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Doch Jane blieb stumm. Sie sah zu, wie Mistreß Corry den

Leim an den Himmel schwappte, Mary Poppins die Sterne daranklebte und Miß Fannie und Miß Annie die Leitern weiterrückten, sobald wieder eine Lücke am Himmel ausgefüllt werden sollte.

Schließlich war alles vorbei. Mary Poppins schüttelte ihren Korb aus und zeigte Mistreß Corry, daß er leer war. Dann kletterten sie die Leitern herunter, und die Prozession kam wieder den Hügel herab: Miß Fannie die Leitern geschultert, Miß Annie mit dem leeren Eimer rasselnd.

An der Ecke blieben sie einen Augenblick stehen und schwatzten, dann schüttelte Mary Poppins allen die Hand und eilte wieder nach Haus. Mistreß Corry tanzte leichtfüßig in ihren Zugstiefelchen davon und hielt die Röcke zierlich mit den Händen gerafft. So verschwand sie in der entgegengesetzten Richtung, und ihre riesigen Töchter stapften geräuschvoll hinter ihr drein.

Das Gartentor klinkte. Schritte knirschten auf dem Kies. Die Haustür öffnete und schloß sich, leise einschnappend. Jane und Michael hörten Mary Poppins sachte die Treppe heraufkommen, auf Zehenspitzen zum Kinderzimmer und dann hinüber ins nächste Zimmer schleichen, wo sie mit John und Barbara schlief.

Sobald es wieder still war, sahen sich beide an. Dann gingen sie beide wortlos zur oberen linken Schublade und schauten hinein.

Nichts war darin als ein Häufchen Taschentücher von Jane.

»Ich hab's dir gleich gesagt!« sagte Michael.

Schnell gingen sie zum Kleiderschrank und schauten in die Schuhschachtel. Auch sie war leer.

»Aber wieso denn? Warum denn?«

Michael setzte sich auf den Rand seines Bettes und starrte Jane verwundert an.

Jane gab keine Antwort. Die Arme um die Knie geschlungen, setzte sie sich neben ihn und dachte und dachte. Schließlich schüt-telte sie das Haar zurück, streckte sich und stand auf. Dann meinte sie:

»Was ich unbedingt wissen möchte, ist: sind nun die Sterne aus Goldpapier oder ist das Goldpapier aus Sternen gemacht?«

Es kam keine Antwort, und sie erwartete auch keine. Sie wußte, daß nur jemand viel Gescheiterer als Michael ihr die richtige Antwort geben könnte.

9. Kapitel. Die Geschichte von Barbara und John

Jane und Michael waren zu einer Einladung gegangen. Sie hatten ihre besten Sachen angezogen, und das Zimmermädchen Ellen hatte bei ihrem Anblick erklärt: die reinsten Schaufensterpuppen!

Das Haus war an diesem Nachmittag sehr still und ruhig. Unten in der Küche las, die Brille auf der Nase, Mistreß Brill die Zeitung. Robertson Ay saß im Garten und tat so, als täte er was. Mistreß Banks hatte sich's im Wohnzimmer auf dem Sofa bequem gemacht. Das ganze Haus schien in Schlaf versunken. Es träumte wohl seine eigenen Träume oder hing vielleicht auch seinen Gedanken nach.

Oben im Kinderzimmer trocknete Mary Poppins die Kleider am Kaminfeuer. Das Sonnenlicht drang zum Fenster herein, flimmerte auf den weißen Wänden und tanzte über die Bettchen, in denen die Kleinen lagen.

»Mach, daß du weiterkommst! Du scheinst mir gerade in die Augen«, sagte John laut.

»Tut mir leid«, erklärte das Sonnenlicht. »Ich kann's nicht ändern. Ich muß nun einmal das Zimmer durchqueren. Befehl ist Befehl. Ich muß in einem Tag von Osten nach Westen wandern, und mein Weg führt durch dieses Kinderzimmer. Tut mir leid! Mach deine Augen zu, dann merkst du nichts von mir.«

Der goldene Sonnenstrahl machte sich lang und wanderte weiter durchs Zimmer. Offenbar beeilte er sich, um John einen Gefallen zu tun.

»Wie weich und köstlich du bist! Ich hab dich lieb«, sagte Barbara und hielt ihre Händchen in die strahlende Wärme.

»Gutes Kind!« sagte der Sonnenstrahl beifällig und streichelte sie liebkosend über Bäckchen und Haar. »Magst du das gern?« fragte er, als wollte er gelobt werden.

»Köö-stlich!« sagte Barbara und seufzte glücklich auf.

»Papperlapapp! Ich kenne keinen Ort, wo mehr geplappert wird. Immer ist hier jemand im Zimmer und schwätzt«, sagte eine keifende Stimme vom Fenster her.

John und Barbara blickten auf.

Es war der Star, der auf dem Schornstein sein Nest hatte.

