77756.fb2 Ganz Deutschland lacht!. 50 deutsche Jahre im Spiegel ihrer Witze - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 3

Ganz Deutschland lacht!. 50 deutsche Jahre im Spiegel ihrer Witze - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 3

Lentz/Thoma.1945 -1949

1945, im Wonnemonat Mai, fuhr ein russischer Panzerspähwagen durch die Straßen Berlins. Auf seinem Dach hatte ein Offizier der Roten Armee ein Koffer-Grammophon montiert, darauf kreiste eine alte Schellack-Platte. Das dünne Stimmchen des UFA-Stars Lilian Harvey war zu hören; der >Blonde Traum< sang ein Lied aus dem Film >Der Kongress tanzt<, das die Aufpasser des Propaganda-Ministeriums aus guten Gründen verboten hatten: »Das gibt's nur einmal, das kommt nicht wieder ...«

Da stiegen die Berliner aus ihren Kellern und Bunkern, denn der fröhliche Schlager signalisierte ihnen: Der Krieg ist aus, die Verbote der Nazis gelten nicht mehr.

Eines der blassen Kellerkinder stand damals vor der endlosen Trümmerlandschaft und witzelte beim Anblick der zerstörten Häuser sarkastisch:

Berlin ist die Stadt der Warenhäuser. Da war 'n Haus, da war 'n

Haus, da war 'n Haus ...

Vielleicht der erste Witz der Stunde null.

Frühling 1945 - die Niederlage kam bei strahlendem Wetter. Energisch, doch viel zu früh, schlugen die Bäume aus, und vom blauen Himmel lachte die Sonne. Sie schenkte den besiegten Deutschen, die damals nichts zu lachen hatten, jene Wärme, die sie zur Heilung i hrer Blessuren so dringend benötigten. Auch die erste Parole der neu organisierten Gewerkschaften gab sich wolkenlos und ermunternd: »Ein neues Leben blüht aus den Ruinen« lautete die Botschaft, obwohl sich im Land aus Schutt und Asche, das von den Siegermächten schnell in vier Besatzungszonen aufgeteilt wurde, zunächst nur Veilchen und Löwenzahn regten.

Aber dann besannen sich die verarmten Deutschen auf ihre gründlichste Tugend: den Fleiß. In den Städten räumten die Trümmerfrauen auf. Wer noch die Kraft hatte, Ziegelsteine, Speisvögel (Tragekästen) und Zementsäcke zu schleppen, begann mit dem Wiederaufbau. Doch der Hunger machte den Arbeiterkolonnen zu schaffen, er verschonte nur die Schwarzhändler, die neureichen Schieber und die Bauern. Also fuhren die darbenden Deutschen in überfüllten Zügen aufs Land, um zu »hamstern«. Sie boten an den Türen der Bauernhöfe ihre letzte Habe an, tauschten Teppiche, Schmuck, Familiensilber gegen Kartoffeln, Speck, Eier. Den Landwirten wäre es nach der Währungsreform 1948 leichtgefallen, einen schwungvollen Teppichhandel aufzumachen.

Apropos Eier. Auch das Federvieh hatte es in den ersten Nachkriegsjahren nicht leicht. Der Spruch »Da lachen ja die Hühner« traf nicht mehr zu, weil hungrige Hamsterer oder streunendes Gesindel Hahn und Henne zu nachtschlafender Zeit in ihren Ställen enthaupteten und als Beute heimwärts trugen.

In jenen himmelblauen, hühnerlosen Tagen zog die leichte Muse ihre ersten, auf dem Schwarzmarkt eingekauften Nylonstrümpfe an, überholte ihr Akkordeon und spielte in Dorfkneipen und notdürftig reparierten Sälen zum Tanz auf. Sie besang den Frühling und die Liebe - was sonst? Die Schlagertexter hatten der Muse bald nach dem Krieg die ersten einschmeichelnden Produkte ihrer Phantasie zugeliefert: »Mich hat der Frühling wachgeküsst«, »Rosemarie, wann kommst du wieder, der weiße Flieder blüht schon für dich«. Oder -eine schöne Erfindung des Liederschreibers Robert Gilbert:

»Es wird in hundert Jahren wieder so ein Frühling sein, genauso schön, mein Schatz, wie heut, vielleicht steht unsere Bank dann immer noch im Sonnenschein, doch die da sitzen, das sind leider and're Leut.«

Mit >Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt< schenkte die leichte Muse ihren Zuhörern einen langlebigen »Ohrwurm«; sie weckte damit die Sehnsucht nach südlichen Gestaden, die für »Otto Normalverbraucher« damals noch nicht erreichbar waren. »Otto Normalverbraucher« war die leibhaftige Karikatur des Nachkriegsdeutschen, die Günter Neumann und Robert A. Stemmle für ihre geistreiche Film-Satire >Berliner Ballade< erfunden hatten. Der damals noch spindeldürre Gert Fröbe spielte ihn als hinfälligen Kauz, der durch die Ruinen Berlins stiefelte. Der Wind pfiff ihm durch die Backen, und er trug eine alte Wehrmachtsmütze auf dem Kopf, die vom Volksmund »Arsch mit Griff« genannt wurde.

Am 8. September 1945 eröffnete mit >Orpheus und Eurydike< in Berlin das erste Opernhaus, München folgte am 18. November mit >Fidelio<, und am 10. Dezember öffneten die Hamburger Kammerspiele den reparierten Vorhang.

Wo blieb der Witz? Schlief er noch im Luftschutzkeller, weil sein Hauptlieferant, der Volksmund, nichts zu lachen hatte? Es gab ein paar zeitbezogene Miniaturen.

Tünnes trifft Schäl am Bahnhofsvorplatz in Köln.

»Wo kommst du her?«, fragt Tünnes.

»Du, ich war in Düsseldorf.«

»Gibt's da was Neues?«

»Ja, stell dir vor«, sagt Schäl, »sie haben den Adolf-Hitler-Platz in Graf-Adolf-Platz umbenannt.«

»Na ja«, meint Tünnes, »das hat er schließlich auch verdient.«

War Tünnes ein unverbesserlicher Parteigenosse?

