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Es schadet ja nicht: Wer gerne lacht, darf sich ruhig ein paar Gedanken machen über die verschiedenen Disziplinen des Humors.
Humor kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie Feuchtigkeit. Richtig angelacht wird also selbst der härteste Griesgram weich wie Weißbrot. Sein strenger Blick zerfließt im Saft des originellen Witzes. Oder, um Quintus Horatius Flaccus zu Wort kommen zu lassen: »Ein Scherz, ein lachend Wort entscheidet oft die größten Sachen treffender und besser als Ernst und Schärfe.«
Humor ist eine gemütsvolle Wesensart. Eine Fähigkeit, dem Lebenden und den ernsten Dingen durch geistige Durchdringung eine heitere Seite abzugewinnen. Durch Humor wird gute Laune und Stimmung verbreitet, und er lässt sich in jede Gemüts- und Lebenslage einbringen.
Die Anekdote, dem Griechischen entlehnt, hat den Charakter einer kurzen, oft humorvollen Erzählung zur Charakterisierung einer Begebenheit oder einer Person. Denker und Dichter lockern ihre schweren Gedankenwelten gern durch ein wenig Leichtigkeit auf. Plaudertaschen nutzen die Anekdote zur leichten Tischunterhaltung, lässt sie sich doch wunderbar ausschmücken, variieren und mit selbst Erlebtem kombinieren. Für Walter Benjamin gilt die Anekdote als »Straßenaufstand« gegen die Geschichte.
Theofilos und Siegfried Blau, zwei Galeristen in Palma de Mallorca, fütterten mich mit einer solchen Geschichte über einen Kollegen. Es ist ein erstklassiges Beispiel dieser Königsdisziplin:
Wir sitzen zusammen mit Gästen in der berühmten Paris-Bar in Berlin und essen Entrecote. Der Schriftsteller und Journalist Hellmuth Karasek betritt das Lokal und setzt sich an den Nebentisch. Er studiert die Speisekarte, blickt dann auf unsere Teller und spricht uns an: »Sie essen Fleisch. Schön, dann tue ich das auch.«
Wir reagieren irritiert und fragen, was er damit meint. Karasek erzählt: »Gestern war ich auch hier, bestellte mir das Entrecote mit Sauce Bearnaise und Pommes Frites. Daraufhin sah mich mein Gast, der mich begleitete, verwundert an und meinte: >Herr Karasek, Sie essen Rindfleisch? Wo doch so viel über BSE geschrieben wird?!< Dann machte der Gast eine kleine Pause und sagte beruhigend: >Na ja, in Ihrem Alter spielt das eigentlich auch keine Rolle mehr.<«
Bei einem Bonmot, leichtfüßig der französischen Sprache entsprungen, handelt es sich um eine geistreiche, witzige Äußerung. Dazu diese Beispiele:
Curt Goetz: »Allen Menschen ist das Denken erlaubt. Vielen bleibt es erspart.«
Billy Wilder: »Ein Regisseur muss nicht schreiben können. Aber lesen wäre hilfreich.«
Von Wilder, der nicht nur als Regisseur, sondern auch als Drehbuchautor zu den Besten der Welt zählte, stammen Dialoge wie dieser in dem Spielfilm >Ace in the Hole<:
Kirk Douglas: »Es ist Sonntag, gehen Sie nicht in die Kirche?« Jan Sterling: »Ich gehe nicht in die Kirche, knien beult meine Nylons aus.«
Und damit wären wir beim Gag angelangt, den Wilder in seinen Texten pflegte. Der Gag hatte seine Geburtsstunde im englischen Sprachraum. In Deutschland und auch anderswo wurde das Schreiben dieser effektvollen Einfälle inzwischen professionalisiert, und es kümmert sich die Berufsgruppe der Gagschreiber um ihre Zukunft. Deren Aufgabe ist es, einer anderen, der heute sehr beliebten Berufsgruppe der Komiker, die Lacherfolge beim Publikum zu sichern. Ein Beispiel von TV-Komiker Harald Schmidt:
»Mediziner begehen doppelt so häufig Selbstmord wie Angehörige anderer Berufsgruppen. Gründe: Depression, Verzweiflung — und sie wissen natürlich, wie's geht!«
Ein Kalauer kann ein schlechter Witz sein, bietet aber meist den Charakter eines sehr fintenreichen Wortspiels wie dieses von Norbert Blüm:
Hüten wir uns vor todernsten Politikern — wir werden sonst nichts mehr zu lachen haben.
Das Wortspiel, auch ein Kind des Humors, ist ein enger Verwandter des Kalauers. Friedrich von Schlegel:
Verstand ist mechanischer, Witz ist chemischer, Genie ist organischer Geist.
