51925.fb2 Charlie und der gro?e gl?serne Fahrstuhl - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 16

Charlie und der gro?e gl?serne Fahrstuhl - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 16

Vita-Wonk und Minusland

«Es bleibt dir überlassen, Charlie, mein Junge», sagte Herr Wonka. «Die Fabrik gehört dir. Sollen wir Großmutter Georgine die nächsten zwei Jahre warten lassen oder sollen wir versuchen, sie jetzt gleich zurückzuholen?»

«Sie meinen doch nicht im Ernst, dass Sie sie vielleicht wieder herschaffen können?», rief Charlie aufgeregt.

«Ein Versuch kann ja nichts schaden... falls du's möchtest?»

«Aber ja! Natürlich! Vor allem Mutter zuliebe! Sehen Sie denn nicht, wie traurig sie ist!»

Frau Bucket saß auf dem Rand des großen Bettes und betupfte sich die Augen mit ihrem Taschentuch. «Meine arme alte Mutter», sagte sie immer wieder. «Sie ist minus zwei, und jetzt sehe ich sie Monate und Monate und Monate nicht wieder - falls überhaupt noch jemals!» Hinter ihr gab Großvater Josef mit Hilfe eines Umpa-Lumpas seiner drei Monate alten Frau, Großmutter Josefine, die Flasche. Daneben fütterte Herr Bucket den einjährigen Großvater Georg mit «Wonkas Süßmilch-Nahrung für glückliche Babys» und kleckerte ihm das meiste über Kinn und Brust. «Toll! Ganz toll!», knurrte er wütend. «Was haben sie mich verschaukelt! Da heißt es, ich soll eine Schokoladenfabrik besuchen und mir mal einen richtig schönen Tag machen, und jetzt sitze ich da und spiele die Mutter meines Schwiegervaters!»

«Alles klar, Charlie», sagte Herr Wonka nach einem prüfenden Blick zum Bett hin. «Sie kommen fein zurecht - sie brauchen uns hier nicht. Komm mit! Wir machen uns auf die Suche nach Großmutter!» Er packte Charlie beim Arm und tanzte vor ihm her auf die offene Tür des großen gläsernen Fahrstuhls zu. «Beeil dich, beeil dich, mein Junge!», rief er. «Wir müssen uns sputen, wenn wir noch vorher ankommen wollen!»

«Vorher? Wovor, Herr Wonka?»

«Bevor sie subtrahiert wird, abgezogen, was denn sonst. Alle Minusse werden subtrahiert! Hast du denn überhaupt nicht aufgepasst im Rechnen?»

Sie waren unterdessen in den Fahrstuhl eingestiegen und Herr Wonka suchte nun unter den Hunderten von Knöpfen nach dem, den er haben wollte. «Da ist er!», sagte er und legte den Finger sachte auf einen winzigen Elfenbeinknopf, auf dem «MINUSLAND» stand.

Die Tür schloss sich, und dann schlingerte das große Ding mit fürchterlichem pfeifendem Sirren nach rechts ab. Charlie schnappte nach Herrn Wonkas Beinen und klammerte sich mit aller Kraft daran fest. Herr Wonka zog einen Klappsitz herunter und sagte: «Setz dich hin, Charlie, schnell! Und schnall dich gut an! Dies wird eine Rucker- und Stuckerfahrt!» An beiden Seiten des Klappsitzes hingen Gurte und Charlie schnallte sich an und zog die Schnalle gut fest. Herr Wonka klappte nun noch einen Sitz für sich selber herunter und machte es genauso.

«Wir fahren tief runter», sagte er, «ganz tief, tief runter!»

Der Fahrstuhl kam allmählich auf Tempo. Er bog immer einmal wieder plötzlich ab, schwenkte scharf nach rechts, dann nach links, dann wieder nach rechts, und die ganze Zeit ging es abwärts - tiefer und immer tiefer. «Ich hoffe nur», sagte Herr Wonka, «dass die Umpa-Lumpas heute nicht gerade den anderen Fahrstuhl benutzen.»

«Welchen anderen Fahrstuhl?», fragte Charlie.

«Der auf demselben Gleis fährt, nur in entgegengesetzter Richtung.»

«Was sagen Sie da, Herr Wonka! Heißt das, dass wir mit dem zusammenstoßen können?»

«Bis jetzt habe ich immer Glück gehabt, mein Junge... Da! Guck mal dahin! Schnell!»

Durch das Glas erhaschte Charlie einen Blick auf etwas, das wie ein gewaltiger Steinbruch mit einer steilen, zerklüfteten, braunen Felswand aussah, und an dieser Felswand arbeiteten Hunderte von Umpa-Lumpas mit Spitzhacken und Pressluftbohrern.

«Kandiszucker», sagte Herr Wonka. «Das hier ist das größte Kandiszuckervorkommen der Welt.»