»Ein neues Leben blüht aus den Ruinen« - auch das Kabarett wurde neu geboren. Das »Kom(m)ödchen«, die »Lach- und Schießgesellschaft«, die »Amnestierten«, die »Insulaner«. Auch über alte Profis wie Werner Finck kehrte der Witz via Kleinkunstbühne in unser Leben zurück. Im Düsseldorfer »Kom(m)ödchen« wurden seit dem 29. März 1947 Witze gespielt und klangen so:

Zwei Freunde betrachten ein Klassenfoto.

»Das ist doch Erwin, was macht der denn jetzt?«

»Erwin ist für Hagenbeck in Indien und fängt Tiger.«

»Und da, Alfred, was tut der?« »Alfred reist für >Bayer< durch Lateinamerika. Er fängt Schlangen, presst denen das Gift aus und lässt sie wieder laufen. Das Gift wird für Heilmittel gebraucht.« »Und Hannes?«

»Hannes ist hier im Lande geblieben.«

»Ja«, sagt der andere nachdenklich, »der war ja schon immer so eine Abenteurernatur!«

Kurze Zeit nach dem Waffenstillstand verbot die amerikanische Militär-Regierung ihren in Deutschland stationierten Soldaten, sich mit den Besiegten zu verbrüdern. Aber nur die wenigsten GIs hielten sich daran. Allein oder mit anderen versuchten sie, die Objekte ihrer Begierde - entgegenkommende deutsche Fräuleins - mit all den begehrten Sachen zu ködern, die auch der Hollywood-Star Tyrone Power in Billy Wilders Film >Zeugin der Anklage< der schönen Marlene Dietrich in der Rolle einer Hamburger Barsängerin anbot: Seidenstrümpfe, Schokolade, Bohnenkaffee, Whisky, Zigaretten.

Hinz aus der Ostzone trifft seinen Vetter Kunz aus der Westzone in einer Berliner Kneipe.

»Na, wie geht es denn so?«, erkundigt sich Kunz.

»Wir können nicht klagen«, sagt Hinz. »Abends, wenn wir mit der Arbeit fertig sind, fahren uns die Russen sogar mit Lastwagen nach Hause. Und wie sieht's bei euch im Westen aus?«

»Sagenhaft«, meint Kunz. »Man wird von den Amerikanern mit Luxusautos abgeholt und in eine Villa gefahren. Dort gibt es Sekt, Zigaretten, ein heißes Bad. Und nach der Arbeit wird man wieder nach Hause gefahren.«

»Toll«, sagt Hinz, »und das passiert dir jeden Tag?«

»Mir nicht«, antwortet Kunz, »aber meiner Schwester.«

Kleine Scherze zur Lage. Chris Howland hat sie besungen, die »Frolleins«.

Die meisten Witze, die nach 1945 vorwiegend unter Männern erzählt wurden, lagen unterhalb der Gürtellinie und waren altersschwach. Es gab aber auch Beispiele eines leiseren Humors, der mit seinen weniger eindeutigen Pointen und absurden Zwischentönen aus der Provinz weitergereicht wurde, aus den Kleinstädten und Dörfern. Oder die Flüchtlinge aus Schlesien oder Ostpreußen hatten sie mitgebracht.

Mutter Frintrop kommt mit ihren dreizehn Kindern zum Fotografen, um ein Familienfoto zu bestellen. Der Meister bringt die Gruppe in Position und drückt auf den Auslöser. Einige Tage später kommt er bei Mutter Frintrop vorbei und zeigt ihr die Bilder. Die gute Frau betrachtet die Fotos aufmerksam. Plötzlich stutzt sie und sagt: »Das ist ja alles schön und gut, aber unser Hännesken ist nicht mit drauf.«

»Doch, doch«, sagt der Fotograf, »euer Hännesken ist schon mit drauf. Er steht hinter dem Jupp. Der Jupp hat ihn nur verdeckt.« »Na, dann ist ja alles in Ordnung«, meint Mutter Frintrop. »Hauptsache, er ist drauf!«

Zwei Ostpreußen treffen sich. Sagt der eine: »Weißt du zufällig, was es Neues in Insterburg gibt?«

»Oh«, sagt der andere, »da gibt es gar nichts Neues in Insterburg, rein gar nichts.«

»Wirklich überhaupt nichts?«

»Na ja, höchstens ... dem Tantchen sein Hundchen ist gestorben.« »Dem Tantchen sein Hundchen ist gestorben? Ja sach mal, wieso ist das denn gestorben? Wie kommt denn das?« »Das Hundchen ist überfahren worden.«

»Das ist überfahren worden? Ja sach mal, womit denn überfahren worden? Wie kommt denn das?«

»Das ist mit dem Leichenwagen überfahren worden.« »Mit dem Leichenwagen? Ja, da muss doch einer gestorben sein. Sach mal, wie kommt denn das? Wer ist denn gestorben?« »Na ja, das Tantchen ist gestorben.«

»Das Tantchen ist gestorben? Ja, woran ist es denn gestorben? Wie kommt denn das?« »Das hat sich geärgert.«

»Was, das Tantchen hat sich so geärgert, dass es gestorben ist? Worüber hat es sich denn so geärgert?« »Den Onkel haben sie eingesperrt.« »Was, den Onkel haben sie eingesperrt? Dann muss er doch was verbrochen haben. Sach mal, wie kommt denn das?« »Der Onkel hat Geld gefälscht.«

»Der Onkel hat Geld gefälscht? Nu, das hat er doch schon öfters gemacht. Das ist doch nichts Neues.«

»Na ja, sag ich doch. Es gibt nichts Neues in Insterburg!«

Das Großbauern-Ehepaar Prechtel aus Pfaffenhofen hat acht gesunde Kinder. Nur der Nachkömmling Gustl kann im Alter von fünf Jahren immer noch nicht sprechen. Alle Ärzte und auch einige befragte Heilpraktiker stehen vor einem Rätsel, denn die Organe des Jungen sind in Ordnung.

