52073.fb2 Michel mu? mehr M?nnchen machen - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 2

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Samstag, der 28. Juli, als Michel Blutklößeteig über seinen Vater ausgoss und sein hundertstes Holzmännchen schnitzte

In der Katthult-Küche stand eine blau angemalte, aufklappbare Küchenbank und darin schlief Lina. Zu der Zeit, als all dies geschah, war ganz Smaland voller solcher Schlafbänke mit Mägden darin, die dort auf ausgebeulten Matratzen schliefen, von Fliegen umsummt, warum sollte es auf Katthult also anders sein? Lina schlief gut in ihrer Küchenbank und vor halb fünf Uhr am Morgen, wenn der Wecker schrillte und sie aufstehen und melken musste, konnte nichts sie lebendig machen.

Sobald Lina hinausgegangen war, kam Michels Papa in die Küche geschlichen, um dort in Ruhe und Frieden seinen Morgenkaffee zu trinken, bevor Michel aufwachte. Er fand es herrlich, dort ganz allein an dem großen Klapptisch zu sitzen, nirgendwo einen Michel zu sehen, nur von draußen das Gezwitscher der Vögel und das Gegacker der Hühner zu hören, den Kaffee zu schlürfen, ein wenig mit dem Stuhl zu wippen, die sauberen Dielenbretter unter den Füßen zu spüren, die Lina so geschrubbt hatte, dass sie schneeweiß waren. Nein, es waren die Dielenbretter, die sie geschrubbt hatte, das verstehst du ja wohl, und nicht die Füße von Michels Papa, wenn die es vielleicht auch ebenso nötig gehabt hätten - wer weiß. Morgens lief Michels Papa immer barfuß herum, aber nicht nur, weil er es schön fand.

»Auch am Schuhwerk kann man ein bisschen sparen«, sagte er zu Michels Mama, die widerspenstig war und auf keinen Fall barfuß gehen wollte. »So wie du deine Schuhe abnutzt, müssen wir ja wirklich, aber wirklich, alle zehn Jahre neue für dich kaufen.« »Ja, genau das«, antwortete Michels Mama und dann wurde nicht mehr darüber gesprochen.

Vorhin habe ich schon erzählt, dass Lina nicht ohne den schrillenden Wecker wach zu bekommen war; aber an einem Morgen wurde sie jedenfalls durch etwas anderes geweckt. Es war am 27. Juli, gerade an dem Tag, als Michel Fieber hatte. Kann man sich so was Schreckliches vorstellen - schon um vier Uhr morgens wachte Lina auf, weil ihr eine große Maus genau über das Gesicht lief. Sie fuhr mit einem Aufschrei hoch und kriegte ein Holzscheit zu fassen, aber die Maus war schon in einem Loch neben der Holzkiste verschwunden.

Michels Papa war außer sich, als er von der Maus hörte.

»Das ist ja eine schöne Geschichte«, sagte er. »Mäuse in der Küche! Die können uns das Brot und das Fleisch auffressen.«

»Und mich«, sagte Lina.

»Ja, und dann unser Fleisch und unser Brot«, sagte Michels Papa. »Wir müssen die Katze diese Nacht in der Küche lassen!«

Michel hörte das von der Maus und obwohl er Fieber hatte, überlegte er sich gleich, wie er sie fangen könnte, falls es mit der Katze nicht so ganz klappen sollte.

Um zehn Uhr am Abend dieses 27. Juli war Michel absolut fieberfrei und voller Tatendrang. Um diese Zeit schliefen all die anderen auf Katthult, Michels Papa, Michels Mama und Klein-Ida in der Kammer neben der Küche, Lina in ihrem Küchenbett und Alfred in seiner Knechtshütte neben dem Tischlerschuppen.

Schweine und Hühner schliefen im Schweine- und im Hühnerstall, Kühe und Pferde und Schafe schliefen draußen auf den grünen Wiesen - aber in der Küche saß die Katze hellwach und hatte Sehnsucht nach der Scheune, denn dort gab es mehr Mäuse.

