39294.fb2 Onkel Toms H?tte - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 26

Onkel Toms H?tte - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 26

26. Kapitel»Dies ist das Letzte auf Erden«

Figuren und Bilder in Evas Zimmer wurden mit weißen Tüchern verhangen, man vernahm nur leises Atmen und behutsame Schritte, auch das Licht drang nur noch verstohlen durch die halb verdunkelten Fenster.

Das Bett war weiß umhangen, und dort unter der geneigten Engelsfigur lag die kleine Gestalt — wie im Schlaf, um niemals wieder zu erwachen.

Dort lag sie in einem der schlichten, weißen Kleidchen, die sie im Leben so gern getragen; das rosenfarbene Licht der Vorhänge hauchte einen warmen Schein über die eisige Kälte des Todes. Die schweren Wimpern lagen sanft auf der reinen Wange; das Haupt war, wie schlafend, ein wenig zur Seite geneigt; über jeder Linie des Antlitzes aber lag der hohe, himmlische Ausdruck, in dem sich Ruhe und Verzückung mischten. Es war nicht der irdische oder zeitliche Schlaf, sondern die lange, heilige Ruhe, >die er gibt denen, die er liebt<.

Kein Tod ist wie der deine, kleine Eva! Bei dir hat er weder Düsternis noch Schatten; du bist so hell vergangen wie der Morgenstern, wenn er im hellen Glanz des Morgens verblaßt.

Das waren St. Clares Gedanken, als er mit verschränkten Armen vor der Toten stand und sie betrachtete. Aber wer will sagen, was er dachte? Denn seit der Stunde, als Stimmen in der Totenkammer die Worte gesprochen: »Sie ist hinüber«, war ihm alles im trüben Nebel, in der Düsternis des Schmerzes untergegangen. Er hatte wohl Stimmen um sich gehört, hatte Fragen vernommen und beantwortet; sie hatten ihn nach der Beerdigung gefragt, wo man sie zur letzten Ruhe betten sollte, und er hatte ungeduldig geantwortet, ihm sei es gleich.

Adolf und Rosa hatten das Zimmer ausgeschmückt; flatterhaft, eitel und kindisch, wie sie im allgemeinen waren, zeigten sie jetzt ein warmes Herz und Gefühl; und während Miß Ophelia über den Einzelheiten der sauberen Anordnung wachte, waren es ihre Hände, die dem ganzen die zarte, poetische Note gaben und dem Totenzimmer seinen kargen, unerbittlichen Charakter nahmen.

Noch immer standen Blumen auf den Gesimsen, zart und duftend, mit anmutigen, hängenden Blättern. Evas kleiner, weiß gedeckter Tisch trug ihre Lieblingsvase mit einer einzigen weißen Moosrosenknospe darin. Die Anordnung der Falten, die Raffung der Vorhänge hatten Adolf und Rosa mit dem geübten Blick ihres gefälligen Auges, das ihre Rasse auszeichnet, wieder und wieder ausprobiert. Selbst jetzt noch, als St. Clare dastand und seinen Gedanken nachhing, huschte die junge Rosa leise herein. Sie trat zurück, als sie St. Clare erblickte, und blieb respektvoll stehen; aber als sie sah, daß er sie gar nicht bemerkte, kam sie heran und ordnete mit leiser Hand die Blumen um die Tote. St. Clare sah wie im Traum, daß sie einen schönen Jasminzweig in die kleinen Hände schob und die übrigen auf dem Bett verteilte.

Wieder öffnete sich die Tür, und mit rot verweinten Augen erschien Topsy, etwas unter der Schürze verborgen haltend. Rosa machte ihr ein rasches abwehrendes Zeichen; aber sie trat einen Schritt näher.

»Du mußt hinaus«, sagte Rosa in scharfem Flüsterton; »du hast hier nichts zu suchen!«

»Oh, laß mich doch! Ich hab auch eine Blume — so eine schöne!« sagte Topsy und zog eine halberblühte Teerose hervor. »Laß mich nur diese eine hinlegen!«

»Scher dich weg!« sagte Rosa kurz angebunden.

