52064.fb2 Mary Poppins - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 20

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John beachtete ihn gar nicht. Er preßte sein Gesicht an das Gitter seines Bettchens und rief leise und voll Leidenschaft zu Barbara hinüber:

»Ich will nicht wie die anderen werden! Glaub mir, ich will nicht! Die beiden«, er zeigte mit dem Kopf auf den Star und Mary Poppins, »die können sagen, was sie wollen. Ich werd es nie vergessen, nie!«

Mary Poppins lächelte ein heimliches Ich-weiß-es-besser-als-du-Lächeln vor sich hin.

»Ich auch nicht«, sagte Barbara, »nie!«

»Bei meinen Schwanzfedern — hört euch das an!« kreischte der Star, stemmte die Flügel in die Seiten und lachte laut und ausgelassen. »Als ob gegen das Vergessen ein Kraut gewachsen wäre! Schon in einem Monat oder zwei — allerhöchstem in drei — werden sie nicht einmal mehr wissen, wie ich heiße — diese einfältigen Kuckucke! Törichte, unreife, federlose Kuckucke! Ha-ha-ha!« Und immer noch laut lachend, breitete er seine gesprenkelten Flügel aus und flog zum Fenster hinaus.

Bald danach waren die Zähnchen da, nach mancher Not, wie das so ist bei den Zähnen, und dann hatten die Zwillinge ihren ersten Geburtstag.

Einen Tag nach der Geburtstagsfeier kam der Star, der in den Ferien in Bournemouth gewesen war, wieder nach Nummer 17 am Kirschbaumweg.

»Hallo, hallo, hallo! Da sind wir ja wieder!« schrie er voll Freude und landete mit einem kleinen Schwubs auf dem Fenstersims. »Nun, wie geht's denn, altes Mädchen?« erkundigte er sich dreist bei Mary Poppins, legte den Kopf auf die Seite und schaute sie funkelnd mit vergnügten, zwinkernden Augen an.

»Keineswegs besser, wenn du so fragst!« sagte Mary Poppins und warf den Kopf zurück.

Der Star lachte.

»Immer die alte Mary Poppins! Bei dir wenigstens gibt's keine Veränderung! Wie geht's den andern — den Kuckucken?« fragte er und schaute hinüber zu Barbaras Bettchen.

»Nun, Barbarina«, schmeichelte er in seinem schmelzendsten Ton, »gibt's was für den alten Burschen heute?«

»Be-lah-blah-belah-belah«, summte Barbara leise und fuhr fort, ihren Zwieback zu essen.

Überrascht hüpfte der Star ein wenig näher. »Ich hab dich gefragt«, wiederholte er etwas deutlicher, »ob du heute was hast für den alten Burschen, Barbie, mein Liebling?«

»Ba-loo-baloo-b-loo«, plapperte Barbara, guckte zur Decke und verschluckte dabei den letzten süßen Bissen.

Der Star blickte sie an.

»Aha!« machte er plötzlich, drehte sich um und blickte fragend auf Mary Poppins. Aus stillen, ruhigen Augen erwiderte sie seinen Blick.

Der Star huschte zu Johns Bettchen hinüber und setzte sich auf das Gitter. John hielt ein großes wollenes Lamm innig im Arm.

»Wie heiße ich? Wie heiße ich? Wie heiße ich?« schrie der Star ganz ängstlich und schrill.

»Er-umph!« sagte John, machte den Mund auf und steckte das Bein seines wollenen Lamms hinein.

Mit einem leichten Kopfschütteln wandte sich der Star ab. »Also — es ist soweit!« sagte er ruhig zu Mary Poppins.

Sie nickte.

Der Star blickte einen Augenblick betrübt auf die Zwillinge. Dann schüttelte er seine gesprenkelten Schultern.

»Na schön — ich hab's ja kommen sehen. Hab's ihnen immer gesagt. Aber sie haben's ja nicht glauben wollen.« Er blieb noch ein Weilchen still sitzen und starrte in die Bettchen. Dann schüttelte er sich energisch.

»So ist's eben! Ich muß fort. Wieder auf meinen Schornstein. Der hat bestimmt den Frühjahrsputz nötig.« Er flog aufs Fenstersims, zögerte dort einen Augenblick und sah über die Schulter zurück.