Eines schönen Tages sitzt die Familie am Mittagstisch und löffelt eine Leberknödelsuppe. Plötzlich verzieht Gustl angewidert das Gesicht und sagt mürrisch: »Die Suppe ist versalzen.« Die Familie ist zunächst sprachlos vor Glück. Dann springen alle auf und umarmen den Kleinen.

»Mein Sohn, mein Sohn«, jubelt der glückliche Vater, »du kannst ja sprechen! Warum hast du denn nicht schon eher ein Wort gesagt?«

»Bis jetzt hatte ich nichts auszusetzen«, antwortet Gustl.

In jenen Tagen, als die Deutschen mit aller Kraft das Wirtschaftswunder vorbereiteten, hatten die Kirchen bedeutenden Einfluss. Sogar in der Schule wurde darauf geachtet, dass die katholischen Kinder zur Beichte gingen.

Im Unterricht stellt die Lehrerin ihren Schülern eine Frage: »Was ist das? Es ist klein, braun, hat spitze Ohren, einen buschigen Schwanz und isst gern Nüsse.« Da meldet sich der Sohn einer Flüchtlingsfamilie und sagt: »Wenn man mir diese Frage in meiner Heimat gestellt hätte, würde ich antworten: das ist ein Eichhörnchen. Aber wie ich den Laden hier so kennengelernt habe, ist es sicher wieder das liebe Jesuskind.«

Gleichzeitig hatten die Wunderheiler Hochkonjunktur. Wer ihnen glaubte, ließ sich auch Trephon-Eier, angebrütete Eier, aufschwatzen. Sie wurden von ihren Vermarktern als Allheilmittel gegen alle nur denkbaren Krankheiten angepriesen. Wie die Kinder im Märchen hinter dem Rattenfänger von Hameln herliefen, pilgerten die Wundergläubigen damals zu einem Mann mit langer Mähne, der in Rosenheim seine heilenden Hände speziell auf Frauenscheitel legte: Bruno Gröning. Über solche Zeiterscheinungen machten die Spötter ihre Witze.

Großer Menschenauflauf am Marktplatz von Hattingen. Die Musik spielt einen Tusch, der Wunderheiler Jablonski erscheint und breitet auf der Bühne segnend die Arme aus. Er verkündet: »Meine Damen und Herren, die Presse hat in letzter Zeit sehr böse über mich geschrieben. Man wirft mir vor, ich sei ein Scharlatan und nur hinter eurem Geld her. Um zu beweisen, dass das nicht stimmt, werde ich heute meine ersten beiden Heilungen umsonst ausführen.«

Der Wunderheiler winkt einem Mann aus der ersten Reihe zu, der sich mühsam an zwei Krücken voranschleppt. Und aus dem Hintergrund kommt in Windeseile ein Junge auf die Bühne gelaufen.

»Ihr Problem ist klar«, sagt der Wunderheiler Jablonski zu dem Ersten. »Aber was ist mit dir, Junge? Du scheinst doch ganz gesund zu sein.«

»B...b..bin ich a...a...auch, bis auf d..d...das Sto.. Sto... Stottern.« »Also gut, ich will eure Namen nicht wissen, jeder bleibt anonym. Sie mit den Krücken nenne ich Nummer 1< und dich mit dem Sprachfehler Nummer 2<. Und jetzt geht bitte hinter den Vorhang.«

Die beiden verschwinden, der Wunderheiler konzentriert sich, schließt die Augen und ruft: »Nummer 1, werfen Sie jetzt Ihre linke Krücke über den Vorhang!«

Die Krücke kommt geflogen, fällt auf die Erde.

Die Menge jubelt, die Musik spielt einen Tusch.

»Ruhe bitte«, befiehlt Jablonski. »Und jetzt, Nummer 1, werfen Sie Ihre zweite Krücke über den Vorhang!«

Die zweite Krücke kommt auf die Bühne geflogen, großer Beifall, Tusch.

»Und jetzt werde ich Nummer 2 heilen«, sagt Jablonski. Er schließt wieder die Augen, breitet die Arme aus, und ruft: »Nummer 2, sag uns bitte laut und deutlich, was soeben passiert ist!« Pause. Dann kommt die Antwort: Nu.. .Nu.. .Nummer 1 ist g.. .g.. .gerade unhei.. .heimlich auf d...d...die F.F. Fresse gefallen.«

Eine Variante des Witzes vom stotternden Jungen hört sich so an:

Eine Familie aus Aachen hat dreizehn Söhne, einer davon kann nicht sprechen. Kein Arzt kann dem Jungen helfen. Da beschließt der Vater, mit ihm zum Wallfahrtsort Lourdes zu fahren. Dort angekommen, taucht er den Kopf des Jungen in die Heilquelle. Der schüttelt sich und schreit: »Mensch, Papa, hör auf mit dem Scheiß. Das Wasser ist eiskalt!«

Der Vater macht Luftsprünge vor Freude, rennt zum Telefon, ruft seine Frau an und sagt: »Stell dir vor, Mutter, es ist ein Wunder geschehen! Unser Junge kann sprechen!« »Das glaub ich auch«, antwortet die Frau, »du Idiot hast den Falschen mitgenommen.«

Ein Lahmer, ein Blinder und ein Tauber beschließen, gemeinsam eine Wallfahrt nach Lourdes zu machen. Der Lahme sitzt in einem Wägelchen, der Blinde schiebt ihn, und der Taube weist den Weg. Sie kommen mit einiger Mühe auch an die wundertätige Quelle, drängen sich in der Schlange langsam vor, bis sie vornan stehen.

Der Blinde betupft als Erster seine Augen mit dem Wasser. Dann starrt er, noch ungläubig, auf seine Gefährten: »Halleluja«, ruft er aus, »halleluja, ich kann sehen!«

Der Taube nimmt nun auch Wasser und lässt es in seine Ohren fließen. »O Himmel«, jubelt er dann, »ich kann hören, ich kann hören!«

Jetzt wird der Lahme in seinem Wägelchen ganz nervös. »Hebt mich rein«, schreit er, »schnell, hebt mich rein!«

Das tun die beiden anderen. Nach einer Weile holen die beiden Freunde des Lahmen das Wägelchen wieder aus der Wunderquelle. »Gratuliere«, rufen sie wie aus einem Mund, »vier neue Reifen!«

Es gab auch Witze in der Nachkriegszeit, die unter die Haut gingen. Sie wurden in den Besatzungszonen zuerst von Juden und Emigranten erzählt, waren aber an die Adresse der ehemaligen Volksgenossen gerichtet, die sie nur zögernd und mit schlechtem Gewissen zur Kenntnis nahmen.

