stöhnend und schlägt eine Hand auf ihr Herz. Ehrlich. Janice übertreibt völlig. Ich habe meinen Kaffee fast gar nicht verschüttet.
»Natürlich nicht. Das sind bestimmt die Zeltleute.«
Aber sie sind es nicht. Es ist Danny. Er steht vor der Tür, in einem ramponierten Ledermantel, zerfetzten Jeans und silbernen Converse-Tretern, mit einem Haufen Kleiderbeuteln in Händen.
»Jemand ein Kostüm?«, sagt er mit unbewegter Miene. »Danny, du bist ein Schatz!« Ich greife mir die Tüten. »Ich kann gar nicht glauben, dass du es wirklich getan hast!«
Ich spähe in eine der Tüten und sehe Goldbrokat aufblitzen, mit glitzernder Spitze besetzt. Oh, mein Gott. Die sind perfekt!
»Ich musste es einfach tun. Meine Güte! Deine Schwiegermutter ist aber auch ein echter Stalin. Der schlimmste Chef, den ich je hatte.« Ängstlich sieht er sich um. »Sie ist doch nicht hier, oder?«
»Noch nicht«, sage ich beruhigend. »Aber Suze ist da. Sei vorsichtig. Sie ist immer noch sauer auf dich wegen dieser Sache mit den Fotos.«
»Oh.« Danny wird es unbehaglich, und er tritt einen Schritt zurück. »Suze hat einfach kein Gespür für Ästhetik. Du musst bedenken, dass sie im Grunde ihres Herzens kein kreativer Mensch ist ... «
»Ist sie wohl! Sie ist eine echte Künstlerin! Sieh dir ihre Bilderrahmen an!« »Stimmt auch wieder.« Danny versucht eine andere Strategie. »Na gut, okay, sie ist ein kreativer Mensch, aber sie hat überhaupt nicht begriffen, auf welchen Look ich aus war ...«
»Habe ich wohl!«, Suzes grimmige Stimme wird hinter mir laut. »Ich habe den Look« genau durchschaut! Tarkie hat sich von dir einwickeln lassen, Danny! Gib es zu!«
Schweigend sieht Danny sie einen Moment lang an. Er scheint seinen nächsten Schachzug zu bedenken. »Wenn ich es zugebe«, sagt er schließlich, »würdest du mir dann verzeihen, keine weiteren Fragen stellen und wieder so sein wie vorher?«
»Ich ...«, Suze zögert. »Also ... wahrscheinlich.«
»Okay, ich habe ihn bequatscht. Ich hab dich auch lieb.« Danny gibt ihr einen Kuss auf die Wange und marschiert an mir vorbei ins Haus. »Gibt es bei euch Kaffee? Janice!« Er begrüßt sie überschwänglich. »Meine Stilikone! Meine Muse! Was ist das nur wieder für eine zauberhafte Lippenstiftfarbe!«
»Er ist ... unmöglich!«
Suze sieht so böse aus, dass ich lachen möchte. Doch ein Geräusch von draußen lenkt mich ab. Ein großer Lastwagen biegt in Janices Auffahrt ein. Er piept beim Zurücksetzen, und ein Mann in Jeans weist ihn ein. Das muss das Festzelt sein!
Okay. Jetzt geht die Party richtig los.
Um vier Uhr nachmittags ist das Zelt in Janices Garten aufgestellt. Es ist noch nicht dekoriert, sieht aber trotzdem schon toll aus, so groß und bauschig. (Mein kleiner Pavillon steht auch schon auf der anderen Seite. Elinors Zeltleute haben mich endlos damit aufgezogen.) Ich muss dafür sorgen, dass Luke nichts sieht, aber wenn er heute Abend nach Hause kommt, ist es sowieso schon dunkel. Janice wollte, dass ich unsere Vorhänge zusammennähe, was ich dann doch ein bisschen übertrieben fand.
Gary konnte seinen Nervenzusammenbruch drei Stunden durchhalten, und jetzt ist Luke bei Davina und lässt sich in irgendeinem Kellerraum ihres Krankenhauses untersuchen. Gerade eben hat sie angerufen, um mich auf den neuesten Stand zu bringen.
