77756.fb2 Ganz Deutschland lacht!. 50 deutsche Jahre im Spiegel ihrer Witze - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 22

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Chris HowlandHeinz Erhardt und der Affe

>Sag niemals ja, wenn du nein meinst<, so lautet der Titel eines alten Buchs, das mir ein guter Freund einmal gegeben hat. Ich habe nie eine Seite darin gelesen, und ich fürchte, das werde ich auch nicht mehr, aber vor einigen Jahren hätte es mir gute Dienste erweisen können. 1953 wurde ich gefragt, ob ich denn nicht als Komiker auf Tour durch Deutschland gehen wolle, 93 Auftritte von Flensburg bis Ravensburg. Alles in mir sagte nein, vor allem weil ich nur vier Wörter Deutsch sprechen konnte - davon zwei unanständige. Außerdem hatte ich noch niemals in meinem Leben auf einer Bühne gestanden. Ich sagte ja. Damals wusste ich nichts über die deutsche Musikszene, so dass ich mit den Namen der anderen Künstler nur wenig anfangen konnte. Heute bin ich beeindruckt, dass ich damals Teil solch eines herausragenden Ensembles war.

Die Veranstalter hatten versprochen, mir ein paar Texte zu liefern, doch trotz meiner zahlreichen verzweifelten Anrufe hatten sie bis zu meinem Auftritt in Frankfurt keine Zeile vorbereitet. Ich war auf mich allein gestellt.

Ich sage nicht, dass es der schlimmste Moment meines Lebens war. Davon gab es zu viele. Aber er gehört auf jeden Fall zu den Top Ten.

Versuchen Sie sich die Situation vorzustellen: Ich stand am Rande einer großen Halle, die voll war bis auf den letzten Platz. Das Publikum brüllte vor Lachen über einen unscheinbaren Mann, der ein vollkommen ausdrucksloses Gesicht hatte und einen braunen Anzug trug. Es sah aus, als ob er ein Gedicht aufsagte. Ich verstand allerdings kein einziges Wort. Alles was ich wusste, war: wenn dieser Mann seinen Auftritt beendet, bist du dran, und du hast nicht den blassesten Schimmer, was du erzählen sollst!

Nun ist das menschliche Gehirn recht clever. Ich muss auf die Bühne getappt sein und irgendetwas gemacht haben. Bis zum heutigen Tag weiß ich nicht, was. Blackout. Das Einzige, an das ich mich erinnern kann, ist die Stille, die den Raum erfüllte. Man hätte eine Stecknadel auf den Boden fallen hören können, in dieser Halle mit 2000 Menschen darin.

Als alles vorbei war und sich mein Gehirn wieder zurückmeldete, kamen zwei Herren auf mich zu: Der eine war der aufgebrachte Veranstalter, der mir versprochen hatte, ein paar Texte zu schreiben.

»So nicht, Herr Howland!«, sagte er und verschwand.

Der zweite war der Mann in dem braunen Anzug, der die Gedichte aufgesagt hatte. Wortlos führte er mich zu einem Restaurant und bestellte mir einen großen Drink; einen Doornkaat, wie ich später erfuhr. Er setzte sich hin und beobachtete, wie ich den Schnaps austrank.

»Ich spreche nicht viel Englisch«, begann er mit einem schüchternen Lächeln, »aber ich will versuchen, Ihnen zu helfen!«

Der Mann hieß Heinz Erhardt.

So fing alles an. Auf der restlichen Tour setzten wir uns jeden Tag zusammen und puzzelten ein Programm zurecht. Wir kamen nur langsam voran, denn wir mussten die Arbeit irgendwo zwischen die

Fahrt zur nächsten Stadt, die Suche nach unseren Hotels oder das Auspacken der Koffer quetschen. Schließlich waren wir fertig, aber Heinz hatte mir noch etwas zu sagen: »Du brauchst einen guten Witz, damit das Publikum lacht und applaudiert, wenn du die Bühne verlässt. Ich denke, folgender wäre ganz gut . . .« Er hat mir den Witz ganz langsam erzählt, und ich habe versucht, ihn in meinem spärlichen Deutsch auswendig zu lernen. Vielleicht fällt er mir noch ein ...

