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41. KapitelEine wahre Gespenstergeschichte

Nicht ohne Grund liefen zu dieser Zeit unter Legrees Hauspersonal Gespenstergeschichten um.

Flüsternd teilte man sich mit, daß in der Totenstille der Nacht Schritte auf der Treppe zum Boden zu hören seien, die durch das Haus patrouillierten. Vergeblich hatte man die obere Flurtür zugeriegelt; entweder hatte das Gespenst einen zweiten Schlüssel in der Tasche oder machte von dem uralten Vorrecht der Geister Gebrauch und schlüpfte durch das Schlüsselloch, um nach wie vor mit einer Ungeniertheit überall umherzuwandeln, die in der Tat beunruhigend war.

Legree konnte dieses Gemunkel nicht überhören; je mehr man bemüht war, es ihm zu verbergen, desto mehr regte es ihn auf. Er trank mehr Schnaps als gewöhnlich, hielt seinen Kopf dreist in die Höhe und fluchte während des Tages lauter denn je; aber er hatte schlechte Träume und die nächtlichen Geräusche im Haus waren alles andere als angenehm. Am Abend des Tages, an dem Toms Leichnam fortgetragen worden war, ritt er zu einem Zechgelage in der nächsten Stadt und feierte dort unmäßig. Spät und müde heimgekommen, verschloß er seine Tür, zog den Schlüssel ab und stellte einen Stuhl davor; er setzte eine Nachtlampe an das Kopfende seines Bettes und legte seine Pistole dazu. Er prüfte die Riegel und Schlösser der Fenster, schwor sich selber >Der Teufel und alle Engel sollten ihn nicht kümmern< und schlief ein.

Nun, ja, er schlief, denn er war müde — er schlief fest. Aber schließlich fiel ein Schatten auf seinen Schlaf — ein Entsetzen — die Gewißheit, daß etwas Schreckliches über ihm lag. Er dachte, es sei das Leichentuch seiner Mutter, aber dann war es Cassy, die es hochhielt und ihm zeigte. Er hörte einen wirren Lärm von Ächzen, stöhnenden Stimmen, und fortgesetzt wußte er, daß er schlief, und mit sich kämpfte, um aufzustehen. Jetzt war er hell wach. Da wußte er, daß etwas in seine Stube kam. Er wußte, daß die Tür sich öffnete, aber er konnte weder Hand noch Fuß bewegen. Schließlich fuhr er erschrocken herum; die Tür war offen, und er sah, wie eine Hand die Lampe löschte.

In dem wolkigen, unsichern Mondlicht, da sah er es! — Etwas Weißes, das hereinglitt! Er hörte das leise Rascheln der Gespensterkleider. An seinem Bett hielt es inne: eine kalte Hand berührte ihn, und eine Stimme sagte dreimal in leisem, grausigem Flüsterton: »Komm! Komm! Komm!« Der Angstschweiß brach ihm aus, er wußte nicht, wann und wie es verschwunden war. Er sprang aus dem Bett und zog an der Tür. Sie war verschlossen und verriegelt, da schlug der Mann besinnungslos zu Boden.

Seitdem trank Legree stärker als vorher. Er trank nicht länger mit Maß und Sinn, jetzt trank er unmäßig und sinnlos.

Kurz darauf ging ein Gerücht im Lande um, daß er krank sei und im Sterben liege. Seine Ausschweifungen hatten zu jener furchtbaren Krankheit geführt, welche die finsteren Schatten einer kommenden Vergeltung schon auf dieses Leben wirft. Niemand konnte die Schrecken seiner Krankenstube ertragen, wenn er tobte und schrie und von Geschichten sprach, bei denen allen, die ihn hörten, das Blut in den Adern gefror; noch an seinem Sterbebett stand eine unbewegliche, weiße, unerklärliche Gestalt und sagte: »Komm! Komm! Komm!«

Durch einen merkwürdigen Zufall stand nach derselben Nacht, in der Legree diese Vision erschien, am Morgen die Haustür offen, und einige Neger hatten gesehen, wie zwei Gestalten die Allee zur Landstraße hinunterschwebten.

