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Arthur Koestler schreibt in seiner Autobiographie, dass er bei Besuchen von einer dämonischen Macht angetrieben werde, einleitend den Gastgeber mit einer Taktlosigkeit oder einer verletzenden Bemerkung zu erschrecken.
Ganz so grausam war ich nicht. Aber trotzdem meldet sich mein Gewissen. Ich will ja nicht eine Waschmaschine oder einen Staubsauger verkaufen, aber dem Besuchten doch etwas entlocken. Witze eben. Er soll mir einen Teil seines geistigen Eigentums schenken.
Solche Besuche leitet man mit der freundlichen Frage ein, ob sich der Gastgeber noch an vergangene Begegnungen erinnert, was schon peinlich sein kann, wenn er das nicht tut. Man nennt dann gemeinsame Bekannte, von denen man vermutet, dass es solche sind, ist aber vorsichtig mit Äußerungen von Wertschätzung oder Abneigung, weil man den Gesprächspartner ja gut stimmen und für sich einnehmen möchte. Man klärt unverfänglich, wo sie sich zur Zeit aufhalten und wie ihr Befinden ist.
Anschließend kann man über Vergangenes, über Erlebtes und Schauplätze sprechen, um dann endlich das eigentlich ins Auge gefasste Thema anzugehen.
Doch womöglich erklärt der Angesprochene nun plötzlich: »Wissen Sie, nach Witzen ist mir jetzt gar nicht zumute.« Oder auch: »Witze habe ich schon seit Jahren nicht mehr erzählt.«
Das ist vermutlich gelogen. Darum muss man jetzt einen Witz erzählen. Mit vollem Risiko. Zum Beispiel:
Zwei Männer unterhalten sich über Potenzschwierigkeiten im Alter. »Hast du denn schon mal Viagra probiert?«, fragt der eine. »Das brauche ich nicht. Mir hilft Schwarzbrot.« »Schwarzbrot? Vorher?«
»Morgens, mittags und abends. Das hilft fabelhaft!«
»Im Ernst?«
»Wenn ich es dir sage!«
Der andere geht sofort in eine Bäckerei und verlangt »Zehn Kilo Schwarzbrot«.
»Zehn Kilo«, reagiert die Verkäuferin erstaunt, »da wird Ihnen doch die Hälfte hart.« »Dann nehme ich zwanzig.«
Wenn der Gastgeber lacht, hat man schon halb gewonnen, darum reiche man noch einen Witz nach:
Auf dem Kölner Bahnhof hetzen drei Männer auf den Bahnsteig, der Intercity nach Hamburg soll gerade abfahren. Der Bahnbedienstete schiebt zwei von ihnen noch in den Zug, wirft einen Koffer hinterher, dann schließt sich die Tür. Der Dritte bleibt draußen stehen.
»Tut mir leid, bei Ihnen habe ich es nicht mehr geschafft«, sagt der Bahnbedienstete.
»Schade«, sagt der Zurückgebliebene, »ich wollte nämlich eigentlich allein verreisen. Die beiden anderen haben mich nur zum Zug gebracht.«
Jetzt ist die Festung hoffentlich gestürmt. »Da fällt mir auch einer ein«, ruft der Umworbene fröhlich, zumindest in meiner Vorstellung. Und er könnte erzählen:
Ein Matrose der Navy schreibt im Zweiten Weltkrieg an seine Eltern: »Ich darf nicht schreiben, wo wir gerade sind, aber was ich gestern geschossen habe, war ein Eisbär.«
Einen Monat später teilt er mit: »Ich darf nicht schreiben, wo ich bin, aber gestern habe ich mit einem Hula-Mädchen getanzt.«
Einige Wochen später kommt ein Brief: »Ich darf nicht schreiben, wo ich gerade bin, aber der Mann im weißen Kittel sagt, ich hätte besser mit dem Eisbären getanzt und das Hula-Mädchen erschossen.«
»Ihr hattet in eurem Buch doch auch sehr schöne Tierwitze«, wirft der Gastgeber dann hoffentlich ein. Da hat er auch noch einen:
Der Besitzer einer Tierhandlung preist einen Papagei an. »Wenn Sie das Bändchen hier am linken Fuß ziehen, dann sagt er Guten Morgen<. Und wenn Sie das Bändchen am rechten Fuß ziehen, sagt er Guten Abend<.«
Fragt der Kunde: »Und was ist, wenn ich an beiden Bändchen ziehe?«
Sagt der Papagei: »Dann falle ich auf die Schnauze, du Trottel!«
Darauf frage ich: »Kennen Sie den?«
Während der großen Buschbrände in Australien hüpft ein Kän-guru eilig vor den Flammen davon. Als es in Sicherheit ist, kriecht aus dem Beutel ein kleiner Pinguin, stellt sich an einen Busch und übergibt sich.
