77756.fb2 Ganz Deutschland lacht!. 50 deutsche Jahre im Spiegel ihrer Witze - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 5

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Lentz/Thoma1950-1959

Bundeskanzler Adenauer kauft sich in seiner zweiten Amtszeit eine Schildkröte. Er will herausbekommen, ob sie wirklich 300 Jahre alt wird.

Das ist einer der ältesten Witze der Welt, mit einem Bart von etwa 2000 Jahren. Er steht schon in der altgriechischen Witzsammlung >Philogelos< aus dem 3.-5. Jahrhundert. Nur hält sich der alte Mann da einen Raben zu demselben Zweck. Die werden bis 200 Jahre alt. Witze leben noch länger.

Es hat immer wieder prominente Männer gegeben, die so alt wurden, dass man von ihnen sagte: »Jetzt stirbt er auch nicht mehr.« Männer, muss man einschränken, weil sie zumeist allein öffentliche Ämter von Rang einnehmen durften. Auf die Emanzipation kommen wir dann später noch.

Als der 73-jährige Adenauer 1949 mit der berühmten einen Stimme Mehrheit Bundeskanzler wurde, war es vor allem das Alter, das in den Amtsperioden danach zu Witzen reizte:

Was ist der Unterschied zwischen Adenauer und einem Handwerker? Der Handwerker kommt nicht, und Adenauer geht nicht.

Um die Hauptstadt Bonn hatte der alte Herr listig und hartnäckig gekämpft, Frankfurt als kräftigen Konkurrenten abgewehrt.

Warum wollte Adenauer unbedingt Bonn zur neuen Hauptstadt machen? Der Witz antwortet: Weil in diesem Klima jeder schlapp und schläfrig wird, nur er selber nicht.

Die fünfziger Jahre waren die Ära Adenauer. Zweimal gewann er Bundestagswahlen für seine CDU mit absoluter Mehrheit, 1953 und 1957. Er musste seine eigene Stimme nicht mehr einsetzen, um erneut Kanzler zu werden.

»Ich will nicht wieder jung werden, ich möchte nur fortfahren, alt zu werden«, versicherte er seinem Arzt.

Wahr sollen auch diese Anekdoten sein:

»Ich kann Sie nur vor Menschen warnen, die Sie immer nur loben«, warnte ein Freund Adenauer. »Aber wenn 'se nun recht haben?«, antwortete der Alte.

»Herr Bundeskanzler, gestern haben Sie aber noch einen ganz anderen Standpunkt vertreten«, warf ihm ein Redner vor. »Dat kann schon sein«, gibt Adenauer zu, »aber et kann mich doch schließlich keiner daran hindern, alle Tage klüger zu werden.«

Der Schweizer Publizist Fritz Rene Alleman schrieb 1953 im >Mo-nat<: »Zum Bilde der deutschen >Zweiten Republik< gehört die Skepsis gegenüber der eigenen Leistung und ihrer Fähigkeit zu dauern.«

Das hat die »Väter des Grundgesetzes«, den Parlamentarischen Rat, beeinflusst, eine Verfassung zu entwerfen, die zu den freiheitlichsten der Welt gehört und die Macht ganz vorsichtig verteilt.

Vielleicht war es ein Glück für den jungen Staat, dass Adenauer nicht nur so viel Autorität einbrachte, sondern auch durch die Erfahrungen der zwanziger Jahre trickreich mit den Gegebenheiten einer Parteien-Demokratie zu spielen wusste. So fiel es den an die Obrigkeit gewöhnten Deutschen leichter, sich auf die neue Situation einzustellen. Es blieb, wie man scherzte, »alles beim Alten«. Und es gab den Spruch:

»Der liebe Gott ahnt es, der Kanzler weiß es, und das Volk geht es nichts an.«

Nach der sensationell gewonnenen Fußball-Weltmeisterschaft 1954 kamen Fußballerwitze auf, die der »Wir-sind-wieder-wer«-Euphorie entgegenwirkten. Manche Deutsche taten ja so, als hätten sie eine Art neuen Krieg gewonnen und als Verlierer nun endlich gesiegt.

Bundestrainer Herberger sagt zu Adenauer: »Sie haben mich mit Ihrem Hinweis auf die Außenpolitik überzeugt. So etwas wie die Weltmeisterschaft soll nicht wieder vorkommen!« Die deutsche Mannschaft hatte 1954 das Endspiel in Bern gegen den hohen Favoriten Ungarn mit 3:2 gewonnen. 2:0 führten die Ungarn schon nach neun Minuten, und alles sah nach einer Katastrophe wie im vorherigen Spiel aus, das die Deutschen 3:8 verloren hatten. Aber nach 18 Minuten stand es 2:2. Und Helmut Rahn, den Schützen des Siegtores in der 84. Minute, kannte danach ganz Deutschland. Den Torwart Toni Turek feierte der Radio-Reporter Herbert Zimmermann mit sich überschlagender Stimme: »Toni, du bist ein Fußballgott!« Gott hatte einen schwierigen Ball gefangen.

Die zu jeder Zeit beliebten Dummenwitze zielten jetzt auf Fußballer.

Ein durch die Weltmeisterschaft populär gewordener Spieler wird nach dem Besuch einer Kunstausstellung gefragt: »Was denken Sie denn über Toulouse-Lautrec?« »Och«, antwortet der, »ich tippe 2:1.«

Derselbe Spieler wird zu einer Literatur-Veranstaltung eingeladen. Ein Reporter fragt ihn hinterher: »Was halten Sie denn von Rainer Maria Rilke?«

»Och«, antwortet der, »die sind alle drei in Ordnung!«

Fußball war jedoch zu beliebt, als dass die Balltreter jene Opferrolle hätten übernehmen können, die später den beschränkten Ostfriesen und anderen angeblich Beschränkten zugewiesen wurde.

Die Fußballweltmeisterschaft machte auch das Fernsehen bekannt. Das gab es schon seit Weihnachten 1952, zunächst mit nur einem Programm, aber nur wenige Leute konnten es sich leisten. 4 000 waren es zu diesem Zeitpunkt. Während der Fußballspiele füllten sich jedoch die Kneipen, in denen schon Fernsehapparate stan-den. Die Menschen starrten fasziniert auf das helle Rechteck in der Ecke, ohne oft mehr als Schatten auf hellen Flächen zu erkennen. Damals hieß es:

»Wenn man die Augen zumacht, ist Fernsehen fast so schön wie Radio.«

Auch vor den Schaufenstern von Radiogeschäften, in denen Fernsehprogramme über ausgestellte Geräte schwarz-weiß auf die Straße flimmerten, drängelten sich die Zuschauer über Stunden. Fußball und Fernsehen gingen zum ersten Mal eine Liaison ein.

Kurze Zeit danach, im Oktober, wurde im mittlerweile attraktiven 1. Programm die tägliche Tagesschau eingeführt. Im April 1955 zählte die ARD schon 100 000 Fernsehteilnehmer. In Bonn witzelte man mit Blick auf Adenauer:

»Von Zeit zu Zeit seh ich den Alten fern.«

Die Deutschen wirkten etwas müde in dieser Zeit, überall werkelten die Menschen am Wiederaufbau, hämmerten, sägten, klopften. Die Arbeitswoche dauerte noch fünfzig Stunden, schloss den Samstag mit ein, und Streik war fast unbekannt. Die Menschen verdienten wenig Geld für harte Arbeit, aber es war viel wert.

Abends in den Kneipen träumten die Gäste dann von angeblich guten alten Zeiten, versuchten die Katastrophe des Krieges zu verdrängen, schunkelten und sangen rheinische Lieder. »Wer soll das bezahlen«, fragten die Kölner 1950 in einem Karnevalsschlager.

»Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt? Wer hat so viel Pinkepinke, wer hat so viel Geld?«

Es blieb lange Zeit bundesweit eine der populärsten Schunkelweisen. Besserer Alkohol als selbstgebrannte Kartoffelschnäpse hoben inzwischen die Stimmung. Alkoholwitze gehörten auch dazu.