»Laß sie hier!« sagte St. Clare plötzlich, mit dem Fuß aufstampfend. »Sie soll herkommen!«

Rosa fuhr erschrocken zurück, und Topsy trat heran und legte der Toten ihr Angebinde zu Füßen; dann, mit einem wilden verzweifelten Aufschrei, warf sie sich neben dem Lager zu Boden und weinte und klagte laut.

Miß Ophelia eilte ins Zimmer und versuchte, sie aufzurichten und zu beschwichtigen; aber vergeblich.

»Oh, Fräulein Eva, wenn ich doch auch tot wäre!«

Eine herzzerreißende Wildheit lag in diesem Schrei; St. Clares weiße, marmorgleiche Züge röteten sich, und seit Evas Tod stiegen ihm die ersten Tränen in die Augen.

»Steh auf, Kind«, sagte Miß Ophelia mit sanfter Stimme; »weine nicht so sehr. Fräulein Eva ist im Himmel; sie ist jetzt ein Engel!«

»Aber ich kann sie nicht sehen!« klagte Topsy. »Niemals seh' ich sie wieder!«, und sie brach in neues Schluchzen aus.

Alle standen und schwiegen.

»Sie hat gesagt, sie hat mich lieb«, sagte Topsy. — »Bestimmt, das hat sie! O Gott! Jetzt ist keiner mehr da — nicht einer!«

»Das ist wohl wahr«, sagte St. Clare; »aber versuche doch«, wandte er sich an seine Kusine, »das arme Geschöpf ein wenig zu trösten.«

»Ich wollte, ich wäre nie geboren«, sagte Topsy. — »Oh, wozu bin ich auf der Welt?«

Miß Ophelia hob sie sanft und bestimmt auf und führte sie hinaus aus dem Zimmer, wobei ihr die Tränen herunterrannen.

»Topsy, mein armes Kind«, sagte sie und nahm sie mit in ihr Zimmer, »gib die Hoffnung nicht auf! Ich kann dich liebhaben, wenn ich auch nicht so bin wie das kleine liebe Mädchen. Aber ich hoffe, ich habe von ihr doch ein bißchen Christenliebe gelernt. Ich kann dich liebhaben; und ich will dir helfen, ein gutes Christenmädchen zu werden.«

Mehr noch als ihre Worte drückte Miß Ophelias Stimme aus, und mehr als diese redeten die ehrlichen Tränen, die über ihr Gesicht rannen. Seit dieser Stunde hatte sie über das verlorene Kind einen Einfluß gewonnen, den sie nie wieder verlor.

»Oh, meine Eva, wieviel Gutes hast du in deinem kurzen Leben gestiftet!« dachte St. Clare, »welche Bilanz kann ich von meinen langen Jahren aufstellen?«

Eine Weile hörte man im Zimmer leises Flüstern und Scharren der Füße von allen denen, die sich einer nach dem andern heimlich hereinstahlen, um noch einen Blick auf die Tote zu werfen; nun kam der kleine Sarg, und dann folgte das Begräbnis.

St. Clare lebte, ging umher, bewegte sich wie einer, der alle seine Tränen vergossen.

Maries Zimmer wurde verdunkelt, sie lag auf dem Bett, schluchzend und klagend in unbeherrschtem Schmerz, die Aufmerksamkeit des gesamten Personals in Anspruch nehmend. Ihnen ließ sie keine Zeit für Trauer — wozu auch? Dieser Schmerz, und sie war völlig überzeugt, daß niemand auf Erden jemals einen solchen Kummer erlebt hatte.

»St. Clare hat nicht eine Träne vergossen«, sagte sie, »er hatte ihr keine Teilnahme bewiesen; es ist einfach nicht zu verstehen, wenn man bedenkt, wie hartherzig und gefühllos er war, wo er doch wissen mußte, wie sehr sie litt.«

So sehr sind Menschen von Auge und Ohr abhängig, daß viele Dienstboten ernstlich glaubten, die Herrin sei die Hauptleidtragende, besonders als Marie in hysterische Krämpfe fiel, den Doktor holen ließ und erklärte, sie müsse sterben; das Laufen und Herumjagen, das Herrichten von Wärmeflaschen, das Wärmen heißer Tücher, das einsetzende Treiben und Hasten brachte eine willkommene Zerstreuung.