Es war fast Sonnenaufgang, als Cassy und Emmeline für einen Augenblick in einem kleinen Wäldchen nahe der Stadt rasteten.

Cassy war nach Art der spanischen Kreolinnen ganz in Schwarz gekleidet. Ein kleines, schwarzes Häubchen auf dem Kopf, von einem reich gestickten Schleier bedeckt, verhüllte ihr Gesicht. Sie waren übereingekommen, daß sie auf ihrer gemeinsamen Flucht die Rolle einer kreolischen Dame und Emmeline die einer Zofe spielen sollten.

Da sie von früher Jugend an in der höchsten Gesellschaftsklasse aufgewachsen war, stand Cassys Benehmen, ihre Sprache und ihre Haltung völlig mit dieser Vorstellung im Einklang; sie besaß noch immer genug von ihrer einst so glänzenden Garderobe und ihrem Schmuck, um in dieser Verkleidung eine vorzügliche Figur zu machen.

Am Rande der Stadt hielten sie an, wo in einem Laden Koffer zum Verkauf auslagen, von denen sie einen stattlichen erstanden. Begleitet von einem Burschen mit dem Gepäckstück und Emme–line, die ihr die gestickte Reisetasche und verschiedene Bündel trug, hielt sie ihren Einzug in dem kleinen Gasthof, ganz wie eine Dame von Stand.

Die erste Person, die ihr nach ihrer Ankunft auffiel, war Georg Shelby, der dort den nächsten Dampfer erwartete.

Durch das Astloch ihres Speichers hatte Cassy den jungen Mann bereits bemerkt und gesehen, wie er Toms Leichnam hinwegtragen ließ, und mit geheimer Genugtuung hatte sie seine Begegnung mit Legree verfolgt. Infolgedessen hatte sie aus den Gesprächen der Neger, die sie während ihrer nächtlichen Gespenstergänge belauschte, sich ein Bild machen können, wer er war und in welcher Beziehung er zu Tom stand. Sie fühlte sich daher vertrauensvoll zu ihm hingezogen, als sie entdeckte, daß er gleichfalls beabsichtigte, den nächsten Dampfer zu benutzen.

Cassys ganzes Auftreten, ihre offensichtlich sehr guten finanziellen Verhältnisse ließen über ihre Person keinerlei Verdacht in dem Hotel aufkommen. Man pflegte sich niemals so eingehend mit Personen zu beschäftigen, die gut zahlten — ein Umstand, den Cassy vorausgesehen hatte, als sie damals genügend Geld zu sich steckte.

Vor Anbruch der Nacht hörte man einen Dampfer anlegen, und Georg Shelby war Cassy beim Einsteigen mit jener Höflichkeit behilflich, die jedem Kentuckier selbstverständlich ist; er bemühte sich sogleich, ihr eine gute Kabine zu besorgen.

Solange sie auf dem Red River waren, beschränkte sich Cassy unter dem Vorwand der Kränklichkeit auf ihr Bett und ihre Kabine, ihre Zofe bediente sie mit allen Zeichen sichtbarer Hingabe.

Als sie dann den Mississippi erreichten und Georg erfuhr, daß die fremde Dame gleichfalls stromaufwärts reiste, erbot er sich, auf dem Dampfer, den auch er benutzte, ihr wiederum eine gute Kabine reservieren zu lassen, gutherzig ihre schwache Gesundheit bedauernd, und gern gewillt, ihr in allem behilflich zu sein.

Da finden wir also die ganze Gesellschaft auf dem guten Dampfer >Cincinnati<, der unter einer mächtigen Rauchfahne machtvoll den Strom hinauffuhr.

Cassys Gesundheit hatte sich inzwischen erheblich gebessert. Sie saß jetzt an Deck, nahm an der Tafel teil und wurde als eine Dame angesehen, die sehr schön gewesen sein mußte.