»Was hast du denn mit deiner Hand gemacht?«, fragt die Frau ihren spät heimkehrenden Mann. Der lallt: »Als wir aus der Kneipe gingen, da hat mir doch so 'n besoffener Idiot auf die Hand getreten!«

In den späten fünfziger Jahren, als sich der Wohlstand bei einigen Mitbürgern schon häuslich eingerichtet hatte, hörten wir folgende Geschichte:

Ein militanter Gegner von Alkohol und Nikotin versucht es mit einer Kampagne. Er hat sich vor einer Kneipe aufgebaut und fragt jeden, der herauskommt, wie viel Geld er an diesem Abend vertrunken und verraucht hat. Ein etwas beleibter Herr mit Zigarre erscheint leicht schwankend vor der Kneipentür. »Darf ich Sie mal ansprechen?«, fragt der Aktionist. »Aber gern.«

»Sie haben den Abend in dieser Gaststätte zugebracht, wissen Sie, wie viel Geld Sie da vertrunken haben?« Der Angesprochene denkt kaum nach: »Weiß ich nicht, aber getrunken habe ich 'ne ganze Menge, ein kleines Mühlrad könnt's schon treiben.«

»Und wissen Sie, wie viel Sie geraucht haben?« Der Gefragte zieht an seiner Zigarre: »Weiß ich auch nicht!« »Wenn Sie das ganze Geld gespart hätten, wäre das doch eine schöne Summe ...«

Der Zecher wird nachdenklich: »Das könnte schon sein.«

»Sehen Sie die Villa da oben am Berg?«

»Ja«, bestätigt der Zecher, »was ist damit?«

»Die könnte Ihnen gehören! Wenn Sie das Geld jeden Abend weggelegt hätten, statt zu trinken und zu rauchen.«

Da fragt der Trinker fast nüchtern zurück: »Rauchen Sie?«

»Nein«, sagt der Alkoholgegner.

»Trinken Sie?«

»Nein.«

»Gehört Ihnen die Villa?«

»Nein.«

»Aber mir!«

Die Bürger der Bundesrepublik Deutschland gaben 1955 schon 131,-- Mark pro Kopf für Alkohol und 87,-- Mark für Zigaretten und Tabak aus. Die Bars wurden ein beliebter Handlungsort für Witze. Auch Tiere fanden dort ihre Theke.

Ein ziemlich klein geratener Mann stellt sich an eine Kneipentheke und bestellt zwei Whisky. Einen trinkt er, den zweiten kippt er in seine Anzugtasche. So macht er das den ganzen Abend, immer zwei Whisky, einen, den er trinkt, und einen, den er in die Tasche kippt. Ziemlich betrunken lallt er schließlich nachts den Barkeeper an: »Noch zwei Whisky!« Der lehnt ab: »Sie haben jetzt genug.« »Zwei Whisky habe ich gesagt!« Der Barkeeper schüttelt nur den Kopf.

Da baut sich der kleine Mann drohend vor ihm auf und poltert los: »Wenn ich nicht sofort meine zwei Whisky kriege, komme ich über die Theke und nehme Sie auseinander!« In diesem Augenblick guckt eine kleine Maus aus der Jackentasche und ruft: »Und das gilt auch für Ihre Scheiß-Katze!«

Nach langer Abwesenheit kommt ein englischer Gentleman in seinen Club, trinkt zwei oder drei Whisky und bemerkt plötzlich am Fuß der Theke ein nur30 cm großes Männchen in der Uniform eines englischen Kolonialoffiziers mit vielen Orden auf der Brust. Er fragt den Barkeeper, ob er träume. Der kommt um die Theke herum und setzt den kleinen Kerl auf die Tischplatte neben die Gläser. »Bitte Colonel«, sagt er, »erzählen Sie doch noch einmal die Geschichte, wie Sie damals im Kongo zu dem Medizinmann >Sie Hurensohn< gesagt haben!«

Getrunken wurden Bier, Korn, Weinbrand; teure Importe wie Kognak und Whisky erschienen den meisten noch unerschwinglich. Aber rauchen wollte fast jeder. Zigaretten waren in den Jahren zuvor eine Währung, ein Zahlungsmittel, geworden. Sie kosteten vor der Währungsreform zwischen sieben und fünfzehn Mark das Stück. Rauchen war ein Statussymbol, das sich jetzt fast jeder leisten konnte und wollte. Und in allen Filmen und Fernsehsendungen wurde ohne-hin ganz selbstverständlich geraucht. Aschenbecher wandelten sich zu Möbelstücken, standen in Wohnzimmern auf Ständern, wurden wie Müllschlucker entworfen. Ein Druck oben auf den Knopf, schon war die Asche weggedreht. Und natürlich gab es jetzt Raucherwitze:

In einem Eisenbahnabteil sitzen sich ein Jesuit und ein Franziskaner gegenüber, sie beten beide ihr Brevier. Dabei zieht der Jesuit in aller Gemütsruhe ein Zigarettenetui aus der Tasche und zündet sich eine Zigarette an.

»Beim Beten darf man nicht rauchen«, ruft der Franziskaner. »Ich schon«, antwortet der Jesuit, »ich habe mir die Erlaubnis geben lassen.«

»Bekommt man die leicht?«, fragt der Franziskaner interessiert. »Aber ja, Sie brauchen bloß in Rom anzufragen.« Nach einiger Zeit treffen sich die beiden wieder, und der Franziskaner sagt ärgerlich: »Sie haben mich ja damals ganz schön an der Nase herumgeführt, natürlich habe ich die Erlaubnis nicht bekommen.«

»Wie haben Sie denn Ihr Gesuch formuliert?«, fragt der Jesuit. »Ganz einfach«, erwidert der Franziskaner, »ich habe angefragt, ob ich beim Beten rauchen darf.«

»Zu einfach«, sagt der Jesuit lächelnd, »Sie hätten anfragen müssen, ob Sie beim Rauchen beten dürfen.«

Mitte der fünfziger Jahre steigerte sich die Reiselust der Westdeutschen erheblich. Zuerst fuhren sie ins vertraute Österreich, das mit Heimatfilmen und »Sissi«-Lichtspielen auch für die Touristik warb. Alle Filme waren verlässlich jugendfrei. Dann folgte Italien als heißbegehrtes Urlaubsziel. Rene Carol besang den >Hafen von Adano<.

>Zwei kleine Italiener< und immer noch die >Caprifischer< tönten aus dem Radio, Vico Torriani wurde mit italienischen Liedern ein gefeierter Star. Auch Adenauer spielte Boccia in der italienischen Schweiz, in Cadenabbia; Italiener zogen als Gastarbeiter über die Alpen nach Deutschland; die ersten italienischen Restaurants stellten ihre Pizzaöfen auf.

Die Volkshochschulen begannen mit ihrer Bildungsarbeit. Einer, der davon profitiert hat, fragt einen Arbeitskollegen: »Weißt du eigentlich, wer Schiller ist?« »Nein.«

»Das war einer der größten deutschen Dichter! Und weißt du, wer Storm ist?« »Keine Ahnung.«

»Das war auch ein deutschen Dichter, der hat ganz tolle Geschichten über das Meer geschrieben!«

Da fragt der Arbeitskollege zurück: »Weißt du denn, wer Alvari ist?«

»Nein«, antwortet der Bildungsbeflissene, »aber das kriegen wir bestimmt noch auf der Volkshochschule!«

»Das glaube ich kaum«, versichert der Kollege, »das ist nämlich der italienische Gastarbeiter, der immer zu deiner Frau kommt, wenn du in der Volkshochschule bist.«

Die Lufthansa durfte 1955 wieder fliegen. Neue Witze reisten mit.

In Köln erzählte man die Geschichte vom Tünnes, der nach Mailand fährt und dort im Dom unter anderem auch beichten will. Er betrachtet die Beichtstühle, an denen jeweils steht, welche Sprache darin erwünscht ist. Tünnes kniet in einem dunklen Viereck nieder, über dem er das Wort »Deutsch« liest. Er beginnt: »Sinjore .«

Der Priester unterbricht ihn: »Wenn Sie italienisch beichten wollen, müssen Sie in einen anderen Beichtstuhl gehen.« Unbeirrt fährt Tünnes fort: »Sinjore ...«

Der Priester reagiert ärgerlich: »Ich sage Ihnen doch, wenn Sie italienisch beichten wollen, müssen Sie den Beichtstuhl wechseln!«

»Nun losse Se mich doch mal usrede«, kontert der Tünnes, »sin Johre her, dass ich dat letzte Malgebicht han ...« (gebeichtet habe)

Mit der Reisewelle wurde der Witz internationaler. Schon die Besatzungstruppen hatten ja andere Witze weitergegeben. Neue Irren-witze, die oft so irre gar nicht waren, reisten um die Welt. Zum Beispiel:

Zwei Männer bestaunen einen Regenbogen. Sagt der eine zum andern: »Guck dir das an! Dafür haben sie Geld. Aber uns studieren lassen .«

Warum das nicht irre ist? Weil so bei uns bis heute fast jeder redet, der vom Staat Geld haben will.

Neben dem Eingang der Anstalt steht einer im Anzug unter der Dusche und hat den Schirm aufgespannt.

»Was machst du denn da?«, fragt seine Mutter, die zu Besuch kommt.