Hellwach war auch Michel. Und aus seinem Bett in der Kammer kam er leise in die Küche geschlichen.

»Armes Schnurrchen«, sagte er, als er die Katzenaugen hinten an der Küchentür leuchten sah, »hier sitzt du nun.«

»Miau«, antwortete Schnurrchen. Und tierfreundlich wie er war, der kleine Michel, ließ er Schnurrchen hinaus.

Die Maus musste natürlich gefangen werden, das war Michel klar und weil die Katze jetzt nicht mehr da war, musste es auf irgendeine andere Weise geschehen.

Deshalb nahm Michel eine Mausefalle und stellte sie mit einem kleinen Stück Speck neben der Holzkiste auf. Dann aber dachte er nach. Wenn die Maus die Falle sah, sobald sie ihre Nase aus dem Loch steckte, würde sie misstrauisch werden und sich überhaupt nicht mehr fangen lassen. Es wäre besser, dachte Michel, wenn die Maus erst einmal in aller Ruhe in der Küche herumstrolchen könnte und dann ganz plötzlich die Falle dort finden würde, wo sie sie am wenigsten vermutete. Michel dachte auch kurz daran, die Falle auf Linas Gesicht zu stellen, weil die Maus gerade dort gern herumlief. Aber er fürchtete, Lina könnte aufwachen und alles verpatzen. Nein, es musste woanders sein. Warum eigentlich nicht unter dem großen Klapptisch? Gerade dorthin müsste doch eine Maus laufen, um nach heruntergefallenen Brotkrumen zu suchen. Natürlich nicht gerade unter dem Platz von Michels Papa, da war es nur mager mit Brotkrümeln bestellt.

»Wie schrecklich«, sagte Michel und blieb mitten in der Küche stehen. »Wenn die Maus nun mal ausgerechnet dorthin kommt und findet keine Brotkrümel und knabbert stattdessen an Papas großem Zeh!« Das durfte nicht geschehen, dafür würde Michel sorgen. Und deshalb stellte er die Mausefalle dorthin, wo sein Papa immer die Füße hinsetzte. Dann kroch er, sehr zufrieden mit sich, wieder ins Bett.

Erst am hellen Morgen wachte er auf und es war lautes Geschrei aus der Küche, das ihn geweckt hatte.

Die freuen sich, dass die Maus gefangen ist, deshalb schreien sie so, dachte Michel, aber in dem Augenblick kam seine Mama hereingestürzt. Sie zerrte ihn aus dem Bett und zischte ihm ins Ohr: »Schnell raus mit dir in den Tischlerschuppen, bevor Papa seinen großen Zeh aus der Mausefalle rausbekommt! Schnell - sonst, glaub ich, hat deine letzte Stunde geschlagen.«

Sie ergriff Michels Hand und rannte los mit ihm, so wie er war, im Hemd, denn zum Anziehen war keine Zeit.

»Aber meine Büsse und meine Müsse müssen jedenfalls mit!«, schrie Michel. Er packte die Mütze und die Büchse und rannte, dass sein Hemd nur so flatterte, geradewegs zum Tischlerschuppen.

Dort musste er immer sitzen, wenn er Unfug gemacht hatte. Michels Mama schob außen den Riegel vor die Tür, damit Michel nicht herauskommen konnte, und Michel schob innen den Riegel vor, damit sein Papa nicht hereinkommen konnte - klug und vorsorglich waren sie beide.

Michels Mama fand, es wäre das Beste, wenn Mi chel seinem Papa ein paar Stunden lang nicht begegnen würde. Das fand Michel auch, deshalb schob er ja den Riegel sorgfältig zu, bevor er sich in aller Ruhe auf den Hauklotz setzte und ein lustiges Holzmännchen schnitzte. Das machte er immer, wenn er nach einem Streich im Tischlerschuppen eingesperrt wurde, und er hatte schon siebenundneunzig Männchen zusammengekriegt. Sie standen sauber aufgereiht auf einem Regal und Michel freute sich, als er sie sah und wenn er daran dachte, dass er bald hundert haben würde.