»Ich habe ihn für eine Stunde aufs Laufband gestellt, um sein Herz zu prüfen. So richtig Spaß hat er nicht daran«, fügt sie fröhlich hinzu. »Wohin soll er denn von hier aus gehen«
»Ich ... weiß noch nicht genau«, muss ich zugeben. »Ich rufe Sie zurück.«
Den nächsten Teil meines Luke-Beschäftigungs-Programms habe ich noch nicht ausgearbeitet, und langsam mache ich mir Sorgen, besonders da es mittlerweile dreizehn »Happy Birthday, Luke Brandon«-Videos bei YouTube gibt. Den ganzen Tag ist Martin schon online und ruft ständig: »Da ist schon wieder ein neues!« Und dann hat jemand eine Website mit dem Namen happybirthdaylukebrandon.com eingerichtet, die alle miteinander verlinkt und die Leute auffordert, ihre lustigen/netten/ pikanten Geschichten über den »König der Meinungsmacher« zu posten, wie man Luke offenbar nennt.
Ich weiß bald nicht mehr, was ich dazu sagen soll. Wer macht das alles? Danny hat die Theorie geäußert, dass im Moment in der Londoner City kein Mensch mehr arbeitet und sich alle langweilen, sodass sie sich über jede kleine Abwechslung freuen.
»Nummer vierzehn ist gerade reingekommen«, ruft Martin von seinem Notebook herüber, als ich den Hörer auflege. »Irgendwelche Mädchen von Prestwick PR, die Happy Birthday (wie Marilyn Monroe singen) Nackt «, fügt er hinzu.
»Nackt?«Ich renne hinüber, mit Suze auf den Fersen.
Okay, also ... sie sind nicht völlig nackt. Die entscheidenden Stellen werden von Büropflanzen und Aktenordnern und einem Fotokopierer verdeckt. Aber ehrlich. Wissen die eigentlich nicht, dass Luke verheiratet ist? Besonders die eine mit den dunklen Locken und dem ausgeprägten Hüftschwung. Ich hoffe, die kommt nicht zur Party.
»Was hast du denn mit Luke als Nächstes vor?«, sagt Suze, die mein Gespräch mit Davina gehört hat. »Ich meine, er kann ja nicht den ganzen Tag untersucht werden, oder? Der tobt inzwischen doch bestimmt.«
»Ich weiß.« Ich beiße mir auf die Lippe. »Ich dachte, ich bitte Bonnie, ihm unendlich viele Mails zu schicken. Und stapelweise Akten, die er alle sofort lesen muss.«
»Und morgen?«, meint Suze.
»Weiß nicht. Vielleicht noch mehr Akten.«
Suze schüttelt den Kopf. »Du brauchst was Größeres. Womit könntest du garantiert seine Aufmerksamkeit erregen? Bei Tarkie wüsste ich sofort, was ich sagen würde. Ich würde sagen, die Historische Gesellschaft hat angerufen, weil sie Beweise haben, dass Ur-ur-ur-Onkel Albert die Kanone doch nicht selbst abgefeuert hat. Er würde auf der Stelle alles stehen und liegen lassen.«
»Wow« Voller Bewunderung starre ich Suze an. »Das ist echt speziell. Wer war Ur-ur-ur-Onkel Albert?« Suze verzieht das Gesicht. »Es ist eher langweilig. Willst du es wirklich wissen?«
Hm. Vielleicht lieber nicht.
»Entscheidend ist, dass ich weiß, womit ich Tarkie ablenken kann«, sagt Suze. »Du kennst Luke doch. Also, was wäre das bei ihm?«
»Ein Problem bei der Arbeit«, sage ich nach kurzer Überlegung. »Was anderes fällt mir nicht ein. Er ist immer gleich zur Stelle, wenn ein großer Kunde Schwierigkeiten hat.«
»Und könntest du so ein Problem erfinden?« »Vielleicht.« Spontan greife ich nach meinem Handy und rufe Bonnie an.