Der Mann unter der Dusche antwortet: »Ich habe heute mein Handtuch vergessen, Mama.«

Der Insasse einer Anstalt sieht durch das Hofgitter auf die Straße. Dort fegt ein junger Mann Pferdeäpfel zusammen und legt sie dann in einen Korb. »Was machen Sie da?«

»Mein Vater tut das auf den Rhabarber«, erklärt der Sammler. »Dann kommen Sie doch besser zu uns, wir kriegen Vanillesauce auf unseren!«

Apropos Pferd. Es wurde damals auch ein Witz verbreitet, der die Redensart »Erzähl mir doch nichts vom Pferd« vulgär aufbereitete.

Eine Frau kommt zum Arzt und klagt: »Herr Doktor, ich brauche Ihre Hilfe!«

»Wieso?«, fragt der, »Sie sehen doch ganz gesund aus.« »Ja, aber gucken Sie mal genau hin: Ich sehe doch einem Pferd immer ähnlicher.«

Der Arzt betrachtet die Frau aufmerksam und sagt: »Wahrhaftig, Sie haben recht: diese buschigen Haare, die Ihnen in die Stirn fallen, die Lippen sind ganz wulstig, und auch Ihre Zähne sind so gelb und groß. Wie bei einem Pferd.« »Deswegen bitte ich Sie ja um Hilfe. Was kann ich tun?«

Der Arzt schüttelt traurig den Kopf. »Das schaffe ich nicht, da versagt selbst meine ärztliche Kunst.«

»Können Sie denn gar nichts für mich tun?«

Der Arzt überlegt: »Es gibt eine Möglichkeit«, sagt er schließlich, »ich kann Ihnen ein Rezept schreiben, damit Sie auf die Straße scheißen dürfen.«

Der Witz zieht Geschmacksgrenzen immer etwas weiter, als es normale Gespräche erlauben. Wenn man das schlimme Wort jedoch mit drei Pünktchen schreiben würde, verlöre dieser Witz seine Pointe.

Der sogenannte skatologische Witz, der »Latrinenhumor«, geriet mit dem Aufblühen der Hygiene fast in Verruf. Nur unter Kindern ist alles, was mit Exkrementen zu tun hat, ein wichtiger Teil des Witz-Repertoires geblieben. Kinder kennen da keine Hemmungen. Auch wir müssen zugeben, dass wir uns während unserer Studentenzeit noch sehr über einen Witz amüsiert haben, der damals in deutschen Landen weitergereicht wurde und der »nicht von Pappe« war:

Bei einem privaten Fest tanzt einer der Gäste mit der Dame des Hauses. Er überrascht sie mit dem Satz: »Gnädige Frau riechen aber heute außerordentlich stark aus dem Mund...« Die Dame ist sehr verlegen, sucht nach einer Entschuldigung. »Wissen Sie«, sagt sie endlich, »ich war heute Morgen beim Zahnarzt und habe mir eine neue Brücke machen lassen .« »O la, la«, reagiert ihr Tanzpartner, »da hat der gnädigen Frau wohl jemand hinter den Pfeiler geschissen!«

Noch zum Umfeld der skurrilen Witze gehört diese harmlose Geschichte aus den fünfziger Jahren:

Ein Mann sitzt im Zug und packt sorgsam Obst aus: Äpfel, Bananen, Apfelsinen. Er schält sie, dann öffnet er das Fenster und schneidet alles in kleinen Stücken nach draußen. Ein Mitreisender fragt ihn verwundert: »Was machen Sie denn da?«

»Ich mache Obstsalat«, erwidert der Mann.

»Und warum werfen Sie das alles aus dem Fenster?«

»Ich mag keinen Obstsalat.«

Deutsche Jazz-Fans hörten bei AFN und BFN, den Soldatensendern, vor allem wegen der Musik zu: Duke Ellington, Benny Goodman, Louis Armstrong. Überall entstanden Amateurkapellen, Bands, die Dixieland spielten, amerikanische Importmusik. Sie konnte fast süchtig machen. Englische Musiker wie Chris Barber und Ken Colier bewiesen, dass man diese Improvisationen von den Baumwollfeldern der amerikanischen Südstaaten europäisieren konnte. Auch wenn die Hörer erst von »Inselmut« redeten, als sie nach Glenn Millers >In the Mood< Boogie-Woogie und Jive tanzten.

Mit der Musik fand über alliierte Soldatensender auch der schwarze Humor aus England und den USA in Deutschland seine Freunde.

Im berüchtigten Zuchthaus »Singsing« findet einmal in der Woche ein Gesundheitstest statt. Die Häftlinge stehen vor ihren Zellen und werden vom vorbeigehenden Arzt kurz befragt.

»Temperatur?«

»Normal.«

»Schlaf?«

»Gut.«

»Stuhl?«

»Weich.«

Beim nächsten: »Temperatur?«

»Normal.«

»Schlaf?«

»Ich schlafe schwer ein.«

»Stuhl?«

»Hart und selten.«

Beim nächsten: »Temperatur?«

»Leicht erhöht.«

»Schlaf?«

»Unruhig.«

»Stuhl?«

»Elektrisch.«

Die Amerikaner im Land der unbegrenzten Möglichkeiten haben alles, können alles, wollen alles. Sie bringen Coca-Cola mit, Readers Digest und Lucky-Strike-Zigaretten, verbunden mit massiver Werbung. Dagegen wirkte der einheimische Werbespruch: »Aus gutem Grund ist Juno rund« etwas hausbacken. Der deutsche Witz muss nun auch die Amerikaner kleiner machen.

Ein Gast aus Amerika erzählt, dass er fünf Tage brauche, wenn er seine Farm einmal mit dem Auto umfahren wolle. Da sagt sein deutscher Gesprächspartner: »So einen schlechten Wagen hatte ich auch mal.«

Auf einer großen amerikanischen Hühnerfarm ärgert sich der Besitzer immer wieder, dass seine Hähne nichts taugen. Eines Tages kauft er bei einer Versteigerung einen angeblichen Superhahn für viel Geld.

»Jetzt bin ich aber mal gespannt«, sagt er, als er den Hahn im ersten Gehege loslässt. Und dann staunt er nur noch. Der Hahn besteigt in Windeseile alle Hühner, fliegt über den Zaun in das nächste Gehege, macht dort munter weiter, fliegt ins dritte Gehege und tut auch da im Handumdrehen seine Pflicht. »Tausende von Hühnern in einem Lauf«, jubelt der Farmer. Der Hahn aber sieht sich suchend um, fliegt über den hohen Zaun und läuft stracks in die Wüste.

»Verdammt«, flucht der Farmer, »jetzt habe ich endlich mal einen wirklich tollen Hahn, und nun ist er verrückt geworden.« Er steigt auf sein Pferd und reitet hinter dem Hahn her. Nach einer Meile findet er ihn wie tot auf der Erde liegend. Missmutig will er ihn aufheben, da macht der Hahn ein Auge auf und krächzt leise: »Hau ab, du vertreibst mir die Geier!«

Die Begeisterung der Amerikaner, mit Mario Lanza endlich auch einen Tenor von Weltruf im Lande anbieten zu können, löste eine Flut von Tenorwitzen aus. Wie so oft geht der Ansatz von dem Vorurteil aus, Tenöre seien blöd. Das ist immer so bei Gruppenwitzen, ob es nun um Blondinen, Mantafahrer oder Ostfriesen geht. Aber die Tenorwitze kursierten in kleineren, meist intellektuellen Kreisen.

Ein Tenor zählt bei einer Stellprobe singend. »Eins, zwei, drei, vier, sechs, sieben ...« Der Regisseur unterbricht.

»Sie haben die Fünf ausgelassen.«

Der Tenor singt von vorn:

»Eins, zwei, drei, vier, sechs, sieben ...«

Erneut unterbricht der Regisseur: »Es fehlt wieder die Fünf!« Da blickt der Tenor vorwurfsvoll in die Runde und beschwert sich: »Es souffliert ja auch keiner!«

Ein Tenor fährt mit dem Schiff zu einem Gastspiel nach Amerika. Am ersten Morgen während der Uberfahrt steht er spät auf, tritt an die Reeling, sieht bedeutungsvoll in den Nebel ringsum und ruft pathetisch: »Was, weiter sind wir noch nicht?«

Musik hat den Volksmund immer zu Witzen über Banausen inspiriert, nicht nur über Tenöre:

Ein berühmtes Streichquartett gastiert in einer Kleinstadt. Der Bürgermeister hält nach dem Konzert eine Dankesrede. »Sie haben am Beifall und am Zuspruch gemerkt, wie sehr Sie gefallen haben«, lobt er, »und so hoffe ich denn, dass Sie mit den Einnahmen des heutigen Abends Ihr kleines Orchester noch etwas vergrößern können!«

Wo es noch Konzertsäle gab oder wo sie - notdürftig repariert - wieder in Betrieb genommen wurden, drängte sich Anfang der fünfziger Jahre das Publikum. Als wollten die Deutschen sagen: Wenn wir auch sonst nichts mehr besitzen, Kultur haben wir immer noch! Es beschwerte sich auch niemand, dass in den zerstörten Städten zu den ersten Neubauten wieder Theater gehörten. Gustaf Gründgens hatte 1948 in Düsseldorf Sartres >Fliegen< inszeniert. Karten dafür wurden wie Glückslose gehandelt.

