77776.fb2 Kishons sch?nste Geschichten f?r Kinder - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 26

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Das Riesenbild

Der Tag begann wie jeder andere Tag. Aber zu Mittag hielt plötzlich ein Lastwagen vor unserem Haus. Ihm entstieg Morris, ein angeheirateter Onkel meiner Frau.

„Ihr seid umgezogen, hörte ich" sagte Onkel Morris. " Ich habe euch ein Ölbild für die neue Wohnung mitgebracht. " Und schon brachten zwei stämmige Träger das Geschenk angeschleppt. Wir waren tiefbewegt.

Das Gemälde bedeckte eine Fläche von vier Quadratmetern, hatte einen geschnitzten Goldrahmen und stellte die Geschichte des jüdischen Volkes dar. Rechts vorne erhob sich eine kleine Hütte. Sie war von viel Wasser und viel blauem Himmel umgeben. Oben prangte die Sonne in natürlicher Größe, unten weideten Kühe und Ziegen. Auf einem schmalen Fußpfad ging ein jüdischer Priester, ihm folgte eine Anzahl von seinen Schülern, ein Knabe kurz vor Erreichung des dreizehnten Lebensjahres, der sich für seine Bar-Mizwah vorbereitete. Im Hintergrund sah man eine Windmühle, eine Gruppe von Geigern, den Mond, eine Hochzeit und einige Mütter, die im Fluß ihre Wäsche wuschen. Auf der linken Seite öffnete sich die hohe See, komplett mit Segelbooten und Fischernetzen. Aus der Ferne grüßten Vögel und die Küste Amerikas. Noch nie in unserem ganzen Leben hatten wir eine solche Scheußlichkeit gesehen, noch dazu in quadratischem Format. Wahrhaft atembeklemmend, Onkel Morris", sagten wir. „Aber das ist ein viel zu vornehmes Geschenk für uns. " „Macht keine Geschichten", sagte Onkel Morris. „Ich bin ein alter Mann und kann meine Sammlung nicht mit ins Grab nehmen. " Als Onkel Morris gegangen war, saßen wir lange vor dem Schreckensbild und schwiegen. Es war, als fülle sich unsere bescheidene Wohnung bis zum Rand mit Ziegen, Wolken, Wasser und Priesterschülern. Wir forschten nach der Signatur des Malers, aber er hatte nicht unterzeichnet. Ich schlug vor, die quadratische Ungeheuerlichkeit zu verbrennen. Meine Gattin schüttelte traurig den Kopf. Onkel Morris würde uns eine solche Kränkung niemals verzeihen, meinte sie. Wir beschlossen, daß wenigstens niemand anderer das Grauen zu Gesicht bekommen sollte, schleppten das Bild auf den Balkon, drehten es mit der bemalten Seite zur Wand und ließen es stehen.

Dann vergaßen wir das Schreckensgemälde, das von hinten nicht einmal so schlecht aussah. Nach einiger Zeit begann eine Schlingpflanze es zu überwuchern. Manchmal des Nachts konnte es freilich passieren, daß meine Frau jäh aus ihrem Schlummer hochfuhr, kalten Schweiß auf der Stirn:

„Und wenn Onkel Morris zu Besuch kommt?" „Er kommt nicht", murmelte ich verschlafen. „Warum sollte er kommen?" Er kam doch. Bis ans Ende meiner Tage wird mir dieser Besuch im Gedächtnis bleiben. Wir saßen gerade beim Essen, als die Türglocke läutete. Ich öffnete. Onkel Morris stand draußen. Das Ölgemälde schlummerte auf dem Balkon, mit dem Gesicht zur Wand. „Wie geht es euch?" fragte der Onkel meiner Frau. Im ersten Schreck wollte ich mich durch die offene Tür davonschleichen und draußen im dichten Nebel verschwinden. Aber da erschien meine Frau. Bleich, aber gefaßt stand sie im Türrahmen und sagte:

„Bitte noch ein paar Sekunden, bis ich Ordnung gemacht habe! Ephraim, unterhalte dich so lange mit Onkel Morris. " Ich versperrte Onkel Morris unauffällig den Weg ins Nebenzimmer und verwickelte ihn in ein anregendes Gespräch. Von nebenan klangen verdächtige Geräusche, schwere Schritte und ein sonderbares Pumpern, als schleppe jemand eine Leiter hinter sich her. Dann ließ ein fürchterlicher Krach die Wände erzittern, und die Stimme der besten Ehefrau von allen erklang: „Ihr könnt hereinkommen. " Wir betraten das Nebenzimmer. Meine Frau lag erschöpft auf der Couch und atmete schwer. An der Wand hing, noch leise schaukelnd, Onkelchens Geschenk und verdunkelte das halbe Fenster. Es sah merkwürdig aus, denn es bedeckte noch zwei kleinere Gemälde und die Kuckucksuhr. Zum Glück waren an dieser Stelle Berge, die sich nun deutlich hervorwölbten. Onkel Morris war freudig überrascht. Nur den Platz, an dem wir es aufgehängt hatten, fand er ein wenig dunkel. Wir baten ihn, nächstens nicht unangemeldet zu kommen, damit wir uns auf seinen Besuch vorbereiten könnten.

„Papperlapapp", brummte Onkel Morris leutselig. „Für einen alten Mann wie mich braucht man keine Vorbereitungen. Ein Glas Tee, ein paar belegte Brote, etwas Gebäck - das ist alles... " Seit diesem Zwischenfall lebten wir in ständiger Bereitschaft. Von Zeit zu Zeit hielten wir überraschende Alarmübungen ab: Wir stellten uns schlafend - meine Frau rief plötzlich: „Morris!" Ich sprang mit einem Satz auf den Balkon - unterdessen fegte meine Frau alles von den

Wänden des Zimmers herunter - eine Notleiter lag griffbereit unterm Bett - und im Handumdrehen war alles hergerichtet. Nach einer Woche intensiven Übens bewältigten wir die ganze Arbeit vom Ausruf „Morris" über das aufgehängte Bild bis zur Verwischung sämtlicher Spuren in knapp zweieinhalb Minuten. An einem Samstag kündigte uns Onkel Morris nun seinen Besuch an. Da er erst am Nachmittag kommen wollte, hatten wir genügend Zeit zur Vorbereitung. Wir beschlossen, das Beste aus der Sache herauszuholen. Ich stellte rechts und links in schrägem Winkel zum Gemälde zwei Scheinwerfer auf, die ich mit rotem, grünem und gelbem Cellophanpapier verkleidete. Meine Frau besteckte den Goldrahmen mit erlesenen Blumen und Blüten. Und als wir dann noch das Scheinwerferlicht einschalteten, konnten wir feststellen, daß kein Grauen diesem hier gleichkäme. Pünktlich um fünf Uhr ging die Türglocke. Während meine Frau sich anschickte, Onkel Morris liebevoll zu empfangen, richtete ich den einen Scheinwerfer auf die weidenden Ziegen und den anderen auf die waschenden Mütter. Dann öffnete sich die Tür. Dr. Perlmutter, einer der wichtigsten Männer im Ministerium für Kultur, trat mit seiner Frau ein.