Das sollte ein richtiges Jubiläum werden! »An dem Tag werde ich ein Fest im Tischlerschuppen geben, aber ich will nur Alfred einladen«, nahm er sich vor, als er da auf dem Hauklotz saß mit dem Schnitzmesser in der Faust. Von weitem hörte er das Gebrüll seines Vaters, es wurde aber langsam leiser. Stattdessen kamen plötzlich andere, viel gellendere Schreie und Michel fragte sich, was wohl mit seiner Mama los sei.

Aber dann fiel ihm ein, dass heute die große Sau geschlachtet werden sollte. Sie war es, die so quiekte.

Arme Sau, für sie ist der 28. Juli auch kein erfreulicher Tag! Nun ja, es gab mehrere, die es an diesem Tag nicht so gut hatten.

Um die Mittagszeit wurde Michel rausgelassen. Als er in die Küche kam, lief ihm Ida freudestrahlend entgegen.

»Heute gibt es Blutklöße zu Mittag«, sagte sie.

Du weißt vielleicht nicht, was Blutklöße sind? Das sind große schwarze Klöße mit fettem Schweinefleisch innen drin. Und wenn nun Schweineschlachten in Kat-thult war, dann war es klar, dass Michels Mama Blutklöße kochen würde. Sie hatte den Teig dafür in einer großen Steingutschüssel angerührt und auf dem Herd kochte schon das Wasser in einem gewaltigen eisernen Topf. Bald würde es Blutklöße geben, dass es eine Freude war.

»Ich werde achtzehn Stück essen«, prahlte Ida. Dabei war sie dünn wie ein Holzspan und kriegte, wenn es hoch kam, einen halben Blutkloß runter.

»Das erlaubt dir Papa gar nicht«, sagte Michel. »Wo ist er übrigens?«

»Er liegt draußen und ruht sich aus«, sagte Ida.

Michel guckte aus dem Küchenfenster. Und richtig, unten im Gras lag sein Papa, den großen Strohhut über dem Gesicht, und machte seine Mittagspause wie gewöhnlich. Normalerweise machte er sie natürlich nicht vor dem Mittagessen, sondern danach, aber heute war er wohl besonders müde - vielleicht wird man das, wenn man den Tag in einer Mausefalle beginnt.

Michel sah, dass sein Papa nur auf dem rechten Fuß einen Schuh trug. Zuerst hoffte Michel, es sei reine Sparsamkeit und sein Papa wollte nur einen Schuh zurzeit abnutzen. Aber dann sah Michel den blutigen Lappen, den sein Papa um den linken großen Zeh hatte, und da begriff er: Seinem Papa tat der Zeh so weh, dass er keinen Schuh anziehen konnte.

Michel schämte sich und bereute seinen dummen Unfug mit der Mausefalle. Nun wollte er seinen Papa wieder froh machen und weil er wusste, dass sein Papa Blutklöße über alles liebte, nahm er die Steingutschüssel und hielt sie aus dem Fenster.

»Guck mal«, schrie er jubelnd, »heute Mittag gibt’s Blutklöße!« Sein Papa nahm den Strohhut vom Gesicht und sah mit düsterem Blick zu Michel hoch.

Noch hatte er die Mausefalle nicht vergessen, das merkte man. Um alles wieder gutzumachen, strengte Michel sich noch mehr an.

»Guck mal, Papa, so viel Teig!«, jauchzte er und hielt die Schüssel noch weiter hinaus. Aber - kann man sich so was Schreckliches vorstellen? - er konnte sie nicht mehr halten und die Steingutschüssel mit ihrem blutigen Inhalt fiel genau auf Michels Papa hinunter, wie er da lag, die Nase in der Luft.

»Blupp«, sagte Michels Papa, denn mehr kann man nicht sagen, wenn man in Blutklößeteig eingemauert ist.