»Hey, Bonnie. Ich brauche Hilfe, um Luke noch weiter abzulenken. Man kann seinem Geburtstag ja gar nicht mehr entgehen. Haben Sie noch mal bei YouTube reingesehen.«
»Ach, Becky«, sagt Bonnie betrübt. ,)Ich fühle mich so schuldig. Hätte ich doch diese E-Mail nur nie abgeschickt.. .«
»Machen Sie sich darum jetzt keine Gedanken«, sage ich eilig. »Vielleicht können wir den Umstand sogar nutzen, dass alle Bescheid wissen. Könnten Sie seinen Klienten in einer Rundmail sagen, dass wir ihn bis morgen Abend ablenken müssen, und sie bitten, sich irgendein Problem auszudenken, mit dem er beschäftigt wäre?“
»Was für ein Problem denn?«, sagt Bonnie zweifelnd.
»Ich weiß nicht! Sie könnten so tun, als würden sie pleitegehen, oder einen Sexskandal erfinden ... irgendwas! Nur um ihn ein paar Stunden auf Trab zu halten. Sagen Sie denen, jeder, der irgendeine Idee hat, soll Sie anrufen, und Sie können die Ideen dann koordinieren.“
Einer seiner Klienten wird sich schon was Schlaues überlegen. Ich meine, wenn sie Videos drehen können, dann können sie sich ja wohl auch eine kleine Krise einfallen lassen, oder?
Schon wieder klingelt mein Telefon, und diesmal sehe ich mir die Nummer vorher an, kenne sie aber nicht.
»Hallo?“
»Rebecca?“, tönt eine fröhliche Stimme.
»Ja«, antworte ich vorsichtig. »Wer ist da?“
»Eric Foreman von der Daily World. Sie erinnern sich an mich?“
»Eric!«, rufe ich freudig aus. »Wie geht es dir?“
Eric ist Journalist bei der Daily World, und ich kannte ihn schon, als er noch Finanzjournalist war. Manchmal habe ich sogar was für ihn geschrieben, aber irgendwann habe ich es aufgegeben, und wir haben uns aus den Augen verloren. Wieso hat er mich aufgestöbert?
».Mir geht es blendend, meine Hübsche. Ich stelle gerade einen Artikel über den Geburtstag deines Mannes für den Lokalteil zusammen und wollte dich um ein Zitat bitten. Oder besser noch, ihn selbst. Ist er da?“
»Was?« Sprachlos starre ich mein Handy an. »Wieso schreibst du über seinen Geburtstag?“
»Machst du Witze? So ein erstklassiger Klatsch und Tratsch? Hast du YouTube gesehen? Hast du gesehen, wie viele Klicks er hat?“
»Ich weiß«, sage ich verzweifelt. »Aber das war so nicht geplant. Es sollte doch ein Geheimnis bleiben!«
Erics brüllendes Gelächter macht mich fast taub. »Ist das dein Zitat?«, sagt er. »Es sollte doch ein Geheimnis bleiben? »Ich habe heute schon acht E-Mails deshalb bekommen. Ich dachte, du hättest die Kampagne selbst angeschoben, meine Liebe!«
»Nein! Ich will, dass es aufhört!«
Wieder brüllt er vor Lachen. »Da ist jetzt nichts mehr zu wollen. Alle wissen davon. Sogar Leute, die ihn gar nicht kennen, geben es weiter. Wusstest du, dass das Marketing-Team von Atlas Fund Management nach Kent in Klausur gegangen ist? Die haben Happy Birthday, Luke mit ihren Autos auf dem Parkplatz geschrieben. Hab gerade das Foto bekommen. Ich werde es morgen drucken, sofern ich nicht noch was Besseres finde.«
»Nein!« Ich schreie fast vor Entsetzen. »Das darfst du nicht! Es soll doch eine Überraschungsparty für Luke sein! Was bedeutet, dass er überrascht sein soll!« Mit wird ganz heiß vor Frust. Will das denn niemand begreifen?
»Ach, das wird ja immer besser. Er hat also keine Ahnung, ja?«
»Nein!«
»Und die Party ist morgen Abend?«
»Ja«, sage ich wie ferngesteuert, dann verfluche ich mich. Eric mag ein Freund sein, aber vor allem ist er Journalist bei der Regenbogenpresse.
