77756.fb2 Ganz Deutschland lacht!. 50 deutsche Jahre im Spiegel ihrer Witze - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 24

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Jamin/Thoma»Nur glicklich bin ich nicht«: Der jüdische Witz

Die Polizeibeamten im grün-weißen Auto beobachten uns aufmerksam, als wir auf die Haustür zugehen. Wir dürften eigentlich nicht wie zwei Attentäter aussehen, so meinen wir. Aber wie sehen Attentäter aus? Wahrscheinlicher ist, dass wir schon angekündigt sind für den späten Vormittag, auf einer Besucherliste stehen. Wir sind zum vereinbarten Gespräch mit Paul Spiegel eingetroffen. Was nicht auf der Liste der Polizei stehen wird: Es soll um jüdische oder jiddische Witze gehen.

Das Büro ist hell und geräumig, die großen Fenster öffnen sich ins Grüne. Wir nehmen Platz in breiten, schwarzen Ledersesseln. An den Wänden der Düsseldorfer Künstleragentur von Paul Spiegel hängen dicht an dicht die Großen des Showgeschäfts, fotografische Erinnerungen an gelungene Zusammenarbeit. Fehlt einer? Paul Kuhn? Hape Kerkeling? In diesem Massenangebot gelungenen Lächelns werden solche Fragen albern. Früher hätte womöglich ein fremder Betrachter gefragt: Wer ist denn der Mann neben Freddy Quinn oder neben Hildegard Knef? Inzwischen werden manche erfahren wollen, wer denn der oder die sind, die da neben Paul Spiegel stehen.

Er hat es gewusst, dass sich sein Leben radikal ändern werde, als er die Wahl zum Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland akzeptierte. »Es war mir klar, was da auf mich zukommt.« Es bedeutet als Erstes: jeden Tag Termine. Und alle müssen mit der Polizei abgesprochen werden. Ist es trotzdem die rechte Zeit für jüdische Witze? - »Es ist immer die richtige Zeit für jüdische Witze!«

Ein Jude trifft den anderen. Sagt der andere: »Den kenn' ich schon!«

Wir versuchen zu erörtern, ob der jüdische Witz das Ergebnis der speziellen religiösen, historischen und sozialen Voraussetzungen ist und damit ein Schlüssel zur jüdischen Geschichte.

»Das ist nicht mein Zugang zum Witz«, wehrt Spiegel ab. »Ich höre und erzähle sie gern, aber ich muss nicht jeden gleich analysieren.« Er denkt kurz nach. »Aber ich erzähle Ihnen gern einen meiner Lieblingswitze.«

Zwei Rabbis spielen mit einem Bekannten, der zum jüdischen Glauben übergetreten ist, Golf. Eines Tages beschwert er sich:

»Immer verliere ich! Was kann ich denn nur tun?«

Sagt der eine Rabbi: »Wir beten jeden Tag einmal zu Gott dem Herrn, dass er uns gewinnen lässt.«

»Und das hilft?«

»Wie du siehst.«

Beim nächsten Treffen verliert er wieder. Er beklagt sich: »Jeden Tag habe ich nun inbrünstig gebetet, und was nützt es?« Fragt der eine Rabbi: »Und wo hast du gebetet?« »Im Tempel Jeremias.«

»Das ist auch falsch. Der Tempel Jeremias ist für Tennis. Der Tempel Emanuel ist für Golfspieler.«

Wir reichen einen unserer Lieblingswitze nach:

Der David trifft den Isaak und sagt: »Du kennst doch meinen schönen Stock mit der silbernen Krücke, stell dir vor, man hat ihn mir gestohlen!«

»Was du sagst, und wer war es?«

»Wenn ich das wüsste, wäre es leicht, aber es kann eigentlich nur jemand aus der Mischpoke gewesen sein.« »Dann ist es doch einfach«, sagt der Isaak. »Wieso das?« fragt David.

