39600.fb2
ZWANZIG
Christian reißt die Holztür des Bootshauses auf und bleibt kurz stehen, um das Licht anzumachen. Neonröhren erwachen fauchend zum Leben, tauchen es in gleißend weißes Licht. Für einen kurzen Moment kann ich eine eindrucksvolle Motorjacht erkennen, die am Steg festgemacht ist, doch dann trägt er mich eine Holztreppe hinauf in das obere Zimmer.
Wieder bleibt er kurz stehen, um auch hier das Licht einzuschalten – Halogenlampen, die ein weicheres Licht schaffen und sich dimmen lassen. Wir befinden uns in einem Raum mit Dachschräge, der im maritimen Stil eingerichtet ist – blau und cremefarben, mit einem Tupfer Rot hier und da. Das Zimmer ist spärlich möbliert; außer zwei Sofas scheint es leer zu sein.
Christian lässt mich herunter, aber mir bleibt keine Zeit, mich umzusehen. Ich verfolge jede seiner Bewegungen, so wie man ein seltenes und gefährliches Raubtier beobachten würde – jederzeit darauf gefasst, dass es zuschlägt. Sein Atem kommt stoßweise, aber das liegt bestimmt nur daran, dass er mich über den Rasen und hier herauf getragen hat. Seine grauen Augen funkeln vor Zorn, Verlangen und purer Lust.
Scheiße, allein sein Blick genügt, um mich zum Lodern zu bringen.
»Bitte schlag mich nicht«, flehe ich.
Seine Augen weiten sich.
»Ich will nicht, dass du mich versohlst. Nicht hier und nicht jetzt. Bitte tu’s nicht.«
Ihm fällt die Kinnlade herunter.
Ich nehme all meinen Mut zusammen, hebe zögernd die Hand und streiche ihm vorsichtig mit den Fingern über die Wange bis zu den Stoppeln auf seinem Kinn, die sich weich und kratzig zugleich anfühlen. Er schließt langsam die Augen und schmiegt sich in meine Handfläche. Seine Atemzüge werden rauer. Ich fahre mit meiner anderen Hand durch sein Haar, das ich so liebe. Er stöhnt kaum hörbar, und als er die Augen wieder aufschlägt, liegt ein argwöhnischer Ausdruck darin, als begreife er nicht ganz, was ich da tue.
Ich trete vor ihn, ziehe ihn vorsichtig an den Haaren zu mir herab und lege meine Lippen auf seinen Mund. Ich küsse ihn, schiebe meine Zunge in seinen Mund. Er stöhnt auf und schlingt die Arme um mich. Er erwidert meinen Kuss, besitzergreifend und brutal. Unsere Zungen vereinen sich in einem wilden Tanz. Er schmeckt göttlich.
Schließlich macht er sich abrupt los. Schwer atmend stehen wir voreinander. Ich lege meine Hände auf seine Arme, während er mich mit starrem Blick ansieht.
»Was machst du mit mir?«, fragt er verwirrt.
»Ich küsse dich.«
»Aber du hast Nein gesagt.«
»Was?« Nein wozu?
»Unter dem Tisch. Mit deinen Beinen.«
Oh, darum geht es also.
»Aber wir saßen bei deinen Eltern zu Tisch.« Ich sehe ihn fassungslos an.
»Niemand hat sich mir jemals verweigert. Und das ist heiß. Unglaublich heiß.«
Seine Augen blitzen vor Staunen und Lust, eine geradezu berauschende Kombination. Ich schlucke. Seine Hand fährt meinen Rücken entlang, dann drückt er sich an mich, so dass ich seine Erektion spüren kann.
O Mann …
»Du bist also sauer und gleichzeitig scharf auf mich, weil ich Nein gesagt habe?«
»Ich bin sauer, weil du Georgia mit keiner Silbe erwähnt hast. Ich bin sauer, weil du mit diesem Typen etwas trinken warst, der versucht hat, dich anzumachen, als du betrunken warst. Der, der dich mit einem praktisch Wildfremden allein gelassen hat, als dir übel wurde. Was ist das für ein Freund? Und ich bin sauer, weil du die Beine zusammengepresst hast.«
Seine Augen funkeln gefährlich, während er langsam den Saum meines Kleids hochschiebt.
»Ich will dich. Und zwar jetzt, auf der Stelle. Und wenn du mir schon nicht erlaubst, dich zu versohlen – was du verdient hättest –, werde ich dich zumindest auf dieser Couch dort vögeln, und zwar nur zu meinem eigenen Vergnügen und nicht zu deinem.«
Inzwischen bedeckt der Stoff meines Kleides kaum noch mein Hinterteil. Mit einer ruckartigen Bewegung umfasst er mein Geschlecht und schiebt einen Finger in mich hinein, während er mich mit der anderen Hand fest an sich gedrückt hält. Ein Stöhnen entfährt mir.
»Das hier gehört mir«, flüstert er aggressiv. »Mir ganz allein. Ist das klar?« Er beginnt, seinen Finger rhythmisch zu bewegen, und fixiert mich dabei mit glühenden Augen.
»Ja, nur dir allein«, stoße ich hervor, als eine Welle der Lust durch meine Venen schießt, die meine Nervenenden vibrieren, meinen Atem stocken lässt. Mein Herz hämmert wie verrückt, als wolle es mir jede Sekunde aus der Brust springen, und das Blut rauscht in meinen Ohren.
In einer fließenden Bewegung zieht er seinen Finger aus mir heraus, knöpft seine Hose auf, stößt mich auf die Couch und legt sich auf mich.
»Hände auf den Kopf«, befiehlt er mit zusammengebissenen Zähnen, drängt sich auf Knien zwischen meine Beine und greift in die Innentasche seines Jacketts. Er zieht ein Kondompäckchen heraus, reißt es auf und rollt es über seinen beachtlichen Penis.
Gehorsam lege ich die Hände auf den Kopf. Mir ist klar, warum ich das tun muss: um zu verhindern, dass ich ihn berühre. Instinktiv recke ich ihm meine Hüften entgegen. Ich will ihn in mir spüren, genauso tief und hart wie zuvor. Oh, ich kann es kaum erwarten.
»Wir haben nicht viel Zeit. Es wird ein kurzes Vergnügen werden, und eines, das nur für mich allein gedacht ist, nicht für dich. Verstanden? Du wirst nicht kommen, sonst werde ich dich versohlen«, stößt er hervor.
Wie zum Teufel soll ich das anstellen?
