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Es war ein ungewöhnlicher Ort für unser Treffen. Es fand in einer Hütte statt, eintausendsiebenhundert Meter oberhalb des Örtchens Going in Österreich. Draußen lag der Schnee wie eine weiße Decke auf der Erde und wölbte sich bedrohlich auf den Ästen der Bäume. Drinnen brannte und flackerte ein helles Feuer, die leuchtenden Flammen spiegelten sich fröhlich in den Gläsern der Feuerzangenbowle, die auf dem Holztisch standen. Es gibt nur ein Wort, das die Atmosphäre treffend beschreibt: gemütlich.
Eine gemeinsame Fernsehsendung brachte mich mit Paola und Kurt Felix zusammen. Ich hatte sie 1961 unter dem Titel >Vorsicht Kamera!< produziert, Kurt und Paola folgten einige Jahre später mit dem ähnlich erfolgreichen >Verstehen Sie Spaß?<. Heute sollten wir alle drei interviewt werden.
In der Hütte drängten sich Techniker, die Kabel verlegten und Scheinwerfer und Kameras aufbauten. Als klar wurde, dass wir noch einige Zeit mit Warten verbringen müssten, statt an der Sendung zu arbeiten, schlug ich vor, wir könnten uns die Zeit damit vertreiben, Witze zu erzählen. Ich erwähnte auch, dass ich einige für dieses Buch klauen wollte.
Kurt brauchte keine zweite Aufforderung. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und fing an:
Fritz erzählt seinem Freund Peter stolz, dass er neuerdings Hobby-Logiker sei. Natürlich will Peter wissen, was das denn sei.
Fritz: »Ich erkläre dir das an einem Beispiel. Also: Hast du zu Hause ein Aquarium?« Peter: »Ja!«
Fritz: »Dann gehe ich davon aus, dass darin Fische schwimmen.« Peter: »Ja!«
Fritz: »Daraus schließe ich ganz logisch, dass du ein Tierfreund bist.«
Peter: »Ja!«
Fritz: »Weil du ein Tierfreund bist — und das ist ganz logisch — hast du auch Menschen gerne.« Peter: »Ja!«
Fritz: »Und weil du Menschen magst — und das ist schon wieder logisch — liebst du sicher auch Frauen.« Peter: »O ja! Und wie!«
Fritz: »Siehst du, so geht das logische Denken.«
Peter denkt sich, dass auch er das könne. Anderntags trifft er
Max. Er erzählt ihm, er sei neuerdings Hobby-Logiker und macht mit ihm dasselbe Experiment.
Peter: »Max, hast du zu Hause ein Aquarium?«
Max: »Nein!«
Peter: »Du schwule Sau!«
Paola schnalzte ausdruckslos mit der Zunge. Sie hatte den Witz natürlich schon gehört. Aber dieses Risiko gehen Ehepaare ein, wenn sie beginnen, Geschichten zu erzählen.
»Ich erwarte, dass Kurt diesen Witz kennt«, sagte sie, »aber ich erzähle ihn trotzdem:
»Eine ängstliche Passagierin fliegt mit der Lufthansa von Hamburg über Frankreich und die Schweiz nach Rom. Das Wetter ist trüb und neblig. Besorgt fragt sie den Piloten, wie er denn der richtigen Flugroute folgen könne.
Der Flugkapitän öffnet das Seitenfenster des Cockpits eine Hand breit und erklärt der Dame: >Wenn ich über Frankreich fliege, halte ich bei Nebel ganz einfach die Hand hinaus. Ertaste ich den Eiffelturm, weiß ich: Frankreich! Wenn ich mit meinen Fingern das Matterhorn berühre, weiß ich: Schweiz.< Der Passagierin leuchtet das ein. Sie gibt aber zu bedenken, dass es in Italien weder einen Eiffelturm noch ein Matterhorn gibt. Der Pilot beruhigt sie: >In Italien ist das ganz einfach: Fenster auf! Arm raus! Arm rein. Uhr weg! Rom!<«
Instinktiv sahen wir alle auf unsere Uhren. Das ermunterte Kurt zu seinem nächsten Witz.
»Ein schwerer Sünder wird von Petrus direkt in die Hölle geschickt. Das Tor zur ewigen Finsternis öffnet sich. Unser Sünder traut seinen Augen nicht: Vor ihm liegt ein tiefblauer Meeresstrand. Die Sonne scheint. Auf dem langen Boulevard — von Palmen gesäumt — flanieren glückliche, braun gebrannte Menschen. Unser neuer Höllenbewohner sieht etwas abseits ein heruntergekommenes Steinhaus. Er schaut durch das Fenster und sieht tatsächlich das, was er erwartet hat: Frauen und Männer, die mit glühenden Zangen gepiekst und mit Lederriemen traktiert werden. Sie schreien vor Schmerzen!
Völlig verunsichert schlendert der Sünder weiter und entdeckt auf dem Boulevard eine Bar. Der Teufel selbst sitzt da, umgeben von wunderschönen, halb nackten Frauen, mit denen er den teuersten Champagner genießt.