Manche Besucher verstanden die Stücke nicht. Da mussten dann wieder Tünnes und Schäl herhalten:

Die beiden Freunde gehen ins Theater, setzen sich auf ihre Plätze. Kurz bevor sich der Vorhang hebt, sagt der Schäl: »Du, ich muss noch mal schnell verschwinden.«

Er geht hinaus, findet keine Toilette, öffnet in seiner Not zwei, drei Türen und kommt in einen großen, dunklen Raum, in dem ein Tisch mit einer Blumenvase steht. Kurz entschlossen verrichtet er dort sein Geschäft. Erleichtert macht er sich auf den Weg zurück. Im Saal ist es dunkel, er drängt sich durch die Reihe, nimmt seinen Platz ein und fragt den Tünnes: »Is' schon wat passiert?«

»Nicht viel«, antwortet der, »aber typisch Sartre: Kommt einer auf die Bühne, pinkelt in die Vase und haut wieder ab.«

Herbert von Karajan stieg 1955 zum Chef der Berliner Philharmoniker auf. Sein Lebensstil, seine Arroganz, seine Neigung zu schönen Frauen und teuren Autos führte bei seinen Anhängern zu einer merkwürdigen Mischung aus Begeisterung und Irritation.

Karajan leitet auch die Salzburger Festspiele und ist in Österreich angeblich häufiger Gast im Wiener Hotel »Sacher«. Als er eines Abends spät und überraschend ankommt, trifft er auf einen neuen Nachtportier. »Ich hätte gern meine Suite«, sagt der Dirigent.

Der Portier hebt bedauernd die Schultern: »Wir sind leider total ausgebucht.«

Der prominente Gast ärgert sich: »Hören Sie, ich bin Herbert von Karajan, ich wohne immer hier, und ich bekomme wie immer meine Suite!«

Der Portier lehnt sich zurück. »Das freut mich für Sie, wenn Sie dauernd Glück gehabt haben, aber ich sage ja, wir sind heute total ausgebucht.«

Der Gast hebt die Stimme: »Jetzt passen Sie mal auf, vielleicht haben Sie nicht zugehört. Ich bin Herbert von Karajan, falls Sie das nicht wissen sollten, und ich möchte jetzt meine Suite!« Der Portier bedauert: »Ich habe trotzdem nichts frei.« Der Dirigent wird zornig: »Verstehen Sie schlecht? Ich bin Herbert von Karajan!«

Der Portier windet sich: »Das mag ja sein, aber selbst wenn Sie der Willy Millowitsch wären — ich hätte kein Zimmer für Sie!«

Es ist anzunehmen, dass dieser als Anekdote getarnte Witz irgendwann mit anderen passenden Namen wieder auftauchen wird.

Wie dieses Beispiel zünden viele Witze wie eine Rakete in drei Stufen. Die ersten beiden dienen nur dem Start, sie transportieren ihn ein Stück. Die dritte Stufe befördert ihn in die Umlaufbahn des Weitererzählens und entfaltet dann die Pointe. Nach diesem Modell wurden auch die meisten Tierwitze gebaut, die zu jeder Zeit beliebt blieben. Ihre Erfinder ließen sich möglicherweise davon anregen, dass in Adenauers Kabinetten so viele Tiernamen vorkamen: Strauß, Storch, Meerkatz, Würmeling.

Ein Zebra kommt in die Zivilisation und fragt ein Schaf: »Wer bist du denn?«

»Ich bin ein Schaf und gebe Wolle, damit die Menschen etwas anzuziehen haben.«

Es fragt eine Ziege: »Und wer bist du?«

»Ich bin eine Ziege, ich meckere manchmal ein bisschen, gebe aber vor allem Milch und Käse, damit die Menschen etwas zu essen haben.«

»Und wer bist du, Großer?«, fragt das Zebra einen Bullen. Der betrachtet das fremde Tier etwas hochmütig und antwortet: »Wenn du deinen Schlafanzug ausziehst, zeige ich dir, wer ich bin!«

Ähnlich konstruiert ist ein Witz, der mimische Beweglichkeit erfordert, wenn man ihn erzählt.

Ein Breitmaulfrosch fragt alle Tiere, die er trifft, was sie tun. Der Erzähler ahmt es breitmundig nach. »Wer bist du denn mit deinem dicken Pelz?« »Ich bin ein Schaf und spende Wolle.«

»Aha«, sagt der Frosch und kommt zu einer Kuh, die er breitmäulig fragt: »Und du, Dicke, mit deinem Gehänge?« »Ich bin eine Kuh und gebe Milch.« »Toll«, staunt der Breitmaulfrosch und sieht sich einem Tier mit weißem Körper und einem großen roten Schnabel gegenüber.

»Und wer bist du?«, fragt er zögerlich.

»Ich bin ein Storch, und ich warte auf Breitmaulfrösche, die ich fressen kann.«

»Och«, sagt der Frosch ganz spitzmundig: »Die gibt es hier, glaube ich, gar nicht!«

Mit der Technik der »Verschiebung«, dem Abweichen vom logischen Gedankengang, arbeitet das folgende Beispiel:

Ein Mann findet eines Morgens in seinem Garten einen Pinguin, der da etwas verloren herumsteht. Er streichelt ihn, füttert ihn mit zwei Heringen, die er noch im Kühlschrank hat. Er überlegt, was er mit dem Tier machen soll. Schließlich geht er zu einer Polizeiwache. Der Pinguin watschelt neben ihm her. Den Polizisten erzählt der Mann, wie er das Tier gefunden hat, er fragt: »Was soll ich denn jetzt mit ihm machen?«

Die Beamten sind zunächst ratlos, bis einem einfällt: »Gehen Sie doch damit zum Zoo!«

»Das ist eine gute Idee«, sagt der Mann und verlässt mit dem Tier die Wache.

Drei Tage später sieht einer der Polizisten den Mann mit dem Pinguin lesend an einer Litfaßsäule. Er geht zu ihm und sagt verwundert: »Sie haben den Pinguin ja immer noch.« Der Mann hebt resigniert die Hände: »Was soll ich denn machen?«

»Wir haben Ihnen doch geraten, Sie sollen zum Zoo gehen.« »Ach«, erwidert der Mann, »im Zoo waren wir inzwischen dreimal, heute wollen wir mal ins Kino!«

Witz hält immer dagegen. In Zeiten der Prüderie öffnet er Perspektiven, hat auch da Ventilfunktion. Darum blieb Sex immer ein zeitloses Thema, in allen Variationen, harmlos oft, aber dann auch unwitzig direkt. Bei den Filmfestspielen in Berlin bestaunten die Gäste Gina Lollobrigida und Sophia Loren. Man redete vom »Treffen der großen Vier«.

Gina Lollobrigidas Busen in >Fanfan der Husar< kam 1952 zu legendärem Ruhm. Die Amerikaner brüsteten sich mit Jane Mansfield und Marylin Monroe. Ganz ausgezogen durften sich Frauen ungestraft nicht zeigen. Als Hildegard Knef in dem Willy-Forst-Film >Die Sünderin< (1951) einem Maler Modell stand und man im Hintergrund der Szene für einen flüchtigen Augenblick den Ansatz ihres Busens sehen konnte, kam es zum Skandal.

Das Unterrichtsfach Sexualkunde popularisierte das Thema ungemein.

In der Schule soll ein Aufsatz über das Thema »Hektik« geschrieben werden. Ein Schüler gibt ein Blatt Papier ab, auf dem nur Zahlen stehen: »1, 2,3,17,18,19, 20,21,22« und eine »31«. »Was soll denn das«, fragt die Lehrerin, »was hat das mit Hektik zu tun?«

»Viel«, antwortet der Schüler und zeigt auf die ersten Zahlen: »Ich habe eins, zwei, drei Schwestern, 17,18 und 19 Jahre alt. Die erste kriegt am 20. ihre Tage, die zweite am 21. und die dritte am 22. Heute ist der 31., und noch nichts ist passiert. Was glauben Sie, was da für eine Hektik ist!«

Nach Norwegen verlagert wird die Geschichte von den beiden Soldaten einer Sondereinheit, die den Auftrag erhalten, vier Wochen auf Skiern durch eine Eismeerlandschaft zu wandern. Sie sollen sich anhand der Karte zurechtfinden, vergrabene Lebensmitteldepots suchen, sich tageweise aber auch nur von Baumrinde und geschmolzenem Schnee ernähren.