Zur gleichen Zeit watschelt am Südpol eine große Herde Pinguine über das Eis, mittendrin ein kleines Känguru, das sich verzweifelt bemüht, sich etwas zu wärmen, indem es dauernd die Vorderfüße um den Leib schlägt. Es blickt in den grauen Himmel und seufzt: »Scheiß Schüleraustausch!«
Wenn er jetzt lacht, kann nicht mehr viel passieren.
So oder so ähnlich laufen die Versuche, Mitmenschen für das Thema Witz zu animieren.
Mein WDR-Kollege Kurt Gerhard erzählte aus den USA:
Es gab früher einen berühmten Komiker namens Jack Benny, an dessen Fernsehsendung Ende der sechziger Jahre ich mich gut erinnern kann. Sein Geiz war eine der stereotypen Eigenschaften, mit denen er auftrat.
Also, Benny geht im Park spazieren. Da kommt ein Gauner, hält ihm eine Pistole auf den Leib und ruft: »Geld oder Leben!«
Als Benny nicht gleich antwortet, wiederholt der Typ: »Geld oder Leben!«
Benny darauf: »Moment, Moment — ich überlege noch!«
Rudolf Wentrup heißt mein alter Schulfreund, der mir beim letzten Klassentreffen die folgende Geschichte erzählt hat:
Ein Polizeiwagen stoppt einen Autofahrer, ein Beamter steigt aus.
Der Autofahrer dreht die Scheibe herunter.
»Sie haben eben bei Rot eine Ampel überfahren«, sagt der
Polizist.
»Habe ich das?«, fragt der Angehaltene und kichert etwas. Das Gesicht des Polizeibeamten wird ernster. »Zeigen Sie mal Ihren Führerschein!«
»Den habe ich schon seit einem halbem Jahr nicht mehr.«
»Dann die Wagenpapiere!«
»Die habe ich verloren.«
»Machen Sie mal Ihren Kofferraum auf!«
»Das kann ich nicht.«
»Warum können Sie das nicht?«
»Da liegt eine Leiche drin.«
Fassungslos zieht der Polizist den Autoschlüssel aus dem Schloss und geht zu seinem Wagen. Während er seine Dienstwaffe entsichert, kommt der andere Polizist herüber und fragt: »Sie haben also keinen Führerschein?«
»Doch, hier, bitte schön«, antwortet der Autofahrer und reicht seine Fahrerlaubnis heraus.
Erstaunt sieht sich der Beamte den Ausweis an. »Und die Wagenpapiere?«
»Hier, bitte sehr«, sagt der Autofahrer und reicht sie heraus.
»In Ordnung. Öffnen Sie den Kofferraum«, fordert jetzt der Polizist.
Der Autofahrer steigt beflissen aus und macht den Kofferraum auf. Er ist leer.
»Aber hier drin soll doch eine Leiche liegen!«
»Was soll da sein?«
»Eine Leiche, sagt mein Kollege.«
»So ein Quatsch«, klagt der Autofahrer. »Der hat ja auch behauptet, dass ich bei Rot über eine Ampel gefahren bin!«
Menschen, die sich irgendwie auf der Straße bewegen, nennen wir Verkehrsteilnehmer. Besondere Vorurteile haben diese Verkehrsteilnehmer immer wieder gegen Radfahrer, Lastwagenfahrer und speziell Taxifahrer. Jeder lebt mit seinen Vorurteilen, er muss dann allerdings auch mit denen leben, denen er selber ausgesetzt ist. Darf ich Ihnen meine Verkehrsteilnehmerin vorstellen?