Mit einem jüdischen Witz, der die abgestandene Figur des preußischen Herrenmenschen geistreich veräppelt, hatten die Deutschen allerdings noch keine Probleme.

Moische sitzt in einem Eisenbahnabteil erster Klasse und liest. Kommt ein hochgewachsener, blonder Preuße ins Abteil: Stiernacken, Schmisse auf der Backe, Monokel im Auge. Der Mann wuchtet seinen Koffer ins Gepäcknetz und fragt Moische: »Sagen Se mal, fahren wir schon?« Moische lässt die Zeitung sinken und sagt: »Nein, wegen Ihnen schieben se vorbei die Häuser.«

Bei anderen jüdischen Witzen, die mit ihren melancholischen oder traurigen Pointen auch zum Kapitel »Vergangenheitsbewältigung« gehörten, blieb einem das Lachen im Halse stecken.

In einer Nacht schleicht ein alter Jude durch die Straßen des Warschauer Ghettos. Als er um die Ecke biegt, hinter der seine Behausung liegt, stellt sich ihm ein SS-Offizier in den Weg und sagt: »Ich werde dich jetzt erschießen!«

Während der SS-Offizier seine Pistole entsichert, fährt er fort:

»Ich gebe dir aber noch eine Chance, dein Leben zu retten.

Ich habe ein Glasauge, es ist von einem richtigen Auge allerdings nicht zu unterscheiden. Wenn du herauskriegst, welches das Glasauge ist, lasse ich dich leben.«

Der Jude schaut den SS-Offizier lange an. Dann sagt er:

»Es ist das rechte Auge.«

Verblüfft steckt der SS-Mann seine Pistole ein. »Richtig, Jude«, sagt er, »aber jetzt erklär mir mal, woran du das erkannt hast.« Der alte Jude zögert. Nach einer Weile sagt er: »Es blickt so menschlich.«

Als Hitler in Deutschland die Macht übernahm, wanderte Aaron nach Amerika aus. Dort baute er sich eine gutgehende Firma auf. Nach Kriegsende sorgte er dafür, dass sein Bruder Moische, den regimefeindliche Deutsche in ihrer Hamburger Wohnung versteckt hatten, in die Vereinigten Staaten einreisen konnte. In Aarons Wohnung umarmen sich die Brüder. Da fällt Moisches Blick auf ein Bild an der Wand. Es ist ein Porträt Adolf Hitlers. Moische erbleicht und fragt: »Gott der Gerechte, Aaron, warum haste dir bloß aufgehängt dieses Bild?« »Gegen das Heimweh«, sagt Aaron.

Zwei Juden gehen durch die Trümmerlandschaft Berlins. In einem ausgebombten Kaufhaus entdecken sie ein Schild mit der Nazi-Parole »Die Juden sind unser Unglück«. Sagt der eine zum anderen: »Schön wär's.«

Um 1947/48 machte in den Westzonen eine Kollektion von Witzen die Runde, die dem eher vordergründigen deutschen Humor ein Schnippchen schlugen. Sie waren nicht jedermanns Sache, mit Vorliebe wurden sie von Studenten und Pennälern erzählt. Ihr Kennzeichen war der pure Nonsens, und ihre Wurzeln lagen eindeutig in England und Amerika. Besatzungssoldaten, die aus dem Heimaturlaub in ihre Kasernen zurückkehrten, importierten sie nach Westdeutschland. Shaggy-Dog-Stories war ein Gattungsbegriff, der sich wörtlich mit verwahrloster oder ungekämmter Hund übersetzen lässt. Gemeint ist damit aber eine Geschichte, bei der es mehr um den gut erzählten Inhalt geht als um die verrückte Pointe. »Jetzt geht's rund«, sagte der Spatz, als er in den Ventilator flog. Die Shaggy-Dog-Stories aber kamen auf Taubenfüßen.

Ein Mann sitzt im Park auf einer Bank. Eine Taube kommt geflogen, setzt sich auf die Lehne und sagt: »Es ist angenehm warm heute.«

Der Mann wundert sich: »Du kannst ja sprechen!?« »Warum nicht?« fragt die Taube.

»Das glaubt mir kein Mensch«, sagt der Mann, »würdest du mir einen Gefallen tun? Ich habe heute Abend eine kleine Gesellschaft bei mir, gute Freunde, kannst du da mal vorbeikommen?«

»Aber gern«, sagt die Taube, »wenn du mir die Adresse gibst...«

Sie verspricht, gegen acht Uhr dreißig da zu sein.

Der Mann erzählt seinen Freunden, dass gleich eine sprechende

Taube zu Besuch kommen werde. Die sehen ihn an, als habe er schon zu viel getrunken. Es wird halb neun, es wird neun Uhr und halb zehn, der Gastgeber ist ganz unglücklich.

»Nun hör doch endlich mit deiner blöden Taube auf«, schimpfen die Freunde. Da klingelt es.

Draußen steht die Taube. »Ich bitte meine Verspätung zu entschuldigen«, sagt sie, »aber es war so schönes Wetter, da bin ich den ganzen Weg zu Fuß gegangen!«

Ein Mann geht an der Isar spazieren. Da taucht ein Kopf aus den Fluten auf und fragt: »Verzeihen Sie, bin ich hier richtig auf dem Weg nach München?«

»Immer geradeaus«, sagt der Spaziergänger, »Sie können sich gar nicht vertun.«

Der Kopf bedankt sich und verschwindet.