Als sie die Strapazen hinter sich gebracht haben und nach vier Wochen auf dem Rückmarsch die Silhouette ihrer Garnisonstadt vor sich sehen, stöhnt der eine: »Gott sei Dank, heute Abend sind wir zu Hause, Mensch, ist das ein Glück! Als Erstes werde ich mir eine Pfanne mit Bratkartoffeln und Spiegeleiern braten. Und du, was ist das Erste, was du machst, wenn du zu Hause bist?«

»Dumme Frage! Du weißt doch, ich bin jung verheiratet«, antwortet sein Leidensgefährte.

»Nun gut«, meint der erste, »und das Zweite? Was machst du als Zweites?«

»Das kann ich dir genau sagen: Nichts wie runter mit den Skiern!«

Die Großen kleiner zu machen, darum bemühten sich sogar Witze der frivolen Sorte.

Ein Amerikaner, ein Engländer und ein Schweizer sitzen zusammen und prahlen mit nationalen Errungenschaften. Der Angehörige der englischen Seefahrernation rühmt: »Wir bauen jetzt ein Unterseeboot, das kann ein Jahr unter Wasser bleiben, fährt völlig lautlos und vermag die Geschwindigkeit eines Jagdflugzeugs zu erreichen.«

»Und wir«, setzt der Amerikaner dagegen, »bauen jetzt einen Wolkenkratzer in Chicago, 450 Meter hoch und nur aus Glas, kein Stahl, kein Beton, ausschließlich Glas!« Der Schweizer reckt sich und versichert nach einigem Nachdenken: »So etwas Gewaltiges haben wir natürlich nicht zu bieten. Aber bei uns am Vierwaldstätter See, da lebt ein Knecht, wenn der einen guten Tag hat, können bei dem acht Raben nebeneinander darauf sitzen!«

Nach einer Zeit des ruhigen Trinkens setzt der Engländer wieder an: »Also, wenn ich mal ganz ehrlich bin, habe ich natürlich etwas übertrieben. Unser neues U-Boot ist zwar schneller als die alten, aber vom Flugzeug noch weit entfernt. Und ein Jahr lang kann es auch nicht unter Wasser bleiben.«

Da besinnt sich auch der Amerikaner, geht in sich und räumt ein: »Also, unser Wolkenkratzer sieht wirklich so aus, als bestünde er nur aus Glas. Aber natürlich wird er mit Stahl verstärkt, und ganz so hoch ist er auch nicht.« Beide sehen erwartungsvoll den Schweizer an. Der zieht bedächtig an seiner Pfeife und beginnt: »Also, wenn ich ganz ehrlich sein soll: Der achte Rabe sitzt nicht ganz kommod.«

Der Kinsey-Report über das sexuelle Verhalten der Frau erschien 1953, er wurde Antriebswelle für neue Witze. Kinsey war ein Verhaltensforscher aus Indiana, der 20 000 Amerikanerinnen nach ihrer Intimsphäre befragen ließ. Mit den Männern hatte er das schon 1948 versucht. Damals hatten die Deutschen aber noch andere Sorgen. Auch wenn Sexualität im Witz zu jeder Zeit ein Thema war. In Köln erzählte man seinerzeit den kürzesten Witz überhaupt:

Der Tünnes sagt zum Schäl: »Schäl, ich glaube, deine Frau betrügt uns!«

Und von Hamburg aus nahm folgender Scherz seinen Lauf:

Ein Matrose geht nach langer Seefahrt in ein Bordell. Nachdem er sich ausgezogen hat, entdeckt das Mädchen seiner Wahl auf dem Penis ihres Kunden eine tätowierte Inschrift. »Was heißt das«, fragt es erstaunt, »Rumbalotte?«

Der Seemann nimmt ihre Hand. »Wenn du mir ein bisschen hilfst, kannst du es genauer lesen. Es heißt Ruhm und Ehre der baltischen Ostseeflotte!<«

Wiederum in einer Hotelbar unterhalten sich vier Barhocker über einen alten Herrn, der im Hotel wohnt und noch große Erfolge bei den Damen haben soll. Die einen zweifeln, andere glauben fest daran.

»Ich werde ihn darauf ansprechen, wenn er gleich kommt«, entscheidet der Barkeeper.

Kurz darauf erscheint der alte Herr und bestellt einen Kognak. »Ganz unter uns, Chef«, beginnt der Barkeeper, »über Ihre Erlebnisse mit Frauen werden ja die fabelhaftesten Dinge erzählt. Jetzt mal Hand aufs Herz: Wann haben Sie denn zum letzten Mal etwas mit einer Frau gehabt?«

Der Herr überlegt und antwortet: »So neunzehnfünfundvierzig.« »Mein lieber Mann«, grinst der Barkeeper mitleidig, »das ist ja eine Ewigkeit her!«

»Wieso«, fragt der alte Herr, »wir haben doch erst zwanzigfünfzehn.«

Bei einem Ärztekongress verabschieden sich die Teilnehmer. Der Augenarzt ruft: »Auf Wiedersehen«, der Ohrenarzt: »Auf Wiederhören!«

Der Badearzt wünscht »bleib sauber«, und der Chirurg »Hals-und Beinbruch.«

Der Urologe sagt: »Tschüss, ich verpiss mich«, und der Gynäkologe: »Ich schau mal wieder rein.«

Die Wohnungsnot nahm in den fünfziger Jahren nur langsam ab. Auch das war ein Tatbestand, über den gewitzelt wurde.

Ein Mann erzählt, dass er sich eine Ziege gekauft habe, er wolle das Geld für die tägliche Milch sparen.

»Aber du hast doch gar keinen Stall«, wendet ein Kollege ein. »Ich bringe sie erst einmal im Schlafzimmer unter«, erklärt der Ziegenbesitzer.

»Aber denk doch an den Gestank«, sagt der Kollege. »Ach«, erwidert der Mann, »daran muss sich die Ziege gewöhnen!«

Aus den Schutthalden in den Städten wurden im Laufe der Zeit geordnete Trümmerbeete zwischen den vielen zunächst eingeschossigen Neubauten. Die Westdeutschen ließen sich einen neuen Wohlstand gefallen, der aber Fernsehen und Autos zunächst noch nicht einschloss. Sie schätzten es, »unpolitisch« und privat zu sein. In Dortmund wurde am 2. Februar 1952 das damals größte Veranstaltungszentrum Europas eingeweiht, die Westfalenhalle.

Die Älteren träumten von der guten alten Zeit, oder was sie dafür hielten. Sie fanden sie in den Abziehbildern der Monarchien, in Filmen mit Fürsten, Kaisern und anderen Edelleuten. Die Reportagen der Regenbogenpresse über die Krönung der englischen Königin 1952, die Hochzeit Gracia Patricias in Monaco oder die gefährdete Liebe zwischen Soraya und dem Schah von Persien wurden verschlungen.

Der Publizist Ernst Friedländer schrieb über die fünfziger Jahre in der Zeitschrift >Magnum<: »Der stärkste politische Consensus geht heute dahin, sich für Politik möglichst wenig zu interessieren. Die

Flucht ins Privatleben, die nach dem Exzess der Hitlerjahre verständlich sein mochte, ist bis auf weiteres zu einer lieben Gewohnheit geworden.«

Der Wiederaufbau in Deutschland, der nicht unbedingt Neuaufbau war, passte sich der Sehnsucht der Deutschen nach Konservativem an. Sie wollten am liebsten alles wieder so haben, wie es früher war. Wobei unbestimmt blieb, was mit »früher« gemeint war. Die Architektur der neuen Sachlichkeit wirkte ja auch ziemlich öde, Phantasie ging ihr nicht voraus. Der Witz suchte sich seine Opfer im Umfeld.

Ein Maurerpolier kommt zum Unternehmer und sagt: »Chef, wir müssen dem alten Bernsmann unbedingt mehr Geld geben, sonst haut der womöglich hier ab. Der arbeitet mit einem Tempo, das können Sie sich gar nicht vorstellen. Er ist ein richtiges Vorbild für alle anderen, aber er verdient zu wenig.« »Gut«, sagt der Chef, »das sehe ich mir an.« Er stellt sich hinter ein Baugerüst und beobachtet den alten Bernsmann bei der Arbeit.