Eine Frau fährt mit ihrem kleinen Sohn im Taxi durch Amsterdam. Sie durchqueren auch eine etwas anrüchige Straße, in der sich hinter Schaufensterscheiben leicht oder kaum bekleidete Frauen anbieten.
Da fragt der kleine Junge: »Mami, was ist denn das? Was tun die da?«
Die etwas irritierte Mutter erklärt: »Du, das sind SchönheitsStudios mit Sonnenbänken und so. Weißt du, die Frauen wollen schön braun werden.«
Sofort mischt sich der Taxifahrer ein: »Liebe Frau, was erzählen Sie denn da für einen Quatsch! Junge, das sind Mädchen, die schmusen für Geld mit Männern! Und wenn sie dabei Pech haben, dann bringen sie irgendwann so einen kleinen Jungen zur Welt, wie du einer bist.«
»Und was wird dann aus so einem Jungen?«, fragt der Kleine. Da antwortet die Mutter: »Der wird dann Taxifahrer!«
Für den nächsten Witz entschuldigen wir uns bei allen Ordensträgern. Hier spricht nur der pure Neid aller nicht dekorierten Lebewesen:
Auf der Polizeistation will eine Frau ihren Mann vermisst melden und weint und heult. Da sagt der Polizist:
»Nun seien Sie mal ruhig, junge Frau. Als Erstes stelle ich Ihnen mal die Frage: Hat er ein Bundesverdienstkreuz?« »Nein«, sagt die Frau.
»Sehen Sie«, erwidert der Polizist, »dann finden wir ihn schnell.«
Alte Kasernenhofwitze sind meistens deftig. Der mit dem großen Korsen ist zur Abwechslung ganz harmlos, regt aber die Fantasie an.
Der Friseur erfreut Zitzewitz mit einer neuen Scherzfrage: Er legt einen kleinen Haufen Bohnen auf den Tisch, und eine Bohne etwas entfernt davon. »Was ist das?«, fragt er.
Von Zitzewitz schüttelt den Kopf: »Sagen Sie schon!«
»Bonaparte«, erklärt der Friseur.
Von Zitzewitz wundert sich: »Was?«
Der Friseur zeigt auf den Haufen Bohnen und dann auf die einzelne: »Bohn' apart.«
»Haha, fabelhaft«, freut sich von Zitzewitz. Abends bringt er die Geschichte im Kasino ein. »Holen Sie mal eine Handvoll Bohnen«, weist er seinen Burschen an. Der kommt zurück und sagt: »Bohnen sind nicht da, Herr Hauptmann, können es auch Erbsen sein?«
»Egal, geben Sie schon her!« Er legt einen Haufen Erbsen auf den Tisch und eine Erbse etwas entfernt davon. »Was ist das?«, fragt er. Alle rätseln vergebens.
»Ist doch ganz einfach«, verkündet von Zitzewitz: »Napoleon!«
Ziemlich hinterhältig ist die folgende Geschichte:
Ein Mann wird aus dem Gefängnis entlassen und geht als Erstes in ein Bordell. Dort stirbt er. Jetzt ergeben sich drei Fragen:
1. Ist er zu unvorbereitet entlassen worden, dass er nicht einmal einen kleinen Puff verträgt?
2. Soll er nun vom Trauerhaus aus oder vom Freudenhaus aus beerdigt werden?
3. Müssen seine Angehörigen seinen letzten Willen erfüllen?
Nicht alle Jagdgeschichten gehören den baltischen Baronen, von denen wir ja schon gehört haben.
Ein Mann kommt mit einem Reh auf der Schulter aus dem Wald.