Der Mann geht weiter. An einer Gabelung des Flusses taucht der Kopf erneut auf. »Mal eine Frage«, sagt der Schwimmer. »Muss ich hier rechts oder links abbiegen?«

»Nach rechts. Aber Sie müssen sich beeilen! Es wird gleich dunkel, und bis München sind es noch vierzig Kilometer.« »Das macht nichts«, antwortet der Kopf, »ich hab ein Fahrrad.«

Kommt ein Mann zum Arzt und sagt: »Herr Doktor, ich hab da 'ne Wunde hinterm linken Ohr, können Sie die mal behandeln?« Der Doktor sieht sich die Wunde an und fragt kopfschüttelnd: »Donnerwetter, wie ist das denn passiert?«

Sagt der Patient: »Mich hat gestern jemand geärgert, und da habe ich mich vor Wut hinters Ohr gebissen.«

»Sie haben sich hinters Ohr gebissen? Reden Sie doch keinen Quatsch!«

»Doch, doch, Herr Doktor, Ehrenwort, ich hab mich hinters Ohr gebissen.«

»Dann erklären Sie mir doch mal, wie Sie das gemacht haben.« »Ganz einfach«, sagt der Mann, »ich bin auf'n Stuhl gestiegen.«

In einem Holzfällerlager mitten im Bayerischen Wald taucht ein Fremder auf. Ein schmales Handtuch, nicht größer als ein Meter sechzig. Der kleine Mann geht zum Vorarbeiter, stellt sich vor und fragt: »Kann ich bei Ihnen arbeiten, Chef?« Der mustert den Winzling mit einem breiten Grinsen und meint: »So wie Sie aussehen, können Sie ja nicht mal 'n Beil halten. Schauen Sie sich doch mal meine Kerle dahinten im Wald an. Von denen fällt jeder 'ne Eiche in 'ner halben Stunde.« »Das schaff ich schneller«, sagt der kleine Mann. Der Vorarbeiter zieht die Stirn kraus, holt eine Axt, drückt sie dem Fremden in die Hand und sagt: »Na, dann zeigen Sie mal, was Sie können.«

Die beiden gehen in den Wald, und der Vorarbeiter deutet auf eine umfangreiche Eiche. Das Männlein nickt, zieht eine Feile aus der Tasche, feilt damit die Schneide der Axt messerscharf und schlägt zu. Nach genau einer Viertelstunde fällt die Eiche um.

Die Holzfäller, Männer wie Bäume, stehen da mit offenen Mündern. Auch ihr Chef ist fassungslos. Er schlägt dem Kleinen begeistert auf die Schulter und ruft: »Toll, so was habe ich ja noch nie gesehen. Selbstverständlich können Sie sofort bei uns anfangen. Aber sagen Sie mir doch bitte mal eins: Wo haben Sie bis jetzt gearbeitet?«

»In der Sahara«, sagt der schmächtige Mann. »Was? In der Wüste? Da gibt es doch gar keine Bäume.« »Jetzt nicht mehr«, sagt der Kleine.

Der beträchtliche Aberwitz solcher Späße gibt auch einem verwandten Genre die Würze: dem Irrenwitz. Die entsprechenden absurden Fundsachen wurden wiederum aus den angloamerikanischen Ländern nach Deutschland eingeschleust, wo die »geistig Behinderten«, wie sie heute genannt werden, keinen Zutritt zur Gesellschaft hatten. Sie wohnten in abgelegenen Irrenanstalten, den »Klapsmühlen«, und der Volksmund bezeichnete ihre Insassen als plemplem, ballaballa, bekloppt oder verrückt. Der Irrenwitz bescheinigte ihnen Hintersinn und Schlagfertigkeit.

Ein Mann wird in ein Irrenhaus eingeliefert. Er sieht eine Uhr über dem Eingang und fragt den Wärter: »Sagen Sie, tickt die Uhr richtig?«

»Natürlich«, antwortet der Wärter. »Und warum ist sie dann hier?«

Eine Gruppe von Irren steht im Anstaltshof und beobachtet, wie einer von ihnen die Fahnenstange hochklettert, oben einen Zettel anbringt und wieder herunterkommt. Voller Neugier fragt sich die Gruppe, was wohl auf dem Zettel stehen könnte. Einer nach dem anderen klettert auch hoch, nickt ernst mit dem Kopf und rutscht wieder herunter. »Jetzt schauen Sie mal nach, was auf dem Zettel steht«, befiehlt der Anstaltsleiter einem Wärter. Der holt eine Leiter, steigt hoch, nickt auch und kommt wieder zurück.

Der Anstaltsleiter ist ungeduldig. »Was zum Teufel steht denn da?«

»Ende der Fahnenstange«, antwortet der Wärter.

Die meisten Witze aus der Zeit nach 1945 wurden aus der untersten Schublade der Vergangenheit geholt, und ihre konstanten Hauptfiguren, die Inhalt und Pointe oft in Reimen weitergaben, bildeten eine große Familie. Was ihre Mitglieder sich einfallen ließen, hatte nur selten mit höherem Blödsinn zu tun. Sie verband eine Vorliebe für die Fäkalsprache und rücksichtslose Zoten. Oberst von Zitzewitz, Bonifazius Kiesewetter, Graf Bobby, Marjellchen oder auch die namenlose Frau Wirtin »sauigelten« gern, wie man damals sagte.

Der unsterbliche Oberst von Zitzewitz könnte eine Erfindung jener Soldaten gewesen sein, die in den Regimentern Kaiser Wilhelms II. dienten. Sicher wollten sie sich am Typ des adeligen preußischen Offiziers rächen, der sie mit schnarrender Stimme über die Truppenübungsplätze gescheucht hatte. Also statteten sie ihre Witzfigur von Zitzewitz mit Eigenschaften aus, die sie karikierend überzeichneten: Hochnäsigkeit, Standesdünkel und einer gehörigen Portion Begriffsstutzigkeit. Das Spielfeld, auf dem sich der Oberst lächerlich machte, lag zwischen Manöverball und Offizierskasino.

Oberst von Zitzewitz wird im Offizierskasino gefragt: »Gestatten Herr Oberst eine Scherzfrage?«

Er antwortet etwas mürrisch: »Von mir aus, aber nichts Unanständiges, wenn ich bitten darf!«

»Selbstverständlich nicht, Herr Oberst. Die Frage lautet: Wo sind die Eier am wärmsten?« »Und wo?«

»Die Antwort ist: in der Bratpfanne.«

Da lacht der Oberst kurz auf und fragt: »Sagen Sie, welcher Idiot setzt sich denn mit dem Arsch in die Pfanne?«

Vor dem Auszug ins Manöver erklärt von Zitzewitz seinen Rekruten die Bedeutung des Kommandos »Helm ab zum Gebet«.