Der kommt im Laufschritt über einen Brettersteg, bekleidet mit einem Kittel und einer Skimütze. Seine Schubkarre ist vollbeladen mit Ziegelsteinen. Er hastet damit zum Baugerüst, kippt die Karre um und rennt mit ihr wieder zurück.

»Donnerwetter«, staunt der Chef, »ich habe auf die Uhr gesehen, das ist ein Schnitt von 2,5 Minuten, die anderen brauchen runde vier.« Er beobachtet seinen Akkordarbeiter noch eine Weile, und als dessen Tempo nicht nachlässt, stellt er sich ihm schließlich in den Weg.

»Herr Bernsmann«, sagt der Chef, »eine Sekunde bitte! Ich habe Ihnen bei der Arbeit zugesehen und muss sagen, das ist ganz fabelhaft. Wenn Sie so weitermachen, werde ich Ihren Lohn um 50 Pfennig die Stunde erhöhen.«

Der alte Bernsmann blickt den Unternehmer missmutig an und sagt: »So, dafür habt Ihr Geld! Aber mir 'ne größere Schubkarre kaufen, dafür reicht's nicht, was?«

Das ist eine Art Gegenstück zu den Hennecke-Witzen in der DDR, die dort schon Ende der vierziger Jahre populär wurden. Adolf Hennecke wurde als »Held der Arbeit« gefeiert und sollte den Kollegen als leuchtendes Vorbild dienen. Die Spottdrossel aus der Ostzone sang:

Eine Henne begeht Selbstmord. Sie hinterlässt einen Abschiedsbrief, in dem steht: »Ich habe mich erhängt, weil ich mein Eiersoll nicht erfüllen konnte.«

Wenn man in totalitären Staaten Humor finden will, dann bei den Unterdrückten. Die Unterdrücker besitzen im Regelfall keinen. Pathos ist das Gegenteil von Humor. Der Sozialismus im »Arbeiterund Bauernstaat« produzierte unfreiwillige Witze. Zum Beispiel den Arbeiter, der ohne Geld mehr und länger schuftet. Auch der Held der Arbeit kam natürlich aus der Sowjetunion. Die Schweizer >Tat< ulkte am 12. Juli 1959:

»Unter den vielen Telegrammen, die im Kreml eintreffen und in denen versprochen wird, die Ziele des Siebenjahresplans schon in sechseinhalb, in sechs, in fünf Jahren, ja in vier Jahren zu erreichen, befand sich auch ein Telegramm aus dem Gefängnis von Orel. Darin versprachen die Unterzeichner — alles Leute, die kürzlich zu fünfzehn Jahren Gefängnis verurteilt worden waren —, ihre Strafen bereits in sieben Jahren abzusitzen.«

Obwohl alle Grenzen zu der Zeit noch sorgfältig kontrolliert wurden, stellte die Grenze durch Deutschland etwas Besonderes dar: eine Trennung der Welt. Hier standen sich die ehemaligen Verbündeten als kaum getarnte Feinde am »Eisernen Vorhang« gegenüber. Der dritte Weltkrieg auf deutschem Boden drohte. Er schien 1950 schon nahe zu sein, als General Mac Arthur im Koreakrieg China angreifen wollte.

Der politische Witz war die einzige Munition, mit der die Unzufriedenen in der DDR das Regime angreifen konnten.

Gute politische Witze gab es darum fast nur in der DDR. Wer aus dem Westen kam und erzählen wollte, worüber in Köln oder Mün-chen gelacht wurde, fand in Leipzig und anderswo kaum eine Resonanz. Witze ohne politischen Hintergrund wurden selten verstanden. Es war ja auch alles politisch, Privates ging darin auf, wurde mit verplant. Selbst der Film des »Weltfriedenspreisträgers« Chaplin, >Der große Diktator<, durfte in der DDR nicht aufgeführt werden. Die Machthaber fühlten sich getroffen.

Obwohl die Kommunisten auch als Partei im Bundestag saßen, fand der Sozialismus kommunistischer Prägung in der Bundesrepublik kaum ein Echo. Der Schweizer Journalist Fritz Rene Alleman schrieb 1953: »Damals fielen zwei Ereignisse zusammen, die ihm jede Chance versperrten: die Berliner Blockade und die Währungsreform. Die Blockade war der erste groß angelegte Angriff des Ostens auf die westlichen Positionen in Deutschland, der im deutschen Volk das Bewusstsein der Schicksalsgemeinschaft mit den Westmächten wachrufen musste. Und die wirtschaftliche Konsolidierung durch die Währungsreform trug das ihre dazu bei, die Energien des deutschen Volkes endgültig von hochgespannten politischen Reformhoffnungen wie von geistigen Abenteuern jeder Art abzulenken und sie in die Aufgaben des ökonomischen Aufbaus hineinzuleiten.«

Klaus Harpprecht urteilte zum Ende der fünfziger Jahre in >Christ und Welt<: »Deutschland darf auch einmal langweilig werden. Sein Maß an Aufregungen hat es in diesem Jahrhundert erfüllt.«

Die DDR hatte Fünfjahrespläne für ihre Wirtschaft eingeführt, der erste lief von 1951 bis 1955. Im Mai 1958 wurden endlich die Lebensmittelkarten abgeschafft, die im Westen bereits seit 1950 nicht mehr existierten. Es folgte aber eine schwere Versorgungskrise im ganzen Ostblock.

Ein Vers machte nach dem ersten »Sputnik« 1957 die Runde:

»Keine Butter, keine Sahne, doch auf dem Mond die rote Fahne!« Die DDR-Bürger sagten:

»Die russischen Weltraumpiloten sind wirklich Idioten. Sie fliegen um die Erde und landen ausgerechnet wieder in der Sowjetunion!«

Mangelwitze erreichten in der DDR ein beachtliches Format.

Zu einem Metzger kommt ein Mann und sagt: »Können Sie mir helfen? Meine Tochter heiratet in sechs Wochen, und da möchte ich den Gästen doch ein schönes Essen anbieten.« »Woran hatten Sie denn gedacht?« »An ein schönes Rinderfilet vielleicht.«

Der Metzger bedauert: »Rinderfilet wäre natürlich eine delikate Sache, aber da ist auch mit sechs Wochen Vorlauf nicht dranzukommen. Das geht alles für internationale Besucher und für Exporte weg.«

Der Mann überlegt: »Dann vielleicht ein Kalbsnierenbraten?« »Kalbsnierenbraten ist etwas Feines«, bestätigt der Metzger, »aber so was habe ich selber schon lange nicht mehr gesehen.« Der Mann denkt nach: »Wie wäre es denn mit Rouladen?« »Rouladen wären hervorragend«, antwortet der Metzger, »die könnte ich mir auch lecker vorstellen. Mit Gurkenstückchen, Zwiebeln und durchwachsenem Speck als Füllung. Aber die bekomme ich leider auch nicht, auf keinen Fall in den nächsten sechs Wochen!«

Der Kunde sagt: »Und wie ist es mit Gulasch? Richtig saftiges, gut gewürztes Gulasch!«

»Mit viel Sauce«, bestätigt der Metzger, »ich versteh schon, was Sie meinen. Aber Gulasch ist nicht zu haben.« »Oder einen Kalbsbraten?«

Der Metzger schüttelt den Kopf: »Kälber werden gar nicht mehr geschlachtet. Die haben noch nicht genug Fleisch, das vergessen Sie mal.«

Der Kunde hebt resignierend die Schultern und lässt sie wieder fallen. »Dann nehme ich eben einen einfachen Schweinebraten.«

»Nicht einmal den kann ich Ihnen versprechen«, sagt der Metzger bedauernd, »da müssten wir schon sehr viel Glück haben.«

Als der Mann den Laden traurig verlassen hat, sagt die Metzgersfrau: »Ist das nicht schlimm ? Da will einer seiner Tochter so rührend eine schöne Hochzeit ausrichten, und wir können ihm nicht dabei helfen. Findest du das nicht auch jammerschade?«

»Ja, natürlich«, bestätigt der Metzger, »aber sag mal: Hast du das mitgekriegt? Ein Gedächtnis hat der Mann!«

Ein Witz, der in allen Diktaturen erzählt wurde, hatte in der DDR folgenden Wortlaut:

Einem Mann ist der Papagei entflogen. Der Besitzer läuft sofort zur Stasi und versichert: »Ich möchte Ihnen nur mitteilen, dass ich die politischen Ansichten meines Papageis nicht teile.«

Papageien dürfen ungestraft das aussprechen, was der Erzähler eigentlich sagen möchte. Auch wir im Westen haben über einen Stasi-Witz gelacht:

In der Straßenbahn liest ein Musiker eine Partitur. Ein StasiMann hält das Notenblatt für Geheimschrift und nimmt den Musiker unter Spionageverdacht fest. Der Festgenommene erklärt immer wieder, das sei doch nur eine Fuge von Bach. Am nächsten Tag wird der Musiker einem höheren Beamten vorgeführt. Der schreit ihn an: »Also jetzt endlich raus mit der Sprache, Bach hat schon gestanden!«

Im Westen erfand damals jemand des deutschen Michel Nachtgebet: Und bitte, lieber Gott, lass mich nicht zu groß werden!

