52064.fb2 Mary Poppins - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 4

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»Nichts zu bezahlen!« sagte der Kellner, ehe sie noch Zeit hatten, nach der Rechnung zu fragen. »Es war mir ein Vergnügen. Das Karussell ist dort drüben!« Er deutete mit der Hand zu einer kleinen Lichtung hinüber, wo sich, wie Mary Poppins und der Streichholzmann jetzt sahen, ein paar Holzpferde auf einer Plattform drehten.

»Wie komisch«, sagte sie, »ich kann mich nicht erinnern, sie auf dem Bild gesehen zu haben.«

»Ach«, sagte der Streichholzmann, der sich auch nicht daran erinnerte, »die waren im Hintergrund, verstehst du.«

Als sie auf das Karussell zutraten, verlangsamte es gerade die Fahrt. Sie sprangen auf, Mary Poppins auf ein schwarzes Pferd und der Streichholzmann auf ein graues. Und als die Musik wieder begann und das Karussell sich in Bewegung setzte, ritten sie den ganzen Weg nach Yarmouth und zurück, denn das war der Ort, den sie am liebsten sehen wollten.

Als sie zurückkamen, war es fast dunkel, und der Kellner hielt schon Ausschau nach ihnen. »Bedauere, meine Herrschaften«, sagte er höflich, »aber wir schließen um sieben. Vorschrift, Sie verstehen? Darf ich Ihnen den Ausgang zeigen?«

Sie bejahten, und er ging, seine Serviette schwenkend, vor ihnen her durch den Wald.

»Ein wunderbares Bild hast du diesmal gemalt, Bert!« lobte Mary Poppins, schob ihre Hand in den Arm des Streichholzmannes und zog den Mantel fester um sich.

»Gott, Mary, man tut, was man kann!« sagte der Streichholzmann bescheiden. Aber man sah, er war mit sich zufrieden.

In diesem Augenblick blieb der Kellner vor einem weißen Tor stehen, das aussah, als bestünde es aus dicken Kreidebalken.

»Da sind wir«, sagte er. »Hier ist der Ausgang.«

»Leben Sie wohl, und recht schönen Dank«, sagte Mary Poppins und gab ihm die Hand.

»Leben Sie wohl, Madam.« Der Kellner verbeugte sich tief.

Dann nickte er dem Streichholzmann zu, der den Kopf auf die Seite legte und dem Kellner mit einem Auge zublinzelte, womit er ihm auf seine Art Lebewohl sagte. Schließlich trat Mary Poppins durch das weiße Tor, und der Streichholzmann folgte ihr.

Während sie weitergingen, fiel die Feder von ihrem Hut, der seidene Mantel von ihren Schultern und die Diamantschnallen von ihren Schuhen. Der neue Anzug des Streichholzmannes wurde schäbig, und sein Strohhut verwandelte sich wieder in seine alte, speckige Mütze.

Mary Poppins drehte sich nach ihm um und wußte sofort, was geschehen war. Sie blieb stehen und blickte ihn an, eine kleine Ewigkeit lang. Dann durchspähte ihr Blick den Wald nach dem Kellner. Aber der Kellner war nirgends zu sehen. Kein Mensch war in dem Bild, nichts bewegte sich darin. Sogar das Karussell war verschwunden. Geblieben waren nur die stillen Bäume und der Rasen und das regungslose Stückchen Meer.

Aber Mary Poppins und der Streichholzmann lächelten sich an. Sie wußten, was hinter den Bäumen lag ...

Als sie von ihrem Ausgang zurückkehrte, rannten ihr Jane und Michael entgegen.

»Wo warst du?« fragten sie.

»Im Märchenland«, erklärte Mary Poppins.

»Hast du Aschenbrödel gesehen?« erkundigte sich Jane erwartungsvoll.

»Was? Aschenbrödel? Nichts für mich«, sagte Mary Poppins geringschätzig. »Ausgerechnet Aschenbrödel!«

»Oder vielleicht Robinson Crusoe?« fragte Michael.

»Robinson Crusoe — Puh!« Mary Poppins rümpfte die Nase.

»Wie kannst du dann dort gewesen sein? Es war bestimmt nicht unser Märchenland!«

Mary Poppins schnaufte verächtlich.

»Wißt ihr denn nicht, daß jeder sein eigenes Märchenland hat?« fragte sie mitleidig.

Und hochmütig vor sich hinschnüffelnd, ging sie die Treppe hinauf, um die weißen Handschuhe und den Schirm abzulegen.

3. Kapitel. Lachgas

»Bist du ganz sicher, daß er daheim ist?« fragte Jane, als sie mit Michael und Mary Poppins aus dem Omnibus stieg.

»Hätte mein Onkel mich gebeten, euch zum Tee mitzubringen, wenn er ausgehen wollte?« sagte Mary Poppins, die über diese Frage sehr beleidigt schien. Sie trug ihren blauen Mantel mit den Silberknöpfen und den dazu passenden blauen Hut, und wenn sie so angezogen war, war es sehr leicht, sie zu beleidigen.