Mit einer brutalen Bewegung stößt er zu. Mir entschlüpft ein lautes, gutturales Stöhnen, da er mich vollständig auszufüllen scheint. Er hält meine Hände fest, so dass ich mich nicht bewegen kann. Er ist überall, erdrückt mich fast, schnürt mir die Luft ab, während er mich vögelt. Trotzdem ist es überwältigend. Ich habe die Macht über ihn. Ich bin diejenige, die ihn dazu bringt, all diese Dinge zu tun – was für ein einzigartiges Gefühl, geradezu euphorisch, triumphierend. Seine Bewegungen werden immer schneller, immer heftiger. Ich höre seine schweren Atemzüge dicht an meinem Ohr. Mein Körper wölbt sich ihm entgegen, vereinigt sich mit ihm. Ich darf nicht kommen. Abrupt und allzu schnell stößt er ein letztes Mal zu, dann wird er still, als er zum Höhepunkt gelangt und zischend den Atem einsaugt. Er erschlafft und sackt mit seinem ganzen Gewicht über mir zusammen, aber ich bin noch nicht bereit, ihn gehen zu lassen. Mein Körper sehnt sich danach, Erlösung zu finden, doch er ist zu schwer, als dass ich ihn von mir schieben könnte. Unvermittelt zieht er sich aus mir heraus und lässt mich voller Verlangen und Sehnsucht zurück.
»Wage es nicht, es dir selbst zu machen. Ich will, dass du frustriert bist. Denn genau so fühle ich mich, wenn du nicht mit mir redest und mir verwehrst, was mir gehört.« Wieder lodert die blanke Wut in seinen Augen auf.
Ich nicke keuchend.
Er steht auf, zieht das Kondom herunter, verknotet es und lässt es in seiner Hosentasche verschwinden. Nach wie vor schwer atmend, sehe ich zu ihm hoch. Unwillkürlich presse ich die Schenkel gegeneinander, in der Hoffnung, wenigstens ein klein wenig Erleichterung zu finden. Christian knöpft seine Hose zu und fährt sich mit der Hand durchs Haar, dann hebt er sein Jackett auf. Schließlich wendet er sich mir wieder zu.
»Wir sollten zurück ins Haus gehen«, sagt er, eine Spur milder.
Noch immer leicht benommen setze ich mich auf.
»Hier. Zieh es an.«
Er holt mein Höschen aus der Innentasche seines Jacketts hervor.
Ich verkneife mir ein Grinsen, als ich es entgegennehme, aber so viel steht fest: Auch wenn er mich mit seinem Verbot, zu kommen, bestraft hat, habe ich doch einen kleinen Sieg über mein Höschen errungen. Meine innere Göttin nickt und strahlt befriedigt. Du musstest ihn nicht darum anbetteln.
»Christian!«, ruft Mia von unten.
Er hebt die Brauen. »Gerade noch rechtzeitig. Herrgott, manchmal raubt sie einem den letzten Nerv.«
Eilig ziehe ich mein Höschen an, erhebe mich mit so viel Würde, wie es mir in meinem Zustand möglich ist, und versuche, mein postkoital zerzaustes Haar zu bändigen.
»Hier oben, Mia«, ruft er. »Tja, Miss Steele, ich fühle mich zwar besser, aber versohlen würde ich Sie am liebsten immer noch.«
»Ich finde nicht, dass ich es verdient habe, Mr. Grey, insbesondere nachdem ich mir Ihren grundlosen Übergriff habe gefallen lassen.«
»Grundlos? Sie haben mich geküsst.« Er bemüht sich um eine gekränkte Miene.
Ich schürze die Lippen. »Angriff ist nun mal die beste Verteidigung.«
»Verteidigung wogegen?«
»Gegen Sie und Ihre juckenden Finger.«
Er legt den Kopf schief, als Mia die Treppe heraufgepoltert kommt. »Aber es war erträglich, oder?«
Ich werde rot. »Nur schwer«, flüstere ich, kann mir aber ein Grinsen nicht verkneifen.
»Oh, hier seid ihr.« Sie strahlt uns an.
»Ich habe Anastasia ein bisschen herumgeführt.« Christian hält mir die Hand hin.
Ich ergreife sie. Er drückt sie zärtlich.
»Kate und Elliot wollen gehen. Ist es zu fassen? Diese zwei … sie können kaum die Finger voneinander lassen. Was habt ihr denn hier oben getrieben?«
Meine Güte, diese Frau nimmt kein Blatt vor den Mund. Ich spüre, wie ich schon wieder rot anlaufe.
»Ich habe Anastasia meine Ruderpokale gezeigt«, antwortet Christian mit Unschuldsmiene. »Komm, lass uns runtergehen und uns von Kate und Elliot verabschieden.«
Ruderpokale? Er tritt hinter mich und gibt mir einen leichten Klaps auf den Hintern, als Mia vor uns die Treppe hinuntergeht.
Erschrocken schnappe ich nach Luft.
»Ich werde es wieder tun, Anastasia, und zwar bald«, droht er kaum hörbar, schlingt von hinten den Arm um mich und küsst mich in den Nacken.
Kate und Elliot verabschieden sich gerade von Grace und Mr. Grey. Kate schließt mich in die Arme und zieht mich fest an sich.
»Ich muss dringend mit dir über Christian reden. Darüber, dass du ihn ständig so feindselig anmachst«, zische ich ihr ins Ohr.
»Aber jemand muss es tun, damit du merkst, wie er wirklich ist. Pass auf, Ana. Der Typ ist ein Kontrollfreak«, flüstert sie. »Bis später.«
ICH WEISS GENAU, WIE ER IST! ABER DU NICHT!, schreie ich sie im Geiste an. Natürlich ist mir klar, dass sie es nur gut meint, aber manchmal überschreitet sie nun mal die Grenze – in diesem Augenblick sogar so weit, dass sie bereits mit beiden Füßen im Nachbarland steht. Ich werfe ihr einen finsteren Blick zu. Sie streckt mir die Zunge heraus. Unwillkürlich muss ich grinsen. Dieser lockere, verspielte Zug an ihr ist neu – offenbar ist Elliot der Grund für ihre Ausgelassenheit. Wir winken den beiden zum Abschied zu.
»Wir sollten auch aufbrechen«, meint Christian zu mir gewandt. »Denk an deine Vorstellungsgespräche morgen.«
Mia umarmt mich, als wir uns verabschieden.
»Keiner von uns hätte gedacht, dass er jemals eine Frau finden würde!«, sagt sie.