Es gab auch andere witzige Erfindungen, die aber ganz ernst genommen wurden. Der Proporz zum Beispiel. Proporz fordert eine spezielle Gerechtigkeit zwischen rechts und links, so dass Positionen immer ausgeglichen besetzt werden müssen. Ist der Chef bei der CDU, muss der Stellvertreter von der SPD kommen. Bundesgerichte und Rundfunkanstalten z.B. ordneten ihre Mitglieder streng nach dem Strickmuster: zwei links, zwei rechts. Die Regierung wurde auch nach Religionszugehörigkeit besetzt, Katholiken und Protestanten mussten »ausgewogen« darin vertreten sein.

Die katholische Kirche verurteilte in jenen Tagen noch die sogenannte »Mischehe«. So nannte man es, wenn bei der Trauung nicht beide Teile katholisch waren. Dass ein unterschiedliches Gebetbuch damals einer Ehe im Wege stand und bis zur Einschulung der Kinder in eine Konfessionsschule Schwierigkeiten bereitete, ist heute kaum noch vorstellbar.

In den Geschichtsbüchern über diese Zeit wird zu lesen sein, dass Stalin 1952 die Wiedervereinigung Deutschlands angeboten hat. Er tat es aber zu Bedingungen, die dem Westen unannehmbar erschienen, weil sie jede echte Souveränität ausschlossen. Trotzdem waren viele Deutsche der Meinung, man hätte darüber verhandeln müssen. Aber die deutsche Einheit war in diesen Jahren kein Thema, das den Bürgern im Westen besonders zu schaffen machte. Sie spürten, dass es wieder aufwärtsging, und das wollten sie erst einmal sichern und genießen. Ohne die Nachbarn im Osten.

Der Schriftsteller Ernst Krenek schrieb dazu in der Zeitschrift >Magnum<: »Wir, die wir Deutschland zwischen 1932 und 1950 nicht betreten hatten, fanden bei unserem ersten Nachkriegsbesuch seine Bewohner wesentlich verändert, und zwar sehr zu ihrem Vorteil. Aus der Zeit der Weimarer Republik ist uns als dominierende Stimmung eine Mischung von Angst, Misstrauen, Unsicherheit, Gereiztheit, Arroganz und Angriffslust in Erinnerung. Das war zu Beginn der fünfziger Jahre ganz anders. Inmitten ihrer grausigen Verwüstung waren die Deutschen höflich und freundlich und von im Allgemeinen erstaunlich guter Laune.«

Den alten Politik-Profi Konrad Adenauer beschäftigte jedoch die Frage sehr, wie viel Vertrauen man zu diesen Deutschen haben dürfe. Er wollte die Bundesrepublik zwar »wiederbewaffnen«, eine deutsche Armee aufbauen, aber doch so eingebunden in internationale Verträge, dass sie kein Unheil anrichten könne. Als der Plan einer »EVG«, einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, im französischen Parlament scheiterte, hielt er das für eine Katastrophe.

An unseren Universitäten wurde der Seufzer eines österreichischen k.u.k.-Feldmarschalls aktualisiert:

»So eine schöne Armee haben wir gehabt — die bunten Uniformen, die Musik, die blitzenden Waffen und die Kavallerie — welch eine Augenweide! Es war die schönste Armee der Welt! Und was hat man mit ihr gemacht? In den Krieg hat man sie geschickt!«

Adenauer setzte dann auf Europa, die EWG, die europäische Wirtschaftsgemeinschaft, und die NATO, der die Bundesrepublik im Oktober 1954 beitrat. Patriotische Töne kamen zu dieser Zeit eher von der SPD, von ihrem Vorsitzenden Kurt Schumacher, der Adenauer Ende 1949 einmal als »Kanzler der Alliierten« beschimpfte. Die SPD billigte Adenauers totale Hinwendung zum Westen nicht, sie wollte auch im Osten politisch aktiv werden. Solange Stalin lebte, konnte sie damit nicht viel Resonanz in der Bevölkerung finden. Aber auch Stalins Tod 1953 veränderte noch nicht die politische Lage. Im Witz der DDR wurde die Situation im Ostblock so aufgearbeitet:

Ein Anwalt wird zu fünfzehn Jahren Gefängnis verurteilt. Er hat den Generalsekretär Ulbricht einen Idioten genannt. Nach dem Urteil beruft sich der Anwalt auf das Strafgesetzbuch, das für solche Vergehen nur eine Gefängnisstrafe von zwei bis drei Monaten vorsieht. Daraufhin erklärt der Richter: »Wir haben Sie nicht verurteilt, weil Sie den Genossen Ulbricht beleidigt haben, sondern weil Sie ein Staatsgeheimnis verraten haben.«

Während 16 000 Flüchtlinge die DDR im August 1956 verließen (drei Jahre nach dem Juni-Aufstand 1953), lachte man im Westen immer noch über die ersten Neureichen:

Ein Studienrat sieht am Straßenrand einen Mann aus einem dicken Mercedes steigen, erkennt einen früheren Schüler und staunt: »Mensch, Meier, Ihnen scheint es ja gutzugehen, was machen Sie denn jetzt?«

»Ich bin Geschäftsmann geworden, Herr Studienrat.« »Geschäftsmann«, wiederholt der Pädagoge zweifelnd, »das hat doch mit Rechnen zu tun, und in Mathematik, wenn ich das so sagen darf, waren Sie ja nicht gerade eine Leuchte.«

Meier nickt. »Aber in meinem Geschäft ist das ganz einfach. Wissen Sie, ich kaufe Kisten, das Stück für eine Mark, und verkaufen tue ich sie das Stück für drei Mark, und von den zwei Prozent, da lebe ich!«

Umfragen und Zählungen kamen in Mode. Gallup in den USA kannte jeder. Allensbach in Deutschland mit Frau Nölle-Neumann, die man dann die »Bodenseherin« nannte, führte die Gallup-Me-thode in der Bundesrepublik ein. Statistiken lieferten Stoff für Witze.

Drei Jäger gehen in den Wald. Der erste hat das Gewehr. Der zweite hat den Rucksack. Was hat der dritte? Der dritte hat Karies. Jeder dritte in Deutschland hat Karies.

Eine Million Volkswagen waren nach dem Kriege bis 1955 produziert worden. Das Auto wuchs zu einem Symbol des Aufstiegs.

Wer sich noch kein Auto leisten konnte, wollte wenigstens eine Mini-Ausgabe motorisierten Fortschritts haben. Vespa und Lam-bretta wurden als »Motorroller« in Italien entworfen und hier beliebt. Die Firma Messerschmidt, vorher im Flugzeugbau tätig, stellte auf der Frankfurter Automobilausstellung 1953 einen Kabinenroller vor, der wie ein Kleinflugzeug ohne Flügel aussah. Er kostete 2 375,-- Mark und erreichte eine Geschwindigkeit von 75 Stundenkilometern.

»Haben Sie etwas, das Sie bewegt?« »Ja, ein Auto.«

»Ich mache alle vierzehn Tage Ölwechsel.« »Was für ein Auto fahren Sie denn?« »Ich verkaufe Pommes frites.«

Eine rein deutsche Autofirma war in Bremen entstanden: Borgward. Sie konnte sich aber trotz guter Qualität auf Dauer gegen die Großen nicht durchsetzen. Der Volkswagen überrollte alles. 1954 wurden gut 180 000 VW verkauft, 105 000 Opel, 51 600 Mercedes und 42 000 Borgward. Pro Jahr zählten die Statistiker rund 11 000 Verkehrstote. Es wurde unter den Anhängern des schwarzen Humors der Spruch erfunden:

»Augen auf im Verkehr! Helft, Menschenleben verhüten!«

Der Export von Autos belebte die deutsche Konjunktur.

Zwei Amerikanerinnen unterhalten sich: »Hör mal, ich habe einen von diesen komischen deutschen Volkswagen gekauft. Als ich ihn vorne aufgemacht habe, war da gar kein Motor drin.« Sagt die andere Frau: »Das macht nichts, da kann ich dir helfen. Ich habe nämlich in meinem VW hinten einen zur Reserve.«

Eine andere Automarke wurde zum Statussymbol.