Unser Sünder fragt den Teufel: >Ist das hier wirklich die Hölle?< Der Teufel antwortet: >Ja, selbstverständlich! Hier ist es doch herrlich! Gefällt es Ihnen bei mir etwa nicht?< Der Sünder: >Doch, sicher! Aber sagen Sie, was sind denn das für Menschen, die im alten Steinhaus sitzen, und dermaßen geplagt werden, dass Sie vor Schmerzen schreien müssen?< Der Teufel, belustigt: >Ach die? Das sind die Katholiken. D i e wollen es so!<«
Zu meinem Glück trat in diesem Augenblick der Regisseur dazu und forderte uns zu einer Probe auf. Das ersparte es mir, auf den letzten
Witz antworten zu müssen.
Dieter Thoma Der politische Witz: Eine mühsame Suche.
Zwei Bundestagsabgeordnete treffen sich im Foyer. Sagt der eine: »Es gibt natürlich viele Wege, um an Geld zu kommen, aber nur einen einzigen, der anständig ist.« »Und der wäre?«, fragt der andere.
»Ich habe mir gleich gedacht, dass Sie den nicht kennen.«
Bundespräsident Johannes Rau, damals noch Landesvater in NRW, erzählte mir einmal einen Witz seines Sohnes: Der sei aus der Schule nach Hause gekommen und habe gesagt, er kenne einen neuen KohlWitz. Und er als Vater habe geantwortet: »Mein Sohn, du weißt, dass bei uns solche Witze nicht erzählt werden.«
Der Sohn habe herumgedruckst, und er habe ihn erinnert: »Wir haben ein für alle Mal ausgemacht, weil ich selbst Politiker bin, werden bei uns solche Witze nicht erzählt.«
Der Sohn sei darüber jedoch so betrübt gewesen, dass der Vater schließlich eingelenkt habe: »Also, gut, machen wir mal eine Ausnahme. Was ist denn das für ein Witz?« Und der Sohn erzählte:
Kohl fragt Geißler: »Geißler, haste mal30 Pfennig, ich muss unbedingt einen Freund anrufen.«
Geißler gibt ihm 60 Pfennig und sagt: »Hier, damit kannst du all deine Freunde anrufen.«
Die Tochter von Johannes Rau, damals noch zu klein, um den Witz zu begreifen, ging fragend auf ihre Mutter zu: »Das verstehe ich nicht.« Christina Rau klärte ihre Tochter auf: »Weißt du, mit 60 Pfennig kann er zweimal telefonieren. Das heißt, dass er nur zwei Freunde hat.« - »Oh«, antwortete das Kind fröhlich, »jetzt versteh ich es -dann ist einer davon der Papi.«
Wann wird der Witz zur Anekdote und damit unverwechselbar einer Persönlichkeit zugeschrieben? Wahrscheinlich dann, wenn er auf niemand anderen passt und sich historisch über Jahrzehnte hält. Wie bei dem englischen Staatsmann Winston Churchill, der über seinen Nachfolger gesagt haben soll:
Vor Westminster hält ein leeres Taxi. Daraus steigt Attlee.
Aber das hätte auch ein Opern-Intendant über seinen Nachfolger sagen können. Viel häufiger als Politiker füllen Schauspieler, Regisseure und Schriftsteller die Anekdotenbücher.
Als Karl Krauss hörte, dass ein bekannter Autor an einer Vergiftung erkrankt sei, murmelte er: »Der muss sich auf die Zunge gebissen haben!«
Der Schriftsteller Konsalik sagt zu seiner Frau: »Ich weiß gar nicht, was ich heute tun soll.«
»Schreib doch einen Roman!«
»Gut, und was mache ich heute Nachmittag?«
Ein Wissenschaftler erklärt, dass der Sauerstoff, den die Menschen so zwingend notwendig zum Atmen brauchen, erst im 18. Jahrhundert entdeckt worden sei.
Fragt Karl Valentin: »Und was haben die Leute vorher geatmet?«
Der politische Witz ist hierzulande eher spärlich vertreten. Politiker sind eben in einer Demokratie nicht die Mächtigen, an denen man sich mit Witz reiben und die man mit Witz kleiner machen muss.
Als Thomas Mann von einem Autor behelligt wurde, der immer wieder sagte, dass er sich ja mit einem Meister wie Mann nicht ver-gleichen könne, meinte der hinterher: »Er hat kein Recht, sich so klein zu machen. So groß ist er nicht.«
In einer Diktatur lachen die Menschen über ihre eigene Ohnmacht, in demokratischen Ländern weiß man, dass man sich bei der nächsten Wahl wehren kann. Wir witzeln über Geld und Steuern, Korruption und Beamte, über Mängel und Macken, aber das eigentlich »Politische« fehlt fast immer in diesen Geschichten. Und doch stößt man hin und wieder auf einen politischen Witz:
Bundeskanzler Schröder redet mit einem Arbeitslosen und sagt: »Wenn ich nicht zufällig Bundeskanzler geworden wäre, wäre ich vielleicht heute auch arbeitslos.«
Sagt der: »Und wenn Sie nicht Bundeskanzler geworden wären, wäre ich heute nicht arbeitslos.«
Angetreten mit der Devise, dass Regieren Spaß machen müsse, dürfte Gerhard Schröder im Regierungsalltag das Lachen ein wenig vergangen sein. Auch der Witz fand wenig Heiteres am DesignerKanzler: Gute Schröder-Witze sind noch Mangelware.