Ich werde rot, und Christian verdreht zum wiederholten Mal die Augen. Ich schürze die Lippen. Wieso darf er es eigentlich andauernd tun, ich aber nicht? Am liebsten würde ich ebenfalls die Augen verdrehen, traue mich aber nicht. Nicht nach seinen Drohungen im Bootshaus.
»Passen Sie gut auf sich auf, liebe Ana«, sagt Grace.
Christian, dem die Zuwendung, die mir im Hause Grey zuteilwird, entweder peinlich ist oder gegen den Strich geht, packt mich an der Hand und zieht mich an seine Seite.
»Wenn wir sie weiter so mit Zuneigung überschütten, sucht sie am Ende vor Angst noch das Weite oder wird bloß verwöhnt«, brummt er.
»Spar dir deine Neckereien, Christian«, tadelt Grace ihn nachsichtig und sieht ihren Sohn voller Liebe an.
Aber etwas sagt mir, dass seine Worte nicht scherzhaft gemeint sind. Ich habe im Lauf des Abends genau beobachtet, wie sie miteinander umgehen. Grace liebt ihren Sohn auf diese bedingungslose Art und Weise, wie es nur Mütter tun. Er beugt sich herab und küsst sie steif.
»Mom.« In seiner Stimme schwingt etwas mit – Ehrfurcht, vielleicht?
»Mr. Grey, auf Wiedersehen und vielen Dank für alles.« Ich strecke ihm die Hand hin, und auch er zieht mich in seine Arme!
»Bitte, nennen Sie mich doch Carrick. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder, Ana.«
Christian geht voran zum Wagen, wo Taylor uns in Empfang nimmt. Hat er etwa die ganze Zeit hier gewartet? Taylor öffnet mir die Tür.
Kaum sitze ich auf dem Rücksitz, spüre ich, wie die Anspannung aus meinen Schultern weicht. Liebe Güte, was für ein Tag. Ich bin völlig erschöpft, sowohl körperlich als auch emotional.
Christian wechselt ein paar Worte mit Taylor, dann steigt er ebenfalls ein.
»Sieht ganz so aus, als würde auch meine Familie dich mögen«, murmelt er.
Auch? Der deprimierende Gedanke, welchen Umständen ich diese Einladung zu verdanken habe, schiebt sich in mein Bewusstsein. Taylor lässt den Motor an, biegt aus der hell erleuchteten Auffahrt und taucht in die Dunkelheit der Straße ein. Ich sehe Christian an, dessen starrer Blick auf mich geheftet ist.
»Was ist?«, fragt er leise.
Für einen Moment weiß ich nicht weiter. Aber – nein, ich werde mit der Sprache herausrücken. Schließlich beschwert er sich ja ständig, ich würde nicht mit ihm reden.
»So wie ich die Sache sehe, hast du dich verpflichtet gefühlt, mich deinen Eltern vorzustellen«, beginne ich zögerlich. »Hätte Elliot Kate nicht gebeten mitzukommen, hättest du es ganz bestimmt nicht getan.« Es ist zu dunkel, um sein Gesicht zu erkennen, aber ich sehe, dass er den Kopf neigt.
»Ich bin überglücklich, dass du meine Eltern kennen gelernt hast, Anastasia. Woher kommen nur diese ständigen Selbstzweifel? Das ist mir ein echtes Rätsel. Du bist so eine starke, unabhängige Frau, und trotzdem denkst du immer so negativ über dich. Hätte ich nicht gewollt, dass du sie kennen lernst, wärst du jetzt nicht hier. Du dachtest allen Ernstes den ganzen Abend lang, ich hätte dich nur mitgenommen, weil ich mich unter Druck gesetzt gefühlt habe?«
Oh! Er wollte mich also dabeihaben – damit habe ich nicht gerechnet. Und es scheint ihm nichts auszumachen, mit mir darüber zu reden, was darauf schließen lässt, dass er die Wahrheit sagt. Stattdessen freut er sich offenbar sogar ehrlich darüber, dass ich mitgekommen bin … eine angenehme Wärme durchrieselt mich. Er schüttelt den Kopf und nimmt meine Hand. Nervös sehe ich nach vorn zu Taylor.
»Mach dir um ihn keine Sorgen. Und beantworte meine Frage.«
Ich zucke mit den Schultern. »Ja. Das dachte ich. Und noch etwas – ich habe nur mit Georgia angefangen, weil Kate die ganze Zeit von Barbados redet. Endgültig entschieden hatte ich mich noch nicht.«
»Willst du deine Mutter denn besuchen?«
»Ja.«
Er wirft mir einen eigentümlichen Blick zu, als ringe er mit sich. »Darf ich mitkommen?«
Wie bitte?
»Äh … ich glaube, das ist keine besonders gute Idee.«
»Wieso nicht?«
»Ich wollte ein bisschen Abstand gewinnen. Es war alles ziemlich … intensiv, deshalb dachte ich, es wäre gut, in Ruhe über alles nachzudenken.«
»Ich bin zu intensiv?«
Ich breche in Gelächter aus. »Gelinde gesagt, ja.«
Im Schein der vorbeifliegenden Straßenlaternen sehe ich seine Mundwinkel zucken.
»Lachen Sie mich etwa aus, Miss Steele?«
»Das würde ich niemals wagen, Mr. Grey«, erwidere ich mit gespieltem Ernst.
»Ich glaube eher, Sie wagen es sehr wohl, und noch dazu ziemlich oft.«
»Du bist unglaublich komisch.«
»Komisch?«
»Allerdings.«
»Im Sinne von merkwürdig oder von witzig?«
»Ziemlich viel vom einen und ein klein bisschen vom anderen.«
»Wovon mehr?«
»Darauf musst du schon selbst kommen.«
»Ich bin nicht sicher, ob ich in deiner Nähe auf irgendetwas kommen kann, Anastasia«, kontert er süffisant. »Worüber musst du denn in Georgia nachdenken?«, fragt er schließlich.
»Über uns«, flüstere ich.
Er sieht mich ausdruckslos an. »Du hast doch gesagt, du willst es versuchen.«
»Ich weiß.«
»Hast du plötzlich Zweifel?«
»Vielleicht.«
Er verlagert sein Gewicht auf dem Sitz, als würde er sich plötzlich unbehaglich fühlen. »Wieso?«
Verdammt. Wie konnte unser Geplänkel urplötzlich in ein so ernstes, weit reichendes Gespräch umschlagen? Ich habe das Gefühl, als hätte mir jemand ohne Vorwarnung ein Prüfungsblatt in die Hand gedrückt. Was soll ich darauf erwidern? Weil ich glaube, dass ich dich liebe, aber nur ein Spielzeug für dich bin? Weil ich dich nicht berühren kann, weil ich Angst haben muss, dass du zurückweichen oder, schlimmer noch, mich übers Knie legen könntest, wenn ich versuche, dir meine Zuneigung zu zeigen? Was soll ich auf diese Frage antworten?
