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Oben auf dem Riesenpfirsich herrschte noch immer eitel Freude und Sonnenschein.
«Ich möchte nur wissen, wo wir diesmal hinkommen», sagte Regenwurm.
«Das ist doch ganz egal», meinten sie alle. «Möwen fliegen früher oder später immer zurück an Land.»
Immer höher und höher stieg der Riesenpfirsich, bis hoch über die höchsten Wolken, und schaukelte sanft hin und her, während er dahinschwebte.
«Wäre es nicht schön, wenn wir jetzt auch noch ein bißchen Musik hätten?» sagte Marienkäferchen. «Was meinst du, Grashüpfer?»
«Mit dem größten Vergnügen, meine Liebe», antwortete Grashüpfer und verbeugte sich tief.
«Hurra, er spielt uns was vor!» rief die ganze Gesellschaft und setzte sich im Kreis um den alten grünen Musikanten herum.
Das Konzert begann und fesselte die Zuhörer vom ersten Augenblick an. James hatte noch niemals solch herrliche Musik gehört! An Sommerabenden hatte er oft zugehört, wenn die Grillen im Gras zirpten, denn ihr Surren gefiel ihm. Aber Grashüpfer machte richtige Musik mit verschiedenen Tönen und Akkorden und allem.
Und was für ein wundervolles Instrument er besaß! Beinahe so gut wie eine richtige Geige: Sein Hinterbein diente als Geigenbogen und sein Flügelrand als Geigensaiten.
Grashüpfer strich mit unglaublicher Geschicklichkeit mit dem Oberschenkel über den Flügelrand; manchmal schnell, manchmal langsam, aber immer mit leichten, fließenden Bewegungen, genau wie ein guter Geigenspieler, und seine Musik erfüllte den ganzen blauen Himmel rundum mit zauberhaften Melodien.
Als Grashüpfer sein Instrument verstummen ließ, klatschten alle begeistert Beifall, und Spinne sprang auf und schrie: «Bravo! Encore! Noch mal!»
«Hat es dir gefallen, James?» fragte Grashüpfer und lächelte den kleinen Jungen an.
«O ja, es war wundervoll! Genauso, als ob du eine richtige Geige hättest», antwortete James.
«Eine richtige Geige!» rief Grashüpfer und tat entrüstet. «Du bist gut! Mein lieber Junge, ich bin eine richtige Geige! Sie ist ein Teil meines Körpers.»
«Machen alle Grashüpfer ihre Musik mit einer Geige, so wie du?» fragte James.
«Nein, nicht alle. Ich bin ein <kurzhorniger> Grashüpfer. Ich habe zwei kurze Fühler auf dem Kopf.
Siehst du, hier. Sie sind sehr kurz, nicht wahr? Deshalb werde ich ein <kurzhorniger> Grashüpfer genannt, und nur wir <Kurzhornigen> spielen unsere Musik auf einer Geige. Meine <langhornigen> Verwandten, die zwei sehr lange, geschwungene Fühler haben, musizieren, indem sie einfach die oberen Flügelränder gegeneinander reiben. Sie sind keine Geigenspieler, sie geben längst nicht solch schöne Töne von sich wie wir. Ihre Musik klingt eher wie ein Banjo, nicht wie eine Geige.»
«Wie interessant!» sagte James. «Wenn ich mir vorstelle, daß ich mir bis jetzt noch nie überlegt habe, wie ein Grashüpfer wohl seine Musik macht...»
«Mein lieber Junge, es gibt eine Menge Dinge auf dieser Welt, über die du noch niemals nachgedacht hast», sagte der alte Grashüpfer nachsichtig. «Was meinst du, zum Beispiel, wo ich meine Ohren habe?»
«Deine Ohren? Am Kopf, natürlich», antwortete James.
Alle lachten schallend.
«Weißt du das tatsächlich nicht?» fragte Tausendfüßler.
«Du darfst noch einmal raten, James», sagte Grashüpfer lächelnd.
«Wo sollen sie denn sonst sein?» sagte James. «Ich meine, das gibt's doch nicht, daß jemand seine Ohren nicht rechts und links am Kopf hat.»
«So, und warum soll's das nicht geben?»
«Ich geb's auf. Also, wo hast du deine Ohren?»
«Hier», sagte Grashüpfer und klopfte sich auf die Seiten. «Rechts und links vom Bauch.»
«Das glaube ich nicht!»
«Warum nicht? Du solltest mal sehen, wo meine Vettern, die Grillen, ihre Ohren haben.»
«Wo denn?»
«An den Vorderbeinen, direkt unter dem Knie.»
«Hast du das auch nicht gewußt?» fragte Tausendfüßler verächtlich.
«Ihr macht euch über mich lustig», sagte James. «Niemand kann Ohren an den Beinen haben.»
«Warum nicht?»
«Weil... weil das einfach lächerlich ist, deshalb.»
«Weißt du, was ich lächerlich finde?» Tausendfüßler grinste. «Ich möchte ja nicht unhöflich sein, aber ich finde es lächerlich, Ohren rechts und links am Kopf zu haben. Es sieht jedenfalls lächerlich aus. Du solltest gelegentlich mal in den Spiegel schauen; dann siehst du das selbst.»
«Du bist eine Landplage!» rief Regenwurm. «Warum bist du immer so unhöflich und spöttisch zu allen? Du solltest dich sofort bei James entschuldigen.»