»Dann pass mal auf, dass er keine Daily World in die Finger bekommt.« Eric lacht. »Das wird mein Aufmacher. London kann eine kleine Aufheiterung gebrauchen, nach allem, was in letzter Zeit so los gewesen ist. Du, junges Fräulein, hast der Stadt einen Anlass gegeben, sich ein bisschen zu amüsieren. Das will ich niemandem nehmen. Unser Reportagechef wird sich bestimmt auch noch bei dir melden. «
»Aber ... «
»Und wir werden nicht die Einzigen sein. Du solltest deinen Liebsten also besser von der Presse fernhalten.«
»Nein! Das darfst du nicht!«
Aber er hat aufgelegt. Sprachlos starre ich mein Handy an. Das kann nicht wahr sein. Meine ultrageheime Überraschungsparty, von der kein Mensch was wissen sollte... steht morgen in der Zeitung?
Abends habe ich die Lage gerade noch so im Griff, obwohl es inzwischen 23 YouTube-Glückwünsche gibt und Eric schon einen Artikel über Lukes Party auf der Online-Seite der Daily World veröffentlicht hat. Ich habe eine verzweifelte E-Mail an alle Partygäste und Kunden von Brandon Communications geschickt, ihnen mitgeteilt, dass die Party nach wie vor eine Überraschung werden soll, und sie gebeten, dass sie bitte, bitte keinen Kontakt zu Luke aufnehmen.
Bonnie hat per Kurier einen Riesenstapel Akten vorbeigeschickt, der Luke ablenken soll, und ein paar freundliche Klienten haben eingewilligt, ihn morgen mit diversen erfundenen Problemen einzudecken. Leider klingt nichts davon sonderlich überzeugend. Ehrlich gesagt, stehe ich voll unter Strom. Wir haben noch eine ganze Nacht und einen Tag bis zur Party, und die ganze Welt weiß Bescheid, und nebenan flattert ein Riesenfestzelt im Garten. Ich meine, wie soll ich es nur geheim halten?
»Keine Sorge. Jetzt dauert es nicht mehr lange.« Suze gibt mir einen Kuss, hat Mantel und Schal schon an. »Ich muss los. Wir sehen uns morgen, wenn der große Tag gekommen ist!«
»Suze!«, Ich nehme sie bei den Händen. »Ich danke dir. Ich weiß überhaupt nicht, was ich ohne dich gemacht hätte, und ohne Tarkie und ... alles.«
»Sei nicht albern. Es war lustig! Außerdem hat Elinor die meiste Arbeit gemacht. Und, Bex ...« Plötzlich wird sie ernster. »Es wird Luke von den Socken hauen. Ganz bestimmt.«
»Glaubst du wirklich?«, »Ich weiß es. Es wird sensationell.« Sie drückt meine Hände. »Ich muss los, sonst sieht er mich noch.«
Als die Haustür ins Schloss fällt, klingelt mein Handy schon wieder, und ich werfe einen müden Blick darauf. Ich war heute so lange am Telefon, dass meine Stimmbänder gelitten haben. Endlich bringe ich die Energie auf ranzugehen. Ich kenne die Nummer nicht, was mich nicht überrascht .
»Hallo? Hier ist Becky.«
»Becky?«, höre ich eine sanfte, weibliche Stimme. »Sie kennen mich nicht. Mein Name ist Sage Seymour.«
Bitte?
Ein gewaltiger Adrenalinstoß schwappt durch mich hindurch, wie drei Dosen Red Bull und ein Olympiasieg auf einmal. Ich spreche mit Sage Seymour? Sie weiß, wie ich heiße?
Sage Seymour sitzt irgendwo mit einem Handy in der Hand und spricht mit mir. Ich frage mich, was sie wohl anhat. Ich meine, nicht dass ich jetzt pervers wäre. Ich meine eher ...
Komm schon, Becky. Sag was .
»Oh. Oh, hi.« Verzweifelt versuche ich, cool zu klingen, aber meine blöde Stimme ist drei Oktaven hochgerutscht. »Äh, hi! Hi!« Anscheinend komme ich nicht über das Wort »hi« hinaus . Ich habe Ihren Mann engagiert, damit er die PR für mich macht«, sagt sie, und ihr singender Tonfall klingt total vertraut. »Aber das wissen Sie wahrscheinlich.«
Meine Gedanken überschlagen sich. Weiß ich es? Ich meine natürlich: »offiziell« Wenn ich sage, dass Luke mir nichts davon erzählt hat, klingt das komisch? Als wäre es ihm nicht wichtig oder er spräche nicht mit seiner Frau?