»Also, wenn der Befehl kommt«, sagt der Oberst, »nehmen alle Haltung an, setzen den Helm ab und zählen langsam bis fuff-zehn. Es gibt Kompanien, die zählen bis fünfundzwanzig. Halt ich aber für Frömmelei...«

Von Zitzewitz fragt seinen Friseur: »Sagen Sie mal, haben Sie nich' was Witziges auf Lager, das ich heute meinen Kameraden im Kasino erzählen kann?«

»Vielleicht eine Scherzfrage«, erwidert der Friseur, »die geht so: Es ist nicht mein Vater oder meine Mutter, nicht mein Bruder oder meine Schwester, nicht Onkel oder Tante, nicht Neffe oder Nichte — und doch mein eigen Fleisch und Blut. Wer ist das?« »Keine Ahnung«, stellt von Zitzewitz fest, »nun sagen Sie schon:

Wer ist es?«

»Das bin ich selber«, erklärt der Friseur.

»Na, fabelhaft!« Von Zitzewitz ist begeistert und gibt abends die Frage an seine Kameraden weiter.

»Das sind Sie selber«, rät einer der Offiziere sofort richtig. »Quatsch«, schnauzt von Zitzewitz, »das ist mein Friseur in der Bahnhofstraße!«

Bonifazius Kiesewetter, »dieses alte Rübenschwein«, war da von anderem Kaliber als sein trotteliger adeliger Verwandter von Zitzewitz. Schlagfertig, schlitzohrig und tückisch gab er sich als Bruder im Geis -te des braven Soldaten Schweyk zu erkennen. Viele seiner Verse waren »staatsfeindlich« und im »Dritten Reich« deshalb streng verboten, weil sie das Regime und dessen Gefolge auf die Schippe nahmen. Nach dem Krieg wurden sie besonders gern von ehemaligen Parteigenossen zitiert, die mit ihren Kenntnissen subversiver Kiesewetter-Witze beweisen wollten, dass sie mit Hitler und seiner Partei nie etwas verbunden habe. Ein Beispiel:

Einst auf einem Reichsparteitag, wo die Hitler-Fahnen wehten, war auch Bonifazius als SA-Mann angetreten. Doch als dann die große Menge dreimal laut »Sieg Heil« gebrüllt, schrie er dreimal kräftig »Scheiße!«, was dort als verboten gilt. Doch wie staunte erst die Kripo, als er beim Verhör erklärt, dass die viele braune Farbe ihm total den Sinn verstört. Moral:

Nicht jeder, der laut »Scheiße« schreit, zeigt damit Volksverbundenheit.

Graf Bobby kam aus Wien und näselte den Dialekt seiner Heimat. Man muss ihn sich als trottelhaften Adeligen mit Monokel und gold-verzierter Uniform vorstellen; vermutlich haben sich schon der alte Kaiser Franz Josef und die halbe k.u.k.-Monarchie über seine Scherze amüsiert. Sie liefen meistens auf die schlicht verkleidete Ferkelei hinaus, spielten manchmal aber auch mit dem absurden Hintergedanken.

Graf Bobby sitzt in der Opernloge und beobachtet mit einem Fernglas die Reihen der Besucher. Plötzlich stutzt er und sagt zu seinem Freund Rudi: »Schau, da unten in der ersten Reihe sitzt die Gräfin Esterhazy.«

»Ach, geh her«, meint der Rudi, »die ist doch schon seit fünf Jahren tot.«

»So, so«, sagt Bobby, »aber eben hat sie sich noch bewegt!«

Als Graf Bobby vierzig geworden ist, wünscht sich seine Mutter, dass er endlich heiratet. Sie schlägt verschiedene junge Damen vor, die er alle mit der Begründung ablehnt: »Du hast gut reden, Mama. Du hast einfach den Papa geheiratet, und mir mutest du zu, einen wildfremden Menschen zu nehmen!«

Das ostpreußische Marjellchen - jüngstes Mitglied der WitzfigurenFamilie - war die sprichwörtliche Unschuld vom Lande. Der frühreife Teenager setzte gegen die sexuellen Angriffe der Männer, die seinem kleinen Leben schon früh zu schaffen machten, eine Waffe ein, die wahrhaft entwaffnend war: seine Naivität. Marjellchen dürfte ein »Dienstmädchen« gewesen sein, wie man das damals nannte.

Eines Tages geht Marjellchen mit der gnädigen Frau zum ersten Mal auf Reisen. Sie übernachten in einem Gasthof. Dort hat die gnädige Frau für sich eine Suite bestellt und Marjellchen in einer Kammer untergebracht. Am nächsten Morgen treffen sich die beiden beim Frühstück. Die gnädige Frau erkundigt sich: »Nu sach mal, Marjellchen, wie war es denn heute Nacht?« »Och«, sagt die, »eigentlich war nichts weiter. Bisschen fremd war es schon, aber geschlafen habe ich gut.« »Ja, und sonst ist gar nichts passiert in der Nacht?« »Nee«, sagt Marjellchen, »och ja, höchstens, da war ich schon eingeschlafen, so um Mitternacht rum. Kommt doch wahrhaftig so ein Lorbass in mein Zimmerchen. Na, was soll ich sagen? Der zieht sich die Hose aus, zieht sich die Jacke aus, legt sich bei mich bei, bedient sich einmal, bedient sich zweimal, bedient sich dreimal . Na ja, dann geht er wieder raus aus dem Bettchen, zieht sich Hose und Jacke an und schleicht aus dem Zimmerchen. Und nu sagen Sie mir mal eins, gnädige Frau, was wollte der eigentlich?«

Es mag nur auf den ersten Blick verwundern, dass diese einleuchtende Pointe in fast allen regionalen Witzsammlungen von Tünnes und Schäl bis Klein Erna in irgendeiner Variation ihren Platz gefunden hat.