Vom ersten Moment an, als Georg ihr Gesicht mit einem ersten Blick gestreift, wurde er von einer jener fließenden, unbestimmten Erinnerungen verfolgt, die fast jeden einmal heimsuchen und zuweilen nicht mehr loslassen. Er mußte sie immer wieder betrachten und sie ständig beobachten. Bei Tisch, oder wenn sie in der Tür ihrer Kabine saß, konnte sie immer wieder dem Blick des jungen Mannes begegnen, der ihn sogleich höflich zurückzog, sobald sie durch ihr Benehmen verriet, daß sie die Beobachtung empfand.

Cassy wurde unruhig. Sie überlegte, ob er sie verdächtigte, und beschloß schließlich, sich völlig seiner Großmut auszuliefern und ihm ihre ganze Geschichte anzuvertrauen.

Georg war von Herzen geneigt, mit jedem Mitgefühl zu haben, der Legrees Plantage entronnen war — ein Ort, bei dessen Erinnerung oder Erwähnung er alle Geduld verlor. Mutig alle Folgen außer acht lassend, was für sein Alter und seinen Stand nur allzu charakteristisch war, versicherte er ihr, er würde alles tun, was in seiner Macht stünde, um sie zu beschützen und durchzubringen.

Die nächste Kabine bewohnte eine französische Dame mit Namen de Thoux, die in Begleitung ihrer kleinen Tochter reiste, einem Mädelchen von ungefähr zwölf Jahren.

Diese Dame hatte aus Georgs Unterhaltung kaum gehört, daß er aus Kentucky stammte, als sie offensichtlich geneigt schien, seine Bekanntschaft zu machen, worin sie durch die Anmut ihres kleinen Mädchens unterstützt wurde, die ein reizendes Spielzeug abgab, um die öde Langweile einer vierzehntägigen Dampferfahrt zu vertreiben.

Georgs Liegestuhl stand oft unter der Tür ihrer Kabine, und Cas–sy konnte, wenn sie auf Deck saß, ihre Unterhaltung verfolgen.

Madame de Thoux zog höchst genaue Erkundigungen über Kentucky ein, wo sie, wie sie sagte, früher einmal gelebt hatte. Georg entdeckte zu seiner Überraschung, daß sie ganz in seiner Nachbarschaft gewohnt haben mußte, ihre Fragen verrieten eine Kenntnis der Leute und der Umgebung, die ihn völlig verblüffte.

»Kennen Sie vielleicht«, sagte Madame de Thoux eines Tages zu ihm, »in Ihrer Nachbarschaft einen Mann mit Namen Harris?«

»Es gibt da einen alten Burschen dieses Namens, der nicht weit vom Gut meines Vaters lebt«, erwiderte Georg. »Wir haben allerdings nicht viel mit ihm zu tun gehabt.«

»Ich glaube, er ist ein großer Sklavenhalter, nicht wahr?« fragte Madame de Thoux in einer Art und Weise, die größeres Interesse verriet, als sie zu zeigen gewillt war.

»Das ist er«, stimmte Georg zu, leicht überrascht von soviel Eifer.

»Haben Sie jemals gehört, ob er einen — vielleicht haben Sie gehört — daß er einen Mulattenjungen mit Namen Georg hatte?«

»Oh, gewiß — Georg Harris — den kenne ich gut; er heiratete ein Mädchen meiner Mutter, aber ist jetzt nach Kanada entflohen.«

»Wirklich?« rief Madame de Thoux rasch. »Gott sei gedankt!«

Georg sah wie ein lebendiges Fragezeichen aus, aber er sagte nichts.

Madame de Thoux stützte ihren Kopf in die Hand und brach in Tränen aus.

»Er ist mein Bruder!« sagte sie.

»Madame!« rief Georg, jetzt vollständig überrascht.