Aber er erhob sich mühsam aus dem Gras und schließlich brachte er ein Gebrüll hervor, zuerst gedämpft vom Blutklößeteig, aber dann so, dass es über ganz Lönneberga zu hören war. Die Steingutschüssel saß wie ein Wikingerhelm auf seinem Kopf und der Teig rann an ihm herunter.

Gerade da kam Krösa-Maja aus dem Waschhaus, wo sie Schweinedärme gespült hatte, und als sie Michels Papa erblickte, der aussah wie in Blut gebadet, quiekte sie schlimmer als die Sau und rannte mit der furchtbaren Neuigkeit davon.

»Jetzt ist es aus mit dem Katthult-Vater«, schrie sie. »Michel, dieses Unglück, hat ihn geschlagen, dass das Blut strömt. Ach-ach-ach - wie fürchterlich!«

Als Michels Mama sah, was geschehen war, nahm sie Michel wieder bei der Hand und rannte im Eiltempo zum Tischlerschuppen mit ihm. Und während Michel, immer noch im Hemd, dort saß und sein neunundneunzigstes Holzmännchen schnitzte, hatte seine Mama alle Hände voll zu tun, seinen Papa wieder sauber zu machen.

»Du könntest es wohl so abkratzen, dass es wenigstens noch drei oder vier Klöße werden«, sagte Michels Papa. Aber Michels Mama schüttelte den Kopf.

»Was vergeudet ist, das ist vergeudet. Jetzt gibt es eben Kartoffelpuffer.«

»Hihi, heute kriegen wir vor dem Abendbrot kein Mittagessen«, sagte Klein-Ida. Aber dann schwieg sie, denn sie sah die Augen von ihrem Papa in dem Blutklößeteig, und die blickten finster.

Michels Mama ließ Lina Kartoffeln für die Puffer reiben. Du weißt vielleicht nicht, was Kartoffelpuffer sind? Das ist eine Art Pfannkuchen aus geriebenen Kartoffeln und sie schmecken viel besser, als es klingt, das kann ich dir versichern.

Lina hatte bald einen dicken, prächtigen, braungelben Teig in der Steingutschüssel, die sich Michels Papa vom Kopf genommen hatte. Er wollte ja nicht den ganzen Tag wie ein Wikinger herumlaufen. Sobald er einigermaßen gesäubert worden war, ging er hinaus aufs Feld, um mit der Roggenernte zu beginnen, während er darauf wartete, dass die Kartoffelpuffer fertig wurden. Und da ließ Michels Mama Michel aus dem Tischlerschuppen.

Michel hatte lange still gesessen. Nun spürte er, dass er sich bewegen musste.

»Wir spielen Kickse-kickse-hu«, sagte er zur kleinen Ida und Ida lief sofort los. Kickse-kickse-hu war nämlich ein Laufspiel, das Michel sich ausgedacht hatte. So spielte man es: Man lief, als ginge es ums nackte Leben, aus der Küche in den Flur und vom Flur in die Kammer, von der Kammer in die Küche und wieder von der Küche in den Flur, rundherum, rundherum, dass es nur so pfiff. Aber Michel und Ida liefen jeder in eine andere Richtung und immer, wenn sie sich begeg-neten, stachen sie einander den Zeigefinger in den Bauch und schrien: »Kickse-kickse-hu!« Daher hatte das Spiel seinen Namen. Es war ein durch und durch lustiges Spiel, fanden beide, Michel und Ida.

Aber als Michel auf seiner achtundachtzigsten Runde in die Küche gerannt kam, traf er Lina. Sie hatte die Steingutschüssel in den Händen und war auf dem Weg zum Herd, um endlich die Kartoffelpuffer zu backen.

Weil Michel ihr auch etwas Spaß gönnte, bohrte er ihr den Zeigefinger in den Bauch und rief: »Kickse-kick se-hu!« Das hätte er nicht tun sollen. Er wusste doch, wie kitzlig Lina war.