Ich sehe einen kurzen Moment aus dem Fenster. Wir fahren wieder über die Brücke. Die Dunkelheit umgibt uns und verhüllt unsere Gedanken und Gefühle, aber in Wahrheit brauchen wir die Dunkelheit noch nicht einmal dafür.
»Warum, Anastasia?«, bohrt Christian nach.
Ratlos zucke ich mit den Schultern. Ich will ihn nicht verlieren. Trotz all der Forderungen, seinem Zwang, mich zu kontrollieren, und seiner beängstigenden Neigungen habe ich mich noch nie so lebendig gefühlt. Allein hier neben ihm im Wagen zu sitzen macht mich an. Er ist so geheimnisvoll, so unvorhersehbar, so sexy, klug und witzig. Nur seine Launen … oh, und die Tatsache, dass er es genießt, mich zu schlagen. Er behauptet zwar, er würde sich meine Vorbehalte durch den Kopf gehen lassen, trotzdem habe ich Angst vor dem, was auf mich zukommen könnte. Ich schließe die Augen. Was soll ich bloß darauf antworten? Tief in meinem Innern wünsche ich mir mehr Zuneigung, mehr von dem ausgelassenen, lockeren Christian … mehr Liebe.
Er drückt meine Hand. »Erzähl mir, was in dir vorgeht, Anastasia. Ich will dich nicht verlieren. Diese letzte Woche …«
Wir nähern uns dem Ende der Brücke und biegen in die von Straßenlampen erhellte Straße, so dass sein Gesicht abwechselnd in helles Licht und tiefe Schatten getaucht ist. Die Metapher könnte nicht passender sein. Dieser Mann, der bis vor Kurzem noch mein romantischer Held, mein tapferer Ritter in schimmernder Rüstung war – der schwarze Ritter, wie er sich einst selbst genannt hat … ist in Wahrheit gar kein Held. Sondern ein Mann mit schweren emotionalen Defiziten, und er zieht mich mit sich, hinein in seine dunklen Abgründe. Kann ich nicht diejenige sein, die ihn ins Licht holt?
»Ich will immer noch mehr«, flüstere ich.
»Ich weiß«, sagt er. »Ich werde es versuchen.«
Er lässt meine Hand los und umfasst mein Kinn, so dass ich meine Lippe freigeben muss.
»Für dich, Anastasia, werde ich es versuchen.« Es klingt, als würde er es aufrichtig meinen.
Das ist mein Stichwort. Ich löse meinen Sicherheitsgurt und klettere auf seinen Schoß. Ich lege die Hände um sein Gesicht und küsse ihn, ungestüm und in aller Ausgiebigkeit. Innerhalb von Sekundenbruchteilen löst er sich aus seiner verblüfften Erstarrung und erwidert meinen Kuss.
»Bleib heute Nacht bei mir«, stöhnt er. »Wenn du jetzt gehst, sehe ich dich die ganze Woche nicht. Bitte.«
»Ja. Und ich werde es auch versuchen. Ich werde den Vertrag unterschreiben«, sage ich aus einer spontanen Eingebung heraus.
»Tu es erst nach deiner Rückkehr aus Georgia. Überleg es dir gut, Baby.«
»Das werde ich.«
Eine Weile sitzen wir schweigend da.
»Du solltest angeschnallt sein«, schimpft Christian, das Gesicht immer noch in meinem Haar vergraben, macht aber keine Anstalten, mich von seinem Schoß zu schieben.
Ich schmiege mich an ihn, mit geschlossenen Augen, die Nase an seinem Hals, so dass ich diese unglaubliche Mischung aus nach Moschus duftendem Duschgel und Christians Körpergeruch einsaugen kann. Ich gestatte mir, für einen Moment in der Illusion zu schwelgen, dass er mich wirklich liebt. Oh, es fühlt sich so real an, so als könnte ich es mit Händen greifen. So sehr, dass sich ein winziger Teil meines garstigen, misstrauischen Unterbewusstseins entgegen seines Naturells ein Fünkchen Hoffnung gestattet. Ich wage es nicht, meine Hände über seine Brust wandern zu lassen, sondern begnüge mich damit, mich in seine Arme zu kuscheln.
Allzu schnell werde ich jäh aus meinen romantischen Träumereien gerissen.
»Wir sind zuhause«, murmelt Christian. Was für ein herrlicher Satz, so voller Verheißung und Möglichkeiten.
Zuhause, mit Christian. Das Problem ist nur, dass seine Wohnung kein Zuhause, sondern eher eine Kunstgalerie ist.
Taylor öffnet die Türen. Verlegen bedanke ich mich bei ihm – natürlich hat er jedes Wort unserer Unterhaltung mitgehört, doch sein freundliches Lächeln ist beruhigend und lässt mich meine Scheu vergessen. Christian steht neben mir und mustert mich abschätzend. O nein, was habe ich jetzt schon wieder angestellt?
»Wieso trägst du keine Jacke?« Er zieht sein Jackett aus und legt es mir über die Schultern.
Eine Woge der Erleichterung durchströmt mich. »Sie liegt in meinem neuen Wagen«, antworte ich gähnend.
Er grinst. »Müde, Miss Steele?«
»Ja, Mr. Grey.« Sein prüfender Blick macht mich verlegen. Trotzdem habe ich den Eindruck, als könnte ich mir einen erklärenden Kommentar erlauben. »Ich hätte nie gedacht, dass ich mich jemals einem anderen Menschen so unterwerfen würde.«
»Tja, wenn du Pech hast, war das nicht die letzte Lektion für heute.« Er nimmt meine Hand und betritt das Gebäude.
Heilige Scheiße … nochmal!
Wir betreten den Aufzug. Ich habe bereits geahnt, dass er mich bitten würde, bei ihm zu übernachten, andererseits schläft er sonst nie mit einer Frau im selben Bett. Nur mit mir hat er es schon mehrere Male getan. Ich runzle die Stirn. Seine Miene verfinstert sich unvermittelt. Er umfasst mein Kinn, so dass ich nicht weiter auf meiner Unterlippe herumkauen kann.