»Ja«, sagte Madame de Thoux, stolz den Kopf erhebend und sich die Tränen trocknend; »Mr. Shelby, Georg Harris ist mein Bruder!«

»Ich bin tief erstaunt!« sagte Georg und schob seinen Stuhl zwei Schritte zurück, um Madame de Thoux zu betrachten.

»Ich wurde in den Süden verkauft, als er noch ein Knabe war«, fuhr sie fort. »Ein guter und großmütiger Mann hatte mich gekauft. Er nahm mich mit nach Westindien, schenkte mir die Freiheit und heiratete mich. Er ist vor kurzem verstorben, und ich reise jetzt nach Kentucky und will versuchen, meinen Bruder zu finden und auszulösen.«

»Ich erinnere mich, daß er von einer Schwester Emily sprach, die in den Süden verkauft wurde.«

»Ja, ganz recht! Das bin ich«, antwortete Madame de Thoux, »Erzählen Sie, was für ein Mensch …«

»Ein prächtiger, junger Mann«, unterbrach sie Georg, »trotzdem der Fluch der Sklaverei auf ihm lag. Er bekam ein erstklassiges Zeugnis, sowohl über seine Intelligenz wie über seine moralische Sauberkeit! Ich weiß das, verstehen Sie«, setzte er hinzu, »weil er in unser Haus geheiratet hat.«

»Was ist sie für ein Mädchen?« fragte Madame de Thoux eifrig.

»Ein Juwel!« erwiderte Georg. »Ein schönes, kluges, liebenswürdiges Mädchen. Sehr fromm. Meine Mutter hat sie erzogen und fast wie eine Tochter gehalten. Sie konnte lesen und schreiben, wunderbar sticken und nähen und hatte eine schöne Singstimme.«

»Wurde sie in Ihrem Hause geboren?« fragte Madame de Thoux.

»Nein, Vater kaufte sie unterwegs, als er einmal in New Orleans war, und brachte sie Mutter als Geschenk mit. Damals war sie acht oder neun Jahre alt. Vater hatte nie sagen wollen, was er für sie zahlen mußte, aber neulich, als wir seine Papiere durchsahen, stießen wir auf den alten Kaufvertrag. Er hatte allerdings eine riesige Summe bezahlt — vermutlich wegen ihrer ungewöhnlichen Schönheit.«

Georg saß mit dem Rücken zu Cassy, so daß er den aufmerksamen Ausdruck ihres Gesichts nicht sehen konnte, während er diese Einzelheiten erzählte.

Aber bei diesem Punkte seiner Geschichte berührte sie plötzlich seinen Arm und fragte mit einem Gesicht, schneeweiß vor brennendem Interesse: »Wissen Sie vielleicht noch den Namen der Leute, denen er das Kind abkaufte?«

»Der Mann, der vornehmlich an dem Geschäft beteiligt war. hieß Simmons, glaube ich — wenigstens stand es so auf dem Kaufvertrag.«

»Oh, mein Gott!« sagte Cassy und brach ohnmächtig zusammen.

Jetzt war Georg hell wach und ebenso Madame de Thoux. Obwohl niemand von beiden sich die Ursache von Cassys Ohnmacht vorstellen konnte, erhob sich dennoch ein Tumult, wie es in einem solchen Fall nicht anders sein kann: Georg warf in der Wärme seines humanen Gefühls einen Wasserkrug um und zerbrach zwei Gläser, verschiedene Damen in der Nähe hatten kaum von einer Ohnmacht gehört, als sie schon in die Kabine stürzten und soweit wie möglich alle frische Luft aussperrten, so daß im ganzen alles getan wurde, was zu erwarten gewesen wäre.

Arme Cassy, als sie sich erholt hatte, drehte sie ihr Gesicht zur Wand und schluchzte wie ein Kind — vielleicht, Mutter, kannst du beschreiben, was sie dachte; vielleicht auch nicht. Aber in jener Stunde war sie sicher, daß Gott sich ihrer erbarmt hatte und daß sie ihre Tochter wiedersehen würde — wie es nach Monaten auch geschah -, aber damit greifen wir vor.