»Nun«, sagt Isaak, »lad sie alle ein, die ganze Mischpoke, gib ihnen zu essen und zu trinken, und wenn das Fest ist angekom-men auf dem Höhepunkt, dann steh auf und rezitier' die zehn Gebote. Und wenn du angekommen bist beim siebten Gebot >Du sollst nicht stehlen<, dann guck um dich, und der, der dir nicht kann in die Augen sehen, der hat gestohlen deinen Stock mit der silbernen Krücke.«

Es dauert ein paar Wochen, bis sie sich wieder sehen, und der David hat in der Hand seinen Stock mit der silbernen Krücke. »Es hat also geklappt«, sagt Isaak. »Ungefähr so«, antwortet David. »Erzähl!«, sagt der Isaak.

»Also«, sagt der David, »ich hab' sie eingeladen, die Mischpoke, die ganze Verwandtschaft, wie du gesagt hast, hab' ihnen zu essen und zu trinken gegeben, es war nicht ganz billig, und als das Fest war auf dem Höhepunkt, bin ich wirklich aufgestanden und habe rezitiert die zehn Gebote. Und weißt du, als ich angekommen bin beim sechsten Gebot, da ist mir eingefallen, wo ich hab' stehen lassen meinen Stock mit der silbernen Krücke.«

Ein jüdischer Witz wäre ohne Pointe, wenn man das speziell Jüdische der Witzperson herausnimmt. Aber was ist das »speziell Jüdische«?

Ein Katholik, ein Protestant und ein Jude unterhalten sich über ihre Verwandtschaft.

Es brüstet sich der Protestant: »Mein Großvater war Superintendent!«

»Da habe ich mehr zu bieten«, sagt der Katholik, »mein Onkel ist Kardinal und wird mit >Euer Eminenz< angeredet.« Sagt der Jude: »Das ist schon was! Wenn meine Großtante zu Besuch kommt, dann rufen alle: Gott der Gerechte!«

Der Autor Jan Meyerowitz schrieb in seinem Buch >Der echte jüdische Witz<: »Die Juden haben manche Gehässigkeit aufgenommen, weil sie eine große Toleranz besaßen, die nicht würdelos, sondern warmherzig und etwas fatalistisch war.«

Von Ironie mit Witz und Würde spricht Friedrich Torberg bei dieser Witzgattung.

Freud sah in der Selbstkritik jüdischer Witze gegen jüdische Ei-gentümlichkeiten ein »unbewusstes oder vorbewusstes Gefühl für den hohen Wert des eigenen Volkes«, einen verborgenen Nationalstolz. »Nur ein stolzer Mensch kann sich dazu herablassen, sich selbst zu verspotten«, schreibt Eike Christian Hirsch in >Der Witz-ableiter<.

David und Isaak wollen sich duellieren. Als der Morgentermin gekommen ist, schickt Isaak per Boten ein Schreiben an den Waldrand: »Lieber David, fang schon mal an mit Schießen, ich habe noch zu tun.«

Darf man mit jüdischen Namen Witze machen, Namen, die die meisten ja nicht freiwillig angenommen haben?

Wenn sie nicht antisemitisch sind, habe er damit keine Schwierigkeiten, sagt Paul Spiegel.

»Was meinen Sie zum Beispiel?« Wir erzählen also:

Ein jüdisches Ehepaar geht in eine moderne Kunstausstellung. Ratlos stehen sie vor einem Bild. Sie fragt: »David, ist das nun a Porträt oder a Landschaft?«

»Muss ich auch nachschauen im Katalog«, erwidert er, schaut nach und sagt: »Es ist a Porträt: Mandelbaum an der Riviera.«

»Kein Problem«, sagt unser Gastgeber. »Aber kennen Sie einen der Lieblingswitze unseres Bundespräsidenten, Johannes Rau?« Spiegel sieht schon in der Vorfreude ungemein fröhlich aus. Selbst wenn wir den Witz kennten, würden wir es jetzt nicht zugeben.

Ein Jude zeigt im Feinkostladen auf ein Stück Schinken und sagt: »Ich hätte gern diesen Fisch.«

Sagt der Verkäufer: »Das ist kein Fisch, das ist Schinken.« Der Jude: »Wie viel kostet der Fisch?« »Ich sage doch, das ist kein Fisch, sondern Schinken.« »Hab' ich Sie gefragt, wie dieser Fisch heißt?«

Dazu fällt uns ein:

Ein Rabbiner und ein Kardinal sind zu einem offiziellen Essen eingeladen. Der Kardinal beobachtet, was der Rabbi isst. Er fragt: »Wann werden Sie endlich so tolerant sein können, dass Sie auch von diesem köstlichen Schweinebraten essen können?« Es antwortet der Rabbi: »An Ihrem Hochzeitstag, Eminenz!«