Der Fahrstuhl sauste weiter. «Wir kommen jetzt tiefer, Charlie, immer weiter nach unten. Wir befinden uns schon in ungefähr siebzigtausend Meter Tiefe.» Allerlei Merkwürdiges blitzte draußen auf und huschte vorbei, aber der Fahrstuhl raste mit solch einer phantastischen Geschwindigkeit dahin, dass Charlie nur hin und wieder irgendetwas erkennen konnte. Einmal glaubte er, in einiger Entfernung eine Gruppe von winzigen Häusern zu entdecken, die wie umgestülpte Tassen aussahen, und zwischen den Häusern führten Straßen hindurch, auf denen Umpa-Lumpas spazieren gingen. Und als sie an einer weiten, roten Ebene vorbeikamen, auf der sich überall Gerüste wie Bohrtürme erhoben, sah er an einer Stelle eine braune Fontäne aus der Erde hoch in die Luft schießen. «Es sprudelt!», rief Herr Wonka und klatschte in die Hände. «Es sprudelt ganz toll! Genau das, worauf wir schon gewartet haben!»

«Was sprudelt?», fragte Charlie.

«Wir sind beim Bohren wieder auf Schokolade gestoßen, mein Junge. Das dürfte ein reiches neues Feld sein. Wie das sprudelt! Guck doch nur mal, wie das hochschießt!»

Und so donnerten sie weiter. Steiler denn je ging es nun abwärts und ein Staunen erregender Anblick nach dem anderen bot sich ihnen draußen im Vorbeisausen. Riesige Zahnräder drehten sich, Mischer mischten und Blasen blubberten. Sie sahen gewaltige Toffee-Apfel-Plantagen und fußballplatzgroße Teiche, die mit blauer und goldener und grüner Flüssigkeit gefüllt waren, und überall tummelten sich Umpa-Lumpas!

«Du merkst wohl schon», sagte Herr Wonka, «dass das, was du bei deinem ersten Rundgang durch die Fabrik zusammen mit all diesen ungezogenen Kindern gesehen hast, nur ein winziger Teil des ganzen Werkes war. Die Anlage reicht kilometertief in die Erde. Und so bald wie möglich werde ich dir nach und nach alles gründlich zeigen. Aber dazu braucht man drei Wochen. Im Augenblick haben wir an anderes zu denken und ich muss dir Wichtiges erklären. Hör gut zu, Charlie. Ich muss schnell sprechen, weil wir nämlich jetzt in wenigen Minuten da sind.

Du wirst wohl erraten haben», fuhr Herr Wonka fort, «was aus all den Umpa-Lumpas im Prüfraum geworden ist, die dort arbeiteten, als ich mit Wonka-Vit experimentiert habe. Ja, natürlich hast du das erraten! Sie sind verschwunden und Minusse geworden, genau wie deine Großmutter Georgine. Das Rezept war viel zu stark. Einer von ihnen ist minus siebenundachtzig geworden! Stell dir das mal vor!»

«Bedeutet das, dass er siebenundachtzig Jahre warten muss, bevor er zurückkommen kann?», fragte Charlie.

«Ebendas machte mir die ganze Zeit Sorgen, mein Junge. Man kann doch schließlich seine besten Freunde nicht als jämmerliche Minusse siebenundachtzig Jahre herumwarten lassen... »

«Und dazu noch subtrahiert», sagte Charlie. «Das wäre ja schrecklich!»

«Und ob, Charlie! Was habe ich also gemacht? <Willy Wonka>, sagte ich mir, <wenn du Wonka-Vit erfinden kannst, das die Leute jünger macht, dann kannst du ganz bestimmt auch etwas erfinden, womit sie älter zu machen sind!>»

«Ah!», sagte Charlie. «Ich sehe schon, worauf Sie hinauswollen. Sie könnten dann die Minusse schnell wieder in Plusse zurückverwandeln und nach Hause bringen.»

«Genau, mein lieber Junge, ganz genau - vorausgesetzt natürlich, dass ich herauskriegen würde, wohin die Minusse verschwunden sind.»

Der Fahrstuhl rauschte weiter abwärts; in steiler Fahrt hielt er auf den Mittelpunkt der Erde zu. Alles war nun finster und schwarz draußen. Man konnte nichts mehr sehen.

«Also», fuhr Herr Wonka fort, «habe ich wieder einmal die Ärmel aufgekrempelt und mich ans Werk gemacht. Angestrengt dachte ich über das neue Rezept nach, das ich finden musste... ich musste Alter schaffen... Leute alt machen... alt, älter, am ältesten... <Haha!>, rief ich schon bald, denn nun schossen die Ideen von allen Seiten nur so heran. <Was ist das Älteste von allem, was auf der Erde lebt? Was lebt länger als alles andere?>»

«Ein Baum», antwortete Charlie.