»Eines Tages werde ich dich in diesem Aufzug vögeln, Anastasia. Aber heute bist du todmüde, deshalb sollten wir uns lieber ans Bett halten.«
Er beugt sich zu mir, nimmt meine Lippe zwischen die Zähne und beginnt, behutsam daran zu ziehen. Atemlos lasse ich mich gegen ihn sinken und spüre, wie mich das Verlangen durchströmt. Neckend ziehe ich seine Oberlippe zwischen meine Zähne. Er stöhnt. Kaum gleiten die Aufzugtüren auf, ergreift er meine Hand und schiebt mich durch den Korridor.
»Brauchst du noch etwas? Etwas zu trinken oder sonst etwas?«
»Nein.«
»Gut. Dann lass uns zu Bett gehen.«
Ich hebe die Brauen. »Wie? Stinknormaler, alter Blümchensex?«
Er legt den Kopf schief. »Blümchensex ist weder alt, noch stinkt er. Offen gesagt, mag ich ihn eigentlich ganz gerne.«
»Seit wann das denn?«
»Seit letzten Samstag. Wieso? Hattest du auf etwas Exotischeres gehofft?«
Meine innere Göttin linst aus ihrem Versteck hervor.
»O nein, mein Bedarf an Exotik ist für heute gedeckt.«
Meine innere Göttin schmollt.
»Sicher? Wir haben hier so gut wie jede Spielart im Programm.« Er grinst lasziv.
»Das habe ich gemerkt«, erwidere ich trocken.
Er schüttelt den Kopf. »Kommen Sie, Miss Steele. Sie haben einen wichtigen Tag vor sich. Je schneller Sie im Bett sind, umso schneller habe ich Sie gevögelt, und umso schneller kriegen Sie Ihren Schönheitsschlaf.«
»Sie sind ein Romantiker, wie er im Buche steht, Mr. Grey.«
»Und Sie haben ein loses Mundwerk, Miss Steele, das ich Ihnen womöglich auf die eine oder andere Art werde stopfen müssen. Und jetzt los.« Er geht vor mir her den Korridor hinunter in sein Schlafzimmer und tritt mit dem Absatz die Tür zu.
»Hände nach oben«, befiehlt er.
Ich gehorche. Er langt nach dem Saum meines Kleids und zieht es mir mit einer schwungvollen Bewegung wie ein Magier über den Kopf.
»Ta-dah«, ruft er triumphierend.
Ich kichere und klatsche höflich Beifall. Er verbeugt sich anmutig und grinst mich an. Wie könnte ich ihm widerstehen, wenn er so ist? Er legt mein Kleid auf einen Stuhl neben der Kommode.
»Und was für ein Trick kommt als Nächstes?«, necke ich ihn.
»Den, meine liebe Miss Steele«, knurrt er, »werde ich Ihnen schon noch zeigen. Marsch ins Bett.«
»Was meinen Sie, Mr. Grey – könnte ich vielleicht ausnahmsweise so tun, als wäre ich nicht leicht rumzukriegen?«, frage ich kokett.
Seine Augen weiten sich vor Staunen, und ich sehe einen Anflug von Erregung darin glimmen. »Tja, die Tür ist zu, das heißt, es wird nicht ganz einfach werden, sich mir zu entziehen«, erklärt er süffisant. »Ich würde sagen, da ist nicht viel zu machen.«
»Ich bin aber gut im Verhandeln.«
»Ich auch.« Er sieht mich an. In diesem Augenblick sehe ich, wie ein verwirrter Ausdruck auf seine Züge tritt, während die Stimmung im Raum abrupt umschlägt. »Willst du etwa nicht vögeln?«
»Nein«, antworte ich leise.
»Oh.« Er runzelt die Stirn.
Okay … jetzt … ich hole tief Luft. »Ich will, dass wir miteinander schlafen.«
Er erstarrt. Dann verfinstert sich seine Miene. Scheiße. Das sieht gar nicht gut aus. Gib ihm doch einen Moment Zeit!, fährt mein Unterbewusstsein mich an.
»Ana, ich …« Er fährt sich mit der Hand durchs Haar. Mit beiden Händen. Liebe Güte, offenbar ist er völlig durcheinander. »Ich dachte, das würden wir die ganze Zeit schon tun«, sagt er schließlich.
»Ich will dich berühren.«
Unwillkürlich weicht er einen Schritt zurück. Für den Bruchteil einer Sekunde liegt ein verängstigter Ausdruck auf seinem Gesicht, doch dann hat er sich wieder unter Kontrolle.
»Bitte«, flüstere ich.
»O nein, Miss Steele. Ich habe heute Abend schon genug Zugeständnisse gemacht. Die Antwort lautet Nein.«
»Nein?«
»Nein.«
Oh, dem kann ich nicht widersprechen … oder doch?
»Du bist müde, ich bin müde. Lass uns einfach ins Bett gehen«, sagt er und mustert mich wachsam.
»Also ist Berühren ein Hard Limit für dich?«
»Ja. Aber das ist nichts Neues.«
»Dann sag mir wenigstens, warum.«
»Bitte, Anastasia, lass es für heute gut sein«, erwidert er genervt.
»Aber es ist wichtig für mich.«
Wieder fährt er sich mit beiden Händen durchs Haar und stößt einen unterdrückten Fluch aus. Er macht auf dem Absatz kehrt, stürmt zu seiner Kommode und zieht ein T-Shirt heraus, das er mir zuwirft. Leicht verwirrt fange ich es auf.
»Hier, zieh das an und geh ins Bett«, herrscht er mich an.
Ich runzle die Stirn, beschließe jedoch, ihn nicht weiter zu reizen. Stattdessen drehe ich mich um, streife meinen BH ab und ziehe mir eilig das T-Shirt über den Kopf. Mein Höschen lasse ich an – ich habe heute lange genug darauf verzichtet.
»Ich muss ins Badezimmer«, sage ich kleinlaut.
Er sieht mich verwirrt an. »Jetzt fragst du mich plötzlich um Erlaubnis, ja?«
»Äh … nein.«
»Du weißt, wo das Badezimmer ist, Anastasia. Du brauchst meine Erlaubnis nicht. Nicht heute, in diesem Stadium unseres merkwürdigen Arrangements«, sagt er und zieht sein Hemd aus. Es gelingt ihm nicht, seine Verärgerung zu verbergen.