»Wie aufregend!« Ich schlucke. »Ich bin ein Riesenfan.« Ich könnte mich erschießen. Ich klinge so was von lahm.
»Es war etwas >ungewöhnlich<. Aber wissen Sie, ich hatte genug von diesen Hollywood-Schwätzern. Ihr Mann hatte in zehn Minuten mehr vernünftige Ideen als jeder Einzelne von diesen Quatschköpfen.«
Mir wird ganz warm vor Stolz. Ich wusste, dass Luke gute Arbeit leistet.
»Also, ich habe von Ihrer Party gehört«, sagt Sage. »Klingt nach 'ner ziemlich großen Geschichte.«
Ja, aber ... woher weiß sie ...
»J-ja«, stottere ich. »Ich meine ... ziemlich groß ...«
»Ich war bei YouTube. Eindrucksvolle Glückwünsche. Dann hat mein Assistent die E-Mail von Bonnie bekommen. Sie müssen Luke ablenken, stimmt's?« »Ja! Übers Internet ist alles rausgekommen, und dabei sollte es doch eine Überraschung werden und ...«
»Wie wäre es, wenn ich ihn für Sie mit Beschlag belege?«, sagt Sage ganz ruhig. »Ich könnte ihn auffordern, ans Set zu kommen. Die Diva raushängen lassen. Ich kann eine ziemlich gute Show hinlegen. Wenn er erst mal am Set ist, kümmern wir uns um ihn. Führen ihn herum, beschäftigen ihn, bis Sie ihn brauchen. Dann setzen wir ihn in einen Wagen.«
»Wow.« Ich schlucke. »Das wäre allerdings der Hammer.«
Ich bin so was von neidisch. Ich möchte zum Filmset. Ich möchte herumgeführt werden. Verzweifelt suche ich nach einem überzeugenden Grund, wieso ich mitkommen sollte, als sie hinzufügt: »Sie waren früher mal im Fernsehen, oder? Morning Coffee?«
»Ja!«, sage ich erstaunt.
»Ich habe Sie oft gesehen, wenn ich frei hatte. Sie waren lustig.«
« Oh ... danke!«, Ich schlucke.
»Wir sollten uns bei Gelegenheit mal auf einen Drink verabreden.«
Es ist völlig verrückt. Ich halte mein Handy fest und frage mich, ob ich das eben geträumt habe. Sage Seymour hat vorgeschlagen, dass wir was zusammen trinken gehen? Ein weltberühmter, Oscar-gekrönter Filmstar hat vorgeschlagen, dass wir uns auf einen Drink verabreden? Mein Leben lang habe ich mir diesen Moment vorgestellt. Ich hatte immer das Gefühl, es würde so kommen. Habe ich es nicht gesagt? Habe ich nicht immer schon gewusst, dass ich dafür gemacht bin, mich unter die Filmstars zu mischen?
Vielleicht werden wir noch richtig gute Freundinnen!
Vielleicht werde ich ihre Brautjungfer. Also, falls sie heiratet oder so. Ich müsste ja nicht die eine sein, die gleich neben ihr steht. Ich könnte auch die dritte von links sein.
»Das wäre ... toll«, bringe ich irgendwie hervor. »Okay. Also, keine Sorge wegen Luke. Wird schon werden. Und viel Glück morgen! Bye, Becky.«
Und schon ist sie wieder weg. Fieberhaft speichere ich ihre Nummer in meinem Handy. Sage Seymour. In meinem Adressbuch. Als wären wir befreundet.
Oh, mein Gott, das ist so cool!
Eilig schicke ich Gary und Bonnie eine Nachricht -Gute Neuigkeiten! Sage Seymour sagt, sie will sich morgen bis zur Party um Luke kümmern -, als ich Lukes Schlüssel in der Haustür klappern höre. Ich werfe mein Handy weg und schnappe mir eine Zeitschrift.