»Wird mir recht komisch vorkommen ohne sie, trotz allem. Hab mich immer gern mit ihnen unterhalten — weiß Gott. Werde sie sehr vermissen.«

Und er fuhr sich mit dem Flügel rasch über die Augen.

»Tränen?« fragte Mary Poppins spöttisch. Der Star nahm sich zusammen.

»Tränen! Natürlich nicht. Ich hab mir nur — hm — eine leichte Erkältung geholt auf der Reise — das ist alles. Wirklich, nur eine leichte Erkältung, nichts Ernstes.« Er flog zum Fensterrahmen hinauf, strich seine Brustfedern mit dem Schnabel glatt, breitete dann mit einem kecken »Cheerio!« seine Flügel aus und war fort.

10. Kapitel. Vollmond

Den ganzen Tag über war Mary Poppins in großer Eile gewesen, und wenn sie es eilig hatte, war sie immer mürrisch.

Alles, was Jane tat, war nicht recht, und was Michael tat, war noch weniger recht. Selbst die Zwillinge fuhr sie an.

Jane und Michael gingen ihr möglichst aus dem Weg. Sie wußten, Mary Poppins hatte Zeiten, da war es besser, ihr nicht unter die Augen zu geraten.

»Ich wollte, wir wären unsichtbar!« sagte Michael, nachdem Mary Poppins behauptet hatte, sein Anblick sei etwas, was man einem Menschen mit Selbstachtung nicht zumuten könne.

»Wenn wir uns hinter dem Sofa verstecken, sind wir's«, sagte Jane. »Wir wollen das Geld in unsern Sparbüchsen zählen. Vielleicht ist sie nach dem Nachtessen besser aufgelegt.«

Also versteckten sie sich.

»Sechs Pennies und vier Pennies — macht zehn Pennies und noch ein halber Penny und ein Dreipennystück«, zählte Jane schnell zusammen.

»Vier Pennies und drei Zweipennystücke — das ist alles«, seufzte Michael und legte sein Geld auf ein kleines Häufchen.

»Das reicht gerade für die Armenbüchse«, sagte Mary Poppins, die leise schnüffelnd über die Sofalehne schaute.

»O nein!« sagte Michael. »Das ist für mich. Ich will sparen.«

»Hu — für eines von diesen Flugzeugen vermutlich!« meinte Mary Poppins spöttisch.

»Nein, für einen Elefanten — einen für mich ganz allein, so einen wie die Lizzie im Zoo. — Ich könnte dich dann reiten lassen«, sagte Michael mit einem Seitenblick, um zu sehen, wie sie es aufnahm.

»Hm! Was für eine Idee!« sagte Mary Poppins. Aber sie spürten, daß sie nicht mehr ganz so spöttisch aufgelegt war wie zuvor.

»Ich möchte gern wissen, wie es im Zoo bei Nacht ist, wenn alle Leute heimgegangen sind«, sagte Michael gedankenvoll.

»Deine Sorgen möchte ich haben!« unterbrach ihn Mary Poppins

»Sorgen hab ich keine, ich möchte es nur wissen!« erklärte Michael. »Weißt du es denn?« bohrte er, während Mary Poppins doppelt so schnell wie sonst die Brosamen vom Tisch fegte.

»Noch eine einzige Frage von dir — und eins, zwei, drei, ins Bett«, sagte sie und begann so geschwind das Kinderzimmer aufzuräumen, daß sie mehr einer Windsbraut mit Häubchen und Schürze glich als einem menschlichen Wesen.

»Es hat keinen Sinn, sie zu fragen. Sie weiß alles, aber sie sagt es nie«, meinte Jane.

»Was nützt es dann, wenn sie's keinem erzählt?« brummte Michael, aber sehr leise, daß Mary Poppins es nicht hören konnte.

Jane und Michael kam es vor, als wären sie noch nie so schnell zu Bett gebracht worden wie an diesem Abend. Gleich darauf machte Mary Poppins das Licht aus und ging so geschwind hinaus, als bliesen alle Winde der Welt hinter ihr drein.

Nicht viel später — so wenigstens erschien es ihnen — hörten sie plötzlich eine leise Stimme an der Tür.