77756.fb2 Ganz Deutschland lacht!. 50 deutsche Jahre im Spiegel ihrer Witze - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 15

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Dieter Thoma.Fröhliche Nachrufe

Darf man mit Witzen Verstorbener gedenken? Ich habe keinen Einwand gefunden, der dagegen spräche. Ich sehe sie dann lachend vor mir, vergnügt und liebenswert. Ich könnte mir denken, dass sie gern so in der Erinnerung weiterleben. Mit fröhlichen Nachrufen.

So verbinde ich eine meiner Lieblingsgeschichten mit dem Schweizer Kollegen Guido Baumann. Es war in der Zeit, als er noch nicht als »Ratefuchs« im Fernsehen populär war. Wenn ich sie erzähle, ist es so, als wenn er sie selber vortrüge:

Eine Züricher Beamtenfrau lernt auf einem Karnevalsfest einen charmanten Mann kennen und verliebt sich in ihn. Sie treffen sich heimlich. Er ist ein reicher Unternehmer und will ihr Geschenke machen, einen Pelzmantel zum Beispiel. »Wie soll ich das denn meinem Mann erklären?«, fragt sie verzagt. Der Freund lässt sich jedoch etwas einfallen. Er nimmt sie eines Tages mit in ein Pelzgeschäft und probiert Mäntel an. Am Ende wählt er einen schwarzen Nerzmantel für 22 000 Franken aus und instruiert den Verkäufer: »Diesen Mantel, bitte schön, zahle ich mit 21500 Franken an. Ich lasse ihn aber hier. Und wenn diese Dame hier später mit einem anderen Herrn wiederkommt, dann verkaufen Sie ihn bitte für500 Franken.« Und seiner Freundin erklärt er: »Du sagst einfach deinem Mann, dies sei ein Mantel mit kleinen Fehlern, deswegen so preiswert, er sei dir als Gelegenheitskauf angeboten worden.« Am nächsten Tag kommt die Beamtenfrau wirklich mit ihrem Mann vorbei. Der lässt sich den Mantel zeigen, aber er will ihn noch nicht kaufen. Er möchte zum Vergleich auch andere Mäntel prüfen. Und am Ende wählt er einen Mantel für 1000 Franken aus. Er sagt zu seiner Frau: »Weißt du, wenn wir uns schon eine so teure Anschaffung leisten, dann will ich auch keinen Mantel mit Fehlern, dann soll es etwas Gutes sein.« Sobald es möglich ist, ruft die Frau ihren Geliebten an und erzählt, warum es nicht wie geplant gelaufen ist. »Das macht nichts«, beruhigt er sie, »irgendwann schaffen wir das schon.« Er fährt zum Pelzgeschäft und ruft den Verkäufer. Er erklärt ihm: »Wir werden etwas anderes unternehmen, aber diesen Kauf muss ich leider rückgängig machen.« Da schüttelt der Verkäufer den Kopf und bedauert: »Das geht leider nicht.« — »Wieso geht denn das nicht?« — »Wissen Sie, eine Viertelstunde später war gestern der Herr noch einmal da und hat den anderen Mantel auch genommen.« Und so kommt es, dass die Sekretärin des Beamten jetzt einen schwarzen Nerzmantel für 22 ooo Franken trägt.

Wiederum ein Witz erinnert mich an Karl-Heinz Wocker, den brillanten London-Korrespondenten von NDR/WDR. Wir tauschten gern Geschichten aus, saßen noch vier Tage vor seinem Tode einen langen Abend zusammen. Viele seiner Geschichten hatten mit Musik zu tun, über die er so viel wusste. Behalten habe ich eine andere, weil sie so sehr englisch ist.

Ein Bräutigam versucht, vor der Hochzeit unbedingt noch ein aufklärendes Gespräch mit seiner Auserwählten zu führen. Die wehrt das jedoch immer wieder ab und versichert, ihr sei ganz egal, was in seinem Vorleben gewesen und passiert sei, das spiele doch jetzt alles keine Rolle mehr. »Aber ich muss dir unbedingt noch etwas sagen«, drängt der künftige Ehemann. »Und ich will nichts davon wissen«, beharrt die Braut. Die beiden heiraten also und gehen auf Hochzeitsreise. Am zweiten Tag telegrafiert die Tochter ihrer Mutter: »Stell dir vor, Albert hat nur einen Fuß!«

Die Mutter telegrafiert sofort zurück: »Keine Sorge, Vater hatte nur drei Zoll. Trotzdem glücklich geworden!«

Manchmal stimmt es mich traurig, wenn die Distanz zu groß wird, wenn Lieblingswitze aus dem Repertoire gestrichen werden müssen, weil sie sich überlebt haben. Historische Assoziationen kann kaum noch einer nachvollziehen, oder die handelnden Personen werden mit der Zeit unbekannt. Das ist auch deswegen bedauerlich, weil damit die gute Erinnerung an die Erzähler schwindet. Bei der folgenden Geschichte sehe ich Ulrich Gembardt vor mir, Chefredakteur von >Magnum< und danach Stellvertretender Chefredakteur beim WDR. Sein Witz:

Ein Angler an der Donau fängt einen besonders großen Fisch. Stolz will er ihm gerade die Kiemen durchschneiden, da sagt der Fisch: »Lass den Quatsch, Junge!« »Du kannst ja reden!«, staunt der Angler.