Komik, ebenfalls aus dem Französischen, entspringt dem Witz und löst Heiterkeit aus. Die Protagonisten dieser Humor-Gattung machen in diesen Zeiten besonders im Fernsehen als Komiker, Spaßmacher und Darsteller komischer Szenen ungewöhnliche Karrieren. Sie heißen Harald Schmidt, Otto, Hape Kerkeling oder Stefan Raab. Das folgende Beispiel für Komik stammt aus Raabs Sendung >TV Totale
»Die Türken sind eine sehr patriarchalische Gesellschaft, ich kann mir nicht vorstellen, dass da ein Vater sagt: Hurra, mein Sohn wird Bauchtänzerin.«
Die Pointe ist der springende Punkt an einem Witz oder der Beschreibung einer komischen Situation. Wer sie verfehlt oder versaut, geht ohne Lacher unter. Die Pointe ist der Höhepunkt, der den Witz erst zum Witz macht. Billy Wilder gilt als ein Meister dieser PunktLandung:
Eine Lieblingsgeschichte von Billy Wilder handelt von Howard Hawks. Der knallt ihm eines Tages ein Manuskript mit dem dritten Akt des Drehbuchs >Ball of Fire< auf den Schreibtisch und meint, er würde sich zur Belohnung für die Mühe erst mal ein Pferderennen gönnen. Als Wilder den Papierstapel später begutachtet, stellt er fest: Keine Seite ist beschrieben.
Die Zoten - eine ganz besondere Disziplin des Humors, bei der gerne auch geschweinigelt wird - erzählt man sich an Männer- und auch an Frauenstammtischen. Also, wenn man unter sich ist. Dieser unanständige Witz erhält in unserem Buch ein eigenes kleines Kapitel. Trotzdem sei hier ein Vorgeschmack auf das gegeben, was man nicht weitererzählen sollte. Der nachfolgende Witz erfüllt darüber hinaus ein Kriterium, das Billy Wilder in seinen Komödien anlegte: Nach einer Pointe sollte eine kurze Pause für die Lacher kommen. Denen wiederum müsse eine weitere Pointe folgen, damit sich die Lacher steigern, aber nie abbrechen. Sporadische Lacher, so meinte Wilder, sind das Schlimmste, nur Lachsalven erschütterten das Publikum. Wie schön, wenn dann ein Witz drei Pointen hat. Chris Howland, Dieter Thoma und ich, wir profitieren davon in unserer Witz-Revue >Ganz Deutschland lacht - 50 deutsche Jahre im Spiegel ihrer Witze<, die auf dem gleichnamigen Witzbuch basiert:
Ein Mann hat sich ein Paar sehr auffällige italienische Schuhe gekauft: weißes Leder mit schwarzen Lackkappen. Um seine Frau zu überraschen, hat er sie nach der Anprobe im Geschäft sofort anbehalten.
Als der Mann nach Hause kommt, sitzt die Ehefrau vorm Fernseher, isst Kartoffelchips, trinkt eine Flasche Bier. »n' Abend, Schnullermaus«, sagt der Mann.
»n' Abend, Alter«, antwortet die Frau, ohne ihn anzusehen. Der Mann zögert einen Moment, dann fährt er fort: »Kannst du mich vielleicht mal 'n Augenblick angucken?« Sie dreht ihm den Kopf zu, betrachtet den Mann von oben bis unten und wendet sich wieder ab. »Fällt dir an mir nichts auf?«, fragt er irritiert.
Sie hebt die Schultern, konzentriert sich auf den Bildschirm und meint: »Du siehst müde aus, wie immer. Wirst dir wohl gleich den Bohneneintopf aufwärmen, 'ne Pulle Bier trinken und ins Bett gehen. Wie immer.«
>Oh, warte<, denkt der Mann, >das kriegst du wieder.< Er geht ins Schlafzimmer, zieht sich aus bis auf die neuen Schuhe und kehrt splitternackt ins Wohnzimmer zurück.
Wieder baut er sich vor ihr auf, wieder beachtet sie ihn nicht, und wieder sagt er: »Kannst du mich vielleicht mal 'n Augenblick angucken, Schnullermaus?«
Die Frau knuspert an einem Kartoffelchip, trinkt Bier und mustert ihren Mann von oben bis unten.
»Na?« fragt er, »fällt dir an mir immer noch nichts auf?«
»Was soll mir an dir schon auffallen?«, sagt die Frau gelangweilt.
»Er hängt. Wie immer!«
»Sieh doch mal, wohin er zeigt«, reagiert der Mann aufgebracht, »er guckt sich nämlich meine neuen italienischen Schuhe an.« »Na, da hätt'ste dir aber besser 'n neuen Hut gekauft«, sagt die Frau.
Friedrich Schlegel hält den Witz für »die Explosion von gebundenem Geist«.
Der Witz ist in diesem Buch so zahlreich vertreten, dass ich an dieser Stelle nicht noch weitere Beispiele geben muss. Gut konstruiert und gut erzählt, zielt er direkt auf die Lachmuskeln. Gesund ist er, wie wir erfahren haben, ebenfalls. Entbehrlich ist er auf keinen Fall, glaubt man dem englischen Schauspieler und Regisseur Charlie Chaplin, der sagte: »Ein Tag, an dem man nicht lacht, ist ein verlorener Tag.«
Der große Spaßvogel war sogar davon überzeugt, dass uns der Humor bis zum letzten Atemzug begleitet: »Am Ende ist alles ein Witz.«