»Ich hab's gern«, sagte Mary Poppins und drehte sich schnell nach ihm um. »Wie steht's denn übrigens mit dir? Den ganzen Tag lang — ja, und die halbe Nacht noch dazu, auf allen Dächern und Telegrafenstangen. Schimpfen und Kreischen und Schreien — du könntest dem Teufel ein Ohr abschwatzen, glaub ich. Schlimmer als jeder Spatz, wahrhaftig!«

Der Star legte den Kopf auf die Seite und schaute von seinem Sitz auf dem Fensterrahmen auf sie hinab.

»Nun, ich muß meinen Geschäften nachgehen. Konferenzen, Besprechungen, Verhandlungen, Abschlüsse. Und das erfordert natürlich dann und wann ein — hm — ruhiges Gespräch —«

»Ruhiges?« rief John und lachte hellauf.

»Mit dir hab ich nicht geredet, junger Mann«, sagte der Star und hüpfte hinunter aufs Fensterbrett. »Du hast es nötig, den Mund aufzumachen. Letzten Samstag hab ich dich stundenlang plappern gehört. Liebe Zeit, ich dachte, du würdest überhaupt nicht mehr aufhören — die ganze Nacht lag ich wach — deinetwegen.«

»Das war kein Geplapper«, sagte John. »Das war . . . « Er hielt inne. »Das heißt, es hat mir etwas weh getan.«

»Aha!« machte der Star und saß plötzlich auf dem Gitter von Barbaras Bettchen. Dort hopste er seitlich bis ans Kopfende weiter. Dann sagte er mit sanfter, einschmeichelnder Stimme:

»Nun, Barbara Banks, gibt's heut was für den alten Burschen, he?«

Barbara richtete sich auf, indem sie sich an einer Stange ihres Bettgitters festhielt.

»Hier ist noch die Hälfte von meinem Zwieback«, sagte sie und hielt ihm das Stückchen mit ihrer runden, dicken Faust hin.

Der Star kam angeschwirrt, schnappte ihr den Zwieback aus der Hand und flog aufs Fenstersims zurück. Dort begann er, ihn eifrig aufzupicken.

»Danke schön!« sagte Mary Poppins mit Betonung, aber der Star war viel zu sehr mit seinem Zwieback beschäftigt, um darauf zu achten.

»Ich sagte >danke schön!<« wiederholte Mary Poppins etwas lauter.

Der Star blickte auf.

»He — was? Laß mich zufrieden, Mädchen! Ich hab keine Zeit für solchen Firlefanz!« Und er verschlang die letzten Zwiebackkrumen.

Es wurde ganz still im Zimmer.

John, der in der Sonne döste, steckte die Zehen seines rechten Fußes in den Mund und rieb sie an der Stelle hin und her, wo seine Zähne durchbrechen wollten.

»Warum plagst du dich so?« fragte Barbara mit ihrer weichen, vergnügten Stimme, die immer voller Lachen war. »Niemand ist da und sieht zu.«

»Weiß ich«, sagte John und spielte ein Liedchen auf seinen Zehen. »Aber ich bleibe gern in der Übung. Es macht den Großen so viel Spaß. Hast du gemerkt, wie Tante Flossie fast närrisch war vor Entzücken, als ich es ihr gestern vormachte? >Ach, wie lieb und wie gescheit, welch ein Wunder, dieses Geschöpfchen!< Hast du nicht gehört, was sie alles daherredete?« Und John ließ seinen Fuß fahren und gluckste vor Lachen bei dem Gedanken an Tante Flossie.

»Mein Kunststück hat ihr auch gefallen«, sagte Barbara selbstzufrieden. »Ich hab meine Söckchen ausgezogen, und da hat sie gesagt, sie hätte mich zum Fressen gern. Ist das nicht komisch? Wenn i c h sage, ich hätte was zum Fressen gern, dann meine ich es wirklich. Kekse und Zwieback und die Bettzipfel und so. Aber mir scheint, die Großen meinen nie, was sie sagen. Sie konnte mich doch nicht wirklich auffressen wollen! Was denkst du?«

»Natürlich nicht! Es ist nur eine ihrer verrückten Redensarten«, sagte John. »Ich glaube, ich werde die Großen nie verstehen! Sie kommen mir alle so dumm vor. Sogar Jane und Michael sind manchmal dumm.«

»Hm«, stimmte Barbara zu und zog gedankenschnell ihre Söckchen aus und wieder an.

»Zum Beispiel verstehn sie kein Wort von dem, was wir sprechen«, fuhr John fort. »Aber, was noch viel schlimmer ist, sie verstehen nicht einmal, was die übrigen Dinge sprechen. Erst letzten Montag hörte ich Jane sagen, sie wüßte gern, in welcher Sprache der Wind redet.«

»Ja, ich weiß«, sagte Barbara. »Es ist erstaunlich. Und Michael behauptet immer — hast du's nicht gehört? —, daß der Star nur >Wi-twi-i-i< sagt. Er weiß, scheint's, gar nicht, daß der Star so etwas bestimmt nicht sagt, sondern genau die gleiche Sprache spricht wie wir. Natürlich ist nicht zu erwarten, daß Vater und Mutter das wissen — die haben keinen Schimmer, obgleich sie sehr lieb sind — aber Jane und Michael, sollte man denken —«