Die gnädige Frau fährt mit Marjellchen zu einem Fest bei Verwandten, wo sie auch übernachten. Während der Rückfahrt fragt sie: »Sag, Marjellchen, hat man dich denn auch als Dame behandelt?»

»O ja, gnädige Frau«, bestätigt sie, »zweimal auf der Treppe und dreimal auf der Terrasse!«

Ein ganz besonderes Prachtexemplar war die »Frau Wirtin«, um die es in den letzten Jahren sehr still geworden ist - wahrscheinlich aus Altersgründen. Sie wirkte in einem Wirtshaus an der Lahn, und man kann sich vorstellen, dass sie dort als pralle Schankmamsell die Gäste bediente - nicht nur mit Bier und Wein. Vermutlich war sie unverheiratet, vielleicht auch Witwe, weil ihr Mann aus Kummer über den lockeren Lebenswandel seiner besseren Hälfte früh verstorben war.

In ihren auch gesungenen Reimen hatte »Frau Wirtin« oft nur die Funktion einer Stichwortgeberin, die ihre Einfälle an alle möglichen Partner weitergab und ihnen auch die Formulierung des gedankenvoll ausklingenden Schlusssatzes überließ. Aber zu Anfang ihrer Frivolitäten gab sie immer den Ton an.

Frau Wirtin hatt' auch einen Inder, der war im Bett ein großer Sünder, doch selbst im schärfsten Lustgekeuche behielt er seinen Turban auf — so streng sind da die Bräuche.

Frau Wirtin hatt' auch einen aus Wien, der furzte Schlagermelodien, >Deutschmeister<, >letzte Rose<, nur >Donauwellen< konnt' er nicht — da schiss er in die Hose.

Frau Wirtin hatt' auch einen aus Meißen, der konnte Blumenmuster scheißen, und einst auf einem Gartenfeste schiss er Girlanden auf den Tisch — wie staunten da die Gäste!

Das Hauptwort Scheiße bildete in den Nachkriegsjahren den Humus, auf dem viele Pointen wuchsen. Auch Bonifatius schmückte seinen Schwank vom großen Unbekannten, der Kiesewetters Trompete als Klosett benutzt hatte, sodass die Exkremente seinen Gästen beim ersten Trompetenstoß um die Ohren flogen, mit dem tiefsinnigen Nachsatz: »Scheiße im Trompetenrohr, kommt Gott sei Dank nur selten vor ...«

Einsichten wie diese wurden zu geflügelten Worten und gingen damals auch in den deutschen Sprachgebrauch ein, ohne dass sich die Erzähler die nicht standesgemäße Herkunft klarmachten. Die Zitate verflüchtigten sich aber wieder, als ihre Erfinder das Rentenalter erreicht hatten oder das Zeitliche segneten.

Scherze aus der untersten Schublade gehörten auch zu den bescheidenen Mitbringseln, die von den entlassenen deutschen Kriegsgefangenen nach Hause getragen wurden. Kaum genesen, hochgepäppelt von Frau oder Mutter, machten sie es sich nach des Tages Müh' in jener Bleibe gemütlich, die - auferstanden aus Ruinen -neben den eigenen vier Wänden ihr liebster Zufluchtsort war: in der Kneipe am Stammtisch.

Hier war die Welt noch mit Dachpappe zugenagelt, floss ein Dünnbier aus den Zapfhähnen, von dem selbst ausgepichte Zecher nur den Schaum abtranken. Aber unter den Theken hatten die Wirte ihre selbstgebrannten Schnäpse versteckt, und die handgedrehten Zigaretten, Marke Eigenbau, qualmten mit den Kanonenöfen um die Wette.

Was hatten sich die Kriegsheimkehrer, die Flüchtlinge aus dem Osten und die alten Kameraden, die den Krieg hinter wichtigen Schreibtischen überstanden hatten, am Tresen oder Stammtisch zu erzählen?

Thema 1: Die Erlebnisse an der Front.

Thema 2: Der auf den Wiesen bolzende, neugeborene Fußballverein. Thema 3: Die altbackenen Witze der Firma Frau Wirtin - Marjellchen - Kiesewetter & Co.

Schüttelreime brachten die ehemaligen Landser mit in die Kneipe, harmlose und happige Zweizeiler.

Oft hängt bei einem forschen Mädchen die Tugend nur am morschen Fädchen.

Zum Dank, dass er sie stets gefickt, hat sie ihm einen Fez bestickt.

Selbst auf das erhabene Volkslied nahm die schmutzige Phantasie der Stammtischbrüder, womöglich auch ihrer Zechkumpanen aus den Studentenverbindungen und Abiturienten-Jahrgängen keine Rücksicht.

Es waren zwei Königskinder, die hatten miteinander viel Müh, sie konnten zusammen nicht kommen, denn er kam immer zu früh.

An den Theken und Stammtischen gab es bis zu der von den Besatzungsmächten verordneten Sperrstunde keine Tabus mehr. Doch was da unter Männern von Mund zu Mund ging, durfte offiziell in der obersten Etage der »feinen Leute« nicht über die Türschwelle.

Seltsam genug war, dass solche »Herrenwitze« und Parodien während ihrer Wanderung durch Restdeutschland auch den Frauen zu Ohren kamen. Zumal bei den wenig prüden Damenkränzchen, die nach dem Wiederaufbau der Kegelbahnen eine ruhige Kugel scho-ben, waren Bonifazius Kiesewetter und Frau Wirtin gerngesehene Gäste. Und als 1946 Kurt Schumacher zum Vorsitzenden der SPD gewählt wurde, meldete sich Frau Wirtin von der Lahn mit folgendem Reim:

Frau Wirtin trieb's selbst mit der SPD, im Winter notfalls auch im Schnee, doch nur mit jungen Bengels. Die Alten standen stumm herum und lasen Marx und Engels.

Noch im selben Jahr begann in Wolfsburg die Serienproduktion des Volkswagens. Der Volksmund stellte die Frage:

Wie bringt man vier Elefanten in einem VW unter? Antwort: Ganz einfach, zwei hinten und zwei vorne.