Dr. Perlmutter gehört zur geistigen Elite unseres Landes. Sein Geschmack ist geradezu sprichwörtlich. Seine Frau leitet eine bekannte Bildergalerie. Und diese beiden kamen jetzt herein. Einige Sekunden blieb alles still. Dann sah es aus, als würde Dr. Perlmutter in Ohnmacht fallen. Ich sagte fast tonlos: „Was für eine freudige Überraschung, bitte nehmen Sie Platz. " Dr. Perlmutter, immer noch leise schwankend, hatte seine Brille abgenommen und rieb an den Gläsern. Ich dachte mir: Die verdammten Blumen. Wenn wenigstens diese verdammten Blumen nicht auf dem gotischbarocken Goldrahmen wären. „Eine sehr hübsche Wohnung haben Sie", murmelte Frau Dr. Perlmutter. „Und so hübsche... hm... Gemälde... " Ich fühlte deutlich, wie die Schüler hinter meinem Rücken Tänze aufführten. Im übrigen vergingen die nächsten Minuten in angespannter Reglosigkeit. Die Augen unserer Gäste waren starr auf das Bild gerichtet. Schließlich gelang es meiner tapferen Frau, den einen der beiden Scheinwerfer auszuschalten. Dr. Perlmutter klagte über Kopfschmerzen und verlangte ein Glas Wasser. Als meine tapfere Frau mit dem Glas Wasser aus der Küche zurückkam, schmuggelte sie mir einen kleinen Zettel mit einer Nachricht zu. Der Text lautete: „Ephraim, mach was!" ,

Entschuldigen Sie, daß wir so plötzlich bei Ihnen eindringen", sagte Frau Dr. Perlmutter mit belegter Stimme. „Aber mein Mann wollte mit Ihnen über eine Vortragsreise sprechen. " „Ja?" jauchzte ich. „Wann?"

„Keine Eile", sagte Dr. Perlmutter und erhob sich. „Die Angelegenheit ist nicht mehr so dringend. "

Es war klar, daß ich jetzt mit einer Erklärung herausrücken mußte, sonst würden uns die Perlmutters und ihre Freunde auf ewig verstoßen. Meine kleine tapfere Frau kam mir zu Hilfe: „Sie wundern sich wahrscheinlich, wie dieses Bild hergekommen ist?" flüsterte sie. Beide Perlmutters, schon an der Türe, drehten sich um: „Ja?" In diesem Augenblick kam Onkel Morris. Wir stellten ihn unseren Gästen vor und bemerkten mit großer Freude, daß sie an ihm Gefallen fanden.

„Sie wollten uns etwas über dieses... hm... über dieses Ding erzählen", mahnte Frau Dr. Perlmutter meine Frau. „Ephraim", sagte diese. „Ephraim. Bitte. "

Ich ließ meinen Blick in die Runde wandern: vom verzweifelten Gesicht meiner Frau und den versteinerten Gesichtern der Perlmutters über die Kinder im Schatten der Windmühle bis zu dem stolzgeschwellt strahlenden Onkel Morris.

Es ist ein schönes Bild", brachte ich krächzend hervor. „Es hat Atmosphäre... einen meisterhaften Pinselstrich... viel Sonne... Wir haben es von unserem Onkel hier geschenkt bekommen. " , Sie sind Sammler?" fragte Frau Dr. Perlmutter. „Sie sammeln -" „Nein, solche Sachen nicht", unterbrach Onkel Morris sie und lächelte abwehrend. „Aber die Jugend von heute - seid nicht bös, wenn ich offen bin, Kinder -, die Jugend von heute bevorzugt solche monströsen Dinger. "

„Nicht unbedingt", sagte ich mit einer Stimme, deren plötzliche Härte und Entschlossenheit mich selbst überraschte. Aber jetzt gab es kein Halten mehr. Schon hatte ich die Schere in meinen Händen. „Wir haben auch für Bilder kleineren Formats etwas übrig", meinte ich noch. Dann setzte ich die Schere am linken Flußufer an. Dieses, drei Kühe und ein Stückchen Himmel waren das erste Opfer. Als nächstes schnitt ich den Kahn und zwei Geiger aus. Dann die Windmühle. Dann ging es durcheinander. Mit heiserem Gurgeln stürzte ich mich auf das Fischernetz und stülpte es über den Priester. Die waschenden Mütter mischten sich unter die Kinder. An der Küste Amerikas herrschte Mondfinsternis.

Als ich von meiner Arbeit aufsah, waren wir allein in der Wohnung. Gut so. Und eine Viertelstunde später besaßen wir zwei-unddreißig Bilder in handlichem Format. Wir werden bald eine Galerie im Zentrum der Stadt eröffnen.