Folgenden Witz, so schrieb der >Stern<, soll der Bundeskanzler selbst während einer Nahostreise im Herbst 2000 erzählt haben:
Gott ist unzufrieden mit seiner Schöpfung und entscheidet, die Welt untergehen zu lassen. Seine Berater bitten ihn, die Menschheit darauf vorzubereiten. Also ruft Gott den russischen Präsidenten Putin, George W. Bush und Schröder zu sich und teilt ihnen die schlechte Botschaft mit. Zurück auf der Erde, hält jeder der drei eine Rede an sein Volk.
Putin sagt: »Liebe Landsleute, ich habe zwei schlechte Nachrichten für euch — es gibt Gott, und er lässt die Welt untergehen.« Bush wendet sich an die Bürger von Amerika: »Ich habe zwei Nachrichten für euch, eine gute und eine schlechte — es gibt Gott wirklich, aber er lässt die Welt untergehen.« Auch Schröder hält eine Ansprache an das deutsche Volk: »Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ich habe zwei gute Nachrichten für euch. Erstens: Es gibt Gott. Und zweitens: Ich regiere euch bis ans Ende eurer Tage.
Bereits auf frühere Kanzler angewandt wurde auch dieser:
Schröder besichtigt ein Krankenhaus, in dem auch Patienten mit Wahnvorstellungen behandelt werden. Einer raucht eine Zigarre, und der Chefarzt erklärt: »Dieser Gast glaubt zum Beispiel, er sei Winston Churchill.«
Schröder schüttelt ihm die Hand und fragt: »Wissen Sie denn, wer ich bin?«
»Nein«, sagt der Patient und zieht an seiner Zigarre. »Ich bin der Bundeskanzler.«
Da klopft ihm der Patient herzlich auf die Schulter und sagt: »So hat es bei mir auch angefangen!«
Zu den Dauerbrennern unter den Wanderwitzen gehört dieser:
Was ist der Unterschied zwischen einem Krematorium und einer Wahlkampfveranstaltung?
Beim einen werden die Leute verbrannt, bei der anderen werden sie verkohlt.
Aus dem Wien des Jahres 2000 kamen die ersten Haider-Witze. Haiders rechtskonservative FPÖ machte den europäischen Demokraten Angst, sie reagierten mit politischen Repressalien auf seine Stammtischparolen. Eine europäische Kommission wurde eingesetzt, um die Regierungstauglichkeit der Haider-Partei zu prüfen.
Auch diese Witze knüpfen an die Tradition vorhandener Scherze an, die schon zu früheren Zeiten gemacht wurden. Und mit Haiders Rückzug aus dem Parteivorsitz wurden sie antiquarisch. Wie lange?
Haider kommt in eine Buchhandlung und kauft einen Roman von Franz Kafka.
»Gern zu Diensten«, sagt die Buchhändlerin, »wollen Sie ihn mitnehmen oder gleich hier verbrennen?«
Laurenz Meyer, Generalsekretär der CDU, brachte in die Debatte um Zuwanderung von Ausländern den neuen Begriff der »Deutschen Leitkultur« ein. Selten ist etwas vom den Kabarettisten mit solchem
Jubel begrüßt worden. Mir fiel dazu eine Geschichte wieder ein, die eigentlich noch aus dem »Dritten Reich« stammt, aber aktuell geblieben ist.
Ein Deutscher reist durch Frankreich. Er kommt in ein Zugabteil, in dem ein einzelner Mann sitzt. Der Mann grüßt mit »Bonjour!«
Der Deutsche setzt sich und sieht, dass sein Gegenüber ein Buch von Friedrich Schiller liest. Er spricht ihn an: »Sie als Franzose lesen mit Schiller einen großen deutschen, nationalen Dichter?« Der Franzose antwortet lächelnd: »Nach meiner Meinung war Schiller kein nationaler, sondern ein internationaler Dichter.« »Wieso das?« fragt der Deutsche.
»Wenn Sie seine Werke kennen«, erwidert der Franzose, »dann werden Sie zugeben müssen, dass Schiller international war. Er hat Werke für alle Völker geschrieben: Für die Engländer >Maria
Stuart<; für die Holländer >Die Geschichte des Abfalls der
Niederlande<; für die Spanier >Don Carlos<; für die Italiener
>Die Braut von Messina<; für die Schweizer Wilhelm Tell<; für die Franzosen >Die Jungfrau von Orleans<.«
Da empört sich der Deutsche: »Wollen Sie etwa behaupten, für die Deutschen habe Schiller nichts gedichtet?«
»Aber nein«, sagt der Franzose, »für die Deutschen hat er >Die Räuber< geschrieben.«