Tom jedoch trieb es in die Nähe seines Herrn. Er folgte ihm wehmütig und traurig auf Schritt und Tritt, und wenn er ihn so blaß und still in Evas Zimmer sitzen sah, die kleine Bibel aufgeschlagen in der Hand, obwohl er weder Wort noch Buchstaben wahrnahm, so lag für Tom mehr Trauer in diesen stillen, tränenlosen Augen als in allen Klagen und Schmerzensausbrüchen Maries.

In wenigen Tagen war der Haushalt St. Clares in die Stadt zurückgekehrt, Augustin hatte in der Rastlosigkeit seines Schmerzes nach einer neuen Umgebung verlangt, um seinen Gedanken eine andere Richtung zu geben. Also verließ man Haus und Garten und kehrte nach New Orleans zurück. St. Clare, bestrebt, die Leere seines Herzens mit der Hast und dem Getriebe der Stadt zu übertäuben, durcheilte geschäftig die Straßen; die Leute, die ihn unterwegs oder im Cafe trafen, erkannten seinen Verlust nur am Trauerflor seines Hutes, im übrigen lächelte er, redete, las die Zeitungen, verfolgte die Politik, erledigte Geschäfte. Wer vermochte zu sagen, daß diese lächelnde Aufmerksamkeit sich nur als hohle Schale über einem Herzen wölbte, in welchem es grabesstill und düster aussah?

»St. Clare ist höchst merkwürdig«, sagte Marie in anklagendem Ton zu Miß Ophelia. »Ich habe immer gedacht, wenn er irgend jemand in der Welt liebte, wäre es unsere kleine Eva; aber jetzt scheint er sie sehr schnell zu vergessen. Er hat auch für mich nicht ein Wort der Teilnahme gehabt und sollte doch wissen, daß eine Mutter viel mehr Gefühl hat als jeder Mann.«

»Jedes Herz kennt seine eigene Bitternis«, sagte Miß Ophelia mit Nachdruck.

»Das meine ich ja. Ich kenne meine Gefühle — aber niemand begreift das. Nur Eva, und sie ist dahin!« Schluchzend legte sich Marie zurück und wollte sich nicht trösten lassen.

Sie gehörte zu den Unglücklichen, in deren Augen alles Verlorene und Vergangene einen Wert annimmt, den es, während sie es besaßen, niemals gehabt hatte. Was immer sie besaß, sie fand an jedem etwas auszusetzen; war es dann verschwunden, stieg es zu ungeahnter Bedeutung auf.

Während diese Unterhaltung im Wohnzimmer vor sich ging, entspann sich eine andere in St. Clares Bibliothek. Tom, der seinem Herrn unaufhörlich unruhig folgte, hatte ihn vor einigen Stunden in die Bibliothek gehen sehen; nachdem er vergeblich auf sein Erscheinen gewartet, beschloß er endlich, ihm nachzugehen. Da lag St. Clare auf seinem Liegestuhl in der entferntesten Ecke des Raumes. Er lag auf dem Gesicht, nicht weit davon lag aufgeschlagen Evas Bibel. Tom ging hin und blieb neben dem Liegestuhl stehen. Er zögerte, und während er noch zögerte, richtete sich St. Clare plötzlich auf. Da sah er den treuen Burschen, dessen ehrliches, bekümmertes Gesicht mit dem flehenden Ausdruck von Zuneigung und Teilnahme ihn mit einemmal rührte. Er ergriff Toms Hand und preßte sie an seine Stirn.

»O Tom, alter Junge, die ganze Welt erscheint mir so leer.«

»Ich weiß, Herr, ich kenne das«, sagte Tom. »Als ich verkauft und von Weib und Kindern getrennt wurde, war ich fast gebrochen. Nichts war mir übriggeblieben, aber da hat der Heiland mir beigestanden und gesagt: >Fürchte dich nicht, Tom!< Licht und Freude hat er mir armem Kerl gebracht, und alles wurde voller Frieden.«

Tom hatte stockend mit tränenerstickter Stimme gesprochen. St. Clare legte seinen Kopf an Toms Schulter und preßte die harte, treue schwarze Hand.