«Richtig, Charlie! Aber welcher Baum! Nicht die Tanne. Nicht die Eiche. Nicht die Zeder. Nein, nein, mein Junge, sondern die so genannte Stachelzapfenföhre, die an den Hängen des Wheeler-Parks im amerikanischen Bundesstaat Nevada wächst. Im Wheeler-Park findet man heute Stachelzapfenföhren, die über 4000 Jahre alt sind! Das ist Tatsache, Charlie. Da kannst du jeden Dendrologen fragen (und das Wort schlägst du bitte im Lexikon nach, nicht wahr, wenn du nach Hause kommst?). Das war also der entscheidende Einfall. Ich sprang in den großen gläsernen Fahrstuhl und flitzte kreuz und quer über die Erde, um ganz bestimmte Zutaten von den allerältesten Lebewesen zu sammeln...

Einen halben Liter Saft von einer 4000jährigen Stachelzapfenföhre.

Die Zehennägelschnipsel von einem 168jährigen russischen Bauern namens Petrowitsch Gregorowitsch. Ein Ei von einer dem König von Tonga gehörenden, 200 Jahre alten Schildkröte.

Den Schwanz eines 51 Jahre alten Pferdes in Arabien. Die Barthaare einer 36 Jahre alten Katze namens Keks. Einen alten Floh, der seit 36 Jahren auf Keks gelebt hatte. Den Schwanz einer 207jährigen Riesenratte aus Tibet. Die Backenzähne eines 97 Jahre alten Höhlenkaters, der in einer Höhle auf dem Berg Popocatepetl lebte. Die Knöchel eines 700 Jahre alten Büffelrinds aus Peru...

In allen Winkeln der Welt, Charlie, habe ich sehr alte und ururalte Tiere aufgestöbert und von jedem etwas Wichtiges, wenn auch nur eine Kleinigkeit, genommen - ein Haar oder eine Augenbraue, manchmal auch nur ein oder zwei Lot Zehenschmalz, das ich dem Tier, während es schlief, zwischen den Zehen herausschabte. Ich habe das PFEIFENSCHWEIN aufgespürt, DEN BOBOLINK, DEN SKROCK, DEN POLLYFROSCH, DEN GROSSEN LOCKENDREHER, DIE STECHSCHNECKE UND DEN GIFTQUERKEL, der einem aus fünfzig Meter Entfernung Gift genau ins Auge spritzen kann. Aber ich kann dir jetzt nicht von allen erzählen, Charlie, dazu fehlt uns die Zeit. Ich will dir nur noch rasch erklären, dass ich zum Schluss, nach allerlei Kochen und Blubbern und Mischen und Prüfen in meinem Erfindungsraum, schließlich ein winziges Tässchen voll von einer schwarzen, öligen Flüssigkeit hergestellt und vier Tropfen davon einem tapferen zwanzigjährigen Umpa-Lumpa-Freiwilligen gegeben habe, um herauszufinden, wie sie wirken würden.»

«Und wie haben sie gewirkt?», fragte Charlie.

«Phantastisch!», rief Herr Wonka. «Er hatte sie kaum geschluckt, da kriegte er überall Runzeln und Fältchen und fing an zusammenzuschrumpfen, seine Haare begannen auszufallen, ebenso seine Zähne, und ehe ich mich's versah, war ein alter Mann von fünfundsiebzig Jahren aus ihm geworden. Und damit, mein lieber Charlie, war Vita-Wonk erfunden!»

«Haben Sie alle Umpa-Lumpa-Minusse gerettet, Herr Wonka?»

«Ja, alle, mein Junge! Insgesamt einhunderteinunddreißig! Aber du musst nicht glauben, dass es so einfach war. Immer wieder Pannen, immer wieder Komplikationen!... Lieber Himmel! Wir sind ja schon fast da! Jetzt muss ich aber mit dem Reden aufhören und aufpassen, wo wir hinfahren!»

Charlie fiel auf, dass der Fahrstuhl nicht mehr sauste und dröhnte. Er bewegte sich kaum noch, schien nur noch dahinzugleiten, zu treiben. «Schnall dich los», sagte Herr Wonka. «Wir müssen uns bereit machen.» Charlie öffnete die Schnalle an seinen Gurten und erhob sich und schaute hinaus. Ein unheimlicher Anblick bot sich ihm. Sie trieben durch einen dichten, grauen Nebel und der Nebel wirbelte und quirlte um sie herum, als jagte ihn der Wind von vielen Seiten. Weiter weg war der Nebel dunkler und fast schwarz, und dort schien er noch heftiger zu strudeln. Herr Wonka schob die Tür auf. «Zurücktreten!», sagte er. «Pass mir ja auf, Charlie, dass du nicht rausfällst!»

Der Nebel quoll in den Fahrstuhl. Er stank modrig wie ein alter unterirdischer Kerker. Die Stille war überwältigend. Man hörte nicht den geringsten Laut, kein Wispern des Windes, keine Tierstimmen, kein Insektensummen. Charlie hatte ein ganz eigenartiges Gefühl, als er dort inmitten dieses grauen, unmenschlichen Nichts stand - als wäre er in einer ganz und gar anderen Welt, an einem Ort, an dem Menschen sich nie und nimmer aufhalten sollten.

«Minusland!», flüsterte Herr Wonka. «Wir sind da, Charlie! Jetzt heißt es: sie finden. Vielleicht haben wir Glück... vielleicht aber auch nicht!»