»Jiiiih!«, machte Lina und krümmte sich wie ein Wurm. Und - kann man sich so etwas Schreckliches vorstellen? - die Schüssel flog ihr aus den Händen.

Niemand weiß richtig, wie es geschah. Aber so viel steht jedenfalls fest, dass Michels Papa, der gerade, wild vor Hunger, zur Tür hereinkam, den ganzen Kartoffelpufferteig mitten ins Gesicht kriegte.

»Blupp«, sagte Michels Papa wieder, denn mehr kann man nicht sagen, wenn man das Gesicht voll Kartoffelpufferteig hat. Michel und Ida machten später daraus so etwas wie eine Redensart.

»Blupp, sagte Papa im Kartoffelpufferteig«, pflegten sie mit einem Kichern zu sagen - oder auch: »Blupp, sagte Vater im Blutklößeteig« - eins von beiden passte immer.

Jetzt aber hatte Michel keine Zeit zum Kichern, denn seine Mama nahm ihn wieder bei der Hand und rannte im Eiltempo zum Tischlerschuppen mit ihm. Hinter sich hörte Michel das Gebrüll von seinem Papa, zuerst noch vom Kartoffelpufferteig gedämpft, aber dann so, dass es über ganz Lönneberga zu hören war.

Als Michel auf dem Hauklotz saß und an seinem hundertsten Holzmännchen schnitzte, war er überhaupt nicht in Jubiläumsstimmung. Im Gegenteil, er war so wütend wie eine wild gewordene Ameise. Es war zu viel, dreimal am selben Tag im Tischlerschuppen sitzen zu müssen, fand er - und ungerecht war es außerdem.

»Kann ich was dafür, dass Vater überall im Weg ist«, fauchte er. »Man kann auf diesem Hof ja nicht mal so viel wie eine Mausefalle aufstellen - schon kommt er und steckt seinen Zeh hinein. Und warum muss er seinen Kopf immer da haben, wo der Teig für Blutklöße und für Kartoffelpuffer am schlimmsten herumwirbelt!«

Nun möchte ich aber auf keinen Fall, dass du denkst, dass Michel seinen Papa nicht mochte und dass Michels Papa Michel nicht mochte. Normalerweise mochten sie sich, aber auch Leute, die das tun, können schon manchmal in Streit geraten, wenn es mit Mausefallen oder Blutklößeteig und Kartoffelpufferteig schief geht.

Dieser Samstag, der 28. Juli, ging seinem Ende zu.

Michel saß im Tischlerschuppen und wurde immer wütender. So hatte er sich sein Hundert-Männer-Jubiläum nicht vorgestellt. Erstens war es ein Samstagabend und wie sollte er da Alfred zu seinem Fest im Tischlerschuppen einladen? Samstagabends hatte Alfred was anderes zu tun. Da saß er auf der Treppe der Knechtshütte und tat schön mit Lina und spielte ihr was auf seiner Ziehharmonika vor. Nein, Alfred hatte wahrhaftig keine Zeit für Festlichkeiten.

Michel schleuderte das Schnitzmesser weg. Nicht einmal Alfred hatte er, ganz allein war er und er wurde immer wütender, als er daran dachte, wie sich die Leute ihm gegenüber benahmen. War das etwa eine Art, ihn hier den ganzen langen Samstag im Hemd herumsitzen zu lassen - nicht einmal Zeit Kleider anzuziehen hatte man bei diesem ewigen Gerenne zum Tischlerschuppen. Aber im Tischlerschuppen wollten sie ihn ja wohl haben, diese Menschen von Katthult, und dann sollten sie es auch so haben!

Michel schlug mit der Faust auf die Hobelbank, dass es krachte. Gut, dann sollten sie es auch so haben! Und in diesem Augenblick fasste Michel einen schrecklichen Entschluss: Den Rest seines Lebens würde er in diesem Tischlerschuppen zubringen. Nur im dünnen Hemd, mit der Müsse auf dem Kopf, einsam, verlassen von allen, würde er, solange er auf dieser Erde lebte, hier bleiben.