»Kann ich«, sagt der Fisch, »und wenn du mich wieder ins Wasser wirfst, hast du drei Wünsche frei.«

»Drei Wünsche«, überlegt der Angler, »drei Wünsche?«

»Du hast nicht so viel Zeit«, mahnt der Fisch, »du weißt, ich überlebe hier nicht lange!«

»Also, ein Schloss möchte ich haben«, sagt der Angler.

»Gut«, sagt der Fisch, »und der zweite?«

»Reich möchte ich sein!«

»Auch gut«, sagt der Fisch, »und der dritte!«

Der Angler überlegt lange.

»Gleich ist es vorbei«, warnt der Fisch.

»Und eine Prinzessin möchte ich haben«, entscheidet der Angler. »Gemacht«, sagt der Fisch, »die Zeit ist egal?« »Die Zeit ist egal«, meint der Angler und wirft den Fisch wieder ins Wasser.

Als er am nächsten Morgen wach wird, sieht er blau-goldenen Stuck an der Decke und eine riesige Flügeltür, die zu einer Parkterrasse führt. Das Schloss, stellt er fest. Auf einer edlen Kommode in der Ecke sieht er Juwelen und denkt: Reich bist du offenbar auch. Er dreht sich auf die andere Seite und sieht dort in einem benachbarten Himmelbett die Prinzessin liegen. Sie lächelt ihn an und sagt: »Bist du endlich wach, Franz Ferdinand? Wir fahren nämlich heute nach Sarajewo.«

Ein Witz fürs dritte Programm. Aber wer denkt heute bei dem Namen Sarajewo noch an den Beginn des Ersten Weltkriegs und das Attentat auf den österreichischen Thronfolger?

Hier ist noch eine andere Geschichte, die langsam historisch wird. Dabei sehe ich das ironisch-skeptische Gesicht von Willy Haas vor mir, dem ich sie auf einer Reise als meinen Lieblingswitz erzählte. Es war eine Art Eintrittskarte in seinen Freundeskreis, seitdem mochte er mich. Willy Haas war in den zwanziger Jahren Chefredakteur der >Literarischen Welt< gewesen und steckte selber voller Anekdoten.

Max Reinhardt, der berühmte Regisseur der zwanziger Jahre, hat sich bei Salzburg ein Schloss gekauft, Leopoldskron, und feiert dort ein großes Fest. Die Besucher strömen festlich gekleidet durch eine Allee, links und rechts stehen livrierte Diener mit brennenden Kandelabern, auf dem See schwimmen, angestrahlt, 300 weiße Schwäne, ein Orchester sitzt auf der Freitreppe und spielt zur Begrüßung. Einer der Besucher sieht Alfred Kerr da gehen, den berühmten Kritiker jener Zeit. Er spricht ihn an und sagt: »Hören Sie mal, Herr Kerr, das ist doch nicht mehr im Lot, oder? Ist das nicht völlig übertourt? Ein kleiner Opernregisseur aus Berlin kauft sich hier ein richtiges Schloss, Leopoldskron, und dann dieses Fest! Livrierte Diener mit brennenden Kandelabern, ein Orchester auf der Freitreppe, zwei- bis dreihundert Schwäne, angestrahlt, das ist doch hemmungslos, maßlos übertrieben, einfach nicht in Ordnung!«

Und Alfred Kerr nickt und erwidert: »Sie haben ja so recht! Wissen Sie, ich kannte den Reinhardt ja schon, als er in Berlin angefangen hat. Da wohnte er in einer kleinen Mansarde im sechsten Stock, mit schrägen Wänden. Wenn man da hinkam, sah man einen Schrank, einen Tisch, zwei Stühle, ein Bett, zwei, drei Schwäne — das war alles.«

Willy Haas verwies auf Egon Friedell. Der habe zu diesem Fest, das es wirklich gegeben habe, eine missgünstige Kritik Franz Molnars zitiert. Ich suchte später danach und fand sie auch. Molnar hatte geschrieben: »Er (Reinhardt) hat es doch nicht nötig, dass er für eine Party ein paar Statisten vom Landestheater als Erzherzöge und Bischöfe verkleidet und den Gästen einreden will, dass wirklich lauter prominente Leute kommen ...«

Viele können gar nicht verstehen, was an dieser Anekdote von Schloss Leopoldskron witzig sein soll. Das muss man hinnehmen. Sie sind mir immer noch lieber als andere, die sich genau auskennen und mir erklären, dass Schloss Leopoldskron gar keine Allee neben einem See besitzt .