Da tritt der Förster hinter einem Busch hervor und ruft: »Hab ich dich endlich erwischt!«
»Erwischt, wieso?«
»Beim Wildern!«
»Wieso beim Wildern?«
»Was soll die Frage? Du hast das Reh ja noch auf der Schulter!« Daraufhin sieht der Mann nach rechts, wo das Reh hängt, und erschrickt: »Huch!«
Professor Jürgen Rink ist nicht nur ein Freund, er ist so etwas wie mein Witzvater, wenn man einen, der jünger ist, Vater nennen darf. Aber wenn es den Doktorvater gibt, dann muss es auch einen Witzvater geben können. Ihn nach Witzen zu befragen ist selbstverständlich. Ich brauche dazu gar nicht die eben beschriebenen Kunstgriffe: Schließlich hat er mich dazu gebracht, nicht nur Witze zu erzählen, sondern auch darüber nachzulesen und den Versuch zu wagen, darüber nachzudenken. Er ist immer für Zerstreuung zu haben, selbst aber ganz und gar nicht zerstreut.
»Erinnern Sie sich noch?«, fragt eine Dame den neben ihr sitzenden Professor, »vor fünf Jahren haben Sie mich gefragt, ob ich Ihre Frau werden wolle.«
»So«, erwidert der Professor. »Und, sind Sie es geworden?«
Rink, »österreichischer außerordentlicher Universitätsprofessor«, wie er sich laut Bundespräsidialamt nennen muss, lebt in Meerbusch und lehrt als Honorarprofessor an der TH Aachen. Er war, als wir uns kennen lernten, Geschäftsführer und Direktor des Instituts für Bildung und Information im »Verein Deutscher Eisenhüttenleute«. Wir sprachen anhand von Witzen über Vorurteile. Rink erzählt:
»Zum Thema >Vorurteile< kann ich noch eine Liste aus dem Jahr 1950 nachreichen. Damals wollte man herausfinden, was bei Schülern zwölf Jahre Diktatur in Bezug auf ihre Einschätzung von Aus-ländern hinterlassen hatten. Man sagt etwa das Wort >konservativ<, und schon ruft der Erste >das ist der Engländerin So harmlos sind Vorurteile selten. Da muss ich nur an die armen Ostfriesen denken.« Und das gilt auch für Vorurteile gegen Frauen, erinnere ich. »Da habe ich etwas«, freut sich Rink. »Es ist statistisch erwiesen, dass Frauen häufiger rechts und links verwechseln als Männer. Das ist kein Vorurteil, das ist Statistik. Wenn ein Mann in seinem Auto hinter einer Frau herfährt, und die Frau streckt ihre Hand nach links heraus -Was kann man dann mit Sicherheit sagen?«
Ich antworte zu schnell: »Dass sie rechts abbiegen will?« - »Nein. Dass links das Fenster offen ist!« Es freut ihn, dass er mich erwischt hat. Er fährt gleich fort. »In einem Vortrag habe ich mal die Zuhörer gefragt:
Wissen Sie, weswegen seit 2000 Jahren in Deutschland die Frauen unterdrückt werden? Antwort: Weil es sich bewährt hat.
Alle Männer lachten an dieser Stelle herzhaft. Nur nicht die Frauen. Ich teilte den Zuhörern dann mit, dass meine Frau diese Geschichte in der Redaktion ihrer Zeitung erzählt habe. Dort hätten alle weiblichen Redaktionsmitglieder sich sehr über diesen Scherz aufgeregt. In der nächsten Samstagsausgabe druckten sie die Retourkutsche:
Man sieht einen großen Ozeandampfer mit einem riesigen Heck. Oben steht ein Matrose, unten im Wasser krault eine Frau, offenbar schon fast am Ertrinken. Der Matrose ruft: »Mann über Bord!«
Da kreischt die Frau von unten hoch: »Das heißt >Frau über Bord<, Sie Sexistenarsch!«
Ich habe den Saal genau beobachtet. Jetzt haben nur die Frauen gelacht, und zwar wie wahnsinnig. Für Frauen ist das ein richtiges Reizwort: >Sexistenarsch<. Vielleicht wird es ja mal Wort des Jahres.«
Dann frage ich nach einem Witz, der sich schon bewährt hat:
Es war auf der »Pamir«, dem Segelschulschiff, das unterging, weil die Ladung verrutscht war. Hier wurden nach dem Zweiten Weltkrieg die ersten Seeleute für Handelsschiffe ausgebildet. Das Schiff dümpelt im Stillen Ozean. Ruhige See. Da schallt oben vom Mast plötzlich der Ruf: »Sehrohr, drei Strich Backbord!« Alles rennt an die Reling. Jahre nach dem Krieg ein U-Boot?