Ich betrachte mich in dem übergroßen Badezimmerspiegel und kann nur staunen, dass ich genauso aussehe wie sonst. Vor mir steht immer noch das ganz normale Mädchen – trotz allem, was ich heute getan habe. Was hast du erwartet? Dass dir Hörner und ein Schwanz mit einer dreieckigen Spitze wachsen?, fährt mein Unterbewusstsein mich an. Was zum Teufel treibst du da überhaupt? Berühren ist ein Hard Limit für ihn. Es ist noch viel zu früh, du dumme Nuss. Er muss doch erst mal laufen lernen, bevor er losrennen kann. Mein Unterbewusstsein schäumt vor Wut. Ich sehe es förmlich vor mir, medusengleich vor Zorn, das Haar ein Schlangenmeer, das Gesicht zur Fratze verzogen, wie in Edvard Munchs Der Schrei. Ich beachte es nicht, doch es weigert sich zu verschwinden. Du machst ihn wütend. Überleg nur, was er heute zu dir gesagt hat, welche Zugeständnisse er gemacht hat. Ich starre mein Spiegelbild finster an. Ich muss ihm meine Zuneigung zeigen können – nur dann kann er sie vielleicht irgendwann erwidern.
Resigniert schüttle ich den Kopf und schnappe mir Christians Zahnbürste. Mein Unterbewusstsein hat natürlich vollkommen Recht. Ich bedränge ihn zu sehr. Er ist noch nicht so weit, genauso wenig wie ich selbst. Noch befinden wir beide uns an den entgegengesetzten Enden unserer fragilen Beziehung, die abwechselnd von einer Seite auf die andere kippt wie eine Wippe auf dem Kinderspielplatz. Wir müssen beide ein Stück aufeinander zurücken, näher zur Mitte hin. Ich kann nur hoffen, dass keiner beim Versuch herunterfällt. Es geht alles so schnell. Vielleicht brauche ich einfach bloß ein bisschen Abstand. Der Trip nach Georgia erscheint mir reizvoller denn je. Gerade als ich anfange, mir die Zähne zu putzen, klopft es.
»Komm rein«, rufe ich, den Mund voll schaumiger Zahnpasta.
Christian steht im Türrahmen. Seine Pyjamahose schmiegt sich auf diese unvergleichliche Art um seine Hüften, die jede einzelne Körperzelle in mir zum Leben erwachen und in Habachtstellung gehen lässt. Sein Oberkörper ist nackt. Ich sauge seinen Anblick auf, als wäre mein Körper vollkommen ausgedörrt und er die kühle, klare Bergquelle, die Linderung für meinen Durst verspricht. Er betrachtet mich einen Moment lang ausdruckslos, dann tritt er grinsend neben mich. Unsere Blicke begegnen sich im Spiegel. Grau meets blau. Ich nehme seine Zahnbürste aus dem Mund, halte sie unter den Wasserhahn und reiche sie ihm, ohne den Blick von ihm zu lösen. Wortlos nimmt er sie entgegen und schiebt sie sich in den Mund. Ich grinse ebenfalls. Unvermittelt sehe ich den Schalk in seinen Augen aufblitzen.
»Tu dir keinen Zwang an und nimm ruhig meine Zahnbürste«, sagt er mit leisem Spott.
»Danke, Sir.« Mit einem zuckersüßen Lächeln verschwinde ich ins Schlafzimmer.
Wenige Minuten später folgt er mir. »Eigentlich habe ich mir den heutigen Abend ein bisschen anders vorgestellt.«
»Stell dir vor, wie es wäre, wenn ich zu dir sagen würde, du darfst mich nicht anfassen.«
Er hockt sich im Schneidersitz aufs Bett. »Ich habe es dir doch erklärt, Anastasia – komplett abgefuckt. Ich hatte einen ziemlich üblen Start ins Leben. Du willst dich damit nicht belasten. Weshalb solltest du auch?«
»Weil ich dich besser kennen lernen will.«
»Du kennst mich schon genau genug.«
»Wie kannst du so etwas behaupten?« Ich knie mich hin und sehe ihn an.
Er verdreht genervt die Augen.
»Du verdrehst die Augen. Als ich mich das letzte Mal getraut habe, das zu tun, hast du mich übers Knie gelegt.«
»Oh, genau da hätte ich dich jetzt auch gern.«
In diesem Augenblick habe ich eine Idee.
»Sag es mir, und du darfst es tun.«
»Was?«
»Du hast mich sehr wohl verstanden.«
»Du handelst mit mir?«, fragt er ungläubig.
Ich nicke. Ja … jetzt bin ich auf dem richtigen Weg.
»Nicht handeln, sondern verhandeln.«
»So läuft das aber nicht, Anastasia.«
»Okay. Dann erzähl es mir eben, und ich verdrehe die Augen.«
Er lacht. Für den Bruchteil einer Sekunde erhasche ich einen Blick auf den unbeschwerten Christian, dann wird er wieder ernst.
»Anastasia, immer scharf auf Informationen.« Er sieht mich argwöhnisch an, dann erhebt er sich mit einer eleganten Bewegung. »Nicht weggehen«, sagt er und verlässt das Zimmer.
Beklommenheit erfasst mich. Ich schlinge mir die Arme um den Oberkörper. Was hat er vor? Heckt er wieder irgendeine brutale Gemeinheit aus? Mist. Was ist, wenn er mit einem Rohrstock oder irgendeinem abartigen Züchtigungsinstrument zurückkehrt? Was zum Teufel soll ich dann machen? Er kommt zurück. Und er hat irgendetwas in der Hand, das ich allerdings nicht erkennen kann. Ich brenne vor Neugier.
»Wann musst du morgen bei deinem ersten Vorstellungsgespräch sein?«, fragt er.
»Um zwei Uhr nachmittags.«
Ein hinterhältiges Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus. »Gut.«
Ich sehe zu, wie er sich vor meinen Augen zu verändern beginnt. Mit einem Mal wirkt er härter, geheimnisvoller … sexy. Da ist er wieder – Christian, der Dom.
»Steh auf und komm hierher.« Er zeigt neben das Bett. Ich gehorche eilig. Das Versprechen glitzert in seinen Augen. »Vertraust du mir?«, fragt er.
Ich nicke. Er streckt die Hand aus. Zwei mit einem dicken schwarzen Seil verbundene silberne Kugeln liegen in seiner Handfläche.
»Die sind nagelneu«, erklärt er mit Nachdruck.
Ich sehe ihn fragend an.
»Ich werde sie dir jetzt einführen, und dann werde ich dich versohlen. Nicht als Strafe, sondern für die Lust. Für deine und für meine.« Er hält inne.
Ich starre ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
Einführen! In meinen Körper! Ich schnappe nach Luft. Sämtliche Muskeln in meinem Unterleib spannen sich an. Meine innere Göttin legt einen leidenschaftlichen Schleiertanz hin.