Im Juni 1948 machte die Währungsreform für die »Eingeborenen von Trizonesien«, wie ein Karnevalsschlager die Westdeutschen nannte, den lange herbeigesehnten »Luxus« schrittweise möglich. Wer das Geld hatte oder erwartete, kaufte in Reihenfolge und oft auf Raten: das elektrische Bügeleisen, die Waschmaschine, Radio, Eisschrank, Musiktruhe und, als der Güter höchstes, den Kleinwagen. Der Schwarzhandel meldete Konkurs an.

Im September 1949 wurde Konrad Adenauer erster Bundeskanzler der neuen »Bundesrepublik Deutschland«. Ihm und der CDU verdankte die Republik unter anderem die freie Marktwirtschaft, den sozialen Wohnungsbau, die Wiederbewaffnung und die Prüderie. Ein geistreicher Kabarettist reimte seinerzeit im Stil der englischen Limericks:

Es hallte im Land ein Protestschrei, dass Bonn jetzt als Hauptstadt wohl fest sei.

Man entgegnet den Tadlern darauf, dass bei Adlern der Stammsitz ja immer ein Nest sei.

Ein warmes Nest zu finden, war für die Verliebten der Nachkriegsjahre nicht leicht. In Hotels und Studentenbuden blieb die Liebe ohne Trauschein streng verboten. Wer sich selbst und hoffentlich auch seiner Freundin einen Gefallen tun wollte, musste mit ihr im Grünen lustwandeln.

Im Oktober 1949 wurde in Ostdeutschland die »Deutsche Demokratische Republik« gegründet. Wilhelm Pieck, Otto Grotewohl und Walter Ulbricht hießen ihre Repräsentanten. In der neuen DDR witzelte man:

Das Skatspiel wird verboten. Pik darf nicht gereizt werden.

Die anonymen Spaßmacher des »Arbeiter- und Bauernstaates« nahmen sich schnell drei Ziele für ihre verbotenen Giftpfeile vor: a) die Politik der roten Führungskräfte und ihre Abhängigkeit von Moskau b) die wirtschaftliche Notlage c) den Staatssicherheitsdienst (Stasi) und seine Machenschaften.

Der Fahrdienstleiter des Leipziger Hauptbahnhofs ist von der Stasi verhaftet worden. Er hat bei der Ankunft von Walter Ulbrichts Sonderzug gerufen: »Zurücktreten! Bitte sofort zurücktreten!«

Ein DDR-Bürger geht mit einem großen Kranz über den Marktplatz.

Ein Freund begegnet ihm und fragt, wer denn gestorben sei. Sagt der Mann mit dem Kranz: »Gestorben ist keiner, aber Kränze gab's heute morgen zufällig im HO-Laden.«

»HO« war die Abkürzung für »Handelsorganisation«, und so hießen die Geschäfte der staatlichen Ladenketten in der DDR.

Der 80. Geburtstag des großen Genossen Lenin wurde in OstBerlin vorbereitet. Aus diesem Anlass werden auch die drei besten Erbauer von Kuckucksuhren ausgezeichnet. Dritter Preis: Der Kuckuck blickt aus der Uhr und ruft einmal »Lenin«.

Zweiter Preis: Der Kuckuck erscheint und ruft dreimal »Lenin«. Erster Preis: Lenin blickt aus der Uhr und ruft »Kuckuck«.

Die systemkritischen Witze aus der DDR - andere gab es kaum -wurden im Flüsterton weitererzählt. Einer ihrer Hauptl ieferanten war der in Armenien installierte Sender Radio Eriwan. Weit von der Moskauer Parteizentrale entfernt, gab er seine hinterlistigen Auskünfte zu schwierigen Hörerfragen auch an die DDR weiter. Dort wurden sie leicht verändert und den eigenen Lebensproblemen angepasst.

Frage: Was ist der Unterschied zwischen Schweinen im Westen und Schweinen im Osten?

Antwort: Im Westen werden sie gegessen, im Osten Genossen.

Frage: Was bedeuten die drei Streifen an der Uniform der Volkspolizisten?

Antwort: Ein Streifen: Er kann lesen. Zwei Streifen: Er kann schreiben. Drei Streifen: Er kennt einen, der lesen und schreiben kann.

Anfrage an Radio Eriwan: »Wo sitzt derjenige, der in der DDR für die politischen Witze verantwortlich ist?« Antwort: »Keine Ahnung, wo er sitzt. Wir wissen nur, dass er sitzt.«

1949 wurde in der Bundesrepublik die Todesstrafe abgeschafft, nicht ohne Widerstand konservativer Kreise auch in der CDU/CSU. Das folgende Beispiel tiefschwarzen Humors war vermutlich der letzte Witz zu diesem Thema.

Ein zum Tode Verurteilter wird kurz vor seiner Hinrichtung vom Zuchthausdirektor gefragt: »Haben Sie noch einen letzten Wunsch?«

»Ja«, antwortet der Todeskandidat, »ich möchte gern Finnisch lernen!«

Das Letzte

Hitler kauft einen Teppich. Fragt die Verkäuferin: »Wollen Sie ihn mitnehmen oder gleich hier essen?«

Wirt: »Wie fanden Sie denn unser Schnitzel?« Der Gast: »Durch Zufall.«

Der Gast sagt zum Kellner: »Was ist der Unterschied zwischen einem »Rumpsteak Spezial« und einem normalen Rumpsteak?« Kellner: »Zum Rumpsteak Spezial< geben wir ein schärferes Messer.«

Franzl besucht die Zenzi. Sagt die Zenzi: »Du, Franzl, ich hab's heute im Kreuz.«

Franzl: »Gut, dass du es sagst. Ich hätte es da gesucht, wo's immer war.«

Ein Mann, der vor der Haustür sitzt, ruft einem vorbeikommenden Radfahrer zu: »Hören Sie, Ihr Schutzblech klappert!« Fragt der: »Wie bitte?« »Ihr Schutzblech klappert!«

»Ich kann nichts verstehen, mein Schutzblech klappert!«

Ein Australier wird ins Krankenhaus eingeliefert.

Er hat einen neuen Bumerang bekommen und seinen alten weggeworfen.