Die See ist ganz ruhig. Doch dann kräuseln sich die Wellen. Man sieht Turmaufbauten, dann ein Balkenkreuz. Es ist ein deutsches U-Boot. Kreischend öffnet sich das Turmluk. Am Rand des Turmes erscheint erst eine angegraute Kapitänsmütze, dann ein Gesicht mit einem Bart wie Sauerkraut, dann ein Megaphon: »Was ist mit dem Krieg?«
Der Kapitän der »Pamir« erschrickt.»Offenbar wissen die noch nichts! Die glauben, wir sind noch im Krieg!« Auch er nimmt die Flüstertüte: »Der Krieg ist zu Ende!«
Wieder hebt der U-Boot-Kommandant das Megaphon: »Wer hat gewonnen?«
»Die anderen!«
Kurzes Schweigen auf dem U-Boot. Und dann hört man durch das Rauschen der stillen See einen schrecklichen Fluch: »Scheiß Kaiser Wilhelm!«
Ist das ein Witz, über den auch junge Menschen lachen können, solche, die in ihren Erinnerungen nicht zwei Weltkriege miteinander verbinden? Nach unseren Erfahrungen gelingt das. Dann müssten sie auch diese Kölner Geschichte von 1945 nachempfinden und darüber lachen können, auch wenn sie selber nie in ihrem Leben gehungert haben.
1949: Der Schäl schnallt seinen Gürtel ein Loch enger. Fragt der Tünnes: »Was machst du da?« Sagt der Schäl: »Ich frühstücke.«
Ist es für einen Intellektuellen ein Risiko, wenn er einen Witz erzählt? Schmückt er sich da mit fremden Federn? Nach meinen Erfahrungen sind gerade Intellektuelle besonders begabt für diese Kunst-form. Sie sind immer in der Lage, die Welt und alle Ereignisse darauf aus einer ganz anderen Perspektive zu sehen. Sie trauen sich oft nur nicht, der deutschen Ernsthaftigkeit im Witz zu begegnen. »Lachen legt Bollwerke der Selbstsicherheit in Schutt, das Pathos der Selbstüberzeugung zerbricht«, schrieb der Kunsthistoriker Heinrich Lützeler.
Der Professor erklärt das räumliche Sehen und nimmt als Beispiel aus der griechischen Mythologie den Riesen Polyphem, dem Odysseus ein Auge ausgestochen hat. Deswegen habe er nicht mehr räumlich sehen und das flüchtende Schiff mit seinen Wurfgeschossen nicht treffen können.
Da meldet sich ein Student und wendet ein: »Aber Polyphem hatte doch überhaupt nur ein Auge.«
»Ja«, erwidert der Professor, »das kam freilich noch erschwerend hinzu.«
Der Publizist Johannes Gross, der sich gelegentlich von mir einen Witz mitnahm, fand schon das Nachdenken über Berechtigung und Wert albern. »Er muss nur gut sein, der Witz«, meinte er. Darauf konnten wir uns einigen. Wenn das nur immer so klar wäre, was ein guter Witz ist. Und wenn alle über dasselbe lachen könnten. Jürgen Rink hat damit keine Probleme. Höchstens mit Kalauern. Aber auch da gibt es gute.
Ich erinnere mich: Den für mich schönsten Kalauer habe ich auf einem seiner Seminare vom Paderborner Professor Broder Carsten-sen gehört. Es sei angeblich der älteste Kalauer, den es gebe, verriet er mir. Er mündet in die Frage:
Warum hat Krause keine Haare? Antwort: Weil die Neger krauses Haar haben.
Auch der skurrile Witz hat bei solchen Seminaren seine Anhänger:
Es klingelt an der Haustür des bekannten Opernsängers. Erst einmal, dann zweimal, dann heftig und immer heftiger. Die ganze Familie stürzt zur Tür. Was ist los, wer mag das sein? Die kleine Tochter öffnet die Tür, und alle Versammelten schauen auf eine große, graue Wand.