Dann werden sie wohl endlich zufrieden sein und dieses überflüssige Getrabe hin und her ist dann auch nicht mehr nötig, dachte er. Aber versucht nicht in meinen Tischlerschuppen hineinzukommen - daraus wird nichts! Wenn Papa Bretter hobeln will, soll er das lieber bleiben lassen, und das ist übrigens auch besser, denn sonst hobelt er sich ja doch nur die Daumen ab.

Ich kenne keinen Menschen, dem so viel passiert wie ihm.

Aber als der Juliabend dämmerte, kam Michels Mama zum Tischlerschuppen und schob den Riegel zurück - den auf der Außenseite natürlich. Sie zog an der Tür und merkte, dass sie auch von innen verriegelt war. Da lächelte sie milde und sagte:

»Du brauchst keine Angst mehr zu haben, kleiner Michel. Papa hat sich hingelegt. Du kannst jetzt herauskommen.«

Aber da kam aus dem Tischlerschuppen ein schreckliches »Ha!«.

»Warum sagst du >Ha<?«, fragte seine Mama. »Mach

die Tür auf und komm raus, kleiner Michel!«

»Ich komm nie mehr raus«, sagte Michel mit dumpfer Stimme. »Und versuch nicht reinzukommen, denn dann schieß ich!«

Michels Mama sah ihren kleinen Jungen drinnen am Fenster stehen, die Büsse in der Hand. Zuerst wollte sie nicht glauben, dass er es ernst meinte, aber als sie schließlich begriff, dass es doch so war, rannte sie weinend ins Haus und weckte Michels Papa.

»Michel sitzt im Tischlerschuppen und will nicht rauskommen«, sagte sie. »Was sollen wir nur machen?« Klein-Ida wachte auf und fing sofort an zu heulen.

Und alle rannten sie zum Tischlerschuppen: Michels Papa, Michels Mama und Klein-Ida. Und Alfred und Lina, die auf der Treppe zur Knechtshütte saßen und schöntaten, mussten damit aufhören - sehr zu Linas Verdruss. Jetzt mussten eben alle helfen Michel herauszubekommen.

Michels Papa war zuerst ganz munter.

»Na, na! Du wirst schon rauskommen, wenn du Hunger hast!«, rief er.

»Ha«, sagte Michel wieder.

Sein Papa wusste nicht, was Michel hinter der Hobelbank in einer Dose hatte. Einen prächtigen kleinen Vorrat an Essen, tatsächlich. Pfiffig wie er war, hatte er schon dafür gesorgt, dass er im Tischlerschuppen nicht Hungers sterben konnte. Er wusste ja nie, an welchem Tag und zu welcher Stunde er hier landen würde, und deshalb hatte er immer etwas Essbares in seiner Dose. Gerade jetzt lagen darin Brot und Käse und einige Stücke kaltes Fleisch, außerdem getrocknete Kirschen und viel Zwieback. Krieger hatten ihre belagerten Festungen schon mit weniger Nahrung gehalten. Für Michel war der Tischlerschuppen jetzt eine belagerte Festung und er gedachte sie gegen alle seine Feinde zu verteidigen.

Mutig wie ein Feldherr stand er an der Fensterluke und zielte mit seiner Büsse.

»Den ersten, der näher kommt, erschieße ich!«, schrie er.

»Oh, Michel, mein lieber kleiner Junge, sprich nicht so, komm raus«, bat Michels Mama. Aber das half nichts. Michel war hart wie Stein. Es half nicht einmal, dass Alfred sagte:

»Hör mal, Michel, komm raus, dann gehen wir zum See und baden, du und ich!«

»Nein«, schrie Michel bitter, »sitz du nur mit Lina auf deiner Treppe - von mir aus! Ich, ich bleib hier!«

Und dabei blieb es. Michel blieb, wo er war. Und als alles nichts half, kein Drohen und kein Flehen, da mussten sie schließlich ins Bett gehen: Michels Papa, Michels Mama und die kleine Ida.