»Dann werden wir vögeln, und wenn du danach noch die Augen offen halten kannst, werde ich dir ein paar Dinge über meine Vergangenheit verraten. Einverstanden?«
Er fragt mich, ob ich einverstanden bin! Ich nicke, völlig sprachlos.
»Braves Mädchen. Mund auf.«
Mund?
»Weiter.«
Behutsam schiebt er mir die glänzenden Kugeln in den Mund.
»Sie müssen befeuchtet werden. Saugen«, befiehlt er mit sanfter Stimme.
Die Kugeln sind glatt, weich, erstaunlich schwer und schmecken metallisch. Mein trockener Mund füllt sich mit Speichel, während meine Zunge die ungewohnten Objekte erkundet. Christians Blick ruht die ganze Zeit auf mir. O Mann, das macht mich unglaublich an.
»Stillhalten, Anastasia«, warnt er. »Halt.« Er nimmt sie mir aus dem Mund, tritt zum Bett und schlägt die Tagesdecke zurück.
»Komm her.« Er setzt sich hin.
Gehorsam trete ich vor ihn.
»Jetzt dreh dich um, bück dich und leg die Hände um die Knöchel.«
Ich sehe ihn verwirrt an.
Seine Miene verdüstert sich. »Los.« Ein leichter Tadel schwingt in seiner Stimme mit. Er schiebt sich die Kugeln in den Mund.
Das ist ein völlig anderes Kaliber als die Zahnbürste. Ich leiste seinen Anweisungen unverzüglich Folge. Schaffe ich es, meine Knöchel zu berühren? Ja. Sogar mühelos. Mein T-Shirt rutscht hoch, so dass mein Hinterteil zum Vorschein kommt. Gott sei Dank habe ich mein Höschen anbehalten. Auch wenn das wohl nicht mehr lange so bleiben wird.
Behutsam legt er eine Hand auf meine Pobacke und beginnt, sie zärtlich zu streicheln. Ich kann zwar durch meine gespreizten Schenkel seine Beine erkennen, mehr aber nicht. Er schiebt mein Höschen zur Seite und fährt gemächlich mit einem Finger über meine Vulva. Ich schließe die Augen und kneife sie fest zusammen. Erregung durchzuckt mich. Ich kann es kaum noch erwarten. Er schiebt einen Finger in mich hinein und lässt ihn mit köstlicher Langsamkeit kreisen. Es fühlt sich unglaublich an. Ich stöhne.
Ich höre, wie er nach Luft schnappt, dann fängt sein Finger erneut an zu kreisen. Nach einem Moment zieht er ihn heraus und lässt behutsam die Kugeln nacheinander in meine Vagina gleiten. Ach du meine Güte. Inzwischen haben sie Körpertemperatur, erwärmt von unser beider Münder. Es fühlt sich seltsam an. Als sie erst einmal in mir sind, kann ich sie praktisch nicht mehr spüren – andererseits weiß ich, dass sie da sind.
Er streicht mein Höschen glatt und küsst meine Pobacke.
»Komm hoch«, befiehlt er.
Mit zitternden Knien richte ich mich auf.
Oh. Jetzt spüre ich sie … na ja, irgendwie. Er umfasst meine Hüften, während ich versuche, mein Gleichgewicht zu finden.
»Alles klar?«, fragt er streng.
»Ja.«
»Dreh dich um.«
Ich gehorche.
Die Kugeln sacken nach unten. Unwillkürlich spanne ich die Beckenbodenmuskeln an. Im ersten Moment fühlt es sich merkwürdig, aber keineswegs unangenehm an.
»Und wie fühlt es sich an?«
»Seltsam.«
»Seltsam gut oder seltsam schlecht?«
»Seltsam gut«, gebe ich errötend zu.
»Sehr gut.« Ein verschmitztes Funkeln glitzert in seinen Augen.
»Ich möchte ein Glas Wasser. Geh bitte und hol mir eines.«
Oh.
»Und wenn du zurückkommst, werde ich dich übers Knie legen.«
Wasser? Wieso will er ausgerechnet jetzt ein Glas Wasser?
Doch als ich das Schlafzimmer verlasse, wird mir auf einmal klar, wieso er will, dass ich mich bewege. Die Kugeln massieren mich gewissermaßen bei jedem Schritt von innen, und, offen gestanden, beschleunigen sich sogar meine Atemzüge, als ich mich strecke, um ein Glas aus dem Küchenschrank zu holen. Ich schnappe nach Luft. Hey … das ist ja toll, ein echter Genuss. Sie steigern mein Verlangen nach Sex.
Ich kehre ins Schlafzimmer zurück.
Christian beobachtet mich aufmerksam. »Danke«, sagt er und nimmt mir das Glas aus der Hand.
Bedächtig nippt er daran und stellt es auf den Nachttisch. Daneben liegt ein Folienpäckchen, bereit zum Gebrauch. Wie ich auch. Mir ist vollkommen klar, dass er das tut, um die Vorfreude zu steigern. Mein Herzschlag beschleunigt sich. Er sieht mich aus seinen grauen Augen an.
»Komm her. Stell dich neben mich. So wie beim letzten Mal.«
Ich spüre das Blut durch meinen Körper rauschen, und diesmal bin ich … erregt, als ich neben ihn trete.
»Frag mich«, sagt er leise.
Ich runzle die Stirn. Was soll ich ihn fragen?
»Frag mich.« Seine Stimme klingt eine Spur schärfer.
Wie? Was soll ich fragen? Wie das Wasser war? Was will er von mir?
»Frag mich, Anastasia. Ich sage es nicht noch einmal.« Inzwischen ist die Drohung nicht länger zu überhören. Allmählich dämmert es mir. Ich soll ihn fragen, ob er mich bitte versohlt.
»Legen Sie mich übers Knie, bitte … Sir«, flüstere ich.
Für einen Moment schließt er die Augen und genießt den Klang meiner Worte. Dann nimmt er meine linke Hand und zieht mich über seine Knie. Als ich mich ohne jede Gegenwehr nach vorne kippen lasse, fängt er mich auf. Das Herz schlägt mir bis zum Hals. Er streichelt meine Hinterbacke. Auch diesmal liege ich so, dass mein Oberkörper auf der Matratze neben ihm ruht. Statt wie beim letzten Mal das Bein über meine Schenkel zu legen, streicht er mir nur das Haar hinters Ohr und zieht mir damit vorsichtig meinen Kopf nach hinten.