Alle drei waren auf dem Weg, Mister Schopf, Mary Poppins' Onkel, einen Besuch abzustatten. Jane und Michael hatten sich auf diesen Besuch so gefreut, daß sie halb und halb fürchteten, Mister Schopf könnte am Ende doch nicht daheim sein.

»Warum heißt er eigentlich Mister Schopf? — Hat er denn einen?« wollte Michael wissen, während er eifrig neben Mary Poppins herlief.

»Er heißt Mister Schopf, weil das sein Name ist. Und er hat keinen Schopf, sondern eine Glatze«, sagte Mary Poppins. »Und wenn ihr noch mehr Fragen auf Lager habt, so kehren wir gleich wieder um.«

Und sie zog verschnupft die Luft durch die Nase, wie immer, wenn ihr etwas nicht paßte.

Jane und Michael zwinkerten sich heimlich zu. Das hieß: Wir wollen sie nichts mehr fragen, sonst kommen wir nie hin.

Mary Poppins rückte vor dem Tabakladen an der Ecke den Hut zurecht. Der Laden hatte eines jener merkwürdigen Fenster, in denen du dich gleich dreimal siehst, und wenn du lange genug hineinschaust, kommt es dir schließlich vor, als wärst du nicht du selber, sondern ein Haufen fremder Leute. Mary Poppins jedoch seufzte vor Vergnügen, als sie sich dreimal sah, jedesmal im blauen Mantel mit Silberknöpfen und dem dazu passenden Hut. Sie fand den Anblick reizend, sie hätte sich am liebsten ein dutzendmal darin gesehen, wenn nicht gar dreißigmal. Je mehr Mary Poppins, um so besser!

»Kommt weiter«, sagte sie streng, als hätten die beiden sie warten lassen. Dann bogen sie um die Ecke und zogen an der Glocke des Hauses Robertsonstraße Nummer drei. Jane und Michael hörten einen fernen Widerhall und stellten sich vor, in einer Minute — oder höchstens zwei — würden sie bei Mister Schopf, dem Onkel von Mary Poppins, am Teetisch sitzen.

»Natürlich nur, wenn er da ist«, flüsterte Jane Michael zu.

Gleich darauf ging die Tür auf, und eine dünne, blasse Dame erschien.

»Ist er da?« fragte Michael schnell.

»Ich wäre dir dankbar, wenn du das Reden mir überlassen wolltest«, sagte Mary Poppins und warf ihm einen drohenden Blick zu.

»Guten Tag, Mistreß Schopf«, grüßte Jane artig.

»Mistreß Schopf!« begehrte die dünne Dame auf, mit einer Stimme, die noch dünner war als sie selbst. »Was fällt dir ein, mich Mistreß Schopf zu nennen. Nee, danke schön! Ich bin nur Miß Dattelpflaum und stolz darauf. Mistreß Schopf! So was!« Sie schien sehr aufgebracht zu sein, und da dachten die Kinder, Mister Schopf müsse ein recht seltsamer Herr sein, wenn Miß Dattelpflaum solchen Wert darauf legte, nicht Mistreß Schopf zu sein.

»Da hinauf, oben die erste Tür«, sagte Miß Dattelpflaum und verzog sich rasch den Gang hinunter. »Mistreß Schopf — so was!« schimpfte sie dabei mit ihrer hohen, dünnen Stimme vor sich hin.

Jane und Michael folgten Mary Poppins die Treppe hinauf. Oben klopfte sie an die Tür.

»Herein! Herein! Herzlich willkommen!« erklang drinnen eine laute, fröhliche Stimme. Janes Herz klopfte stürmisch vor Aufregung.

Er ist da — bedeutete sie Michael mit einem Blick.

Mary Poppins öffnete die Tür und schob die Kinder vor sich her. Ein großer, freundlicher Raum lag vor ihnen. Links in der Ecke brannte ein helles Kaminfeuer, und in der Mitte stand ein großer Tisch, zum Tee gedeckt: vier Tassen und Teller, Berge von Butterbroten, Kuchen, Kokosnußbrötchen und ein großer Königskuchen mit rosa Zuckerguß.

»Ei, das ist aber eine Freude!« begrüßte sie eine dröhnende Stimme. Jane und Michael blickten umher, um zu entdecken, woher sie kam. Es war niemand zu sehen. Das Zimmer schien leer. Da hörten sie Mary Poppins' ärgerlichen Ausruf:

»Aber Onkel Albert — doch nicht schon wieder! Du hast doch heut nicht Geburtstag.«

Dabei schaute sie zur Decke hinauf. Jane und Michael folgten ihrem Blick und sahen zu ihrer Überraschung einen runden, dicken, kahlköpfigen Mann in der Luft schweben, ohne daß er sich irgendwo festhielt. Wahrhaftig, er saß in der Luft, ein Bein über das andere geschlagen, und hatte die Zeitung, worin er bei ihrem Eintritt noch gelesen, neben sich gelegt.