Okay. Benimm dich unauffällig. Ich habe nicht eben gerade mit meiner neuen besten Freundin Sage Seymour geplaudert.
»Hi!« sage ich und blicke auf. »Alles klar? Wie geht's Gary?«
»Was weiß ich ... « Luke schüttelt den Kopf. »Er redet wirres Zeug. Ich habe ihm gesagt, er braucht Urlaub.« Er verzieht das Gesicht, als er seinen Mantel ablegt. »Verdammt noch mal. Mein Arm. Ich habe fünftausend Spritzen gekriegt.«
»Ach du Armer!«, sage ich mitfühlend. »Die waren bestimmt nötig. Schließlich geht es um deine Gesundheit ...«
»So eine Untersuchung habe ich noch nie erlebt. Diese Ärztin hat mich eine Stunde rennen lassen.« Er sieht aus, als könnte er es nicht fassen. »Und ich musste sechs Fragebögen ausfüllen, die sich alle wiederholten. Ich weiß nicht, wer sich so was ausdenkt. Das sind komplette Vollidioten.«
Davina hat mir vorhin erzählt, Luke sei der pampigste Patient, den sie je hatte, und er habe ihr einen Vortrag darüber gehalten, was für eine Zeitverschwendung ihre Untersuchung sei. Was man ihm wohl nicht verdenken kann angesichts der Tatsache, dass sie sich vier Stunden länger hinzog als normal.
»Du Ärmster.« Ich verkneife mir mein Lachen. »Tja, leider ist ein ganzer Stapel Akten für dich gekommen, den du dringend durcharbeiten musst ... «
Für den Fall, dass du dachtest, du könntest mir kurz entkommen.
Ich schleppe die Kiste heran, die Bonnie heute Nachmittag per Kurier geschickt hat, randvoll mit Verträgen und Korrespondenz. Damit müsste er vorerst beschäftigt sein.
»Lass mich erst mal ins Netz.« Luke richtet sich auf. »Ist das mein neues Notebook? Ausgezeichnet.«
Leise Panik prickelt auf meiner Haut, als er es aus dem Karton holt. Obwohl ich weiß, dass nichts passieren kann. Sie haben es mir versprochen. Und tatsächlich -bald darauf flucht Luke schon wieder.
»Das Scheißding kommt nicht ins Internet!« Er tippt ein paar Mal darauf ein. »Was ist mit diesem verdammten Server los?«
»Ach, du je«, sage ich unschuldig. »Na ja, vielleicht solltest du dich erst mal mit den Akten befassen, hm? Um dein Notebook kannst du dich auch morgen kümmern. Hast du was gegessen? Möchtest du etwas Risotto? Janice hat uns was rübergebracht.«
Ich bin gerade dabei, das Risotto in der Küche aufzuwärmen, als ich Lukes Handy klingeln höre. »Luke Brandon.« Ich kann ihn kaum hören, als er sagt: »Oh, Sage! Hallo, Moment mal eben ... «
Die Wohnzimmertür ist zu. Mist.
Ich zögere einen Moment, dann schleiche ich auf Zehenspitzen den Flur entlang und drücke mein Ohr an die Tür.
»Oh. Tut mir leid, das zu hören«, sagt Luke gerade. »Selbstverständlich genießen Sie bei uns absolute Priorität. Sage ... hören Sie, Sage ... aber das sagt doch niemand ... «
Ja! Sie legt offensichtlich eine brillante Show hin. Wie zu erwarten. Sie ist eben Schauspielerin. »Aber natürlich kann ich ... acht Uhr morgens? In Pinewood. Okay, gut. Bis dann.« Im Wohnzimmer ist alles still, und ich überlege schon, ob ich wieder wegschleichen soll, als ich seine Stimme höre.
