77756.fb2 Ganz Deutschland lacht!. 50 deutsche Jahre im Spiegel ihrer Witze - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 8

Ganz Deutschland lacht!. 50 deutsche Jahre im Spiegel ihrer Witze - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 8

Chris Howland.Prüdes - Prüde Menschen - Prüderie

Heutzutage haben junge Menschen keine Vorstellung davon, wie prüde unsere Eltern in den vierziger oder fünfziger Jahren waren. Wahrscheinlich haben wir alles gemacht, was die Menschen heute machen, aber es war weitaus schwieriger.

Wenn man damals in einem Hotel ein Doppelzimmer verlangte, mussten Mann und Frau ihre Pässe zeigen, und wenn sie nicht denselben Namen trugen - Pech gehabt! Das lag gar nicht am Hotel. Es konnte jeder wegen Kuppelei verklagt werden, der einem unverheirateten Paar ermöglichte, miteinander zu schlafen. Das galt auch für private Räume. Und es gab eine Sittenpolizei, die dafür Sorge trug, dass alle sich gut benahmen.

Das hielt die Menschen nicht auf, denn Sex kann man nicht stoppen, aber es machte alles komplizierter.

Anfang der fünfziger Jahre drehte Sidney Chaplin, der Sohn des berühmten Charlie, in Hamburg einen Film. Er hatte damals eine sehr berühmte Freundin und versuchte, in einem von Hamburgs internationalen Hotels ein Doppelzimmer zu buchen.

»Sind Sie verheiratet?«, fragte die strenge Empfangsdame. Sidney Chaplin schenkte ihr einen erstaunten Blick. »Spielt das eine Rolle?«, fragte er. »Hier spielt es eine Rolle«, entgegnete die Empfangsdame, »schließlich sind wir nicht in Amerika.«

Sie mussten sich mit zwei Einzelzimmern begnügen.

Ich kann die folgende Geschichte nicht belegen, aber ich halte sie für wahr. 1952 kam die amerikanische Filmschauspielerin Zsa Zsa Gabor nach Deutschland, um einen Film zu drehen. Sie reiste in Begleitung ihres langjährigen Partners, des Diplomaten Porfirio Rubi-rosa. Vier Wochen vor der Ankunft glich ihr Hotel in Darmstadt einem aufgeregten Bienenstock. Wände wurden eingerissen, Verbindungstüren eingebaut, neue Teppiche, neue Betten - die komplette Ausstattung für eine Königin und ihren Gemahl. Mit einer Ausnahme: Offiziell mussten Zsa Zsa und Rubirosa zwei Einzelzimmer beziehen. Der ganze Aufwand erfüllte drei Zwecke:

- dem Gesetz war entsprochen worden;

- die Unbescholtenheit des Hotels blieb gewahrt;

- und den beiden VIPs wurde die Peinlichkeit erspart, wie wir Normalsterblichen mitten in der Nacht Hotelflure auf und ab laufen zu müssen.

Doch die Prüderie erstreckte sich weit über Hotelzimmer hinaus.

Nehmen wir zum Beispiel Kondome. Heute kann man sie überall kaufen, sogar in verschiedenen Farben und Geschmacksrichtungen.

Damals flüsterte man auf den Apotheker ein, und wenn man zu jung aussah, wurde man gar nicht erst bedient.

Einer meiner Freunde hat jedes Mal über Stunden Mut aufgetankt, um in die Apotheke zu gehen. Und wenn er von einem Mann oder einer Frau mit strengem Gesichtsausdruck bedient wurde, verlor er seinen ganzen Mut und kaufte stattdessen Aspirin. Sein Sex-Entzug und die darauf folgende Enttäuschung lösten bei ihm schreckliche Kopfschmerzen aus. Sein einziger Trost bestand darin, dass er ein Zimmer voller Aspirin hatte, um die Kopfschmerzen loszuwerden.

Noch scheinheiliger konnten die Amerikaner sein. Ich erlebte das 1955 während eines Besuches in New York. Da war ich zu einer Petting-Party eingeladen.

Anfangs dachte ich, es handele sich um eine ganz normale Party, doch dann entdeckte ich, dass die jungen Leute ihre Eltern mitgebracht hatten. Nachdem alle am Gartengrill ihren Hunger gestillt hatten, saßen die Mamas und die Papas im Halbkreis auf der einen Seite, und die jungen Paare nahmen, ebenfalls im Halbkreis, auf der anderen Seite Platz. Bald darauf wurde es dunkel, und die einzige Lichtquelle war die ersterbende Holzkohlenglut des Grills.

Als junger Ehemann musste ich mich auf der Elternseite niederlassen und den ganzen Abend einem erheblichen Langweiler zuhören, der mir auseinandersetzte, dass Rasierklingen ewig halten würden, wenn man nur das Rostproblem lösen könnte. Meine Gedanken wa-ren ganz woanders, ich quälte meine Augen, um zu erkennen, was auf der stummen Seite des Kreises geschah.

Ich nehme einmal an, die jungen Leute dort taten alles bis zur Grenze dessen, was sie wirklich tun wollten. Ich hörte leises Stöhnen und Seufzen, aber das laute Geschnatter auf meiner Seite machte es schwierig, Einzelheiten zu unterscheiden.

Um Mitternacht wurde das Ende der Party verkündet, irgendwer schaltete das Licht ein. Und da sah ich sechzehn derangierte Teenager die Hosen zuknöpfen, Büstenhalter zurechtrücken, Kleider glatt streichen, Lippenstiftspuren abwischen u.s.w.

Mit Bangen wartete ich auf das große Donnerwetter, aber die Eltern waren glücklich, weil der Anstand bewahrt worden war. Die Prüderie hatte über das Laster gesiegt. Die jungen Leute kehrten über die Maßen frustriert heim, und ich hatte eine Menge nutzloser Informationen über Rasierklingen erhalten.

Deshalb mag ich den folgenden Witz nicht, der in den fünfziger Jahren die Runde machte:

Was sagen Mädchen nach einem »Quickie«?

Das australische Mädchen sagt: »Ich hoffe, du denkst nicht schlecht von mir.«

Das deutsche Mädchen sagt: »Das war großartig. Wohin gehen wir essen?«

Das englische Mädchen sagt: »Fühlst du dich jetzt besser, mein Lieber?«

Und das amerikanische Mädchen sagt: »Wie war noch mal dein Name?«

Das amerikanische Mädchen hätte das niemals gefragt. Nicht einmal vorher. Ich höre, die Leute hätten sich geändert - sie seien liberaler geworden. Das mag zutreffen, aber ihre prüden Vorstellungen von Sex haben sich nicht gewandelt. Ein typisches Beispiel ist Hollywood. Fast jeder amerikanische Film enthält eine oder mehrere heiße Liebesszenen, aber wenn man genau hinschaut, sieht man, dass die Schauspieler nie ihre Unterwäsche ausziehen. Wenn alle Amerikaner sich so verhalten, grenzt es an ein Wunder, dass es immer noch vierhundert Millionen von ihnen gibt.