Wir reden darüber, dass nicht alle Witze lustig sind, das Lachen bei manchen gefriert. Paul Spiegel erinnert an einen Witz aus unserem ersten Buch:

In einer Nacht schleicht ein alter Jude durch die Straßen des Warschauer Ghettos. Als er um die Ecke biegt, hinter der seine Behausung liegt, stellt sich ihm ein SS-Offizier in den Weg und sagt: »Ich werde dich jetzt erschießen.«

Während der SS-Offizier seine Pistole entsichert, fährt er fort: »Ich gebe dir aber noch eine Chance, dein Leben zu retten. Ich habe ein Glasauge, es ist von einem richtigen Auge allerdings nicht zu unterscheiden. Wenn du herauskriegst, welches das Glasauge ist, lasse ich dich leben.«

Der Jude schaut den SS-Offizier lange an. Dann sagt er: »Es ist das rechte Auge.«

Verblüfft steckt der SS-Mann seine Pistole ein. »Richtig, Jude«, sagt er, »aber jetzt erklär mir mal, woran du das erkannt hast.« Der alte Jude zögert. Nach einer Weile sagt er: »Es blickt so menschlich.«

Auch Emigrationswitze gibt es zahllose:

Zwei Juden treffen sich in New York.

Fragt der eine: »Are you happy?«

»Yes, I am happy.«

»Are you really happy?«

»Yes, I am really happy.«

»Are you really very happy?«

»Yes, I am really very happy. Nur glicklich bin ich nicht!«

Der Hausherr nickt uns zu, als hätten wir eine neue Tür geöffnet. Und so erzählen wir noch diesen:

Jakob wartet 1942 in Casablanca auf ein Visum für die USA. »Wie sind die Aussichten?«, fragt er im amerikanischen Konsulat. »Ziemlich schlecht. Die Quoten sind erfüllt, es gibt zur Zeit keine Visa mehr. Kommen Sie in zehn Jahren wieder.« »Das mache ich«, sagt Jakob, »vormittags oder nachmittags?«

Dagegen schrieb Sigmund Freud aus der Emigration in London: »Mir geht es hier so gut, dass ich fast versucht bin, >Heil Hitler< zu rufen.«

Wir beteiligen uns auch wieder mit einem jüdischen Witz über das Soldatenleben:

Moische kommt zur Artillerie in der Israelischen Armee. Er ist intelligent, ist aber im Dienst ungeschickt und desinteressiert. Einer der Vorgesetzten nimmt ihn wohlmeinend zur Seite und sagt: »Moische, du taugst nicht zu uns. Ich will dir einen Rat geben: Kauf dir eine Kanone und mach dich selbständig!«

Der Hauptmann brüllt beim Betrachten der Uniform: »Da fehlt ein Knopf!«

Soldat: »Ihre Sorgen möchte ich haben, Herr Hauptmann.«

Aus den ersten Jahren des Staates Israel wird diese Geschichte überliefert:

Ansage im Radio: »Hier ist der israelische Rundfunk auf Kanal 35«, und dann, vertraulich geflüstert: »Für Sie — 33!«

Ein Mann, der einen anderen einlädt:

Er beschreibt den Weg zur Gartenstraße 23 und sagt:

»Bitte mit dem Ellbogen klingeln!«

»Warum mit dem Ellbogen?«

»Du wirst ja nicht mit leeren Händen kommen!«

Juden lachen gern, erzählt Paul Spiegel. Vor allem über sich selbst, ihre Würdenträger und Politiker, über die Religion, Traditionelles und Familiäres.

