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Als Herr Wonka «Halt!» rief, stemmten die Umpa-Lumpas die Ruder in den Fluß und bremsten scharf. Das Boot hielt an, und die Umpa-Lumpas ließen es langsam vor die rote Tür gleiten. Darauf stand:
ERFINDUNGSRAUM PRIVAT - ZUTRITT VERBOTEN!
Herr Wonka zog einen Schlüssel aus der Tasche und lehnte sich über den Bootsrand, um aufzuschließen.
«Das ist der wichtigste Raum der ganzen Fabrik! Hier drinnen kochen und brutzeln alle meine neuesten und geheimsten Erfindungen! Was würden all die schlechten
Fabrikanten auf der Welt dafür geben, wenn sie sich nur einmal hier drinnen drei Minuten umsehen dürften! Und jetzt hört gut zu! Ihr dürft in diesem Raum nichts anfassen, gar nichts, habt ihr verstanden? Versprecht ihr mir, daß ihr nichts anfaßt?»
«Ja, ja. Wir rühren ganz bestimmt nichts an!» riefen die Kinder.
«Bis jetzt hat noch nie jemand außer mir diesen Raum betreten, nicht einmal ein Umpa-Lumpa», sagte Herr Wonka, öffnete die Tür und stieg aus dem Boot in den Raum. Die vier Kinder und die Erwachsenen kletterten hinter ihm her.
«Nichts anfassen!» mahnte Herr Wonka noch einmal. «Und nichts umstoßen.»
Charlie sah sich staunend in dem großen Saal um. Hier sah es aus wie in einer Hexenküche! Überall standen große Küchenherde, auf denen es in schwarzen Eisentöpfen kochte und blubberte. Kessel summten, Pfannen zischten, eigenartige Maschinen ratterten und rasselten, Röhren liefen unter der Decke und an allen Wänden entlang. Und der ganze Raum war von Rauch und Dampf und köstlichen Düften erfüllt.
Herr Wonka war plötzlich noch viel lebhafter als vorher. Man sah ihm an, daß er sich am liebsten in diesem Raum aufhielt. Er hüpfte zwischen den Maschinen und Töpfen herum wie ein Kind zwischen seinen Weihnachtsgeschenken und wußte nicht, was er sich zuerst anschauen sollte. Er hob den Deckel von einem großen Topf und schnupperte, dann lief er weiter zu einem Faß voll klebrigem gelbem Zeug, steckte den Finger hinein und probierte. Er hantierte an den Hebeln und Knöpfen einer Maschine herum, er schaute besorgt durch die Glastür eines enormen Backofens und rieb sich endlich zufrieden die Hände und kicherte entzückt. Zum Schluß trat er an eine kleine Maschine, die dauernd ph... ph... ph... machte, und bei jedem ph... fiel eine dicke, grüne Murmel in einen Korb, der davor auf dem Boden stand. Jedenfalls sah es wie eine Murmel aus.
«Immerwährende Dauerlutscher!» verkündete Herr Wonka stolz. «Etwas ganz Neues! Ich erfinde sie für Kinder, die nur wenig Taschengeld bekommen. Auf einem immerwährenden Dauerlutscher können sie lutschen und lutschen und lutschen und lutschen und lutschen, und er wird niemals kleiner!»
«Wie Kaugummi!» rief Violetta Beauregarde.
«Nein, nicht wie Kaugummi», antwortete Herr Wonka. «Kaugummi ist zum Kauen, aber wenn du versuchst, einen von diesen Dauerlutschern zu kauen, dann brichst du dir sämtliche Zähne aus. Sie schmecken herrlich! Und sie wechseln jede Woche einmal die Farbe! Sie werden niemals kleiner! Sie lösen sich nie auf... Jedenfalls nehme ich das an. Ich lasse gerade einen immerwährenden Dauerlutscher im Test-Labor nebenan prüfen. Ein Umpa-Lumpa lutscht schon seit beinahe einem Jahr ununterbrochen darauf herum, und das Ding ist noch immer genauso groß und genauso gut wie zu Anfang.
Und jetzt kommt und schaut euch das hier an!» Herr Wonka lief durch den Saal und blieb vor einem großen Kessel stehen, in dem eine zähe, rötliche Masse blubbernd kochte. Der kleine Charlie konnte gerade in den Kessel schauen, wenn er sich auf die Zehen stellte.
«Das ist Haar-Toffee! Man braucht bloß ein ganz kleines Stückchen davon zu essen, und eine knappe halbe Stunde später wächst einem eine funkelnagelneue prächtige, dichte und seidige Mähne auf dem Kopf! Und obendrein auch noch ein Schnurrbart und ein Backenbart!»
«Ein Bart! Wer will schon einen Bart haben!» sagte Veruschka Salz.
«Er würde dir sicher gut stehen, aber leider ist meine Mischung noch nicht fertig zum Gebrauch», antwortete Herr Wonka. «Sie ist immer noch zu stark und wirkt deshalb zu gut. Ich habe sie gestern an einem Umpa-Lumpa ausprobiert: ihm ist sofort ein ellenlanger schwarzer Bart aus dem Kinn geschossen, und der Bart wuchs so schnell, daß er bald wie ein dicker haariger Teppich auf dem Boden lag. Schließlich mußten wir den Rasenmäher nehmen, um den Bart zu stutzen. Aber bald habe ich die richtige Mischung heraus! Und dann brauchen kleine Jungen und Mädchen nie mehr mit kahlem Kopf herumzulaufen!»
«Aber, Herr Wonka», sagte Micky Schießer. «Kleine Jungen und kleine Mädchen haben niemals einen...»
«Bitte keine Widerrede, mein liebes Kind, bitte keine Widerrede! Das ist reine Zeitverschwendung!» sagte Herr Wonka. «Und jetzt kommt bitte alle hier entlang. Ich zeige euch jetzt etwas, worauf ich wirklich schrecklich stolz bin. Aber Vorsicht! Stoßt bitte nichts um! Geht nicht zu nahe heran!»