Als sie näher hinschauen, sagt die Frau des Opernsängers: »Das ist ja ein Elefant.« Jetzt sehen alle die großen Ohren herabhängen und bestaunen das riesige Tier. Dann schiebt sich der Elefant etwas zur Seite, und daneben steht der Opernsänger. »Karl«, sagt seine Frau, »wieso kommst du mit einem Elefanten nach Hause?«
»Ja«, sagt er, »weißt du, ich habe ein außergewöhnlich großes Honorar für einen Liederabend bekommen: 10000,— Euro. Und ihr kennt mich ja: Da habe ich mir gedacht, bevor ich irgendeinen Quatsch kaufe ...«
Jürgen Rinks Lieblingswitz? Er muss nicht lange überlegen:
Auf der Straße wird ein älterer Herr angesprochen. »Ich weiß nicht, ob Sie mich kennen, ich bin Ihr Nachbar.« »Ah, ja, was kann ich für Sie tun?«
»Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie anspreche. Aber Sie sind doch schon seit einiger Zeit Rentner, ich werde nämlich jetzt frühpensioniert. Und da kommen mir plötzlich Bedenken. Was macht man so den ganzen Tag? Vielleicht schildern Sie mir mal, was Sie als Rentner so den ganzen Tag tun.« »Gern«, sagt der Angesprochene, »also, zunächst mal schlafe ich länger als früher. So gegen halb neun bis neun stehen wir meistens auf. Dann frühstücke ich mit meiner Frau und gehe anschließend mit dem Hund raus. Vorher setze ich mich aber noch kurz an meinen Schreibtisch.« »Und was tun Sie da?«
»Ich nehme das Telefonbuch, blättere darin, nehme die rechte Hand, hebe sie hoch und lasse sie fallen. Dort, wo sie hinfällt, mache ich das Telefonbuch auf und tippe irgendwo auf eine Seite und auf eine Telefonnummer.« »Und was machen Sie dann damit?«
»Da rufe ich an und frage: >Könnte ich den Karl mal sprechen?< Dann sagen die: Nein, wir haben hier gar keinen Karl.<« »Und dann?«
»Dann hänge ich ein und gehe mit dem Hund raus. Und wenn wir so gegen elf an meiner Stammkneipe vorbeikommen, dann gehe ich da rein. Der Paul und der Egon sind meistens auch schon da, und dann trinke ich ein Kölsch, keine Schnäpse, nichts Hartes, morgens nur ein Kölsch.« »Und was passiert dann?«
»Es passiert gar nichts. Danach bezahle ich und gehe wieder nach Hause. Meine Frau hat dann meistens schon das Mittagessen gekocht. Aber bevor wir uns an den Tisch setzen, rufe ich wieder die Nummer an. >Könnte ich den Karl mal sprechen?< >Nein<, sagen die wieder, >wir haben hier keinen Karl.<
Nach dem Mittagessen legen wir uns aufs Ohr, dann gehe ich die zweite Runde mit dem Hund. Aber vorher rufe ich da wieder an: >Ist der Karl jetzt zu sprechen?< Dann sind die schon etwas empört. >Nein, wir haben hier wirklich keinen Karl.< Danach gehe ich zum Dämmerschoppen, drei Kölsch und zwei, drei Kurze, das ist immer prima. Wenn ich dann zurückkomme, also so kurz vor der Tagesschau, rufe ich da wieder an. >Könnte ich den Karl mal sprechen?< Da sagen die schon wütend: >Nein, wir haben hier keinen Karl!!!< Man hört richtig die Wut in der Stimme.
Dann gucken wir Tagesschau, und nach der Tagesschau meistens einen Krimi. Vielleicht auch Fußball. Danach rufe ich da noch einmal an: >Könnte ich den Karl mal.. .?< Weiter komme ich gar nicht. Verstehen Sie doch endlich, wir haben hier keinen Karl!!!<, schreit dann einer. Da kommt jetzt jedes Wort wie ein Ausrufungszeichen.
Bevor wir ins Bett gehen, stelle ich den Wecker auf drei Uhr, und dann schlafen wir ruhig. Und wenn der Wecker gegen drei Uhr schellt, dann rufe ich da wieder an und sage: >Hier ist Karl! Hat jemand für mich angerufen?<«