Der David klagt, dass er ein schlechtes Sommergeschäft gehabt habe. »Sieh her«, zeigt er dem Isaak, »allein 24 dieser schönen Sommerblusen für 40 Dollar das Stück sind mir liegen geblieben!«

»Da werd' ich dir geben einen guten Rat«, sagt der Isaak. »Was für einen guten Rat?«

»Du machst vier Pakete davon mit je sechs Blusen und schickst sie an deine vier besten Kunden. Du legst eine Rechnung ein, schreibst aber nicht: Inhalt sechs Blusen a vierzig Dollar, sondern nur vier Blusen a 60 Dollar. Für dich bringt es denselben Preis, die Kunden aber werden sagen: Geschickt hat er sechs Blusen, berechnet aber nur vier. Also hat er sich vertan, das ist ein gutes Geschäft! Und so wird der Kunde behalten alle Blusen.« David folgt dem Rat. Als sie sich nach einigen Wochen wiedertreffen, fragt Isaak: »Wie hat geholfen mein Rat?«

»Na, du hast gegeben schlechten Rat, alle vier Kunden haben zurückgeschickt die Pakete!« »Wieso denn das?«

»Na ja, jeder hat zurückgeschickt die vier Blusen, aber die zwei Blusen hat er behalten, die nicht berechnet sind.«

In seinem Buch >Wieder zu Hause?< erinnert Paul Spiegel an seinen verstorbenen Vorgänger Ignatz Bubis. »Ignatz hatte für jeden ein gutes Wort und einen Witz parat. Er liebte es, mit Menschen zu lachen. Einer seiner Lieblingswitze handelt von zwei Männern in einer Kneipe.

Der eine Mann sagt: >Sie sind doch Jude?<

>Nein.<

>Doch.<

>Also, gut, ich bin Jude.<

>Sie sehen aber gar nicht so aus.<«

Zwei Juden treffen sich im Eisenbahnwagen in einer galizischen Station. »Wohin fahrst du?« »Nach Krakau.«

»Sieh her, was du für ein Lügner bist«, braust der andere auf, »wenn du sagst, du fahrst nach Krakau, willst du doch, dass ich glauben soll, du fahrst nach Lemberg. Nun weiß ich aber, dass du wirklich fahrst nach Krakau. Also, warum lügst du?«

Der Witz spielte in Spiegels Leben immer eine Rolle - schließlich ist in jedem jüdischen Witz ein ernster Kern enthalten. Paul Spiegel:

Warum antwortet ein Jude immer mit einer Gegenfrage? Warum nicht?

Bleibt zum Schluss des Gesprächs die Frage, ob es politisch korrekt ist, jüdische Witze zu erzählen.

»Warum nicht?«, fragt Paul Spiegel. Dann antwortet er: »Das werde ich immer wieder gefragt. Und ich antworte: Man kann sie erzählen. Es ist nur ein Unterschied, ob man jüdische oder antisemitische Witze erzählt. Wir müssen lernen, normal mit jüdischen Themen umzugehen.«

Als wir gehen, greift Spiegel zum Telefon. Er muss der Polizei mitteilen, dass sich der Ablauf des Nachmittags etwas ändern wird. Es hat aber nichts mit unseren Witzen zu tun.

Zwischenrufe

Die Schauspielerin Dolly Dollar, auf die Vorzüge Ihres Busens angesprochen, sagte: »Ich konnte mir schon auf der Schule mehr herausnehmen als andere.«

Ein Vater kommt mit seinem kleinen Sohn zum Zoodirektor. »Der Bär hat meinem Jungen fast die Hand abgebissen!« »Ja«, sagt der Zoodirektor: »Das macht der immer.«

»Wer war der erste Mensch?«

»Weiß ich nicht. Jedenfalls war es kein Bayer, denn das sind die letzten Menschen.«

»Es ist ganz leicht, Italien zu regieren«, meinte Curzio Malaparte. »Es ist nur völlig überflüssig.«

»Was ist schöner, weiße Weihnachten oder eine heiße Liebesnacht?«

»Weiße Weihnachten.«

»Warum?«

»Ist häufiger.«

Im Hotel Ritz in Paris fragt ein leicht angetrunkener Gast den Oberkellner:

»Herr Ober, wo kann ich hier pinkeln?«

Der Oberkellner antwortet: »Gehen Sie den Gang hinunter. Die zweite Tür links. Es steht >Herren< dran. Gehen Sie trotzdem hinein . . .«

»Kannst du mir Einsteins Relativitäts-Theorie erklären?« »Wenn du drei Haare auf dem Kopf hast, ist das relativ wenig. Wenn du drei Haare in der Suppe findest, ist das relativ viel.« »Und für so einen blöden Witz hat der den Nobelpreis bekommen?«