Auf jeden Fall bekam ich meinen ersten Lacher auf der Tour. Wir waren in Trier, und ich werde es den Menschen dort niemals vergessen, dass sie mir mein erstes Erfolgserlebnis auf der Bühne beschert haben. Heinz wurde mein Ersatzvater. Ich werde seine Güte und Geduld nie vergessen. Ich glaube, er freute sich ebenso über den Applaus, den ich erhielt, wie über seinen eigenen. Es gelang mir sehr bald, auch seine Gedichte zu verstehen und zu schätzen.

Die Sängerin

Reihen, Stühle, braune, harte.

Eintritt gegen Eintrittskarte.

Damen viel. Vom Puder blasse.

Und Programme an der Kasse.

Einer drückt. Die erste Glocke.

Sängerin rückt an der Locke.

Leute strömen. Manche kenn ich.

Garderobe 50 Pfennig.

Wieder drückt man. Zweite Glocke.

Der Begleiter glättet Socke.

Kritiker erscheint und setzt sich.

Einer stolpert und verletzt sich.

Sängerin macht mi-mi-mi.

Impresario tröstet sie.

Dritte Glocke. Schrill und herrisch.

Sie erscheint. Man klatscht wie närrisch.

Jemand reicht ihr zwei Buketts.

Dankbarkeit für Freibilletts.

Und sie zuckt leis' mit den Lippen.

Beugt sich vor, als wollt sie kippen.

Nickt. Der Pianist macht Töne. Sängerin zeigt weiße Zähne. Öffnet zögernd dann den Mund. Erst oval. Allmählich rund. Und — mit Hilfe ihrer Lungen hat sie hoch und laut gesungen. Sie sang Schumann, Lincke, Brahms. Der Beginn war acht Uhr ahms. Und um elf geht man dann bebend, aber froh, dass man noch lebend, heimwärts. Legt sich müde nieder... Morgen singt die Dame wieder.

Die folgenden Zeilen wurden mein Lieblingsgedicht:

Der Berg

Hätte man sämtliche Berge der ganzen Welt zusammengetragen und übereinander gestellt, und wäre zu Füßen dieses Massivs ein riesiges Meer, ein breites und tiefs, und stürzte dann unter Donner und Blitzen der Berg in dieses Meer... na, das würd' spritzen!

Wie ging nun der Witz, den Heinz mir erzählt hatte, jener, der die Leute in Trier zum Lachen gebracht hatte? Ich nenne ihn meinen Talisman-Witz, und ich erzähle ihn auch heute noch gerne auf der Bühne - mit demselben englischen Akzent von damals:

Mein letzte Job war in Frankfurt. Ich bekam ein Anruf. »Hallo, Herr Howland. Hier ist der Frankfurter Zoo.« »Guten Tag.«

»Mister Howland — etwas Furchtbares ist passiert. Unser Affe ist gestorben, und Sie wissen, wie schwer es ist, eine neue zu bekommen. Aber wir haben hier ein Affenfell, und Sie sind ein so genannte Schauspieler. Wie wäre es, wenn Sie zu uns kommen würden und unsere Affe spielen?«

Na ja, ich hab's überlegt. Die Gage war interessant — ungefähr wie hier heute Abend. »Gut, ich mache das«, sagte ich. Ich bin nach Frankfurt gegangen. Die haben es dem Affen wirklich schön gemacht. Da war ein kleine Käfig mit 'nen Schaukel drin, und mein Affenfell passte genau. Hin und her bin ich geschaukelt, und die Leute haben sich gefreut und gelacht. Aber das hat mir viel zu viel Mut gegeben, und ich habe einen großen Schwung gemacht und flog in die nächsten Käfig. Boing! Da lag ich auf der Erde. Und da in der andere Ecke war ein große Löwe. Er ist sofort aufgesprungen und kam auf mich zu — näher und näher. Ich natürlich immer rückwärts, rückwärts — bis zur Wand, da ging es nicht weiter. Aber die Löwe kam immer näher und näher, und für eine Moment vergaß ich, dass ich eine Affe sein sollte und schrie, »Hilfe, Hilfe, Hilfe!«

Und der Löwe kam ganz nah und flusterte: »Halt dein Maul, Mensch — sonnst werden wir beide rausgeschmissen!«