Das war ein trauriger Samstagabend. Michels Mama und Klein-Ida weinten, dass die Tränen spritzten. Und

Michels Papa seufzte tief auf, als er ins Bett kroch, denn ihm fehlte ja sein kleiner Junge, der sonst immer dort hinten in seinem kleinen Bett lag, das wollige Haar auf dem Kissen, die Büsse und die Müsse neben sich.

Nur Lina vermisste Michel nicht und sie wollte sich auch nicht hinlegen. Sie wollte mit Alfred auf der Treppe zur Knechtshütte sitzen und sie wollte dort in Ruhe sitzen. Deshalb war sie sehr zufrieden, Michel im Tischlerschuppen zu wissen.

»Aber wer weiß, wie lange dieser verflixte Bengel wirklich drinbleibt«, brummte sie vor sich hin und dann ging sie in aller Stille zum Tischlerschuppen und schob den Riegel auf der Außenseite der Tür wieder vor.

Alfred spielte auf der Ziehharmonika und sang und bemerkte Linas Missetat nicht. »Die Husaren reiten vom Schlachtfeld heim ...«, sang Alfred. Michel hörte es. Er saß auf dem Hauklotz und seufzte tief.

Aber Lina legte die Arme um Alfreds Hals und quengelte, wie sie es immer tat, und Alfred antwortete, wie er immer antwortete: »Klar kann ich dich heiraten, wenn du unbedingt willst, aber es eilt doch nicht.« »Im nächsten Jahr aber bestimmt«, sagte Lina unerbittlich und Alfred seufzte noch tiefer als Michel und sang das Lied von der Löwenbraut. Michel hörte es auch und er dachte, wie lustig es doch wäre, mit Alfred zum See zu gehen.

»Warum eigentlich nicht?«, sagte er zu sich selbst. »Ich könnte doch wirklich auf einen Sprung mit Alfred baden gehen. Und danach kann ich ja wieder in meine Tischlerbude kriechen - wenn ich das also will.« Michel stürzte zur Tür und schob den Riegel zurück.

Aber was half das, da doch die listige Lina den Riegel an der Außenseite vorgeschoben hatte? Die Tür ging nicht auf, obwohl Michel sich mit aller Kraft dagegen warf. Da begriff er. Er wusste sofort, wer ihn eingesperrt hatte.

»Aber der werd ich’s zeigen«, sagte er. »Die wird schon sehen.«

Er guckte sich im Schuppen um, in dem es nun ziemlich dunkel wurde. Einmal, als Michel seinen schlimmsten Unfug getrieben hatte, war er durchs Fenster ausgerissen. Aber danach hatte sein Papa von außen kreuz und quer Latten über das Fenster genagelt, nur damit Michel es nicht noch einmal tat und in die Brennnesseln fallen konnte, die unter dem Fenster wuchsen. Michels Papa war wirklich besorgt um seinen kleinen Jungen und wollte nicht, dass er sich an den Brennnesseln verbrannte.

»Durchs Fenster komme ich nicht raus«, sagte Michel, »und durch die Tür auch nicht. Um Hilfe schreien will ich ums Leben nicht. Wie komme ich also raus?« Nachdenklich sah er zum offenen Kamin. Den gab es im Tischlerschuppen, damit es dort im Winter warm war und damit Michels Papa ein Feuer hatte, auf dem er, wenn es nötig war, den Kessel mit Leim aufwärmen konnte.

»Es geht nur durch den Schornstein«, sagte Michel und kletterte rasch über die Kaminumrandung mitten hinein in die Asche, die noch von den Feuern des letzten Winters liegen geblieben war und die sich nun weich um seine nackten Füße schmiegte und zwischen seine Zehen drang.

Michel guckte hinauf in den Schornstein und da entdeckte er etwas Lustiges. In dem Loch, genau über ihm, saß ein roter Julimond und guckte auf ihn herab.