»Bonnie? Hier ist Luke. Ich hatte eben Sage Seymour am Telefon. Ich fürchte, sie hat alle Vorurteile bestätigt, die ich je hatte. Ein Alptraum, diese Frau. Sie besteht darauf, dass ich gleich morgen früh zu ihren Dreharbeiten komme.« Er schweigt. »Ich weiß nicht wieso! Es kam aus heiterem Himmel! Sie hat irgendwelchen Quatsch von Presseverlautbarungen und Strategien geredet. Die denkt, alles dreht sich immer nur um sie. Sie hat eine Wahnsinnsangst, dass wir uns nicht genug um sie kümmern ... Na gut, ich rufe Sie an, sobald ich auf dem Weg ins Büro bin.« Er spricht leiser, sodass ich mein Ohr noch fester an die Tür pressen muss, um ihn zu verstehen. »Gott sei Dank habe ich Becky nichts erzählt. Irgendwie hatte ich mir schon gedacht, dass ich lieber warten sollte, bis ich sicher sein konnte, wie es sich entwickelt ...« Er stockt. »Nein! Natürlich habe ich Becky davon noch nichts gesagt. Es ist nur eine Möglichkeit. Darum kümmern wir uns, wenn es so weit ist.«
Ich spitze die Ohren. Welche Möglichkeit? Worum kümmern?
»Wir sehen uns morgen, Bonnie. Vielen Dank erst mal.«
Scheiße. Er kommt. Ich wetze in die Küche zurück, wo das Risotto natürlich angebrannt ist. Hastig rühre ich das Verkohlte unter den Rest, als Luke hereinkommt. »Ich muss morgen übrigens früh raus«, sagt er zugeknöpft. »Ich treffe mich mit einem Klienten.«
»Komm, iss was.« Ich stelle einen Teller vor ihn hin, wie eine perfekte, ahnungslose Ehefrau. »GroßerTag morgen. Du weißt, dass du Geburtstag hast, oder?«
»Scheiße. Du hast recht.« Kurz zuckt blanke Panik über seine Miene. »Becky, du hast doch hoffentlich nichts geplant, oder? Du weißt, dass wir diese große Schulung haben? Die geht bis in den Abend. Ich weiß nicht, wann ich wieder da bin ... «
»Natürlich.« Ich schaffe es, locker zu klingen. »Keine Sorge! Wir machen Samstag irgendwas Schönes.«
Oh, Gott. Ich schaff es nicht. Mein Mund zuckt vor leiser Hysterie, und ich fühle mich, als schwebten Seifenblasen über meinem Kopf.
Draußen vor dem Fenster steht ein Zelt! Morgen ist die große Party! Alle wissen Bescheid, nur du nicht!
Ich kann gar nicht glauben, dass er nichts ahnt. Ich kann nicht glauben, dass ich es so lange geheim halten konnte. Mir ist, als hinge nur ein hauchdünner Vorhang vor meinen Gedanken, und jeden Moment würde er ihn beiseiteschieben und alles sehen.
»Becky ... « Luke mustert mich stirnrunzelnd. »Ist irgendwas los? Liegt dir etwas auf der Seele?«
»Was?« Ich zucke zusammen. »Nein! Nichts! Sei nicht albern« Ich greife mir mein Weinglas, nehme einen Schluck, dann strahle ich Luke so überzeugend an, wie es mir möglich ist. »Nichts ist los. Alles ist gut.«
Reiß dich zusammen, Becky. Reiß dich einfach zusammen. Keine vierundzwanzig Stunden mehr.
Leute, die aber die Party Bescheid wissen
Leute, die über die Party Bescheid wissen
Ich
Suze
Tarquin
Danny
Jess
Tom.
Mum
Dad
Jaice
Martin
Bonnie
Diese drei Frauen die am Nebentisch gelauscht haben
Gary
Janices Klempner
Rupert und Harry bei The Service
Vertriebschefs von Bollinger, Dom Perignon, Bacardi, Veuve Cliqnot, Party Time
Beverages, Jacob´s Creek, Kentish English Sparkling Wine
Cliff
Maniküre (ich war so gestresst, dass ich mit irgendwem sprechen musste und sie hat versprochen, nichts auszuplaudern)
165 geladene Gäste (ohne die Leute von Brandon C)
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Elinor
Kellner im Ritz (hat bestimmt gelauscht)
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Partyservice (wie viele wissen wirklich was? Vielleicht einer oder zwei)
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1,8 Millionen Leser der Daily World
Insgesamt = 1.909.209.000
Okay. Keine Panik. Solange sie es alle bis morgen für sich behalten.