»Ich will dein Gesicht sehen können, während ich dich versohle, Anastasia«, murmelt er, während er noch immer mit der Handfläche über meine Gesäßbacke streicht, bis sie sich mit sanftem Druck auf mein Geschlecht legt. Es fühlt sich … ich stöhne … unglaublich an.
»Das dient einzig und allein der Lust, Anastasia. Deiner und meiner.«
Er hebt die Hand und lässt sie kraftvoll auf die Stelle herabsausen, an der meine Beine und mein Gesäß zusammenlaufen, so dass sich die Kugeln tiefer in meine Vagina schieben. Eine wahre Woge der Empfindungen rollt über mich hinweg – das Brennen meiner Pobacke, die Kugeln, die mich vollständig auszufüllen scheinen, und die Tatsache, dass ich quer über seinem Schoß liege. Ich verziehe das Gesicht, während mein Verstand und mein Körper darum kämpfen, die ungewohnte Mixtur meiner Eindrücke zu verarbeiten. Irgendwo in der hintersten Ecke meines Bewusstseins registriere ich, dass er nicht ganz so fest zugeschlagen hat wie beim letzten Mal. Wieder beginnt er meine Hinterbacke zu streicheln, fährt zärtlich über meine nackte Haut, mein Höschen.
Wieso hat er mir das Höschen nicht heruntergezogen? Ich spüre, wie sich seine Handfläche löst und Sekunden später ein weiteres Mal auf meine nackte Haut herabsaust. Ich stöhne, als sich die Empfindungen einen Weg durch meinen Körper bahnen. Er beginnt, seine Schläge in einem steten Rhythmus auf meinem Hinterteil zu platzieren: links, rechts, dann nach unten. Die, die mich weiter unten treffen, sind die besten; das Gefühl, wie alles nach vorn geschoben wird, noch tiefer in mich hinein. Zwischen den einzelnen Hieben streichelt, liebkost, knetet er meine Haut. Es ist unbeschreiblich stimulierend und erotisch, von innen und außen gleichermaßen massiert zu werden. Aus irgendeinem Grund – wahrscheinlich, weil ich ihn selbst darum gebeten habe – kümmert mich der Schmerz auf einmal nicht länger; im Gegenteil: Eigentlich ist es gar nicht so schmerzhaft – na ja, irgendwie schon, aber auf eine angenehme Art. Es gelingt mir, den Schmerz zu ertragen. Mehr noch, in gewisser Weise ist er sogar … schön. Ich stöhne auf. Ja, ich kann es. Ich werde es schaffen.
Er hält einen Moment inne und zieht mir langsam das Höschen herunter. Ich winde mich auf seinem Schoß, nicht weil ich den Schlägen entgehen will, sondern um … endlich Erlösung zu finden. Meine übersensible Haut prickelt sinnlich unter der zarten Berührung seiner Finger. Es ist ein überwältigendes Gefühl. Wieder verfällt er in seinen steten Rhythmus – ein paar vorsichtige Schläge, dann etwas kräftiger, links, rechts, unten. Oh, die unteren. Wieder stöhne ich.
»Braves Mädchen, Anastasia«, höre ich ihn keuchen. Auch seine Atemzüge kommen stoßweise.
Er schlägt noch zweimal zu, dann packt er die Schnur an den Kugeln und zieht sie mit einer ruckartigen Bewegung aus meiner Vagina. Um ein Haar komme ich zum Höhepunkt – es ist ein Gefühl, wie ich es noch nie erlebt habe. Er umfasst meine Hüften und dreht mich um. Ich registriere das Ratschen, als er die Folie aufreißt und das Kondom herausnimmt, dann liegt er neben mir. Er erfasst meine Hände, schiebt sie nach oben und lässt sich in mich gleiten, wie in Zeitlupe, erfüllt mich voll und ganz, wo sich gerade noch die silbernen Kugeln befunden haben. Ich stöhne laut.
»O Baby«, flüstert er und beginnt, sich in einem langsamen, sinnlichen Rhythmus zu bewegen, sorgsam darauf bedacht, mir so viel Lust zu spenden, wie er nur kann.
Ich habe ihn noch nie so zärtlich erlebt. Innerhalb kürzester Zeit habe ich den Punkt des Erträglichen erreicht und werde von einem köstlichen, alles umschlingenden Orgasmus erschüttert. Während ich mich mit aller Kraft an ihn klammere, findet auch er seine Erlösung. Ein letztes Mal schiebt er seinen Penis tief in mich hinein und stöhnt in verzweifeltem Staunen meinen Namen, während er sich in mir ergießt.
»Ana!«
Wortlos und schwer atmend liegt er auf mir, seine Hände immer noch mit den meinen über meinem Kopf verschlungen. Schließlich richtet er sich auf und sieht mich an.
»Das war schön«, flüstert er und küsst mich zärtlich.
Dann zieht er seinen Penis aus mir heraus, breitet die Bettdecke über mir aus und verschwindet ins Badezimmer, aus dem er wenig später mit einer Flasche Lotion zurückkehrt. Er setzt sich neben mich auf die Bettkante.
»Dreh dich um«, sagt er. Widerstrebend rolle ich mich auf den Bauch.
Also ehrlich, was für ein Theater. Ich bin hundemüde.
»Dein Arsch schillert in den schönsten Farben«, bemerkt er anerkennend und verteilt die kühlende Lotion auf meinem Hinterteil.
»Nun aber raus mit der Sprache, Grey«, sage ich gähnend.
»Du verstehst es wirklich, einen schönen Moment zu versauen.«
»Wir hatten eine Abmachung.«
»Wie fühlst du dich?«
»Übers Ohr gehauen.«
Seufzend legt er sich hinter mich und umarmt mich, sorgsam darauf bedacht, meinem wunden Hintern nicht zu nahe zu kommen. Behutsam drückt er einen Kuss auf die Stelle unter meinem Ohr.
»Die Frau, die mich zur Welt gebracht hat, war eine Crackhure, Anastasia. Und jetzt schlaf.«
Scheiße … was hat denn das zu bedeuten?
»War?«
»Sie ist tot.«
»Wie lange schon?«
»Sie ist gestorben, als ich vier war. Ich kann mich so gut wie gar nicht mehr an sie erinnern, nur noch an ein paar Einzelheiten. Carrick hat mir einige Dinge über sie erzählt. Bitte schlaf jetzt.«
»Gute Nacht, Christian.«
»Gute Nacht, Ana.«
Ich falle in einen tiefen, erschöpften Schlaf und träume von einem vierjährigen Jungen mit grauen Augen an einem düsteren, beängstigenden, schrecklichen Ort.