»Sie fahren Mercedes?« »Das bin ich mir schuldig.« »Und woher haben Sie so viel Geld?« »Das bin ich meiner Bank schuldig.«

Die Prostituierte Rosemarie Nitribitt, die 1957 in Frankfurt ermordet wurde und deren Kundenliste einen Gesellschaftsskandal auslöste, fuhr einen Mercedes 190 SL. Der Volksmund nannte sie die »Frankfurter Allgemeine«.

Auch eine Nonne ist mit dem Auto unterwegs. Auf einer Landstraße geht ihr das Benzin aus. Sie marschiert zu Fuß zu einer kleinen Landtankstelle und fragt nach einem Kanister. »Diese Woche ist vielleicht was los«, klagt der Besitzer, »drei waren schon vor Ihnen da, und jetzt habe ich keinen Kanister mehr.« »Es kann ja auch ein anderer Behälter sein«, sagt die Nonne. Nach langem Suchen findet der Tankwart einen alten Nachttopf und füllt diesen voll Benzin.

Die Nonne wandert damit zu ihrem Auto zurück. Als sie versucht, das Benzin in den Tank zu schütten, hält ein Lastwagen neben ihr. Der Fahrer blickt staunend auf den gefüllten Nachttopf und sagt: »Ihren Glauben möchte ich haben!«

Gegen die sogenannten Dummenwitze stand eine Kollektion, die man vergleichsweise »Schlauenwitze« nennen könnte. Es waren fast immer jiddische Witze, die in den zwanziger Jahren entstanden und in der österreichischen Tradition der Schriftsteller und Spötter Polgar, Kraus, Torberg, Muliar aufbewahrt wurden.

Wer vom jüdischen Witz redet, muss unterscheiden, ob er Witze über Juden oder Witze von Juden meint. Witze über Juden gab es natürlich auch, sehr bösartige sogar. Sie versuchten auch für das unbegreiflich Böse wie den Holocaust Ventile zu schaffen, das Schlimme zu verniedlichen. Es handelt sich aber meistens nicht um wirkliche Witze, eher um Peinlichkeiten.

Ganz anders der jüdische oder jiddische Witz, der in der Unterdrückung wirklich weise und selbstironische Kunstformen entwickelte. Friedrich Torberg zitierte im >Monat< damals drei Beispiele:

In einer mährischen Judengemeinde gab es einen weithin bekannten Trauerredner, der zu allen Beerdigungen herangezogen wurde — sofern die Hinterbliebenen es sich leisten konnten. Denn billig war er nicht.

Wieder einmal hatte ein angesehenes Gemeindemitglied das Zeitliche gesegnet, und die Familie — die nicht gerade im Ruf der Freigebigkeit stand — erkundigte sich nach den Kosten eines würdigen Nekrologs.

»Je nachdem«, antwortete der Vielbegehrte. »Die große, wirklich erschütternde Grabrede, die ich nur bei außergewöhnlichen Anlässen halte, kommt entsprechend teuer. Aber sie ist ihr Geld wert. Alles weint — die Trauergäste — der Rabbiner — sogar die Sargträger —, was soll ich Ihnen sagen: Der ganze Friedhof ist in Tränen gebadet. Kostet 200 Gulden.« »200 Gulden? So viel können wir nicht ausgeben.« »Gut, dann nehmen Sie die zu 100. Immer noch sehr ergreifend. Ich garantiere Ihnen, dass sämtliche Trauergäste weinen, und vielleicht wird auch der Rebbe ein paarmal aufschnupfen.« »Darauf legen wir keinen Wert. Haben Sie nichts Billigeres?« »Hab ich. Zu 50 Gulden. Allerdings weinen da nur noch die nächsten Familienangehörigen.«

»Auch 50 Gulden für eine Trauerrede sind uns zu teuer. Gibt es keine andere?«

»Es gibt«, sagte der Trauerredner, ohne sich seine Ungeduld anmerken zu lassen, »noch eine zu 20 Gulden. Aber die hat bereits einen leicht humoristischen Einschlag.«

Im Speisewagen eines Schnellzuges wird ein Offizier an einen Tisch gewiesen, an dem bereits ein jüdischer Fahrgast sitzt. Der Offizier macht aus seinem Missvergnügen kein Hehl, ergeht sich in allerlei antisemitischen Sticheleien und deutet schließlich zum Fenster hinaus: »Sehen Sie, das ganze Land wurde von meinen Vorfahren urbar gemacht. Wir sind mit Speer und Armbrust hierhergekommen, Sie höchstens mit Zwiebeln.«

In diesem Augenblick tritt der Kellner an den Tisch, um den Hauptgang zu servieren; man hat die Wahl zwischen Rostbraten und Kalbfleisch. Der Offizier entscheidet sich für den Kalbsbraten, sein Gegenüber für den Rostbraten. »Mit Zwiebeln?«, fragt der Kellner.

»No na — mit Armbrust«, antwortet der jüdische Fahrgast.

In einer Wirtsstube sitzen ein paar Mitglieder aus verschiedenen Gemeinden beisammen und prahlen mit den Wundertaten ihrer Rabbiner. »Unser Rebbe ist der größte von allen!«, trumpft einer von ihnen auf. »Zu unserem Rebben kommt an jedem Schabbes Gott und redet mit ihm.«

»Das ist unmöglich«, widerspricht ein Skeptiker. »Wieso unmöglich? Der Rebbe hat es mir selber erzählt!« »Dann hat er eben gelogen.«

»Versündige dich nicht!«, lautet das souveräne Gegenargument. »Wird Gott reden mit einem Lügner?«

Aus dem Wien Arthur Schnitzlers und Sigmund Freuds ist diese Geschichte überliefert und in den fünfziger Jahren neu aufgelegt worden:

Ein reicher Kaufmann hat sein weiträumiges Grundstück mit einer hohen Mauer umzäunt. Der etwas extravagante Sohn nutzt das aus, indem er bei schönem Wetter immer nackt auf seinem Pony reitet. Es kann ihn ja keiner sehen. Eines Tages wird er nach dem Reiten in der Mittagshitze sehr müde, er legt sich ins Gras und schläft sofort ein. Das Pony kommt heran und beschnuppert ihn. Als es das auch an einem sehr empfindlichen Körperteil tut, wird der Junge wach und erschrickt. Verwirrt beißt das Pony zu.

Der Junge schreit wie am Spieß, Diener eilen herbei und holen einen Arzt.

Der lässt den Jungen auf einer Bahre wegtragen und weist an: »Bringen Sie den Patienten ins Krankenhaus und das Pony zu Professor Freud!«

Eine ähnlich schlaue Auskunft gab ein Bundestagsabgeordneter, der zu den wenigen Freunden und Vertrauten Konrad Adenauers gehörte: der Bankier Robert Pferdmenges. Er war ein wichtiger Berater des Kanzlers, hielt sich aber sehr zurück und meldete sich in keiner öffentlichen Debatte zu Wort.

Als Pferdmenges an einem Sonntagmorgen in seinem Abgeordneten-Büro noch etwas erledigt hatte, begegnet ihm auf dem Gang eine Schulklasse, die den Bundestag besichtigt. Der Fremdenführer ist glücklich, seiner Gruppe an einem freien Tag für die Parlamentarier doch einen Politiker präsentieren zu können. Er fragt Pferdmenges, ob er bereit sei, den jungen Gästen zwei oder drei Fragen zu beantworten. Der stimmt etwas widerwillig, aber doch freundlich zu. Den Kindern fallen zunächst keine Fragen ein. Endlich fragt eine Schülerin: »Wenn Sie zwölf Millionen hätten, was würden Sie dann tun?« Pferdmenges überlegt eine Weile. »Ich müsste mich etwas einschränken«, sagt er schließlich.

Auch dieses fast prophetische Beispiel stammt aus den fünfziger Jahren:

Dem deutschen Arbeiter geht es immer besser: Erst ging er zu Fuß, dann kam er mit dem Fahrrad. Danach fuhr er Moped. Nun hat er schon ein Auto — und bald wird er fliegen.

Das Letzte

Zwei Jäger treffen sich. Beide tot.

Telegramm an den Geschäftsfreund: »Die gerechte Sache hat gesiegt.«

Antworttelegramm: »Sofort Berufung einlegen!«

Der alternde Playboy sagt: »Lieber fünf vor zwölf als keine nach Mitternacht.«

»Ich habe immer auch eine leere Flasche im Kühlschrank.« »Warum denn das?«

»Es könnte ja mal einer kommen, der nichts trinken will.«

In New York sitzen zwei Kaufleute nebeneinander beim Friseur. Der eine seufzt tief.

Sagt der andere: »Wem erzählst du das!«