»Hallo, Mond«, rief Michel, »jetzt sollst du mal einen sehen, der klettern kann!«

Und er stemmte sich gegen die rußigen Schornsteinwände und schob sich nach oben.

Wenn du jemals versucht hast, durch einen engen Schornstein zu klettern, dann weißt du, wie schwer das ist und wie schwarz man dabei wird. Aber glaub nur nicht, dass Michel das aufhalten konnte.

Lina, die Ärmste, saß neben Alfred auf der Treppe, die Arme um seinen Hals geschlungen, und ahnte nichts.

Aber Michel hatte ja gesagt, dass sie schon sehen sollte, und sie sah auch.

Plötzlich schaute sie auf, um den Mond anzusehen, und da stieß sie einen Schrei aus, der in ganz Lönne-berga zu hören war.

»Ein Gespenst!«, schrie Lina. »Auf dem Schornstein sitzt ein Gespenst!«

Vor Gespenstern hatten die Menschen in Smaland früher große Angst. Lina hatte auch Krösa-Majas schaurige Geschichten über all die Gespenster gehört, denen man begegnen konnte, und deshalb schrie sie so wild, als sie nun dort oben auf dem Schornstein eins sitzen sah, ganz schwarz im Gesicht und von oben bis unten zum Grausen.

Alfred sah sich das Gespenst auch an, aber er lachte nur.

»Das kleine Gespenst erkenne ich«, sagte er. »Komm runter, Michel!«

Michel richtete sich in seinem rußigen Hemd auf und stand nun auf dem Dach, kühn wie ein Heerführer. Er hob seine schwarze Faust zum Himmel empor und schrie, dass es über ganz Lönneberga zu hören war: »Heute Abend wird der Tischlerschuppen abgerissen und ich werde niemals mehr darin sitzen!« Alfred ging zum Tischlerschuppen und breitete die Arme aus.

»Spring, Michel«, sagte er.

Und Michel sprang. Direkt in die Arme von Alfred.

Dann gingen sie beide zum See hinunter und badeten.

Michel hatte es nötig.

»So einen Bengel wie den hab ich noch nie gesehen!«, sagte Lina und ging wutschnaubend hinein und legte sich ins Bett.

Aber im Katthult-See, zwischen weißen Seerosen, schwammen Michel und Alfred in dem kühlen Wasser herum und am Himmel hing der Julimond wie eine rote Laterne und leuchtete ihnen.

»Du und ich, Alfred«, sagte Michel.

»Ja, du und ich, Michel«, sagte Alfred. »So soll’s sein!«

Quer über dem See lag eine breite, blanke Straße aus Mondlicht, aber rings ums Ufer stand die schwarze Finsternis. Denn jetzt war es Nacht und jetzt war der 28. Juli zu Ende.

Doch es kamen neue Tage mit neuem Unfug. Michels Mama schrieb in das blaue Schreibheft, bis sie einen Schreibkrampf bekam. Schließlich war das Heft von vorne bis hinten voll geschrieben.

»Ich muss ein neues Heft haben«, sagte Michels Mama. »Aber bald ist ja in Vimmerby Jahrmarkt, und wenn ich schon einmal in der Stadt bin, will ich dran denken und ein Heft kaufen.«

Das tat sie auch, und das war ja ein Glück. Denn wo hätte sie sonst all den Unfug aufschreiben sollen, den Michel gerade am Markttag anstellte? »Möge Gott dem Jungen helfen«, schrieb sie, »dann wird er es weit bringen, wenn er am Leben bleibt, bis er groß ist, auch wenn sein Vater es nicht glaubt.« Aber da irrte sich Michels Papa und Michels Mama behielt Recht. Michel brachte es weit in seinem Leben und wurde Gemeinderatspräsident und der beste Mann in ganz Lön-neberga.

Jetzt aber halten wir uns an das, was auf dem Jahrmarkt in Vimmerby geschah, damals, als er noch klein war. Es war